Ist "bibeltreu" nicht Etikettenschwindel?

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Moderator: Jörg

Gast

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Hallo Martin,

Die angemasste Machtposition des Bischofs zu Rom, die Transsubstationslehre und das Zwangszoelibat sind kirchengeschichtlich ganz klar als spaet, teilweise sehr spaet entstandene Lehren zu identifizieren. Die Praxis der Kindertaufe ist viel, viel frueher dokumentiert.

Ausserdem war fuer alle Reformatoren von Luther bis Calvin klar, dass Transsubstationslehre und die Position des Papstes der Schrift WIDERSPRECHEN. Waehrend genauso alle Reformatoren einig waren, dass die Kindertaufe der Schrift ENTSPRICHT.

Diese Meinung der Reformatoren muss niemand teilen, aber ein bischen Demut angesichts dieses Zeugnisses waere angebracht. Hey, diese Maenner, besonders Luther, haben ihr Leben in Gefahr gebracht um die Lehre und Praxis der Kirche zu reformieren. Glaubst Du wirklich sie haetten die Kindertaufe nicht auch mit entsorgt, wenn sie nicht wirklich ueberzeugt gewesen waeren, dass sie biblisch ist?

Gast

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Hallo Till,
die Kindertaufe wurde bei Tertullian ausdrücklich das erste Mal erwähnt. Wenn es das erste Mal wäre, wo Taufe beschrieben wäre, könnte deine Ansicht noch durchgehen. Tatsächlich finden wir aber etliche Beschreibungen von Taufen aus der Zeit davor und da ist in keinstem Fall eine Kindertaufe enthalten. Allein die Auflagen (Fasten) sind für Kinder unmöglich!! die Kindertaufe ist daher genauso wie das Papsttum, Marienanbetung ein Gut der Kirchengeschichte und nicht urchristlich.

Die Reformatoren haben ihren Platz und ihre Anerkennung, jedoch nicht alle Wahrheit. Wenn du so an deren Urteil fest hältst, musst du dir manch anderen Unsinn jener auch zurechnen lassen.
Die Reformatoren oder eine sonstwelche Mehrheit ist kein Indiz für Wahrheit, weil auch jene damals die Minderheit waren.

Bei der Suche nach der Wahrheit kommst du entweder zu der Position des Katholizismus (Tradition bestimmt Bibelauslegung und formt Lehre) oder zum Standpunkt des "Bibel allein" (oben bereits ja umrissen). Dazwischen gibt es keinen festen Halt und Standpunkt.

Martin

Gast

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mh-ing hat geschrieben: die Kindertaufe wurde bei Tertullian ausdrücklich das erste Mal erwähnt. Wenn es das erste Mal wäre, wo Taufe beschrieben wäre, könnte deine Ansicht noch durchgehen. Tatsächlich finden wir aber etliche Beschreibungen von Taufen aus der Zeit davor und da ist in keinstem Fall eine Kindertaufe enthalten. Allein die Auflagen (Fasten) sind für Kinder unmöglich!! die Kindertaufe ist daher genauso wie das Papsttum, Marienanbetung ein Gut der Kirchengeschichte und nicht urchristlich.
Die Kindertaufe wurde von Tertullian zuerst erwaehnt. Das ist richtig. Interessant ist aber was Tertullian NICHT schriebt. Und auch sonst niemand. Naemlich, dass die Taufe eine Neuerung sei und von der fruehsten Kirche nicht praktiziert wurde. Das waere doch - und das ist jetzt fuer Mephiboscheth - das argumentum baculinum gewesen um die aufkommende, neue Praxis der KT zu erledigen!

mh-ing hat geschrieben: Die Reformatoren haben ihren Platz und ihre Anerkennung, jedoch nicht alle Wahrheit. Wenn du so an deren Urteil fest hältst, musst du dir manch anderen Unsinn jener auch zurechnen lassen.
Die Reformatoren oder eine sonstwelche Mehrheit ist kein Indiz für Wahrheit, weil auch jene damals die Minderheit waren.
Ich habe zu Beginn dieser ganzen Diskussion gesagt, dass es - zumindest in der lutherischen Reformation! - fast nichts gibt, dass ich ablehne. Das einzige ist die uebergroesse Naehe zu den Fuersten und Machthabern und das Staatskirchentum. Welchen Unsinn siehst Du denn noch?

mh-ing hat geschrieben: Bei der Suche nach der Wahrheit kommst du entweder zu der Position des Katholizismus (Tradition bestimmt Bibelauslegung und formt Lehre) oder zum Standpunkt des "Bibel allein" (oben bereits ja umrissen). Dazwischen gibt es keinen festen Halt und Standpunkt.
Und doch schriebst Du selber:

mh-ing hat geschrieben: Mein Ansatz ist, dass ich primär nur das gelten lasse, was die Bibel beschreibt und ausdrücklich benennt. Zur Info ziehe ich hier sogar häufiger frühchristliche Zeugnisse hinzu. Dinge, die im Wesen und der Art nicht der Bibel widersprechen, Handlungen und Arten beinhalten, die das Wort nicht beschreibt, jedoch im Rahmen zulässt, habe ich damit kein Problem.
Ich bin ueberzeugt, dass die KT der Schrift nicht widerspricht, da a) der Glaube die Taufe nicht begruendet und b) die Schrift bezeugt, dass Kinder sehr wohl Glauben haben! Ja, sogar dass der Glaube der Kinder GEWISSER ist als der Glaube Erwachsener.

Wenn eine Taufe ohne Glauben nicht gueltig waere, duerfte NIEMAND getauft werden. Das ist das Problem, das ich mit der baptistischen Position habe. Ob sie Kinder taufen oder nicht ist mir egal. Aber ihre Lehre macht die Taufe zum Menschenwerk und ist damit ZUTIEFST unbiblisch. Da koennt ihr noch so oft betonen, dass eure Praxis genau dem biblischen Zeugnis entspricht. Tut sie oberflaechlich, ja. Aber die baptistische Lehre vom Wesen der Taufe widerspricht der Schrift!
Zuletzt geändert von Gast am 02.06.2008 10:51, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

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Hallo,
@tschill, martin: wäre gut, das Thema Taufe an Ort u. Stelle weiterzudiskutieren.
@alle:
was heißt schon "sola scriptura" ? Für mich ist es das Vertrauen in Gottes Absicht, uns mit seinem Wort alles was wir brauchen und wissen müssen, um Jünger zu sein, mitzuteilen. Die Schrift ist es also, die "ein Licht auf meinem Wege ist". Da ist zunächst kein Platz für irgenwelche -ismen. Diese entstehen vorwiegend durch Auslegungen, also das, was ein Christ meint, aus der Schrift zu erkennen. Hier ist ehrlicherweise der Heilige Geist mal mehr, mal weniger im Spiel. "Bibeltreu" ist nett gemeint (der Bibel die Treue zu halten), aber inflationär gebraucht. Analog Joseph Beuys sprechen wir doch nicht alle "Jeder Christ ist ein Bibeltreuer", sondern "Wir (reformierte, Brüder,...- weil wir ja schon nicht "Ich" sagen wollen) sind "Bibeltreu", egal, ob die jeweiligen Positionen zu anderen "bibeltreuen" diametral sein mögen. Das schrieb Martin bereits oben.
Die Tücke liegt m.E. daran, daß die Begriffe "bibeltreu" oder "sola scriptura" derart schwammig sind oder das, was gestern "bibeltreu" war, morgen schon obsolet sein kann, daß man ganz auf solche Begriffe verzichten kann. Deswegen mag ich auch den Begriff "Reformatorisch" nicht, weil ich gar nicht weiß, was ich darunter verstehen soll. Oft wird dann das "sola"-Prinzip angeführt. Aber wie o.a. beißt sich der Hund auch da in den Schwanz, denn was soll das "sola", wenn sich der Kinderbesprenger darauf ebenso beruft, wie der Glaubenstäufer, der TULIPer genauso vehement wie der Nicht-TULIPer? Ein jeder sei sich seiner Meinung gewiss. D.h. ich bete jeden Tag um nötige Korrektur in Lehrfragen und v.a. "Herzensfragen", in denen ich noch Augensalbe brauche. Bis dahin handele ich nach meiner Erkenntnis, die mir von Oben bislang gewährt wurde. Dann aber macht es keinen Sinn, die eigene Meinung als Bibeltreu zu deklarieren, sondern nur, demütig zu bekennen, das unser Wissen stückhaft ist und wir bekennen, daß nicht WIR der Bibel die Treue halten sondern der lebendige GOTT in seiner unermeßlichen Güte UNS bis heute die Treue gehalten hat.
M.

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Joschie
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Beitrag von Joschie »

Mephiboscheth
@tschill, martin: wäre gut, das Thema Taufe an Ort u. Stelle weiterzudiskutieren.
Das sehe ich genau so,darum bitte ich bei denn Beiträgen beim Thema zu bleiben.
Gruß und Segen von Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Gast

Beitrag von Gast »

Joschie hat geschrieben:Mephiboscheth
@tschill, martin: wäre gut, das Thema Taufe an Ort u. Stelle weiterzudiskutieren.
Das sehe ich genau so,darum bitte ich bei denn Beiträgen beim Thema zu bleiben.
Gruß und Segen von Joschie
Ich sehe das nicht so! Ich faende es besser, die Threads einfach laufen zu lassen. In welche Richtung auch immer die Dynamik der Diskussion sie fuehrt. Ich weiss, dass so die Threads unuebersichtlicher werden, aber meiner Meinung nach ist es besser man laesst der Spontanitaet Raum.

Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Till,
das mit der Taufe ist ein anderer Schauplatz, es sollte hier nur zur Verdeutlichung dienen, nicht um diese Diskussion jetzt hier zu führen (es sind ja noch mehr Punkte genannt).
Beachten wir doch bezüglich der Diskussion unsere Situation:

1. 2000 Jahre Kirchengeschichte hat einen unglaublich großen Berg an Irrlehren, Irrtümer, jedoch auch guten und bewährten Erkenntnissen gebracht.
2. 2000 Jahre Kirchengeschichte haben Lehransichten geprägt, die teils völlig unbiblisch waren und sind, jedoch die Mehrheit der sogenannten Christen daran orientierten. Einen Teil der Irrtümer haben die Reformatoren bereits deutlich gemacht, vieles wurde aber auch damals nicht korrigiert.
3. Woran orientieren wir uns also, wenn wir die biblische Wahrheit finden wollen? Pflücken wir uns angenehme, unserer Belehrung und Prägung entsprechende "Wahrheiten" heraus oder gibt es einen Prüfmaßstab, der richtig, falsch und tolerabel trennt?
4. Gehe ich nun her und versuche die aktuellen Praktiken zu begründen oder versuche ich aus der Bibel und den frühchristlichen Schriften das damalige Verständnis zu finden. Das sind 2 völlig widersprüchliche Ansätze. Begründen kann man letztlich alles irgend wie. Widerlegen geht noch schwieriger, da ja die Bibel viele Irrlehren damals nicht kannte und daher bestenfalls indirekt oder in Analogien diese kritisierte. Daher ist der "Begründungsansatz" immer sehr kritisch zu sehen, weil er letztlich nur auf eine "biblische" Rechtfertigung überkommener Traditionen hinarbeitet.
5. Bei meinem Ansatz, nur die Bibel in direkter Aussage zu verwenden, suche ich deutliche und eindeutige Aussagen. Zudem sehe ich nach, was denn in den ganz frühen Schriften der Kirchenväter dazu steht, um nicht etwas aus unserer Sicht hineinzulegen, was es damals nicht gab. Damit kann man einen Großteil der Fragen klären und abarbeiten. Dann bleiben noch Punkte über, die man einfach nicht direkt, sonder nur über die Frage, ob es noch verträglich oder möglich ist, klären kann. Hier ist Raum für Tradition usw. Aus dieser auf die Urgemeinde bezogenen Klärung kann ich dann erst dazu kommen, die jetzigen Praktiken zu beurteilen, zu behalten, zu verändern oder zu lassen.

Daher verwerfe ich weder die Reformatoren, noch wertvolle Inhalte der Tradition, sondern ich tue das, was ich als Christ immer tun muss: Alles am Wort prüfen und jenen Maßstab anlegen. Ich stelle mich daher weder über noch unter irgendwelche Personen, sondern suche auf diesem Weg in diesem heutigem Lehrchaos klar zu kommen.
M.E. sind viele andere auch schon diesen Weg gegangen, jedoch haben sie ihn meist nur inkonsequent umgesetzt und viele alte Teile behalten (Luther wie auch Darby und andere.)

Martin

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