Erläuterungen und Kernworte
V. 9-13. Manche von der Habsucht ergriffene Familienväter sind so darauf aus, für ihre Kinder Geld zusammenzuscharren, dass sie die armen Kinder Gottes berauben; aber die Hand des HERRN wird wider ihre jungen Löwen sein. (Nah. 2,12-14.) Sie reihen Haus an Haus und bringen einen Acker zum andern (Jes. 5,8); aber ihre Kinder werden als Bettler durchs Land streichen müssen und sich überall etwas suchen, fern vom Vaterhause, das in Trümmern liegt. Wie mancher geizige Maulwurf wühlt sich jetzt ein Haus in die Erde für seine Nachkommenschaft und lässt sich nicht träumen, was hernach kommen wird, dass Gott jene Kinder, um derentwillen der Vater so manche zu Bettlern gemacht hat, selber zu Bettlern machen wird! Das ist eine Abrechnung, an die der Herr Vater nicht glauben will; aber so wahr Gott gerecht ist, wird der Sohn es erleben. Wenn der Vater nun nur eine Stunde Urlaub bekäme aus dem Ort der Qual, um dies zu sehen, wie würde er seine Torheit verfluchen! Wahrlich, es würde seine Pein verdoppeln, wenn eine Mehrung derselben überhaupt möglich ist. So mäßiget euch denn, ihr, die ihr so unersättlich verschlinget, als könntet ihr ins Unendliche aufnehmen; ihr überladet euch ja den Magen, dass er sich schließlich durch schändliches Speien erleichtern muss! - Wie schnell wird ein irdisch gesinnter Mensch zum Betrüger, aus dem Betrüger zum Wucherer, aus dem Wucherer zum Bedrücker, aus dem Bedrücker zum Erpresser und Blutsauger. Sobald das Auge seinem Herzen eine Beute meldet, beauftragt das Herz die Hand: er muss die Beute haben. Sehen - begehren - nehmen ist bei ihm eins. Beachte nun die gebührende Belohnung. Durch Wucher hat er alles erlangt, so muss der Wucherer auch alles umgarnen und nehmen, was er hat. Er richtete seine Nachbarn zu Grunde; Fremde richten nun ihn zu Grunde. Wie oft hat die arme Witwe, haben die armen Waisen vor ihm um Erbarmen gefleht, geweint, geseufzt, aber keines gefunden! Er hat Gott gelehrt, wie er mit ihm handeln soll: niemand sei, der ihm Nachsicht erweise, V. 12. All sein Streben war darauf gerichtet, sich auf Erden einen Namen zu machen; dazu scharrte er Reichtum zusammen, baute er Häuser und vergrößerte seine Güter. Selbst darin werden seine Pläne durchkreuzt, denn schon im andern Glied wird sein Name vertilgt sein, V. 13. Thomas Adams 1614.
V. 12. Er habe niemand, der ihm Liebe erweise. Möge Gott in seiner Gerechtigkeit alle Herzen ihm entfremden, der so unsinnig unbarmherzig war. So tat niemand den Mund auf, um für Haman zu bitten (Esther 7). Und den Judas schüttelten die Priester ab: Was geht uns das an! Da siehe du zu! (Mt. 27,5.) John Trapp † 1669.
V. 15. Der HERR müsse sie nimmer aus den Augen lassen. Lafayette, der Freund und Verbündete Washingtons, war einst in einem französischen Gefängnis eingeschlossen. In die Tür seiner Zelle war ein kleines Loch eingeschnitten, gerade groß genug für ein Auge. An dieser Lücke war eine Wache aufgestellt, deren Aufgabe es war, den Gefangenen unverwandt im Auge zu behalten, bis bei der Ablösung ein anderer Posten die Stelle einnahm. Alles, was Lafayette sah, war das blinzelnde Auge, aber dieses war stets da; wann immer er aufschaute, begegnete er seinem Blick. Selbst in seinen Träumen war er sich dessen bewusst, dass es auf ihn starrte. "Es war entsetzlich", schreibt er, "vor diesem Auge gab es kein Entrinnen. Wenn ich mich niederlegte und wenn ich aufstand, während ich Speise zu mir nahm und während ich las, immer durchforschte mich dieses Auge." - Nach den Memoiren des Generals M. de Lafayette 1824.
V. 15-19.29. Strenge Gerechtigkeit erbitten alle diese Vers allerdings, aber auch nicht mehr. Musst du die Vergeltung nicht als gerecht anerkennen? Doch du sagst: "Gewiss sind diese Drohungen gerecht; aber warum bittet der Psalmist nicht, statt um Gerechtigkeit, um Gnade?" Die Antwort ist, dass er in seiner Eigenschaft als Fürst und Richter verpflichtet war, zu allererst auf Gerechtigkeit bedacht zu sein. Keine Regierung könnte auf der Grundlage der Vergebung allein bestehen; Gerechtigkeit muss allezeit vor Gnade gehen. Denke dir, unsere Regierung und die Volksvertretung würden nächstens ein Gesetz beschließen, die Diebe sollten hinfort, statt nach dem Recht ins Gefängnis gesteckt zu werden, mit lauter Güte behandelt und nur zur Erstattung der Hälfte dessen, was sie gestohlen, genötigt werden: was würden ehrliche Leute von einer solchen Gesetzgebung sagen? Die Diebe würden sich ohne Zweifel sehr höflich bedanken; aber die redlichen Leute würden sagen, Regierung und Parlament hätten ihre Aufgabe völlig verfehlt, und würden alles aufbieten, dass Minister und Abgeordnete so schnell als möglich gestürzt werden. Unsere Obrigkeit tut recht daran, dass sie vor allem danach trachtet, Gerechtigkeit und Wahrheit zu behaupten und zu befestigen; ebenso der Psalmdichter. R. A. Bertram 1867.
V. 16. Wenn schon der Mensch unter Gottes Verdammungsurteil fällt, der nicht gibt von dem, was sein ist, was soll aus dem werden, der nimmt, was des andern ist? Wenn ein unbarmherziges Gericht über den gehen wird, der nicht Barmherzigkeit getan hat (Jak. 2,13), wo will der erscheinen, der von Erpressung und Raub gelebt hat? - Siehe, wie dem Bedrücker der Armen alles und jedes genommen wird: seine Habe, V. 11; sein Name und Andenken, V. 13; alle Barmherzigkeit gegen ihn und die Seinen bei den Menschen, V. 12; alle Erhörung seiner Bitten im Himmel, V. 7; sein Amt, ja sein Leben, V. 8; und endlich (Ps. 69,29) die Seligkeit. Das ist eine schreckliche Rechnung der Addition und Subtraktion: Wenn die Gottlosen Sünde zu Sünde fügen, wird Gott Plagen hinzufügen; entziehen sie andern ihre Rechte, so wird Gott ihnen seine Gnade entziehen. Thomas Adams 1614.
V. 18. Die drei Bilder sind steigernd: Er hat sich in den Fluch gekleidet; er hat ihn eingetrunken wie Wasser (vergl. Hiob 15,16); er ist ihm bis auf Mark und Bein gedrungen, wie bis auf die Knochen eindringende Fettigkeit, die man einreibt. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Wir wollen die Anspielung auf das Fluchwasser 4. Mose 5,21-24 nicht übersehen. Dem ungetreuen Eheweib sollte das fluchbringende Wasser in die Eingeweide eindringen zu bitterem Weh. Ein ähnlicher Fluch kommt über den treulosen Judas, der das innige Verhältnis zu seinem Herrn schändlich gebrochen hat, und über Israel im Ganzen, das seinem Bundesgott untreu geworden ist, wie ein Weib, das ihrem Manne die Treue bricht. Andrew A. Bonar 1859.
V. 18.19. Als die Israeliten riefen: "Sein Blut komme über uns und über unsre Kinder" (Mt. 7,25), da zogen sie das Fluchgewand an, das sie seither beständig umtreibt. Es ist um ihre Lenden gegürtet, sie können es nicht abwerfen; der Fluch ist in sie eingegangen wie Wasser, und wie Öl in ihre Gebeine. Wie entsetzlich wird erst der Zustand derer sein, die den Sohn Gottes wiederum kreuzigen und für Spott halten! (Hebr. 6,6) Sam. Horsley † 1806.
V. 21. Hier kehret er sich wieder zu Gott und bittet für seine Sache, dass sie gefördert werde und obliege. Er spricht aber, seine Sache sei nicht sein, sondern Gottes selber. Denn das macht ein rüstig und freudig Herz vor Gott, zu bitten für sich wider die Gottlosen, wenn man gewiss ist, dass wir um Gottes Wort und Werk willen handeln und leiden, nicht uns selbst suchen. Darum spricht er: Tue an mir um deines Namens willen; das ist, du siehest ja, dass die Sache dich angehet: deinen Namen, dein Wort, deine Ehre preise ich, so lästern sie das alles. Lässest du mich, so verlässest du auch deinen Namen; aber das ist unmöglich. Martin Luther 1526.
Um deines Namens willen. Meine Feinde würden bald meine Freunde und Beschützer werden, wenn ich nur die Treue gegen dich fahren ließe; meine Weigerung, dir ungehorsam zu werden, ist mein ganzes Verbrechen in ihren Augen. Darum wird meine Sache deine Sache; es wird zu deiner Verherrlichung gereichen, wenn du es klar machst, dass du auf meiner Seite stehst. Sonst möchten die Gottlosen aus meinen Leiden Anlass nehmen, deinen heiligen Namen zu lästern, als hättest du nicht die Macht zu retten, oder als kümmertest du dich nicht um die, die unter Verzicht auf alle menschliche Hilfe ihre Zuversicht auf dich setzen. Jean Baptiste Massillon † 1742.
Deine Gnade ist köstlich. Einem wahrhaft gedemütigten, zerbrochenen Herzen ist die Gnade Gottes, aus der die Vergebung oder Errettung, oder welche Gabe es auch sei, kommt, viel köstlicher noch als diese Gaben an sich. Es ist köstlich, wenn einem dem Tode Anheimgegebenen das Leben geschenkt wird, denn das Leben ist süß, wie wir sagen; aber David, der geschmeckt hat, wie freundlich der HERR ist, sagt: Deine Gnade ist besser denn Leben (Ps. 63,4). Thomas Goodwin † 1679.
V. 21-25. Auf die Donner und Blitze folgt nun wie ein Tränenerguss tiefe wehmütige Klage. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
V. 21.22. Beachte, wie wunderschön er die beiderlei Gründe vereinigt, auf welche er seine Bitte stützt: Gottes kostbare Gnade und sein eigenes Elend. Schon menschliche Güte bewegt nichts schneller zum Helfen als das Elend derer, von welchen sie angefleht wird; wieviel mehr das beste und barmherzigste Wesen, unseren Gott. Wolfgang Musculus † 1563.
V. 22. Die Herzen der heiligen Männer Gottes sind nicht von Stein und Erz, dass die Gefühllosigkeit der Stoiker darin wohnt, sondern sie sind empfänglich für Schmerz, sind sogar in hohem Maße leidensfähig. Wolfgang Musculus † 1563.
V. 23. Wie die Heuschrecken. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, zu beobachten, wie die Schwärme der Flugheuschrecken auf und nieder geschleudert und im Kreise umhergewirbelt werden von den so veränderlichen Strömungen der Gebirgswinde. W. M. Thomson 1859.
V. 28. Fluchen sie, so segne Du. Bist du ein Gotteskind, so fürchte du ihre Flüche nicht. Die sind nur wie Platzpatronen in einem ungeladenen Gewehr, die wohl Lärm machen, aber keinen Schaden anrichten. Gottes Segen wird dich vor den Flüchen der Gottlosen bedecken wie ein Panzer. William Gurnall † 1679.
Des Menschen Flüche sind ohnmächtig, Gottes Segen allmächtig. Matthew Henry † 1714.
V. 31. Er steht dem Armen zur Rechten: erstens als Freund. Wie trostreich ist es, einen Freund zur Seite zu haben, wenn man in Not ist. Solch ein Freund ist Jesus. Aber er steht uns auch zur Seite als Bürge unserer Schuld, als unser Anwalt gegenüber dem Ankläger und als unser Erretter, dass er uns helfe von denen, die uns zum Tode helfen wollen. Joseph C. Philpot † 1869.
In einer der ältesten rabbinischen Auslegungen findet sich eine schöne Randbemerkung zu dieser Stelle. "Sooft ein Armer an deiner Tür steht, steht der Heilige, gelobt sei sein Name, zu seiner Rechten. Wenn du ihm ein Almosen gibst, so wisse, dass du von ihm Lohn empfangen wirst, der zu seiner Rechten steht." Alfred Edersheim 1876.
Homiletische Winke
V. 1.
Gottes Schweigen. Was es bedeuten mag, was es in sich schließt und wie wir versuchen dürfen, es zu brechen.
Gott, mein Ruhm. 1) Den allein ich rühme; 2) in dem allein ich mich rühme.
V. 2.
Die Verleumdung. Ihre Ursache: Gottlosigkeit und Bosheit. Ihre Mittel: Falschheit und Lügen. Ihre Häufigkeit: selbst Jesus und die treuesten Gottesmänner sind verlästert worden. Ihre Strafe. Unsere Zuflucht, wenn wir von ihr angegriffen werden: Gebet zu Gott.
V. 1-3.
1) Gott ist für die Gläubigen, wenn die Gottlosen wider sie sind, a) um der Gläubigen willen, b) um seiner selbst willen. 2) Die Gottlosen sind wider die Gläubigen, wenn Gott für sie ist, a) auf Hass gegen Gott, b) auf Hass gegen die Gläubigen.
V. 4.
Das Gebet die vortrefflichste Schutz- und Trutzwaffe.
Die Widersacher unseres Heilandes, und wozu er wider sie seine Zuflucht nahm. (Vergl. dazu auch Lk. 6,11.12.)
V. 4.5.
1) Davids Gesinnung und Verhalten gegen seine Feinde. a) Seine Gesinnung ist Liebe - Liebe für Hass; somit richten sich auch seine Verwünschungen mehr gegen ihre Sünde als gegen sie selbst. b) Sein Verhalten: Er vergalt Böses mit Gutem; er legte Fürbitte für sie ein. 2) Ihre Gesinnung und ihr Verhalten gegen ihn. a) Hass um Liebe. b) Böses um Gutes. George Rogers 1878.
V. 5.
Böses um Gutes. Das ist teuflisch. Machen sich aber nicht manche solcher Sünde schuldig gegen Eltern, gegen treue Warner, gegen die wahren Christen überhaupt und gegen Verkündiger des Evangeliums insbesondere, und vor allem gegen den HERRN selbst?
Wie ist dem Erlöser vergolten worden? Man zeige, was er verdient und was ihm zuteil wird von den verschiedenerlei Menschenkindern. Auch er fühlt die Lieblosigkeit der Undankbaren.
V. 6.
Es ist das Gesetz der Gleichvergeltung, Gottlose mit Gottlosen zu strafen. Christoph Starcke † 1744.
V. 7.
Wann kann Gebet zur Sünde werden? Die Antwort ergibt sich aus den Fragen, was man begehrt, wie man es begehrt, wer es begehrt und warum man es begehrt.
V. 8.
Die Sünde ist es vornehmlich, was das menschliche Leben verkürzt. Nach der Sintflut wurde die Lebensdauer des Menschengeschlechts beträchtlich geringer, alle Leidenschaften und die so häufig hauptsächlich durch die Habgier verursachten Sorgen verkürzen das Leben, und einige Sünden, wie Fleischeslust, Trunksucht usw., bewirken dies mit besonderer Stärke.
V. 20.21.
. 1) David überlässt seine Feinde Gottes Hand, V. 20. 2) Sich selber übergibt er den gleichen Händen, V. 21. George Rogers 1878.
V. 21.
Der Gläubige muss die Begründung seiner Bitten aus Gott selber schöpfen, aus seinem Namen und seiner Gnade. Die entgegengesetzte Gewohnheit, bei uns selber nach Stützgründen unserer Bitten zu suchen, ist zwar sehr verbreitet, führt aber nur zu Enttäuschungen.
V. 21b.
Die Tröstlichkeit der Gnade.
V. 22.
Die innerlichen Leiden des Gläubigen. Ihre Ursachen, ihre Wirkungen, der beste Trost in solchen Leiden und ihre volle Heilung.
V. 26.27.
1) Die Bitte. 2) Die gläubige Anrufung: HERR, mein Gott. 3) Die göttliche Eigenschaft, auf welche die Bitte sich stützt. 4) Der Beweggrund der Bitte, V. 27.
V. 28.
Das göttliche Gegenmittel gegen menschliches Übelwollen und die heitere Ruhe des angefochtenen Gläubigen, der sich auf jenes, Gottes Segen, verlässt (dein Knecht müsse sich freuen).
V. 29.
Ein Gebet Davids um Beschämung seiner Feinde: 1) Fürbitte um Beschämung durch Reue; 2) Weissagung von Beschämung durch Schande, wenn sie unbußfertig bleiben. George Rogers 1878.
Des Sünders letzter Rock.
V. 30.
Lob Gottes mit dem Munde. Es sollte persönlich (Ich), entschlossen (will), einsichtig (danken), reichlich (sehr) und herzlich sein. Es sollte andre anziehen, sich mit dem Lobe anderer vereinigen, andre anreizen, auch den HERRN zu loben, aber nie seine persönliche Art verlieren (Ich will ihn rühmen unter vielen).
V. 30.31.
1) David verspricht Gott, dass er ihn preisen wolle, V. 30. 2) Er verspricht sich selbst, dass er Ursache haben werde, Gott zu preisen,
V. 31.
1) Wem die Verheißung gilt: dem Armen. 2) Die Gefahr, welcher dieser ausgesetzt ist: Bedrohung seines Lebens. 3) Die Hilfe, die ihm zugesagt wird: göttliche, rechtzeitige, wirksame, vollkommene, ewige Hilfe.Statistik: Verfasst von Jörg — 23.02.2024 19:30
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