Taufe,Glaube und Kirchengeschichte

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Moderator: Jörg

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Hallo Till,
Terullian erwähnte als erster die Kindertaufe (nach meinem Wissen). Das ist also um 200 n Chr. herum gewesen. Was Terullian über die Taufe sagte, kann man nachlesen unter http://www.unifr.ch/bkv/kapitel89-17.htm, wobei das nicht alles sein muss, da ich diese Kirchenväter nicht so toll kenne.

Generell sehe ich die Ausführungen des Tertullian als kritisch an und halte mich daher lieber an das, was direkt geschrieben steht (und nicht an eingefärbte Bräuche).

In welchem Verhältnis steht bei dir diese "Wassertaufe" zum persönlichen Bekenntnis bzw. der persönlichen Bekehrung/Umkehr?

Martin



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Beitrag von Gast »

mh-ing hat geschrieben:Hallo Till,
Terullian erwähnte als erster die Kindertaufe (nach meinem Wissen). Das ist also um 200 n Chr. herum gewesen. Was Terullian über die Taufe sagte, kann man nachlesen unter http://www.unifr.ch/bkv/kapitel89-17.htm, wobei das nicht alles sein muss, da ich diese Kirchenväter nicht so toll kenne.

Generell sehe ich die Ausführungen des Tertullian als kritisch an und halte mich daher lieber an das, was direkt geschrieben steht (und nicht an eingefärbte Bräuche).
Gut, dann lassen wir Tertullian weg. Seine Opposition zur Kindertaufe ist sowieso etwas Anderes als die Opposition der Taeufer im 16ten Jahrhundert, die die Kindertaufe ja schlichtweg als vor Gott ungueltig erklaerten.

Bleiben wir - erst mal - bei der Schrift. Zuerstmal: ich weiss natuerlich auch, dass es in der Schrift kein explizites Beispiel einer Kindertaufe gibt. Noch eine explizite Anweisung Kinder zu taufen. Trotzdem glaube ich, dass das Taufen von Kindern glaeubiger Eltern - und NUR die - biblischer Lehre entspricht und wahrscheinlich auch apostolische Tradition ist.

Ich kann gerne darlegen, warum ich das denke. Aber wenn Euer Verstaendnis der Gewinnung von biblischen Dogemen etwa so ist: "Was nicht explizit in der Schrift erwaehnt wird, ist nicht biblisch", dann macht es natuerlich auch keinen Sinn, dass ich meine Ansichten hier darlege.
mh-ing hat geschrieben: In welchem Verhältnis steht bei dir diese "Wassertaufe" zum persönlichen Bekenntnis bzw. der persönlichen Bekehrung/Umkehr?
Grundsaetzlich basiert mein Verstaendnis der biblischen Lehre von der Taufe auf einer monergistischen Ansicht wie ein Mensch Christ wird. D.h. ich glaube, dass wenn ein Mensch zum Glauben an Jesus Christus kommt, dies ausschliesslich das Werk Gottes ist. Wer diese Sichtweise nicht teilt, fuer den wird auch mein Verstaendnis der Taufe keinen Sinn machen. Die Taufe gehoert fuer mich zu dem was Gott tut. Man kann auch sagen zum Evangelium und nicht zum Gesetz. In der Taufe wirkt Gott und nicht der Mensch.

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Ich möchte noch einen Link zur Taufe und Geschichte reinstellen http://www.all2know.com/de/wikipedia/t/ta/taufe.html
Joschie
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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Hallo Jörg
Bei alles was Luther getan hat ihn als Zeugen für die Kindertaufe zu nennen ist ungeeignet da Luther gerade in seinen frühen Schriften diese abgeleht hat siehe http://www.efg-hohenstaufenstr.de/downl ... 0Taufe.pdf
Gruß und Segen von Joschie
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Beitrag von Gast »

Johannes S. hat geschrieben:Na dann sind wir hier schon nicht auf einer Wellenlänge, da ich durchaus an die Bewahrung der Heiligen glaube.
Weiss ich doch.
Johannes S. hat geschrieben: Macht die Kindertaufe sonst keinen Sinn?
Doch! Aus bundestheologischen Ueberlegungen. Das betonen die Calvinisten sehr und sie haben darin recht. Allerdings gibt es fuer sie keinen zwingenden Grund zur Kindertaufe. Deswegen hat z. Bsp. der Sohn von Karl Barth seine Kinder nicht mehr getauft.

Wenn Du englisch liest und die presbyterianische Sicht kennenlernen moechtest empfehle ich Dir einen Artikel von Francis Schaeffer:

http://www.fivesolas.com/fs_bapt.htm

Francis Schaeffer ist sowieso immer zu empfehlen. Auch wenn er leider die Irrtuemer des Calvinismus vertrat. :wink:

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

tschillie scheibt
Doch! Aus bundestheologischen Ueberlegungen. Das betonen die Calvinisten sehr und sie haben darin recht. Allerdings gibt es fuer sie keinen zwingenden Grund zur Kindertaufe. Deswegen hat z. Bsp. der Sohn von Karl Barth seine Kinder nicht mehr getauft.
Leider ist Markus Barth auf halber Stecke stehen geblieben, nach dem er in seinem Buch"Die Taufe ein Sakrament?" die Kindertaufe ablehnt und dieses auch begründet, lässt er sich doch am Ende eine Hintertür offen für die Kindertaufe.
Gruß und Segen von Joschie
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Beitrag von Gast »

Joschie hat geschrieben: Leider ist Markus Barth auf halber Stecke stehen geblieben, nach dem er in seinem Buch"Die Taufe ein Sakrament?" die Kindertaufe ablehnt und dieses auch begründet, lässt er sich doch am Ende eine Hintertür offen für die Kindertaufe.
Aus Prof. Dr. Peter Wick, „Taufpraxis und Tauftheologie im Neuen Testament. Neue Argumente für eine alte Diskussion.“ :

Der Auftakt zur großen Säuglingstaufdebatte in der zweiten Hälfte des 20. Jh. war die
umfassende Habilitationsschrift „Die Taufe, ein Sakrament?“ von Markus Barth1. Sie erschien
im Jahre 1951. Markus Barth widmete sie seinem Vater Karl Barth. In dieser exegetisch
eindrücklichen Arbeit kommt Barth zu sehr negativen Ergebnissen sowohl für ein
sakramentales Taufverständnis als auch für die Säuglingstaufe. Karl Barth war gegenüber
seinem Sohn zuerst sehr kritisch eingestellt, übernahm aber dann diese Kritik und verlieh ihr
mit seiner 1967 veröffentlichen KD IV,4 ein großes dogmatisches Gewicht.
Die Position von Markus Barth wurde von manchen Neutestamentlern, wie Oscar
Cullmann, Joachim Jeremias, Gerhard Delling, Gerhard Barth und anderen, heftig kritisiert.
Werner Bieder und andere unterstützten die barthsche Position. Anfangs der achtziger Jahre
schwand das Interesse an dieser Frage, wahrscheinlich weil keine der beiden Positionen mit
ihren Argumenten für oder gegen die kirchliche Säuglingstaufe die anderen überzeugen konnten
.
Wenn berufenere Menschen als wir in dieser Frage keine Einigung erlangen konnten, sollte uns dass nicht demuetiger und toleranter machen gegenueber der anderen Position? Wir sollten akzeptieren, dass die Schrift eben nicht so klar und zweifelsfrei zu diesem Thema spricht wie oft behauptet.

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Joschie
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Puritaner

Beitrag von Joschie »

Hallo Ihr
Weiß einer von euch welche Taufverständnis die Puritaner hatten.Spurgeon ist ja klar aber wie sieht es mit Th.Watson,R.Sibbes, und J.Owen um nur einige zunennen aus.
Gruß und Segen von Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Re: Puritaner

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Joschie hat geschrieben:Hallo Ihr
Weiß einer von euch welche Taufverständnis die Puritaner hatten.Spurgeon ist ja klar aber wie sieht es mit Th.Watson,R.Sibbes, und J.Owen um nur einige zunennen aus.
Gruß und Segen von Joschie
Du wirst enttaeuscht sein! Knallharte Kindertaeufer. Ueberzeugt Bundestheologen. John Owen schrieb:

"The question is only concerning the children or infant seed of professing believers who are themselves baptized. And, — First, They by whom this is denied can produce no testimony of Scripture wherein their negation is formally or in terms included, nor any one asserting what is inconsistent with the affirmative; for it is weak beneath consideration to suppose that the requiring of the baptism of believers is inconsistent with that of their seed. But this is to be required of them who oppose infant baptism, that they produce such a testimony. Secondly, No instance can be given from the Old or New Testament since the days of Abraham, none from the approved practice of the primitive church, of any person or persons born of professing, believing parents, who were themselves made partakers of the initial seal of the covenant, being then in infancy and designed to be brought up in the knowledge of God, who were not made partakers with them of the same sign and seal of the covenant Thirdly, A spiritual privilege once granted by God unto any cannot be changed, disannulled, or abrogated, without an especial divine revocation of it, or the substitution of a greater privilege and mercy in the room of it; for,"


Uebersetzt in etwa: ein Ablehnen der Kindertaufe ist biblisch unhaltbar.

Raphael
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Beitrag von Raphael »

Hallo tschilli,
du schriebst:
Meines Wissens nach gibt es vor dem 16ten Jahrhundert niemand, der die KT als nicht apostolisch und nicht wirksam ablehnt.
Die Baptisten gibt es schon mindestens seit dem 12. Jhd. , wahrscheinlich sogar schon früher. Es sind Zeugnisse von katholischen Kardinälen und Bischöfen bekannt, die besagen, dass hätte die Kirche diese Gruppe nicht knallhart verfolgt sie schon viel früher (also vor dem 16. Jhd.) zu solcher Größe und Wichtigkeit gelangt wäre.
Du schriebst weiterhin:
Sie muessen zum Glauben kommen, keine Frage. Aber ist das nicht meistens eher ein unbewusster Prozess des Wachsens des Verstaendnisses?
Damit kann ich irgendwie nicht so richtig mitgehen. Ich denke eine klare Bekehrung (in Form eines Erlebnisses, wenn man es so nennen mag) ist mir wichtig. Wir finden es auch in der Bibel siehe z.B. den Kämmerer der Kandake oder Paulus oder Lydia. Ich erlebte es auch so und höre es oft so. Außerdem besteht ansonsten die Gefahr nie "klar Schiff" zu machen, sondern nur so "dahinzutümmpeln".
Könntest du den Text von John vielleicht mal übersetzen?
Herzliche Grüße

Raphael
Fürwahr, Gott ist mein Heil: ich bin voller Zuversicht und fürchte mich nicht! Denn Gott, der HERR, ist meine Stärke und mein Lobgesang, und er ist mir ein Retter geworden! - Jes 12, 2 (Menge)

Gast

Beitrag von Gast »

Raphael hat geschrieben:
Meines Wissens nach gibt es vor dem 16ten Jahrhundert niemand, der die KT als nicht apostolisch und nicht wirksam ablehnt.
Die Baptisten gibt es schon mindestens seit dem 12. Jhd. , wahrscheinlich sogar schon früher. Es sind Zeugnisse von katholischen Kardinälen und Bischöfen bekannt, die besagen, dass hätte die Kirche diese Gruppe nicht knallhart verfolgt sie schon viel früher (also vor dem 16. Jhd.) zu solcher Größe und Wichtigkeit gelangt wäre.
Es gab wohl ein paar Gruppen, die schon ab dem 12. Jahrhundert die Kindertaufe ablehnten, ja. Aber soviel ich weiss gibt es keine direkte, nachweisbare Verbindungen zwischen ihnen und den Taeufern des 16ten Jahrhunderts. Die Lehren sind wohl auch recht unterschiedlich.


Raphael hat geschrieben:
Sie muessen zum Glauben kommen, keine Frage. Aber ist das nicht meistens eher ein unbewusster Prozess des Wachsens des Verstaendnisses?
Damit kann ich irgendwie nicht so richtig mitgehen. Ich denke eine klare Bekehrung (in Form eines Erlebnisses, wenn man es so nennen mag) ist mir wichtig. Wir finden es auch in der Bibel siehe z.B. den Kämmerer der Kandake oder Paulus oder Lydia. Ich erlebte es auch so und höre es oft so. Außerdem besteht ansonsten die Gefahr nie "klar Schiff" zu machen, sondern nur so "dahinzutümmpeln".
Busse und Umkehr soll unser ganzes Leben praegen! Geben wir dem heiligen Geist entsprechenden Raum wird unsere Suendenerkenntnis bestaendig groesser werden. Ich halte die Ueberbetonung der Bekehrung sogar fuer schaedliche. Wie viele halten sich fuer Christen weil sie mal "eine Entscheidung getroffen haben".

"Klar Schiff" koennen wir jeden Tag machen. Eine andere Tradition der Kirche, die die calvinistische (Ueber-)Reformation entsorgt hat, koennte uns dabei helfen: die Beichte!

Daniel
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Beitrag von Daniel »

Zweitens gibt es eine Sache, die meines Erachtens mit dem oben Gesagten in einem gewissen Zusammenhang steht. Till, Du hast Karl Barth positiv erwähnt. Karl Barth hat nicht nur die Orthodoxie abgelehnt, sondern eine Theologie gelehrt, die man als Christ nicht akzeptieren kann, wenn man sie einmal durchschaut hat.

Der Keim für die Theologie Barths steckt aber vielleicht bereits in der Orthodoxie, und zwar genau dort wo es um die prophetischen Bibelstellen geht, die über die Zeit der Kirche hinausweisen, also um das oben gesagte.

Während die Orthodoxie im Großen und Ganzen versucht hat die Bibel wörtlich auszulegen, ist sie, was die alttestamentlichen an Israel gerichteten Prophezeiungen angeht, von diesem Prinzip abgewichen. Während die Orthodoxie betont hat, daß die in der Bibel beschriebenen Ereignisse sich in Raum und Zeit auch tatsächlich ereignet haben, war sie nicht bereit, mit den Bibelstellen, die von noch zukünftigen Ereignissen sprechen, dasselbe zu tun und sie als Beschreibungen noch tatsächlich stattfindender zukünftiger Ereignisse anzuerkennen. Sie beraubte diese Stellen ihres tatsächlichen, eigentlichen Aussagegehaltes, indem sie dieselben auf die Kirche umdeutete und nur noch eine auf die Kirche bezogene religiöse Wahrheit in diesen Stellen gelten ließ.

Dies hat zu Deutungen geführt, die oftmals mit dem wörtlichen Sinn der Bibelstellen so gut wie nichts mehr zu tun hatten; s. z.B. die Auslegung Luthers zu Jes. 2 oder 11, ebenso viele andere Stellen vor allem aus den alttestamentlichen Propheten und dem Buch der Offenbarung.

Aus dem Kind das mit der Otter spielt (Jes. 11, 8 Und der Säugling wird seine Lust haben am Loch der Otter und das entwöhnte Kind wird seine Hand stecken in die Höhle des Basilisken ) wird bei Luther der Prediger, der das Böse besiegt. Der tatsächliche Wahrheitsgehalt wird zugunsten eines nebulösen religiösen Wahrheitsgehaltes aufgegeben. Wörtlich schreibt Luther: „Dies zeigt die Kühnheit der kleinen Kinder an. Wiewohl dieses aber auch dem Buchstaben nach erfüllt ist [Wo denn?], wie wir in den Geschichten lesen [in welchen Geschichten?], daß die Väter die Schlangen zerrissen haben [von Schlangen zerreißen steht hier doch gar nichts! Und welche Väter haben Schlangen zerrissen?], will ich doch lieber der heimlichen Deutung [!] folgen, daß die Meinung diese sei: Ein Kind wird seine Lust daran haben, daß er die Otter aus ihrem Loche heraus ziehe, das ist, die Prediger des Worts, die in der Welt verachtete, schwache und einfältige Leute sind, werden den Teufel, der in den Herzen der Menschen wohnt, austreiben.“ (Walch II, Band VI, 237)

Tatsächlich spricht der ganze Abschnitt von einer noch zukünftigen Zeit, in der der Herr Jesus Christus sein Erbe über die Erde (vgl. Hebr. 1, 2 mit 2, 7 + 8; beachte insbesondere Vers 8 b vgl. dazu ebenfalls 1. Kor. 15, 25; aus beiden Versen ergibt sich, daß Christus sein Erbe noch nicht vollständig angetreten hat) angetreten haben wird und infolge dessen die Zustände auf Erden wiederhergestellt sein werden ähnlich wie sie im Paradies waren. Natürlich kann man das Beschriebene bildlich deuten, aber nicht in der Weise, daß das beschriebene Geschehen seines realen wörtlichen Sinnes beraubt wird. Luther degradiert den Text Jesajas an dieser Stelle zur reinen Allegorie.

In Sach. 9, 9 steht: „Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: gerecht und ein Retter ist er, demütig, und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Füllen, einem Jungen der Eselin.“

Wie hätten die Reformatoren diese Stelle wohl ausgelegt, hätte sie sich noch nicht wörtlich erfüllt, wie uns die Evangelisten Matthäus und Lukas mitteilen (s. Matth. Kap. 21 und Luk. Kap. 19 Verse 28ff.)?

Karl Barth hat diese Art der Schriftauslegung, die die Reformatoren hier auf die noch nicht erfüllten prophetischen Teile der Schrift angewendet haben letztlich auf die ganze Bibel übertragen. Er hat sich von einer wörtlichen Auslegung der Bibel ganz getrennt und nicht nur den alttestamentlichen Prophezeiungen ihren tatsächlichen Aussagegehalt im wörtlichen Sinne abgesprochen (was die Orthodoxie wie gerade beschrieben z. Teil bereits auch schon getan hat), sondern dasselbe auch mit vielen anderen Stellen der Schrift (auch des Neuen Testamentes) gemacht und zwar nicht nur mit Schriftstellen, die noch auf die Zukunft verweisen, sondern auch mit solchen, die über bereits geschehene Ereignisse berichten.

Das bereits stattgefundene oder noch zukünftige tatsächliche Geschehen war für Barth nur noch von untergeordneter Bedeutung und wurde von ihm nicht als wahr anerkannt. Die Wahrheit der Schrift war für ihn keine auf vergangenen oder noch zukünftigen tatsächlichen Ereignissen beruhende Wahrheit, sondern eine bloße religiöse Wahrheit. Ob Adam und Eva, Kain und Abel etc. wirkliche Menschen waren, die in Raum und Zeit gelebt haben, hatte für Barth keine wirkliche Bedeutung mehr. Entscheidend war allein der religiöse, über das beschriebene tatsächliche Geschehen hinausgehende Gehalt dieser Aussagen, also das was diese Aussagen im übertragenen Sinne für den Glauben des Einzelnen zu sagen haben, losgetrennt von ihrem im wörtlichen Sinne verstandenen tatsächlichen Wahrheitsgehalt. D.h. Barth hat den Aussagen der Bibel zwar einen wie auch immer aussehenden religiösen Wahrheitsgehalt zugebilligt, gleichzeitig aber die Wahrheit als tatsächliches in Raum und Zeit stattfindendes Ereignis geleugnet. Er wollte die Wahrheit des Wortes Gottes nur im übertragenen religiösen Sinne gelten lassen, nicht im tatsächlichen Sinne.

Der von Dir ebenfalls positiv erwähnte Francis Schaeffer (den ich auch sehr schätze), hat über die Theologie Karl Barths folgendes geschrieben:

„Karl Barth hielt bis an sein Lebensende an der auf die Bibel angewanden Literarkritik fest, die von den liberalen Theologen des 19. Jahrhunderts entwickelt worden war, und war folglich davon überzeugt, daß die Bibel viele Irrtümer enthielte. Aber er lehrte, daß trotzdem ein religiöses „Wort“ zu uns durchdringt. Dies war die theologische Spielart des Existentialismus und der Dichotomie [gemeint ist die durch Kierkegaard begründete vollständige Trennung von Rationalem und Irrationalem]. Die existentialistische Methodologie wurde auf die Theologie angewandt. Das bedeutete, daß nun auch die Theologie in den Bereich des Nicht-Rationalen gebracht worden war.

Mit dem Aufkommen der existentialistischen Methodologie entstand die neo-orthodoxe existentialistische Theologie [deren Begründer Barth war; Einfügung in eckigen Klammern von mir], die behauptet, daß die Bibel im Bereich der Vernunft zwar Fehler enthalte, aber trotzdem zu einer religiösen Erfahrung im Bereich des Nicht-Rationalen führen kann. Die neo-orthodoxen Theologen erwarten von der Bibel keine Wahrheit, die in verständlichen, klaren Sätzen dargelegt werden kann. Dies trifft vor allem auf Fragen zu, die den Kosmos und die Geschichte betreffen, also Fragen, die wissenschaftlich nachgeprüft werden können.“ (Francis Schaeffer, „Wie können wir denn leben – Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur“ S. 174).

Insofern kann ich Barth oder irgendeinen seiner Schüler, bzw. in seiner Tradition Stehenden, nicht als jemanden ansehen der in irgendeiner Weise berufener bzw. überhaupt dazu berufen wäre sich zu dem Thema Taufe oder irgendeinem anderen biblischen Thema, wegweisend zu äußern. Auch wenn er mit seinem mutigen Einstehen gegen den Nationalsozialismus und seiner Verwerfung des Liberalismus alter Schule vielen einen Weg gewiesen haben mag, der näher an der Wahrheit war, als das was, die Liberalen wie Harnack und dessen Jünger gelehrt haben, es war nur eine Teil- oder besser Scheinrückbesinnung. Der klare nüchterne Bibelglaube und das dürre Wort als schlichte tatsächliche (nicht nur kerygmatische) Wahrheit (bezogen also auf Ereignisse die so tatsächlich in Raum und Zeit mit Menschen aus Fleisch und Blut stattgefunden haben, bzw. noch stattfinden werden), so wie es die Reformatoren (bezogen auf den größten Teil der Bibel) gelehrt haben, war damit ganz verworfen. Barth war ein Irrlehrer, auch wenn seine Irrlehre im Vergleich mit den Liberalen der alten Schule von Vielen als eine Rückbesinnung, angesehen worden ist – in meinen Augen war es das nicht. Vielleicht war seine Lehre sogar noch schlimmer als die Irrlehre der Liberalen, weil sie letztlich die Gläubigen belog, während diese ja ganz offen und direkt die biblischen Wahrheiten leugneten. Viele Gläubige, besonders aus den pietistischen und täuferischen Kreisen haben sich dadurch täuschen lassen.

Ist jetzt ein wenig lang geworden und hoffentlich nicht zu kompliziert. Ich versuche es noch einmal mit wenigen Sätzen zusammenzufassen: Karl Barth erkennt in dem was die Schrift sagt eine religiöse Wahrheit aber keine Wahrheit stattgefundener bzw. noch stattfindender Ereignisse. Das reale Geschehen ist von der religiösen Wahrheit getrennt. Im Keim findet sich diese Lehre ansatzweise bereits bei den Reformatoren, wenn sie die Wahrheit der noch stattfindenden zukünftigen in der Bibel beschriebenen Ereignisse leugnen und durch Umdeutung dieser Stellen auf die Kirche lediglich eine durch Übertragung gewonnene religiöse Wahrheit gelten lassen wollen.

Das ist mein Vorbehalt, im Übrigen stimme ich aber dem was die lutherischen Reformatoren gelehrt haben zu und halte es für sehr wichtig, daß man nicht mutwillig davon abweicht. Niemand sonst hat in meinen Augen die zentralen Lehren vom Sündersein und der Erlösung reiner bewahrt als die lutherische Orthodoxie. Trotzdem ist es meiner Ansicht nach wichtig zu sehen, daß der Keim der modernen Theologie, die nichts mehr wörtlich als wahr stehen lassen möchte, bereits durch die Reformatoren gelegt ist. Die Umdeutung von Bibelstellen bis dahin, daß sich plötzlich ein ganz anderer Sinn ergibt, als durch den schlichten Wortlaut sich ergibt, nahm von dort seinen Ausgang. Und von dort ausgehend hat die Methode des Umdeuten und des Suchens nach dem übertragenen tieferen religiösen Sinn schließlich keinen Teil der Bibel mehr verschont. D.h. nicht, daß hinter vielen realen Ereignissen nicht auch ein tieferer Sinn steht, aber um diesen wirklich zu erfassen ist es Voraussetzung, das Geschehen selbst als tatsächlich so geschehen bzw. als ein noch zu geschehendes tatsächliches zukünftiges Ereignis anzunehmen und zu glauben. Der Christliche Glaube beruht auf Tatsachen, auf einem Handeln Gottes in Raum und Zeit und mit Menschen aus Fleisch und Blut nicht auf erfundenen religiösen Geschichten, aus denen sich dann höhere Wahrheiten ergeben.

Die Geschichten der Bibel beschreiben Ereignisse die so tatsächlich stattgefunden haben, die Prophetien sprechen von Ereignissen die so noch stattfinden werden. Sie werden sich so real in Zeit und Raum erfüllen, so real Jesus vor 2000 Jahren auf einem tatsächlichen Füllen einer Eselin in dem damaligen Jerusalem als König der Juden eingezogen ist.

Daß die Bibel manchmal auch in Bildern spricht, besonders in der Offenbarung ändert hieran nichts. Bilder sind als solche immer in der Bibel auch zu erkennen und als solche deutlich von der Beschreibung realer Ereignisse unterschieden. Verwendet der Autor eines Bibelbuches ein Bild, ist danach zu fragen für was dieses Bild steht. Es ist aber nicht möglich, die Beschreibung realer zukünftiger Ereignisse in nüchternen deutlichen Worten, einfach in Bilder umzuwandeln und so zu tun, als würde die Bibel hier durch Bilder sprechen, obwohl sie das gar nicht tut.

Es wäre ein Leichtes gewesen, Sach. 9, 9 als ein Bild anzusehen und entsprechend zu interpretieren. Der Text läßt aber überhaupt keinen Zweifel daran, daß hier ein reales, aus damaliger Sicht noch zukünftiges Geschehen beschrieben wird und dieses wird uns später durch die Geschichte so wie sie uns in den Berichten der Evangelisten gegeben ist, als genau so erfüllt bestätigt. Jesus ritt ganz real auf einem Eselsfüllen in die Stadt ein und zwar als König der Juden. Dann ist das auch so stehen zu lassen und alle weiter Deutung hat von der Realität dieses Ereignisses auszugehen. Wer hier versucht vorsätzlich und wider besseres Wissen ein Bild daraus zu konstruieren ist ein Irrlehrer, der nur in der Absicht handelt die Wahrheit des Wortes Gottes zu verkehren und die Schrift unklar zu machen.

Diesen Vorwurf müssen sich vom objektiven Tatbestand aus betrachtet hinsichtlich noch nicht stattgefundener in der Schrift beschriebener noch zukünftiger Ereignisse die Reformatoren machen lassen. Subjektiv gesehen sind sie gerechtfertigt, weil sie es nicht besser wussten. Wir haben, seit Darby und der im 19. Jahrhundert in England aufkommenden Brüderbewegung (die auch Fehler gemacht hat) diese subjektive Rechtfertigung aber nicht mehr.

Daniel

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Hallo Ihr
Ich habe einige Beiträge genommen um die Frage zu stellen in wie weit uns Kirchengeschichte oder Gemeindevergangenheit in unser Verständniss um Dinge(Taufe,Abendmahl usw.) und beim lesen der Bibel prägen.
Joschie
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