Die Institutio in einem Jahr lesen

Nur für Gläubige, die die fünf Punkte des Arminianismus ablehnen

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Der Pilgrim
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IV,14,22

Was nun unsere (heutigen) Sakramente betrifft, so bieten sie uns Christus um so klarer dar, als er ja den Menschen auch näher offenbart ist, seitdem er vom Vater in Wahrheit so dargezeigt worden ist, wie er verheißen war. Denn die Taufe bezeugt uns, daß wir gereinigt und abgewaschen sind, und das Heilige Abendmahl, daß wir erlöst sind. Im Wasser wird die Abwaschung bildlich dargestellt, im Blute die Genugtuung. Dies beides findet man in Christus, der, wie Johannes sagt, gekommen ist „mit Wasser und Blut“ (1. Joh. 5,6), das heißt: der gekommen ist, um zu reinigen und zu erlösen. Dafür ist auch der Geist Gottes Zeuge. Ja, es sind drei, die es zusammen bezeugen, das Wasser, das Blut und der Geist (1. Joh. 5,7f.). Im Wasser und im Blute haben wir das Zeugnis unserer Reinigung und unserer Erlösung, der Geist aber gibt uns als der oberste Zeuge die Gewißheit des Glaubens an solches Zeugnis. Dies erhabene Geheimnis ist uns herrlich (in jenem Geschehnis) am Kreuze Christi vor Augen gestellt, als Wasser und Blut aus seiner heiligen Seite flossen (Joh. 19,34), die Augustin aus diesem Grunde auch mit Recht den Brunnquell unserer Sakramente genannt hat (Predigten zum Johannesevangelium 120,2; zu Psalm 40,10; zu Psalm 126,7; zu Psalm 138,2; Predigt 5,3). Von diesen unseren Sakramenten aber müssen wir noch ein wenig ausführlicher sprechen. Daß sich hier auch die Gnade des Geistes reichlicher bezeugt (als bei den alten Sakramenten), das ist, wenn man Zeit mit Zeit vergleicht, keinem Zweifel unterworfen. Denn das gehört zur Herrlichkeit des Reiches Christi, wie wir es aus vielen Stellen, insbesondere aus dem siebenten Kapitel des Evangeliums Johannis entnehmen (Joh. 7,38f.). In diesem Sinne muß man auch das Wort des Paulus verstehen, unter dem Gesetz hätten „Schatten“ bestanden, in Christus dagegen sei der. „Körper“ (Kol. 2,17). Er hat an dieser Stelle nicht die Absicht, die Zeugnisse der Gnade, mit denen sich Gott vorzeiten den Vätern gegenüber als der Wahrhaftige erweisen wollte, genau wie heute uns gegenüber in der Taufe und im Heiligen Abendmahl, ihrer Wirkung zu entledigen, sondern er will im Wege des Vergleichs das rühmen, was uns gegeben ist, damit sich niemand darüber verwundert, daß durch Christi Kommen die Zeremonien des Gesetzes abgeschafft sind.



IV,14,23

Die scholastische Lehrmeinung aber – um auch die noch im Vorbeigehen zu berühren –, nach der zwischen den Sakramenten des „alten“ und denen des „neuen Gesetzes“ ein so großer Unterschied bestehen soll, als ob jene die Gnade Gottes bloß angedeutet hätten, diese sie dagegen als gegenwärtig darböten, ist voll und ganz zu verwerfen. Denn wenn Paulus lehrt, die Väter hätten mit uns die gleiche geistliche Speise gegessen, und wenn er erläuternd erklärt, diese Speise sei Christus (1. Kor. 10,5), so spricht er von dem Sakrament des Alten Bundes ebenso machtvoll wie von den heutigen. Wer wollte es auch wagen, jenes Zeichen für inhaltlos zu erklären, das doch den Juden die wahre Gemeinschaft mit Christus darbot? Auch streitet der Stand der Erörterung, die Paulus an dieser Stelle führt, völlig klar für uns. Denn Paulus will verhindern, daß es jemand im Vertrauen auf eine wesenlose Erkenntnis Christi, auf den leeren Namen des Christentums und auf die äußerlichen Zeichen wagt, Gottes Urteil zu verachten. Dazu bringe er die Beweise göttlicher Strenge vor, die sich an den Juden sehen lassen: wir sollen eben wissen, daß die gleichen Strafen, die sie haben über sich ergehen lassen müssen, auch uns drohen, wenn wir uns den gleichen Lastern hingeben. Damit nun aber der Vergleich paßte, mußte er zeigen, daß hinsichtlich der Güter, deren wir uns nach seiner Weisung nicht fälschlich rühmen sollen, zwischen uns und den Juden keine Ungleichartigkeit besteht. Daher erklärt er zunächst, daß sie uns in den Sakramenten gleich sind, und läßt uns nicht ein Stückchen eines Vorrechts übrig, das uns etwa zu der Hoffnung Mut machen könnte, wir würden (im Falle solcher Verachtung des Gerichts Gottes) ungestraft bleiben. Auch dürfen wir ja unserer Taufe nicht mehr zuschreiben, als Paulus an anderer Stelle der Beschneidung beigelegt hat, indem er sie ein „Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens“ nennt (Röm. 4,11). Alles also, was uns heute in den Sakramenten dargeboten wird, das empfingen vorzeiten die Juden in den ihrigen, nämlich Christus mit seinen geistlichen Reichtümern. Die Kraft, die unsere Sakramente haben, die empfanden sie auch in den ihrigen, nämlich, daß sie ihnen als Siegel des göttlichen Wohlwollens gegen sie dienten, zur Hoffnung auf die ewige Seligkeit. Wären die Scholastiker geschickte Ausleger des Briefes an die Hebräer gewesen, so wären sie nicht dermaßen in Wahngebilde verfallen; tatsächlich aber haben sie nun in diesem Brief gelesen, mit den Zeremonien des Gesetzes seien die Sünden nicht gesühnt worden, ja, die alten Schatten hätten keinerlei Bedeutung für die Gerechtigkeit (Hebr. 10,1), und dann haben sie den Vergleich, der dort zur Verhandlung steht, beiseite gelassen, nur den einen Satz an sich gerissen, daß das Gesetz seinen Dienern aus sich heraus keinen Nutzen gebracht hat – und darüber die Meinung gewonnen, es habe sich da einfach um Bilder, gehandelt, die an Wahrheit leer gewesen wären. Die Absicht des Apostels dagegen ist es, dem Zeremonialgesetz jeglichen Wert abzusprechen, bis man zu Christus kommt, auf dem allein seine ganze Wirkkraft beruht.



IV,14,24

Die Scholastiker halten uns aber die Worte entgegen, die bei Paulus über die Beschneidung des Buchstabens zu lesen stehen, nämlich, daß sie vor Gott keinen Wert habe, keinen Nutzen bringe und eitel sei (Röm. 2,25; 1. Kor. 7,19; Gal. 6,15). Solche Aussagen scheinen die Beschneidung doch tief unter unsere Taufe hinabzudrücken. Ich antworte darauf: nein, durchaus nicht. Denn das nämliche hätte mit Recht auch von der Taufe gesagt werden können. Ja, es wird tatsächlich von ihr gesagt, und zwar zuerst von Paulus selbst, indem er darlegt, daß sich Gott um die äußerliche Abwaschung, durch die wir unsere Aufnahme in die Religion empfangen, keineswegs kümmert, wenn nicht unser Herz innerlich gereinigt wird und auch bis zum Äußersten in solcher Reinheit verharrt (1. Kor. 10,5). Zum Zweiten wird es auch von Petrus ausgesprochen, indem dieser bezeugt, daß die Wahrheit der Taufe nicht in der äußerlichen Abwaschung liegt, sondern in dem Zeugnis eines guten Gewissens (1. Petr. 3,21). Aber – so wendet man ein – Paulus scheint doch außerdem an anderer Stelle die mit der Hand vollzogene Beschneidung voll und ganz zu verachten, indem er sie (zu ihrem Nachteil) mit der Beschneidung Christi vergleicht (Kol. 2,11). Ich antworte darauf, daß auch an dieser Stelle der Würde der Beschneidung keinerlei Eintrag geschieht. Paulus streitet hier gegen solche Leute, die die Beschneidung gleichsam als notwendig verlangten, während sie doch bereits abgeschafft war. Daher ermahnt er die Gläubigen, sie sollten die alten Schatten fahrenlassen und fest bei der Wahrheit beharren. Jene Lehrmeister, so sagt er, drängen darauf, daß eure Leiber beschnitten werden. Ihr aber seid geistlich beschnitten, nach Seele und Leib. Ihr habt also die Offenbarung der Sache – und die ist weit wichtiger als der Schatten! Nun hätte aber demgegenüber jemand einwenden können: wenn sie auch die Sache hätten, so sei deshalb doch das Bild nicht zu verachten; denn auch bei den Vätern hätte es jene Ablegung des alten Menschen gegeben, von der das Bild redete, und trotzdem sei für sie die äußerliche Beschneidung nicht überflüssig gewesen. Diesem Einwand kommt Paulus zuvor, indem er gleich hinzufügt, die Kolosser seien durch die Taufe mit Christus begraben (Kol. 2,12). Damit gibt er zu verstehen, daß die Taufe heute für die Christen das darstellt, was für die Alten die Beschneidung war, und daß deshalb die Beschneidung den Christen nicht auferlegt werden kann, ohne daß der Taufe Unrecht widerfährt.



IV,14,25

Weit schwieriger zu lösen ist dagegen die Frage, die uns durch eine dann folgende Stelle aufgegeben wird, die ich auch bereits angeführt habe; da heißt es nämlich, alle jüdischen Zeremonien seien „Schatten von dem“ gewesen, „das zukünftig war“, der „Körper selbst“ dagegen sei „in Christo“ (Kol. 2,17). Bei weitem am schwersten klarzustellen ist jedoch das, was in vielen Kapiteln des Briefes an die Hebräer verhandelt wird: da lesen wir, das Blut der Tiere habe die Gewissen nicht berührt (Hebr. 9,12f.), das Gesetz habe „den Schatten von den zukünftigen Gütern“ gehabt, nicht aber das Bild der Dinge selbst (Hebr. 10,1; 8,5), die Diener des Gesetzes hätten aus den von Mose eingesetzten Zeremonien keinerlei Vollkommenheit erlangt (Hebr. 7,19; 9,9; 10,1), und dergleichen mehr. Hier wiederhole ich nun, was ich bereits angedeutet habe: Paulus erklärt die Zeremonien nicht deshalb für schattenhaft, weil sie nichts Festes hätten, sondern weil ihre Erfüllung bis zur Offenbarung Christi gleichsam in der Schwebe war. Ferner behaupte ich, daß jene Stelle (Kol. 2,17) nicht im Blick auf die Wirkkraft der Zeremonien zu verstehen ist, sondern vielmehr im Blick auf die Art des in ihnen liegenden Hinweises. Denn ehe Christus im Fleische geoffenbart war, deuteten ihn alle Zeichen gleichsam als abwesend schattenhaft an, obwohl er den Gläubigen innerlich die Gegenwärtigkeit seiner Kraft, ja, seiner selbst zu erkennen gab. Vor allem aber muß man darauf achten, daß Paulus an allen diesen Stellen nicht beziehungslos redet, sondern im Zuge einer Auseinandersetzung; denn er hatte mit falschen Aposteln zu kämpfen, die der Meinung waren, allein in den Zeremonien liege die Frömmigkeit, ohne jede Rücksicht auf Christus; zur Widerlegung solcher Leute war es also genug, wenn er bloß der Frage nachging, was die Zeremonien an und für sich für einen Wert hätten. Dem gleichen Richtpunkt ist auch der Verfasser des Briefes an die Hebräer gefolgt. Wir wollen also bedenken, daß die Erörterung sich hier nicht um die Zeremonien dreht, sofern sie in ihrer wahren, ursprünglichen Bedeutung verstanden werden, sondern vielmehr, sofern sie im Sinne einer falschen und verkehrten Auslegung verdreht sind; es geht hier nicht um den rechtmäßigen Gebrauch der Zeremonien, sondern um den Mißbrauch, den der Aberglaube mit ihnen treibt. Was soll also verwunderliches daran sein, wenn die Zeremonien bei solcher Absonderung von Christus jeglicher Kraft verlustig gehen? Denn alle und jegliche Zeichen werden nichtig, wenn man die Sache wegnimmt, auf die sie hinweisen. Als Christus es einmal mit Menschen zu tun hatte, die da meinten, das Manna sei nichts anderes gewesen, als eine Speise für den Leib, da paßte er deshalb seine Worte an deren grobe Meinung an und sagte, er gebe durch seinen Dienst eine bessere Speise, welche die Seelen zur Hoffnung auf die Unsterblichkeit nährte (Joh. 6,27). Will man eine klarere Lösung haben, so geht die Sache ihrem wesentlichen Inhalt nach auf folgendes hinaus: Erstens ist jener ganze Aufwand an Zeremonien, der im mosaischen Gesetz bestanden hat, eine wesenlose und nichtige Sache, wenn er nicht auf Christus gerichtet ist. Zweitens haben diese Zeremonien in der Weise die Richtung auf Christus gehabt, daß sie erst damals ihre Erfüllung fanden, als er im Fleische geoffenbart war. Und schließlich mußten sie mit dem Kommen Christi notwendig abgeschafft werden, genau wie der Schatten verblaßt, wenn das Licht der Sonne erstrahlt. Jedoch schiebe ich eine noch ausführlichere Erörterung über diesen Punkt bis an die Stelle auf, an der ich die Taufe mit der Beschneidung zu vergleichen beabsichtige. Deshalb begnüge ich mich hier mit einer kurzen Erwähnung.
Simon W.

Der Pilgrim
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IV,14,26

Vielleicht haben sich diese armseligen Klüglinge auch von den maßlosen Lobreden über die Sakramente täuschen lassen, die man bei den Alten mit Bezug auf unsere (heutigen) Zeichen zu lesen bekommt. So findet sich bei Augustin der Satz, die Sakramente des „alten Gesetzes“ hätten den Retter bloß verheißen, die unsrigen dagegen gewährten das Heil (zu Ps. 73,2). Da die Scholastiker nicht bemerkten, daß diese und ähnliche Redefiguren übertreibenden Charakter tragen, so haben sie auch ihrerseits ihre übertriebenen Lehrmeinungen von sich gegeben, aber in einem völlig anderen Sinn, als ihn die Schriften der Alten hatten. Denn Augustin hat an der obengenannten Stelle nichts anderes im Sinne gehabt, als was er auch an anderer Stelle schreibt, nämlich die Sakramente des mosaischen Gesetzes hätten Christus zuvor verkündigt, die unsrigen dagegen sagten ihn (als gegenwärtig) an (Fragen zum Heptateuch IV,33). Im gleichen Sinne heißt es in seiner Schrift gegen Faustus, die alten Sakramente seien Verheißungen solcher Dinge gewesen, die erst in Erfüllung gehen sollten, die unsrigen dagegen seien Hinweise auf solche, die bereits ihre Erfüllung gefunden hätten (Gegen den Manichäer Faustus XIX,14). Er will also gleichsam sagen: die alten Sakramente haben Christus bildlich dargestellt, als er noch erwartet wurde, die heutigen dagegen erzeigen ihn als den Gegenwärtigen, da er uns ja bereits gegeben ist. Er redet nun aber von der Art des Hinweises, der in den Sakramenten liegt, wie er sie auch an anderer Stelle aufzeigt, wenn er sagt: „Das Gesetz und die Propheten hatten Sakramente, die eine zukünftige Sache zuvor ansagten, die Sakramente unserer Zeit aber bezeugen, daß das gekommen ist, was jene noch als zukünftig verkündigten“ (Gegen die Briefe des Petilian II,37,87). Was er aber über die Sache und die Wirkung gedacht hat (die den alten Sakramenten eigen war), das setzt er an mehreren Stellen auseinander; so zum Beispiel, wenn er sagt, die Sakramente der Juden seien in ihren Zeichen verschieden gewesen, in der von ihnen angedeuteten Sache dagegen gleich, sie seien verschieden gewesen nach ihrer sichtbaren Erscheinung, aber gleich nach ihrer geistlichen Kraft (Predigten zum Johannesevangelium 26,12). Ebenso sagt er: „Bei verschiedenen Zeichen bleibt doch der gleiche Glaube. Denn mit der Verschiedenheit der Zeichen ist es ebenso bestellt wie mit der Verschiedenheit von Worten. Die Worte nämlich verändern im Wechsel der Zeiten ihren Klang, und überhaupt sind ja Worte nichts anderes als Zeichen. Die Väter haben den gleichen geistlichen Trank getrunken (wie wir), jedoch nicht den gleichen leiblichen. Ihr seht also, wie bei gleich bleibendem Glauben die Zeichen verändert sind. Bei ihnen war der Fels (aus dem sie tranken 1. Kor. 10) Christus, für uns ist das, was uns auf dem Altar dargeboten wird, Christus. Sie haben als großes Sakrament das Wasser getrunken, das aus dem Felsen floß, und was wir trinken, das ist den Gläubigen bekannt. Betrachtet man die sichtbare Erscheinung, so ist es etwas anderes, richtet man sein Augenmerk aber auf die Bedeutung, die damit dem Verständnis nahegebracht wird, so haben sie den gleichen geistlichen Trank getrunken wie wir“ (Predigten zum Johannesevangelium 45,9). An anderer Stelle heißt es: „Bei den Geheimnissen (Sakramenten) war ihre Speise und ihr Trank der gleiche, den auch wir haben; aber die Gleichheit liegt in der Bedeutung und nicht in der Erscheinung; denn es ist der gleiche Christus, der ihnen in dem Felsen bildlich dargestellt war und uns im Fleische geoffenbart ist“ (zu Psalm 77,2). Allerdings geben wir zu, daß es auch in diesem Stück einige Verschiedenheit zwischen den alten und den heutigen Sakramenten gibt. Beide bezeugen, daß uns die in Christus uns zukommende väterliche Freundlichkeit Gottes und die Gaben des Heiligen Geistes dargeboten werden; aber unsere heutigen Sakramente tun das leuchtender und klarer. In beiden wird Christus dargezeigt; aber das geschieht in unseren Sakramenten reichlicher und völliger, eben gemäß jener Unterschiedenheit des Alten vom Neuen Testament, von der wir oben bereits geredet haben. Das ist es, was Augustin – den wir als den besten und zuverlässigsten Zeugen der ganzen alten Zeit häufiger anführen – im Sinne hat, wenn er lehrt, nach der Offenbarung Christi seien Sakramente eingerichtet worden, die zwar der Zahl nach geringer (als die früheren), hinsichtlich ihrer Bedeutung dagegen erhabener und in ihrer Kraft vortrefflicher seien (Gegen Faustus XIX,13; Von der christlichen Unterweisung III,9,13; Brief 54,1 an Januarius). Es ist angebracht, daß der Leser auch noch kurz darauf hingewiesen werde, daß alles, was sich die Klüglinge von dem einmal gewirkten Werk (opus operatum) zusammengeschwatzt haben, nicht nur falsch ist, sondern auch zu der Natur der Sakramente im Widerspruch steht. Gott hat die Sakramente doch eingerichtet, damit die Gläubigen, leer an allen Gütern und als arme Leute, nichts herzubringen als ihre Bettlerschaft. Daraus geht hervor, daß sie also mit dem Empfang der Sakramente nichts vollbringen, wodurch sie sich Lob verdienen könnten, und daß ihnen bei dieser Handlung – die im Blick auf sie von der Art ist, daß sie nicht wirken sondern empfangen – keinerlei Werk zugeschrieben werden kann.



Fünfzehntes Kapitel: Von der Taufe


IV,15,1

Die Taufe ist ein Zeichen der Einweihung, durch das wir in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden, um in Christus eingeleibt und damit zu den Kindern Gottes gerechnet zu werden. Sie ist uns aber nun – wie das nach unserer obigen Darlegung bei allen Sakramenten der Fall ist – von Gott zu dem Zweck gegeben, daß sie zum ersten unserem Glauben vor ihm und zum zweiten unserem Bekenntnis vor den Menschen diene. Auf die Art und Weise jeder dieser beiden Wirkungsformen wollen wir der Reihe nach eingehen. Unserem Glauben leistet die Taufe einen dreifachen Dienst, den wir auch seinerseits Stück für Stück behandeln müssen.
Der erste besteht darin, daß sie uns von dem Herrn vor Augen gestellt wird, um ein Merkzeichen und Beweis unserer Reinigung zu sein oder – um besser auseinanderzusetzen, was ich meine – gleichsam eine unterschriebene Urkunde, mit der er uns bekräftigen will, daß alle unsere Sünden dergestalt abgetan, ausgestrichen und getilgt sind, daß sie nie mehr vor sein Angesicht kommen, daß ihrer nicht mehr gedacht wird und sie nicht mehr angerechnet werden. Denn er will, daß alle, die da glauben, zur Vergebung der Sünden getauft werden.
Daher haben diejenigen, die da gemeint haben, die Taufe sei nichts anderes als ein Erkennungsmerkmal oder Kennzeichen, mit dem wir unsere Religion vor den Menschen bekennten – so wie die Soldaten die Zeichen ihres Feldherrn tragen, um damit zu zeigen, daß sie seine Soldaten sind –, das nicht in Erwägung gezogen, was an der Taufe das erste war. Dies erste aber ist, daß wir die Taufe unter der Verheißung empfangen sollen: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“ (Mark. 16,16).



IV,15,2

In diesem Sinne ist es aufzufassen, wenn Paulus schreibt, die Kirche sei von Christus, ihrem Ehegemahl, geheiligt worden und „gereinigt durch das Wasserbad im Wort“ des Lebens (Eph. 5,26). Und ebenso, wenn es an anderer Stelle heißt: „Nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes“ (Tit. 3,5). Im gleichen Sinne lesen wir bei Petrus, daß uns die Taufe selig mache (1. Petr. 3,21). Denn Paulus hat mit seinen Worten nicht zu verstehen geben wollen, daß unsere Abwaschung und unsere Seligkeit durch das Wasser zustande kämen oder daß das Wasser die Kraft in sich trüge, uns zu reinigen, die Wiedergeburt zu schaffen oder Erneuerung zu schenken. Ebenso will auch Petrus nicht zum Ausdruck bringen, daß in diesem Sakrament die Ursache zur Seligkeit ergriffen würde, sondern er will nur zeigen, daß wir darin die Erkenntnis und Gewißheit solcher Güter erlangen; das wird auch durch den gegebenen Wortlaut deutlich genug dargetan. Denn Paulus nennt das Wort des Lebens und die Taufe miteinander in enger Verbindung, als wollte er sagen: durch das Evangelium wird uns die Botschaft von unserer Abwaschung und Reinigung zugetragen, und durch die Taufe wird solches Zeugnis versiegelt. Und Petrus fährt (an der genannten Stelle) unmittelbar fort, jene Taufe sei nicht die Ablegung der Befleckungen des Fleisches, sondern ein gutes Gewissen vor Gott (1. Petr. 3,21); dies aber kommt ja aus dem Glauben. Ja, die Taufe verheißt uns keine andere Reinigung als die, welche durch die Besprengung mit dem Blute Christi geschieht; denn dies Blut wird durch das Wasser bildlich dargestellt, das ja in ähnlicher Weise die Eigenschaft hat, zu reinigen und abzuwaschen. Wer will also behaupten, wir würden durch das Wasser gereinigt, während eben dies doch sicher bezeugt, daß Christi Blut das wahre und einige Reinigungsbad ist? Daher ist es nicht möglich, einen klareren Grund zur Widerlegung der Phantastereien solcher Leute zu suchen, die alles auf die Kraft des Wassers beziehen, als eben aus der Bedeutung der Taufe selbst; denn die Taufe zieht unsere Sinne von jenem sichtbaren Element (eben dem Wasser), das uns vor die Augen gebracht wird, wie von allen anderen Mitteln ab, um sie allein an Christus zu binden.



IV,15,3

Man darf nun aber nicht glauben, die Taufe finde ihre Anwendung bloß im Bezug auf die Vergangenheit, so daß wir also für neue Versündigungen, in die wir nach der Taufe verfallen, andere, neue Sühnemittel suchen müßten, und zwar in wer weiß welchen anderen Sakramenten, als ob die Kraft der Taufe erloschen wäre. Durch diesen Irrtum ist es in alter Zeit dahin gekommen, daß manche Leute erst in äußerster Lebensgefahr, ja, erst wenn sie in den letzten Zügen lagen, durch die Taufe eingeweiht werden wollten, damit sie dergestalt für ihr ganzes Leben Vergebung erlangten. Gegen diese unangebrachte Vorsicht sprechen sich die alten Bischöfe in ihren Schriften sehr oft tadelnd aus. Zu welcher Zeit wir nun die Taufe auch empfangen mögen, so müssen wir stets das bedenken, daß wir damit zugleich für unser ganzes Leben abgewaschen und gereinigt werden. Sooft wir also in Sünde gefallen sind, sollen wir uns unsere Taufe ins Gedächtnis zurückrufen und unser Herz damit wappnen, damit es allezeit der Vergebung der Sünden gewiß und sicher sei. Denn obwohl es den Anschein hat, als ob die Taufe, einmal vollzogen, nun vergangen sei, so ist sie doch durch die späteren Sünden nicht abgetan. Denn es ist uns ja in ihr die Reinheit Christi dargereicht worden, und die bleibt allezeit in Kraft und wird von keinerlei Flecken überdeckt, sondern deckt alle unsere Unreinigkeiten zu und tilgt sie weg. Dennoch dürfen wir hieraus für die Zukunft keine willkürliche Freiheit zum Sündigen herleiten, wie wir ja von dieser Erwägung aus in keiner Weise zu solcher Vermessenheit unterwiesen werden. Nein, diese Lehre wird nur solchen gesagt, die, nachdem sie gesündigt haben, unter ihren Sünden ermattet und bedrückt seufzen: sie sollen einen Grund haben, um sich aufzurichten und zu trösten, damit sie sich nicht in Verwirrung und Verzweiflung stürzen. So sagt Paulus, Christus sei uns zum Versöhner gemacht, zur Vergebung für die voraufgegangenen Missetaten (Röm. 3,25). Damit leugnet er nicht, daß wir in Christus eine dauernde und beständige Vergebung der Sünden empfangen bis zum Tode hin; aber er gibt zu verstehen, daß Christus vom Vater nur den armen Sündern gegeben ist, die unter dem Brenneisen des Gewissens verwundet sind und sich nun nach dem Arzte sehnen. Solchen Menschen wird Gottes Barmherzigkeit dargeboten. Wer sich aber aus solcher Straffreiheit den Anlaß und eine zügellose Freiheit zum Sündigen begründen will, der tut nichts anderes, als daß er Gottes Zorn und Gericht gegen sich hervorruft.
Simon W.

Der Pilgrim
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IV,15,4

Ich weiß nun freilich, daß sich allgemein eine andere Ansicht durchgesetzt hat: danach erlangen wir nach der Taufe die Vergebung durch die Wohltat der Buße und der Schlüssel(gewalt), während sie uns in der ersten Wiedergeburt allein durch die Taufe zuteil wird. Aber die Leute, die sich das erdichten, befinden sich darin auf einem Irrweg, daß sie nicht bedenken, wie die Schlüsselgewalt, von der sie reden, dergestalt von der Taufe abhängig ist, daß sie auf keine Weise von ihr getrennt werden kann. Der Sünder empfängt die Vergebung durch den Dienst der Kirche, das heißt also: nicht ohne die Predigt des Evangeliums. Was hat diese nun aber für einen Inhalt? Doch den, daß wir durch Christi Blut von unseren Sünden gereinigt werden! Was aber ist das Zeichen und Zeugnis dieses Reinigungsbades anders als die Taufe? Wir sehen also, daß jene (kirchliche) Lossprechung (in der „Schlüsselgewalt“) zur Taufe in Beziehung steht. Der Irrtum, von dem ich hier rede, hat uns nun das ersonnene Sakrament der Buße erwachsen lassen, von dem ich schon manches kurz ausgeführt habe und den Rest an dem dafür vorgesehenen Platz behandeln werde. Es ist nun aber nichts Verwunderliches dabei, wenn die Menschen, die in der Grobheit ihres Wesens maßlos an äußerlichen Dingen festhängen, auch in diesem Stück den Fehler an den Tag gelegt haben, daß sie sich mit der reinen Einrichtung Gottes nicht zufriedengaben und deshalb neue Mittel aufbrachten, die sie sich selbst ausgedacht hatten. Als ob die Taufe nicht selbst das „Sakrament der Buße“ darstellte! Wenn uns die Buße nun für das ganze Leben anempfohlen wird, so muß auch die Kraft der Taufe bis zu den gleichen Grenzen ausgedehnt werden. Daher unterliegt es keinem Zweifel, daß alle Frommen sich im ganzen Lauf ihres Lebens, sooft sie vom Bewußtsein ihrer Sünde gequält werden, ihre Taufe wieder ins Gedächtnis zu rufen wagen, um sich dadurch in der Zuversicht auf jene einige, dauernde Abwaschung zu stärken, die wir im Blute Christi haben.



IV,15,5

Noch eine zweite Frucht gewährt uns die Taufe, weil sie uns nämlich unsere Abtötung (mortificatio) in Christus und das neue Leben (nova vita) in ihm zeigt. Denn wir sind, so sagt Paulus, „in seinen Tod getauft“, „mit ihm begraben in den Tod“, um nun „in Neuheit des Lebens unseren Wandel zu führen“ (Röm. 6,3f.). Mit diesen Worten ermahnt uns der Apostel nicht bloß zur Nachfolge Christi, als ob er etwa sagte, wir würden durch die Taufe dazu ermuntert, nach dem Vorbild des Sterbens Christi unseren Begierden zu sterben und nach dem Beispiel seiner Auferweckung zur Gerechtigkeit aufzuerstehen. Nein, er geht der Sache tiefer auf den Grund, indem er darauf hinweist, daß uns Christus durch die Taufe seines Todes teilhaftig gemacht hat, so daß wir in solchen Tod eingeleibt werden (Röm. 6,5). Und wie der Zweig seine Substanz und seine Nahrung aus der Wurzel zieht, in die er eingeleibt ist, so erfahren auch die, welche die Taufe mit dem ihr zukommenden Glauben annehmen, in Wahrheit die Wirkkraft des Todes Christi in der Abtötung ihres Fleisches und zugleich die Wirkkraft seiner Auferstehung in ihrer Lebendigmachung durch den Geist (Röm. 6,8). Von da aus nimmt Paulus auch den Anlaß zu einer Ermahnung: sind wir Christen, so müssen wir auch der Sünde „gestorben sein“ und „der Gerechtigkeit leben“ (Röm. 6,11). Den gleichen Beweis verwendet er an anderer Stelle, indem er schreibt, wir seien „beschnitten“ und hätten den alten Menschen ausgezogen, nachdem wir „durch die Taufe mit Christo begraben“ sind (Kol. 2,11f.). In diesem Sinne hat er die Taufe an der oben bereits angeführten Stelle auch als „Bad der Wiedergeburt und Erneuerung“ bezeichnet (Tit. 3,5). Es wird uns also in der Taufe zunächst die gnadenweise Vergebung der Sünden und die Zurechnung der Gerechtigkeit verheißen und alsdann die Gnade des Heiligen Geistes, die uns zu neuem Leben umgestaltet.



IV,15,6

Schließlich empfängt unser Glaube aus der Taufe auch den Nutzen, daß sie uns mit Gewißheit bezeugt, daß wir nicht nur in Christi Tod und Leben eingeleibt, sondern auch selbst dergestalt mit Christus geeint sind, daß wir aller seiner Güter teilhaftig werden. Denn dazu hat er die Taufe an seinem eigenen Leibe geweiht und geheiligt (Matth. 3,13-17), daß er mit uns gemeinsam an ihr teilhätte und sie nun das festeste Band der Einung und Gemeinschaft darstellte, die er mit uns einzugehen sich herabgelassen hat. Daher beweist Paulus daraus, daß wir in der Taufe „Christum angezogen“ haben, den Satz, daß wir Gottes Kinder sind (Gal. 3,26f.). So sehen wir, daß die Erfüllung der Taufe in Christus liegt: ihn nennen wir aus diesem Grunde auch im eigentlichen Sinne den, an dem die Taufe hängt (proprium fidei obiectum). Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Apostel nach unseren Berichten auf seinen Namen getauft haben (Apg. 8,16; 19,5), obwohl ihnen doch die Weisung geworden war, auf den „Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ zu taufen (Matth. 28,19). Denn alles, was uns in der Taufe an Gaben Gottes vorgelegt wird, das kann man allein in Christus finden. Doch kann es nicht anders sein, als daß der, der auf Christus tauft, zugleich auch den Namen des Vaters und des Heiligen Geistes anruft. Denn wir empfangen die Reinigung durch das Blut Christi darum, weil der barmherzige Vater uns in seiner unvergleichlichen Freundlichkeit zu Gnaden hat annehmen wollen und dazu diesen Mittler zwischen sich und uns gestellt hat, damit er uns bei ihm Gunst erwirkte. Die Wiedergeburt aber empfangen wir aus Christi Tod und Auferstehung nur dann, wenn wir, durch den Geist geheiligt, mit einer neuen, geistlichen Natur erfüllt werden. Daher steht es so, daß wir die Ursache unserer Reinigung wie unserer Wiedergeburt im Vater, ihren Wirkgrund in Christus und ihre Wirkung im Heiligen Geiste erlangen und gleichsam in Unterschiedenheit anschauen. So hat zuerst Johannes, so haben alsdann auch die Apostel mit der „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ getauft (Matth. 3,6.11; Luk. 3,3.16; Joh. 3,23; 4,1; Apg. 2,38.41). Dabei verstanden sie unter „Buße“ solche Wiedergeburt und unter „Vergebung der Sünden“ jene Abwaschung (im obigen Sinne).



IV,15,7

Durch diese Darlegungen wird es auch völlig gewiß, daß das Amt des Johannes (nämlich des Täufers) durchaus das gleiche gewesen ist, wie es hernach den Aposteln zugewiesen wurde. Denn die verschiedenen Hände, von denen die Taufe verwaltet wird, machen die Taufe selbst nicht anders; nein, das Gleichbleiben der Lehre zeigt, daß auch die gleiche Taufe besteht. Johannes und die Apostel waren einhellig in einer Lehre, beide haben sie zur Buße, beide zur Vergebung der Sünden, beide auf den Namen Christi getauft, von dem die Buße und die Vergebung der Sünden kam. Johannes sagte von ihm: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt“ (Joh. 1,29), und damit erklärte er ihn für das Opfer, das dem Vater wohlgefällig ist, für den Erwirker der Gerechtigkeit und den Geber des Heils. Was hätten die Apostel wohl diesem Bekenntnis hinzufügen können? Deshalb darf sich niemand dadurch irremachen lassen, daß sich die Alten Mühe geben, die Taufe des Johannes von derjenigen der Apostel zu unterscheiden. Denn die Männer der Alten Kirche dürfen bei uns nicht in solcher Wertschätzung stehen, daß dadurch die Gewißheit der Schrift ins Wanken gebracht wird. Wer wird wohl mehr auf Chrysostomus hören, der da erklärt, in die Taufe des Johannes sei die Vergebung der Sünden nicht eingeschlossen gewesen (Predigten zum Matthäusevangelium 10,1), als auf Lukas, der im Gegenteil behauptet, Johannes habe die „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ verkündigt (Luk. 3,3)? Ebensowenig annehmbar ist die spitzfindige Meinung des Augustin, in der Taufe des Johannes seien die Sünden in Hoffnung vergeben worden, in der Taufe Christi dagegen erfolge eine tatsächliche Vergebung (Von der Taufe gegen die Donatisten V,10,12). Denn der Evangelist bezeugt klar und deutlich, daß Johannes in seiner Taufe die Vergebung der Sünden verheißen hat, und wie soll es unter solchen Umständen erforderlich sein, diese Aussagen abzuschwächen, wo doch kein Zwang dazu vorliegt? Will aber jemand aus dem Worte Gottes erfahren, welcher Unterschied zwischen diesen beiden Taufen bestanden hat, so wird er keinen anderen finden als den, daß Johannes auf den taufte, der da kommen sollte, die Apostel aber auf den, der sich bereits offenbart hatte (Luk. 3,16; Apg. 19,4).



IV,15,8

Die Tatsache, daß nach der Auferstehung Christi die Gnadengaben des Heiligen Geistes reichlicher ausgegossen worden sind, hat nichts damit zu schaffen, daß man etwa eine Verschiedenheit der beiden Taufen behaupten könnte. Denn die Taufe, die noch zur Zeit des Erdenwandels Christi von den Aposteln verwaltet wurde, ist als seine Taufe bezeichnet worden, und doch war mit ihr kein größerer Reichtum des Geistes gegeben als mit der Taufe des Johannes. Ja, selbst nach der Himmelfahrt wurden die Samaritaner, obwohl sie doch auf den Namen Jesu getauft worden waren, nicht über das gewöhnliche Maß hinaus mit dem Geiste begabt, das auch den früheren Gläubigen zuteil geworden war – bis Petrus und Johannes zu ihnen gesandt wurden, um ihnen die Hände aufzulegen (Apg. 3,14.17). Nur eine einzige Tatsache hat nach meinem Dafürhalten die Männer der Alten Kirche zu ihrer Behauptung veranlaßt, die Taufe des Johannes sei nur eine Vorbereitung auf die Taufe der Apostel: sie lasen nämlich, Paulus hätte Leute, die die Taufe des Johannes schon einmal empfangen hatten, zum zweiten Male getauft (Apg. 19,3.5). Aber in was für einen Irrtum sie dabei geraten sind, das wird anderwärts an der dafür vorgesehenen Stelle aufs deutlichste auseinandergesetzt werden. Was soll es nun bedeuten, wenn Johannes sagte, er taufe zwar mit Wasser, es werde aber Christus kommen, um mit dem Heiligen Geist und mit Feuer zu taufen (Matth. 3,11)? Diese Frage läßt sich mit wenigen Worten lösen. Denn Johannes hatte nicht etwa die Absicht, die eine Taufe von der anderen zu unterscheiden, nein, er verglich seine Person mit Christi Person und legte dar, wie er seinen Dienst mit Wasser tat, Christus dagegen der Geber des Heiligen Geistes war, der dann solche Kraft auch mit einem sichtbaren Wunder ans Licht bringen sollte, an dem Tage nämlich, als er den Aposteln unter feurigen Zungen den Heiligen Geist senden würde (Apg. 2,3). Was konnten nun die Apostel darüber (d.h. über das Amt des Johannes) hinaus beanspruchen? Was können auch die beanspruchen, die heutzutage Taufen vollziehen? Denn sie sind doch bloß Diener an einem äußerlichen Zeichen, Christus dagegen ist der Geber der inwendigen Gnade. So lehren es eben die gleichen Theologen der Alten Kirche selbst, und zwar vor allem Augustin, der sich in seinem Kampf gegen die Donatisten vornehmlich auf den Satz stützt, der Täufer möge sein, wer er wolle, so habe doch Christus allein bei der Taufe die Führung inne (Gegen den Brief des Parmenian II,11,23).
Simon W.

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IV,15,9

Das, was wir von der Abtötung (des Fleisches) wie auch von der Abwaschung gesagt haben, wurde im Volke Israel schattenhaft angedeutet, und Paulus sagt aus diesem Grunde, das Volk sei „mit der Wolke und mit dem Meer“ getauft worden (1. Kor. 10,2). Die Abtötung wurde bildlich dargestellt, als der Herr dem Volke bei seiner Befreiung aus der Hand und aus der grausamen Knechtschaft des Pharao einen Weg durch das Rote Meer bahnte und den Pharao selbst samt den Feinden, den Ägyptern, die dem Volke im Rücken nachstellten und es über dem Nacken bedrohten, ertränkte (Ex. 14,21.26-28). Denn in der gleichen Weise verheißt der Herr auch uns in der Taufe und zeigt er es uns durch das von ihm gegebene Zeichen, daß wir aus der Gefangenschaft Ägyptens, das heißt aus der Knechtschaft der Sünde, durch seine Kraft herausgeführt und befreit sind, und daß unser Pharao, das heißt der Teufel, ertränkt ist, obwohl er auch so noch nicht davon abläßt, uns zu quälen und zu ermüden. Wie aber jener ägyptische Pharao nicht in der Tiefe des Meeres versenkt war, sondern am Ufer dahingestreckt lag und die Israeliten mit seinem furchtbaren Anblick noch in Schrecken jagte, aber doch keinen Schaden zu tun vermochte – so droht auch unser Pharao noch, er zeigt seine Waffen, er gibt sich uns kund, aber besiegen kann er uns nicht! In der „Wolke“ (Num. 9,15; Ex. 13,21) lag ein Merkzeichen der Reinigung. Denn wie der Herr jene Israeliten mit einer über ihnen schwebenden Wolke bedeckte und ihnen dadurch Kühlung gewährte, damit sie bei der erbarmungslosen Glut der Sonne nicht ermatteten und dahinsanken, so erkennen auch wir in der Taufe, daß wir durch Christi Blut Deckung und Schutz erfahren, damit Gottes Strenge, die in Wahrheit eine unerträgliche Flamme ist, nicht mehr auf uns laste. Freilich war dies Geheimnis damals noch dunkel und wurde es nur von wenigen erkannt; aber da es keine andere Art und Weise gibt, die Seligkeit zu erlangen, als sie in diesen beiden Gnadengaben (Abtötung und Abwaschung) liegt, so wollte Gott den alten Vätern, die er zu Erben angenommen hatte, die Merkzeichen nicht vorenthalten, die diese beiden Gaben veranschaulichten.



IV,15,10

Jetzt leuchtet auch ein, wie verkehrt die von manchen Leuten in älterer Zeit vertretene und von anderen bis jetzt noch festgehaltene Lehre ist, durch die Taufe würden wir von der Erbsünde und von der Verderbnis, die sich von Adam aus auf seine gesamte Nachkommenschaft ausgebreitet hat, losgesprochen und frei gemacht und zu jener Gerechtigkeit, jener Reinheit unserer Natur zurückgebracht, die Adam behalten hätte, wenn er in der Unschuld verblieben wäre, in welcher er anfangs erschaffen war. Denn diese Art Lehrer haben nie und nimmer erfaßt, was Erbsünde, was ursprüngliche Gerechtigkeit und was die Gnadengabe der Taufe ist. Nun haben wir aber in einer früheren Erörterung schon festgestellt, daß die Erbsünde die Bosheit und Verderbnis unserer Natur ist, die uns erstens des Zorns Gottes schuldig macht und dann (zweitens) auch die Werke in uns hervorbringt, die die Schrift als „Werke des Fleisches“ bezeichnet (Gal. 5,19). Wir müssen also hier diese beiden Dinge getrennt voneinander betrachten.
Erstens: Weil wir in allen Stücken unserer Natur dergestalt verdorben und verkehrt sind, so werden wir schon allein um solcher Verderbtheit willen vor Gott verdientermaßen als verdammt und überführt angesehen; denn ihm ist nichts wohlgefällig als Gerechtigkeit, Unschuld und Reinheit. Und so tragen sogar die Kindlein vom Mutterleibe her ihre Verdammnis in sich: sie haben zwar die Früchte ihrer Ungerechtigkeit noch nicht an den Tag gebracht, aber der Same ist schon in ihrem Inneren beschlossen. Ja, ihre ganze Natur ist gewissermaßen ein Same der Sünde, und deshalb kann es nicht geschehen, daß sie Gott nicht verhaßt und abscheulich wäre. Die Gläubigen erlangen nun durch die Taufe die Gewißheit, daß diese Verdammnis aufgehoben und von ihnen genommen ist; denn durch dies Zeichen gibt uns ja der Herr, wie bereits gesagt, die Zusage, daß ein vollständiger und vollgültiger Erlaß geschehen ist, sowohl der Schuld, die uns hätte zugerechnet werden, als auch der Strafe, die wir um solcher Schuld willen hätten auf uns nehmen müssen. Zugleich erfassen die Gläubigen die Gerechtigkeit – aber eine solche, wie sie das Volk Gottes in diesem Leben erlangen kann, nämlich eine Gerechtigkeit, die allein durch Zurechnung zustande kommt, weil nämlich der Herr in seiner Barmherzigkeit die Seinen als gerecht und unschuldig gelten läßt.



IV,15,11

Zum zweiten ist zu beachten, daß solche Verkehrtheit niemals in uns untätig bleibt, sondern fort und fort neue Früchte hervorbringt, nämlich jene Werke des Fleisches, die wir weiter oben beschrieben haben (vergleiche Buch II, Kapitel 1, Sektion 8). Es geht hier nicht anders als bei einem brennenden Ofen, der immerfort Flammen und Funken aus sich herausbläst, oder bei einer Quelle, die Wasser ohne Ende aus sich hervorsprudelt. Denn die Begehrlichkeit kommt bei den Menschen nie voll und ganz zum verschwinden oder zum Erlöschen, bis sie durch den Tod von dem Leibe des Todes befreit werden und sich damit selbst völlig ausziehen. Die Taufe gibt uns zwar die Verheißung, daß unser Pharao (vergleiche Sektion 9) ertränkt ist, sie verheißt uns die Abtötung der Sünde, aber nicht so, daß die Sünde nun nicht mehr bestünde oder uns nicht mehr zu schaffen machte, sondern nur in der Weise, daß sie uns nicht mehr überwindet. Denn solange wir in das Gefängnis unseres Leibes eingeschlossen dahinleben, werden in uns Überreste der Sünde wohnen, sie werden aber, wenn wir im Glauben die Verheißung festhalten, die uns Gott in der Taufe gegeben hat, nicht herrschen und das Regiment führen. Es soll sich aber niemand betrügen, niemand soll sich in seiner Bosheit gefallen, wenn er hört, daß die Sünde allezeit in uns wohnt. Denn das wird nicht gesagt, damit solche, die auch ohnehin mehr als genug zum Sündigen geneigt sind, über ihren Sünden sorglos einschlafen; nein, es ist nur gesagt, damit Menschen, die von ihrem Fleische gekitzelt und gestochen werden, nicht ermatten und verzweifeln. Solche Leute sollen vielmehr bedenken, daß sie einen großen Fortschritt gemacht haben, wenn sie es erfahren, daß ihre Begehrlichkeit von Tag zu Tag ein wenig geringer wird – bis sie an das Ziel gelangt sind, dem sie zustreben, nämlich zu dem letzten Vergehen ihres Fleisches, das sich in dem Vergehen dieses sterblichen Lebens vollendet. Unterdessen sollen sie nicht davon ablassen, tapfer zu kämpfen, nach einem Fortschreiten zu streben und sich zum völligen Siege anzustacheln. Denn auch das muß ihre Anstrengungen um so mehr schärfen, daß sie sehen, wie ihnen, nachdem sie sich lange Zeit heftig abgemüht haben, doch noch gar viel Arbeit übrigbleibt. So müssen wir dafür halten: wir werden zur Abtötung unseres Fleisches getauft, die von der Taufe an bei uns ihren Anfang nimmt, die wir Tag für Tag weiter treiben, die aber ihre Vollendung dann empfangen wird, wenn wir aus diesem Leben zu dem Herrn hinüberwandern.



IV,15,12

Wir sprechen hier nichts anderes aus, als was der Apostel Paulus im siebenten Kapitel des Briefes an die Römer mit höchster Klarheit darlegt. Er hatte ja zunächst von der gnadenweisen Gerechtigkeit gehandelt. Nun gab es aber einige gottlose Leute, die von da aus zu der Folgerung kamen, man könne sein Leben nach eigener Willkür führen, weil wir ja durch die Verdienste unserer Werke doch Gottes Wohlgefallen nicht erlangten. Demgegenüber fährt Paulus nun fort und erklärt, daß alle, die mit der Gerechtigkeit Christi umkleidet werden, zugleich durch den Geist ihre Wiedergeburt empfangen und ein Unterpfand solcher Wiedergeburt in der Taufe besitzen (Röm. 6,3ff.). Daraufhin ermahnt er die Gläubigen, der Sünde in ihren Gliedern keine Herrschaft zu gestatten (Röm. 6,12). Und da er nun wußte, daß bei den Gläubigen allezeit einige Schwachheit bestehen werde, so fügte er, damit sie dadurch nicht entmutigt würden, den Trost hinzu, sie stünden nicht unter dem Gesetz (Röm. 6,14). Nun konnte es jedoch abermals den Anschein gewinnen, als könnten die Christen übermütig werden, und zwar eben darum, weil sie ja nicht unter dem Joch des Gesetzes stünden. Deshalb geht Paulus im weiteren darauf ein, von welcher Art diese Abschaffung des Gesetzes ist (Röm. 7,1-6), und zugleich, welchen Gebrauch das Gesetz bei uns findet (Röm. 7,1-13) – eine Frage, die er bereits zweimal aufgeschoben hatte. Der Hauptinhalt dieser Darlegungen ist nun der: wir sind von der Strenge des Gesetzes frei gemacht, um mit Christus in festem Lebenszusammenhang zu stehen. Das Amt des Gesetzes besteht darin, daß wir von unserer Verkehrtheit überführt werden, um unsere Ohnmacht und unser Elend zu bekennen. Weil nun aber diese Verkehrtheit der Natur an einem unheiligen Menschen, der ohne die Furcht Gottes seinen Begierden die Zügel schießen läßt, nicht so leicht in die Erscheinung tritt, so nimmt Paulus einen wiedergeborenen Menschen als Beispiel, das heißt sich selbst. Er sagt also, daß er fort und fort mit den Überresten seines Fleisches zu kämpfen hat und daß er von elender Knechtschaft in Fesseln gehalten wird, so daß er sich dem Gehorsam gegen das göttliche Gesetz nicht völlig zu weihen vermag. So ist er genötigt, unter Seufzen den Ausruf zu tun: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Leibe, der dem Tode unterworfen ist?“ (Röm. 7,24; nicht ganz Luthertext). Wenn nun die Kinder Gottes in einem Kerker gefangengehalten werden, solange sie leben, so müssen sie notwendig über der Betrachtung ihrer gefährlichen Lage in großer Angst sein, sofern dieser Furcht nicht entgegengetreten wird. Zu diesem Zweck fügt daher Paulus den Trost an: „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind“ (Röm. 8,1). Damit lehrt er, daß die, welche der Herr einmal zu Gnaden angenommen, in die Gemeinschaft mit seinem Christus eingeleibt und durch die Taufe in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen hat, wenn sie im Glauben an Christus verharren, zwar von der Sünde berannt werden und gar die Sünde in sich herumtragen mögen, aber dennoch von Schuld und Verdammnis los sind. Wenn das eine einfache und sachgerechte Auslegung (der Worte) des Paulus ist, so besteht kein Grund, daß jemand meint, wir trügen hier eine ungebräuchliche Lehre vor.



IV,15,13

Unserem Bekenntnis vor den Menschen aber dient die Taufe in folgender Weise. Sie ist nämlich ein Merkzeichen, mit dem wir öffentlich bekennen, daß wir zum Volke Gottes gerechnet werden wollen, mit dem wir bezeugen, daß wir mit allen Christenmenschen zur Verehrung des einen Gottes und zu einer Religion in Eintracht verbunden sind, und mit dem wir endlich unserem Glauben vor der Öffentlichkeit Ausdruck geben, damit nicht nur unsere Herzen das Lob Gottes atmen, sondern auch unsere Zunge und alle Glieder unseres Leibes mit allen Zeichen, die sie von sich geben können, davon widerhallen. Denn in solcher Weise wird, wie es sich gehört, alles, was wir haben, in den Dienst der Ehre Gottes gestellt, von der alles erfüllt sein muß, und zugleich werden die übrigen Menschen durch unser Beispiel zu gleichem Eifer angespornt. Dies hatte Paulus im Auge, als er die Korinther fragte, ob sie nicht in Christi Namen getauft worden seien (1. Kor. 1,13). Denn damit deutet er an, daß sie sich eben dadurch, daß sie auf Christi Namen getauft waren, ihm angelobt hatten, daß sie sich auf seinen Namen eidlich verpflichtet und vor den Menschen ihre Treue an ihn gebunden hatten, so daß sie jetzt niemand anders mehr zu bekennen vermochten als Christus allein – wofern sie nicht das Bekenntnis ableugnen wollten, das sie in der Taufe abgelegt hatten.
Simon W.

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IV,15,14

Nachdem wir nun dargetan haben, was unser Herr mit der Einsetzung der Taufe bezweckt hat, können wir auch leicht ein Urteil darüber gewinnen, in welcher Weise wir sie gebrauchen oder empfangen sollen. Denn sofern sie dazu gegeben ist, unseren Glauben aufzurichten, zu erhalten und zu festigen, müssen wir sie gleichsam wie aus der Hand ihres Gebers nehmen und billigerweise die Gewißheit und die Überzeugung haben, daß er es ist, der durch das Zeichen zu uns redet, daß er es ist, der uns reinigt und abwäscht und die Erinnerung an unsere Missetaten austilgt, daß er es ist, der uns seines Todes teilhaftig macht, der dem Satan das Reich wegnimmt, der die Kräfte unserer Begehrlichkeit schwächt, ja, der mit uns in eins zusammenwächst, so daß wir als solche, die ihn angezogen haben, für Kinder Gottes gelten. Diese Gaben, so behaupte ich, reicht er unserer Seele inwendig so wahrhaftig und gewiß dar, so gewiß wir sehen, wie unser Leib äußerlich abgewaschen, untergetaucht und umspült wird. Denn es besteht hier eine Entsprechung oder ein Gleichnis, und die bilden die sicherste Regel bei den Sakramenten: wir sollen in leiblichen Dingen die geistlichen empfangen, als ob sie uns vor Augen gestellt wären; denn es hat dem Herrn gefallen, sie unter solchen Bildern zur Darstellung zu bringen. Das beruht nun nicht darauf, daß solche Gnadengaben etwa an das Sakrament angebunden oder in es eingeschlossen wären, damit sie uns durch die Kraft des Sakraments zuteil würden; nein, es geschieht nur darum, weil der Herr uns unter diesen Merkzeichen seinen Willen bezeugt, nämlich eben dies, daß er uns das alles gewähren will. Er gewährt uns aber auch nicht nur eine Augenweide, indem er uns etwa bloß das äußerliche Schaubild sehen ließe, sondern er führt uns an die Sache selbst heran und bringt das, was er bildlich darstellt, zugleich wirkungskräftig zur Erfüllung.



IV,15,15

Ein Beweis für diese Ausführungen mag der Hauptmann Cornelius sein. Er war schon zuvor der Vergebung der Sünden teilhaftig geworden, hatte schon zuvor die sichtbaren Gnadengaben des Heiligen Geistes zum Geschenk erhalten; dann empfing er die Taufe (Apg. 10,48); aber er suchte nun aus der Taufe nicht eine reichlichere Vergebung zu erlangen, sondern dies Unterpfand sollte ihm zu einer gewisseren Übung im Glauben, ja, zu einer Vermehrung seiner Zuversicht dienen. Vielleicht mag aber jemand den Einwand gemacht haben: Warum sagte dann aber Ananias zu Paulus, er solle seine Sünden durch die Taufe abwaschen (Apg. 22,16)? Was soll das für eine Bedeutung gehabt haben, wenn doch durch die Kraft der Taufe selbst keine Abwaschung der Sünden stattfindet? Ich antworte darauf folgendes: Wenn uns der Herr, soweit es das Empfinden unseres Glaubens berührt, etwas darreicht, so heißt es, daß wir es empfangen, erlangen und uns erwirken, und zwar ganz gleich, ob solche Gabe ein erstmaliges Zeugnis darstellt oder ob sie ein bereits gegebenes Zeugnis stärker und gewisser bekräftigt. Ananias hatte also nur dies eine im Sinn: Damit du, Paulus, Gewißheit erlangst, daß dir deine Sünden vergeben sind, so laß dich taufen; denn der Herr verheißt in der Taufe die Vergebung der Sünden: die nimm an, und dann sei unbesorgt. Ich habe allerdings nicht die Absicht, die Kraft der Taufe zu schmälern, als ob also zum Zeichen nicht Sache und Wahrheit hinzuträten, sofern Gott durch die äußerlichen Mittel wirkt. Jedoch erlangen wir aus diesem Sakrament wie aus allen anderen nur soviel, wie wir im Glauben empfangen. Fehlt der Glaube, so wird das Sakrament zum Beweis unserer Undankbarkeit, der uns vor Gott als Angeklagte hinstellt, weil wir uns der im Sakrament gegebenen Verheißung gegenüber ungläubig verhalten haben. Insofern aber die Taufe ein Merkzeichen unseres Bekenntnisses ist, sollen wir dadurch das Zeugnis ablegen, daß unsere Zuversicht in Gottes Barmherzigkeit und unsere Reinheit in der Vergebung der Sünden besteht, die uns durch Jesus Christus zugekommen ist, und daß wir in die Kirche Gottes eintreten, um mit allen Gläubigen in einer Einmütigkeit des Glaubens und der Liebe einträchtig zu leben. Dies letztere hatte Paulus im Sinn, als er sagte, wir seien alle in einem Geiste getauft, um ein Leib zu sein (1. Kor. 12,13).



IV,15,16

Wir haben nun oben festgestellt, daß das Sakrament nicht nach der Hand dessen zu beurteilen ist, der es verwaltet, sondern gleichsam nach Gottes eigener Hand, weil es ja ohne jeden Zweifel von Gott ausgegangen ist. Ist das aber wahr, so läßt sich daraus entnehmen, daß dem Sakrament durch die Würdigkeit dessen, der es austeilt, nichts hinzugetan oder weggenommen wird. Und wie es bei den Menschen, wenn ein Brief ausgesandt wird, nichts ausmacht, wer der Briefbote oder wie dieser geartet ist, wofern nur die Handschrift und das Zeichen (des Absenders) genugsam bekannt sind, so muß es auch uns genügen, bei den Sakramenten die Handschrift und das Zeichen unseres Herrn zu erkennen, von welchem Boten sie uns auch schließlich zugetragen werden mögen. Damit haben wir eine treffende Widerlegung des Irrtums der Donatisten, die die Kraft und den Wert des Sakraments nach der Würdigkeit des Dieners (der Kirche) bemaßen. Von der gleichen Art sind heutzutage unsere Wiedertäufer, die uns, weil wir die Taufe im päpstlichen Reiche von Gottlosen und Götzendienern empfangen haben, bestreiten, daß wir rechtmäßig getauft seien, und deshalb mit wilder Schärfe die Wiedertaufe verlangen. Gegen die Albernheiten dieser Leute werden wir nun mit einem hinreichend stichhaltigen Beweisgrund gewappnet, wenn wir bedenken, daß wir durch die Taufe nicht in den Namen irgendeines Menschen eingeweiht werden, sondern in den Namen „des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Matth. 23,19), und daß deshalb die Taufe nicht Sache eines Menschen, sondern Gottes Sache ist, von wem sie auch schließlich ausgeteilt sein mag. Mögen die Leute, die uns getauft haben, auch noch so wenig Ahnung von Gott und der ganzen Frömmigkeit gehabt, mögen sie sie auch noch so sehr verachtet haben, so haben sie uns doch nicht dazu getauft, daß wir mit ihnen an ihrer Unwissenheit und Heiligtumsschändung Gemeinschaft haben sollten, sondern sie haben uns zum Glauben an Jesus Christus getauft; denn sie haben nicht ihren eigenen, sondern Gottes Namen angerufen und uns auch auf keinen anderen Namen getauft. War diese Taufe aber Gottes Taufe, so trug sie auch unzweifelhaft die Verheißung von der Vergebung der Sünden, der Abtötung des Fleisches, der geistlichen Lebendigmachung und des Teilhabens an Christus in sich. In der gleichen Weise hat es den Juden nichts geschadet, daß sie von unreinen und abtrünnigen Priestern beschnitten worden waren, auch wurde deshalb das Zeichen nicht geltungslos, so daß es erforderlich gewesen wäre, es zu wiederholen, nein, es war genug, wenn man zu der reinen, ursprünglichen Art zurückkehrte. Die Wiedertäufer wenden ein, die Taufe müsse doch in der Versammlung der Frommen gefeiert werden; aber dieser Einwand hat nicht die Wirkung, die ganze Kraft einer Sache zum Verlöschen zu bringen, die zu einem Teil in Verderbnis geraten ist. Denn wenn wir lehren, was gebührenderweise geschehen sollte, damit die Taufe rein und von jeglicher Befleckung ledig sei, so schaffen wir Gottes Einrichtung nicht ab, so sehr sie auch die Götzendiener verderben mögen. Obgleich nämlich die Beschneidung einst durch viele abergläubische Gebräuche verunstaltet war, so hörte sie deshalb doch nicht auf, als Merkzeichen der Gnade zu gelten, und als Josia und Hiskia aus ganz Israel diejenigen sammelten, die von Gott abgefallen waren, da riefen sie diese Leute dennoch nicht zu einer zweiten Beschneidung auf.



IV,15,17

Nun fragen uns aber die Wiedertäufer, was für ein Glaube denn von unserer Seite eine Reihe von Jahren hindurch auf die Taufe gefolgt sei. Sie wollen mit dieser Frage ihre Meinung durchsetzen, unsere Taufe sei eben ohne Gültigkeit gewesen, da sie ja nur dann an uns geheiligt wird, wenn Wort und Verheißung im Glauben angenommen sind. Auf diese Frage geben wir die Antwort: Wir waren allerdings blind und ungläubig und haben lange Zeit hindurch die Verheißung, die uns in der Laufe gegeben war, nicht festgehalten. Die Verheißung selbst aber war von Gott und ist deshalb allezeit unerschüttert, fest und wahrhaftig geblieben. Denn obwohl alle Menschen lügenhaft und treubrüchig sind, so hört doch Gott nicht auf, wahrhaftig zu sein (Röm. 3,3f.), obwohl sie alle verloren sind, so bleibt doch Christus das Heil! Wir geben also zu, daß uns die Taufe zu jener Zeit nicht das mindeste genützt hat; denn die Verheißung, die uns in ihr dargereicht wird und ohne welche sie nichts ist, lag vernachlässigt da. Jetzt aber, da wir durch Gottes Gnade anfangen, umzukehren, jetzt klagen wir unsere Blindheit und Herzenshärtigkeit an, daß wir uns so großer Güte Gottes gegenüber so lange undankbar verhalten haben. Jedoch sind wir des Glaubens, daß die Verheißung selbst nicht zunichte geworden ist; nein, wir erwägen vielmehr: Gott verheißt durch die Taufe die Vergebung der Sünden, und auf Grund dieser Verheißung wird er sie ohne Zweifel allen gewähren, die da glauben. Diese Verheißung ist uns in der Taufe dargeboten worden; also wollen wir sie im Glauben erfassen! Lange Zeit hindurch zwar war sie für uns um unseres Unglaubens willen begraben – so wollen wir sie also jetzt durch den Glauben ergreifen! Als daher der Herr das jüdische Volk zur reuigen Umkehr auffordert, da gibt er ihm keine Vorschrift über eine Wiederholung der Beschneidung – obwohl es doch, wie gesagt, von gottlosen und frevlerischen Händen beschnitten war und lange Zeit hindurch in der Umstrickung durch dich nämliche Gottlosigkeit gelebt hatte – nein, er dringt allein auf die Bekehrung des Herzens. Denn so sehr der Bund von diesem Volk verletzt worden war, so blieb doch das Merkzeichen solchen Bundes auf Grund der Einsetzung des Herrn allezeit fest und unverletzlich. Die reuige Umkehr war also die einzige Bedingung für die Wiederaufnahme des Volkes in den Bund, den Gott in der Beschneidung einmal mit ihm geschlossen hatte – in der Beschneidung, die es allerdings durch die Hand bundbrüchiger Priester empfangen und seinerseits, soviel es das vermochte, aufs neue befleckt und in ihrer Wirkung zum Erlöschen gebracht hatte.
Simon W.

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IV,15,18

Jetzt hoffen aber die Wiedertäufer ein feuriges Geschoß gegen uns loszuschleudern, indem sie darauf verweisen, daß Paulus doch Leute wiedergetauft habe, die die Taufe des Johannes schon einmal empfangen hatten (Apg. 19,3.5). Nun war aber doch nach unserem Zugeständnis die Taufe des Johannes voll und ganz die gleiche wie heutzutage die unsrige: wie also jene Leute (Apg. 19), die zuvor verkehrt unterwiesen waren, nach ihrer Unterweisung im rechten Glauben auf solchen Glauben wiedergetauft wurden, so ist auch jene (von uns unter dem Papsttum empfangene) Taufe, die ohne die wahre Lehre blieb, (an und für sich) für nichts zu achten, und wir müssen aufs neue getauft werden, und zwar auf die wahre Religion, in der wir jetzt erstmalig unterwiesen sind. (Soweit die gegnerische Meinung.) Manche haben nun die Ansicht, es habe da einen falschen Nachfolger des Johannes gegeben, der diese Leute (von denen Apg. 19 die Rede ist) mit der ersten Taufe in einem eitlen Aberglauben eingeweiht hätte. Eine Vermutung in dieser Richtung scheinen sie der Tatsache zu entnehmen, daß die genannten Johannesjünger bekennen, sie seien ohne jegliche Kunde vom Heiligen Geiste, während doch Johannes nie und nimmer Jünger von solcher Unkundigkeit von sich ausgesandt hätte. Nun ist es aber nicht wahrscheinlich, daß es (überhaupt) Juden gegeben haben sollte, die – auch wenn sie durchaus keine Taufe empfangen hätten – jeglicher Kenntnis des Heiligen Geistes bar gewesen wären, wo dieser doch in so vielen Zeugnissen der Schrift kundgemacht wird. Wenn diese Johannesjünger also die Antwort geben, sie wüßten nicht, „ob ein heiliger Geist sei“ (Apg. 19,2), so ist das so zu verstehen, als wenn sie gesagt hätten, sie hätten noch nicht gehört, ob die Gnadengaben des Geistes, über die sie von Paulus befragt wurden, den Jüngern Christi zuteil würden. Ich gebe nun aber meinerseits zu, daß die Taufe, die diese Leute empfangen hatten, die wahrhaftige Taufe des Johannes und (damit) ein und dasselbe gewesen ist wie die Taufe Christi. Dagegen bestreite ich, daß sie aufs neue getauft worden wären. Was bedeuten nun die Worte: „Da ließen sie sich taufen auf den Namen … Jesu“ (Apg. 19,5)? Manche erläutern diese Stelle so, als ob diese Jünger durch Paulus nur in der lauteren Lehre unterwiesen worden wären. Ich möchte es aber einfältiger so verstehen, daß sie durch Auflegung der Hände die Taufe des Heiligen Geistes, das heißt die sichtbaren Gnadengaben des Geistes, zum Geschenk bekommen haben. Es ist ja nicht neu, daß eben diese Gaben mit dem Namen „Taufe“ bezeichnet werden. So wird berichtet, daß sich die Apostel am Tage der Pfingsten an die Worte des Herrn von der Taufe mit Feuer und Heiligem Geist erinnert haben (Apg. 1,5). Und Petrus erwähnt, daß ihm die nämlichen Worte (Christi) ins Gedächtnis gekommen sind, als er die Gnadengaben gewahrte, die sich auf Cornelius, sein Haus und seine Verwandtschaft ergossen hatten (Apg. 11,16). Zu der hier gegebenen Deutung unserer Stelle (Apg. 19) steht es auch nicht im Widerspruch, daß es nachher weiter heißt: „Und da Paulus die Hände auf sie legte, kam der Heilige Geist auf sie“ (Apg. 19,6). Denn Lukas erzählt hier nicht zwei verschiedene Vorgänge, sondern er schließt sich der bei den Hebräern gebräuchlichen Erzählungsform an: diese stellen zunächst den wesentlichen Inhalt der Sache an die Spitze und legen die Sache dann ausführlicher dar. Dies kann (an unserer Stelle) jedermann an dem Zusammenhang der Worte selbst beobachten. Lukas sagt nämlich: „Da sie das hörten, ließen sie sich taufen auf den Namen … Jesu. Und da Paulus die Hände auf sie legte, kam der Heilige Geist auf sie“ (Apg. 19,5f.). In der zweiten Aussage wird beschrieben, wie es bei der (im ersten Satzglied allgemein erwähnten) Taufe (im einzelnen) zugegangen ist. Wenn nämlich die Unwissenheit (dieser Jünger) die frühere Taufe mit einem Mangel behaftete, so daß sie durch eine zweite zurechtgebracht werden müßte, so hätten von allen Menschen zuallererst die Apostel wiedergetauft werden müssen, die all die drei Jahre nach ihrer Taufe kaum ein geringes Stücklein der reinen Lehre in sich aufgenommen hatten. Und wieviel Ströme würden bei uns wohl hinreichend sein, um so viele Taufen zu wiederholen, soviel Unwissenheit durch des Herrn Barmherzigkeit Tag für Tag an uns gestraft wird?



IV,15,19

Kraft, Würde, Nutzen und Zweck dieses Geheimnisses (Sakraments) müssen, wenn ich mich nicht irre, jetzt zureichend geklärt sein. Was nun das äußerliche Merkzeichen (d.h. die äußerliche Gestaltung der Taufe) betrifft, – ach, wenn da doch Christi ursprüngliche Einrichtung in dem Maße ihre Gültigkeit behalten hätte, daß sie imstande gewesen wäre, den Vorwitz der Menschen in Schranken zu halten! (Tatsächlich aber war es ganz anders.) Als ob es eine verächtliche Sache wäre, nach Christi Weisung mit Wasser getauft zu werden, so hat man eine Einsegnung oder besser eine Verzauberung des Wassers erfunden, die dazu führte, daß die wahrheitsgemäße Weihe des Wassers befleckt wurde. Dann hat man nachher noch die Wachskerze und das Salböl folgen lassen, und man war der Meinung, erst das Anblasen (des Täuflings durch den Priester) eröffnete der Taufe den Zugang. Es ist mir zwar durchaus bekannt, wie althergebracht dieses Gemisch von fremdartigen Zusätzen ist; aber es ist trotzdem recht und billig, daß ich samt allen Frommen alles mit Abscheu von mir weise, was die Menschen zu Christi Einsetzung hinzuzufügen sich erdreistet haben. Als nun der Satan gewahrte, wie durch die törichte Leichtgläubigkeit der Welt fast schon in den Ausgangszeiten des Evangeliums seine Betrügereien ohne Mühe zur Annahme gelangten, da ging er weiter vor und brachte noch gröberen Spott und Hohn auf: daher kommt es denn, daß man in zügelloser Willkür das Spützen und anderes Possenzeug zu offenbarer Schmähung der Taufe eingeführt hat. An dergleichen Erfahrungen sollen wir lernen, daß es nichts Heiligeres, nichts Besseres und nichts Gefahrloseres gibt, als daß man sich an der Autorität Christi allein genügen läßt. Daher wäre es besser, man ließe allen schaubühnenhaften Prunk beiseite, der die Augen der Einfältigen blendet und ihre Sinne abstumpft, und hielte folgendes Verfahren ein: Sooft jemand getauft werden soll, läßt man ihn bei der Versammlung der Gläubigen gegenwärtig sein und stellt ihn Gott dar, wobei die ganze Kirche wie ein Zeuge ihr Augenmerk auf den Vorgang hat und über den Täufling betet; darauf wird das Glaubensbekenntnis gesprochen, in welchem der Neuling unterwiesen werden soll, die Verheißungen werden mitgeteilt, die für die Taufe gelten; dann wird der Neuling auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft (Matth. 28,19), und schließlich wird er unter Gebet und Danksagung entlassen. Bei diesem Verfahren wäre nichts ausgelassen, was zur Sache gehört, und jene eine Zeremonie, die von Gott, dem Urheber des Sakraments, ausgegangen ist, würde ohne Überdeckung durch irgendwelchen fremdartigen Schmutz aufs klarste erstrahlen. Im übrigen macht es rein nichts aus, ob der Täufling ganz untergetaucht wird, ob das einmal oder dreimal geschieht, oder ob man ihn bloß mit Wasser übergießt und damit besprengt. Das muß vielmehr nach der Verschiedenheit der Länder den Kirchen freistehen. Allerdings bedeutet das Wort „Taufen“ selbst soviel wie „Untertauchen“, und es steht fest, daß die Alte Kirche den Brauch der Untertauchung festgehalten hat.



IV,15,20

Weiter ist es belangreich zu wissen, daß es ein verkehrtes Verfahren ist, wenn sich amtlose Leute die Verwaltung der Taufe anmaßen. Denn die Ausübung der Taufe ist wie auch die Austeilung des Heiligen Abendmahls ein Teil des kirchlichen Amtes. Auch hat doch Christus den Auftrag zum Taufen nicht an Frauen oder an irgendwelche beliebigen Menschen erteilt, sondern er hat diese Aufgabe denen zugewiesen, die er als Apostel eingesetzt hatte. Und wenn er seinen Jüngern gebot, sie sollten bei der Austeilung des Heiligen Abendmahls so verfahren, wie er es selbst vor ihren Augen gemacht hatte, so hatte er dabei doch unzweifelhaft, da er ja das Amt eines rechten Verwalters dieses Sakraments ausübte, den Willen, daß sie bei ihrem Tun seinem Beispiel nachfolgen sollten. Es hat sich nun seit vielen Jahrhunderten, ja, bereits seit der Ursprungszeit der Kirche der Gebrauch durchgesetzt, daß bei Lebensgefahr auch Leute aus dem Volke („Laien“) die Taufe übten, sofern kein Diener am Wort zeitig genug zugegen war. Ich sehe nun aber nicht, mit was für einer stichhaltigen Begründung man das verteidigen könnte. Auch die Alten selbst, die diese Sitte entweder innehielten oder doch duldeten, waren sich nicht darüber im klaren, ob es mit Recht so gemacht würde. Denn Augustin gibt diesem Zweifel Ausdruck, wenn er sagt: „Wenn schon ein Laie unter dem Druck der Not die Taufe erteilt hat, so weiß ich nicht, ob es fromm gehandelt wäre, wenn jemand behauptete, man müsse eine solche Taufe wiederholen. Denn wenn dergleichen ohne jede zwingende Notwendigkeit geschieht, so ist es die Anmaßung eines fremden Amtes; drängt dagegen die Not, so ist es entweder überhaupt kein Vergehen oder doch ein läßliches“ (Gegen den Brief des Parmenian II,13,29). Was die Frauen betrifft, so ist auf dem Konzil zu Karthago ohne jede Ausnahme der Beschluß gefaßt worden, sie sollten es sich unter keinen Umständen herausnehmen, zu taufen. Aber, so wird man entgegnen, es besteht doch die Gefahr, daß der Kranke, falls er ohne Taufe dahinscheidet, der Gnadengabe der Wiedergeburt verlustig geht! Nein, durchaus nicht. Wenn Gott die Verheißung, gibt, daß er unser Gott sein will und der Gott unseres Samens nach uns (Gen. 17,7), so kündigt er uns damit an, daß er unsere Kinder schon vor ihrer Geburt zu den Seinen annimmt. In jenem Wort ist ihr Heil beschlossen. Und es wird sich doch niemand erdreisten, Gott dermaßen seine Verachtung zu bezeugen, daß er es bestreiten wollte, daß Gottes Verheißung aus sich selbst heraus stark genug ist, ihre Wirkung zu zeitigen! Wieviel Schaden jener übelerdachte Glaubenssatz mit sich gebracht hat, nach welchem die Taufe heilsnotwendig sein soll, das merken nur wenige, und deshalb nimmt man sich auch recht wenig vor ihm in acht. Denn wenn sich einmal die Ansicht durchgesetzt hat, daß alle verlorengehen, denen es nicht beschieden war, mit Wasser getauft zu werden, so ist ja unsere Lage übler als die des Alten Volkes, es steht dann geradezu so, als ob der Gnade Gottes bei uns engere Grenzen gezogen wären als unter dem Gesetz; denn unter solchen Umständen muß man ja meinen, Christus sei nicht gekommen, die Verheißungen zu erfüllen, sondern sie zunichtezumachen, weil ja dann die Verheißung an und für sich, die dazumal Wirkkraft genug besaß, um einem Kinde vor Ablauf des achten Tages (an dem die Beschneidung stattfinden sollte) das Heil zu verschaffen, heute ohne die Beihilfe des Zeichens keine Gültigkeit hätte.



IV,15,21

Was für eine Gepflogenheit vor Lebzeiten des Augustin geherrscht hat, das ergibt sich zunächst aus Tertullian, der berichtet, einer Frau sei es nicht gestattet, in der Kirche zu reden, auch nicht zu lehren, zu taufen und zu opfern, damit sie nicht die Aufgabe eines dem Manne, geschweige denn eines dem Priester zustehenden Amtes für sich beanspruchte (De velandis virginibus 9). Ein vollgültiger Zeuge für den gleichen Sachverhalt ist Epiphanius, der an einer Stelle dem Marcion vorwirft, er gäbe den Frauen die Freiheit zu taufen (Gegen den Ketzer Marcion Panarion 42,4). Ich kenne auch sehr wohl die Antwort derjenigen, die die entgegengesetzte Ansicht vertreten; sie sagen nämlich, es bestehe doch ein großer Unterschied zwischen der gewöhnlichen Übung und einem außerordentlichen Mittel, das beim Drang der äußersten Not zur Anwendung komme. Epiphanius aber erklärt, es sei Hohn und Spott, wenn man den Frauen die Freiheit zum Taufen gebe, und er macht dabei keine Ausnahme: daraus ergibt sich also deutlich genug, daß dieser Unfug von ihm verdammt wird, so daß er unter keinem Vorwande beschönigt werden kann (ebenda 42,4). Auch im dritten Buche (seiner Schrift), wo er die Lehre vertritt, selbst die heilige Mutter Christi habe solche Erlaubnis nicht gehabt, fügt er keine Einschränkung hinzu (ebenda 79,3).
Simon W.

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IV,15,22

Unangebracht ist es, wenn man hier das Beispiel der Zippora anführt (Ex. 4,25). Da sich nämlich der Engel Gottes beruhigte, nachdem Zippora einen Stein genommen und ihren Sohn damit beschnitten hatte, so zieht man daraus fälschlich die Folgerung: also habe ihr Tun die Billigung Gottes gefunden. Wäre das richtig, so müßte man auch behaupten, der Gottesdienst, den die von Assyrien herangeführten Heiden aufgerichtet hatten, habe Gott wohlgefallen. Es läßt sich aber mit anderen triftigen Gründen nachweisen, daß es unbedacht ist, wenn man das Vorgehen jener törichten Frau als etwas zur Nachahmung Bestimmtes hinstellt. Es würde schon voll und ganz zur Widerlegung dieser Ansicht genügen, wenn ich sagte: dies vorgehen der Frau ist etwas Einzigartiges gewesen und darf deshalb nicht als Beispiel verwendet werden, zumal da man nirgendwo zu lesen bekommt, daß in alter Zeit die Priester in besonderer Weise den Auftrag zur Beschneidung überkommen haben, und Beschneidung und Taufe also (in dieser Hinsicht) verschieden gestellt sind. Christi Worte nämlich sind klar und deutlich: „Gehet hin … und lehret alle Völker und taufet sie …“ (Matth. 28,19). Denn er hat ja die nämlichen Männer zu Herolden des Evangeliums und zu Dienern der Taufe eingesetzt; nun darf sich aber in der Kirche nach dem Zeugnis des Apostels niemand eine Ehre anmaßen, er sei denn „berufen … gleichwie Aaron“ (Hebr. 5,4); wer also tauft, ohne rechtmäßig berufen zu sein, der greift in ein fremdes Amt (vgl. 1. Petr. 4,15). Paulus spricht es doch laut und deutlich aus, daß auch bei ganz geringfügigen Dingen wie bei Speise und Trank alles „Sünde“ ist, was wir mit bedenklichem Gewissen angreifen (Röm. 14,23). Läßt man also die Taufe durch Frauen geschehen, so liegt darin eine noch viel schwerere Versündigung, weil ja auf diese Weise offenkundig die von Christus gelehrte Regel verletzt wird; denn wir wissen, daß es uns verboten ist, das auseinanderzureißen, was Gott verbindet. Aber alles dies lasse ich beiseite; ich möchte nur, daß der Leser sein Augenmerk darauf richtet, daß Zippora nichts weniger im Sinne hatte, als Gott einen Dienst zu leisten. Sie sah ihren Sohn in Gefahr, und nun geriet sie in Ärger und Murren hinein und schleuderte, nicht ohne Entrüstung, seine Vorhaut zur Erde; damit beschimpfte sie aber ihren Mann derart, daß sie zugleich gegen Gott selbst zürnte. Kurz, es liegt auf der Hand, daß ihr ganzes Verhalten aus innerlicher Zuchtlosigkeit erwachsen ist; denn sie empörte sich gegen Gott und ihren Mann, weil sie sich genötigt sah, das Blut ihres Sohnes zu vergießen. Zudem ist auch zu bedenken: selbst wenn sie sich in allen anderen Dingen rechtschaffen verhalten hätte, so bliebe es doch jedenfalls ein unentschuldbarer Vorwitz, daß sie ihren Sohn in Gegenwart ihres Mannes beschnitt und – und dabei war doch dieser ihr Mann nicht irgendein beliebiger amtloser Mensch, sondern eben Mose, Gottes vornehmster Prophet, der so groß war, daß in Israel nie ein größerer aufgestanden ist als er. Zippora hatte also zu ihrem Tun ebensowenig das Recht, wie es etwa (auch nach der Meinung der Gegner) heutzutage die Frauen (zur Taufe) unter den Augen eines Bischofs hätten. Aber diese Erörterung wird ohne Not alsbald von dem Grundsatz zur Klärung gebracht: wenn es Kindern widerfährt, daß sie aus dem gegenwärtigen Leben wieder ausziehen müssen, ehe es ihnen geschenkt war, im Wasser untergetaucht (d.h. getauft) zu werden, so werden sie dadurch nicht vom Himmelreich ausgeschlossen. Im Gegenteil: wir haben bereits gesehen, daß wir Gottes Bund keine geringe Unehre widerfahren lassen, wenn wir uns nicht auf ihn verlassen (und etwa so tun), als ob er an und für sich kraftlos wäre. Denn seine Wirkung ist weder von der Taufe noch von irgendwelchen Zusätzen abhängig. Das Sakrament kommt dann wie ein Siegel hinterher; aber nicht, als ob es Gottes Verheißung, die an und für sich kraftlos wäre, erst Geltung verschaffte, sondern es soll sie uns ausschließlich bekräftigen. Daraus ergibt sich: die Kinder der Gläubigen werden nicht zu dem Zweck getauft, daß sie nun erst Kinder Gottes würden, während sie zuvor fremd außerhalb der Kirche gestanden hätten; nein, sie werden darum mit einem feierlichen Zeichen in die Kirche aufgenommen, weil sie kraft der Gnadengabe der Verheißung schon zuvor zum Leibe Christi gehört haben. Wenn also bei der Unterlassung des Zeichens weder Trägheit noch Geringschätzung, noch Nachlässigkeit waltet, so sind wir vor aller Gefahr sicher. Es ist also viel heiliger, wenn wir der Anordnung Gottes solche Ehrerbietung erweisen, daß wir keine Sakramente anderswoher suchen als daher, wo der Herr sie niedergelegt hat. Und können wir solche Sakramente nicht von der Kirche erlangen – so gilt doch: Gottes Gnade ist nicht dergestalt an die Sakramente gebunden, daß wir sie nicht (auch ohne sie) im Glauben aus dem Worte Gottes erlangten!



Sechzehntes Kapitel: Die Kindertaufe steht mit Christi Stiftung und mit dem Wesen des Zeichens aufs beste im Einklang


IV,16,1

Nun haben aber zu unserer Zeit gewisse krankhafte Geister wegen der Kindertaufe schwere Wirrnisse in der Kirche erregt, und sie lassen auch noch nicht davon ab, Aufruhr zu machen. Ich kann angesichts dieser Tatsache nicht umhin, hier einen Anhang folgen zu lassen, um das Wüten dieser Leute in Schranken zu weisen. Wenn dieser Anhang jemandem zu weitläufig vorkommt, so bitte ich, der Betreffende wolle bei sich erwägen, wie doch die Reinheit der Lehre bei einer so ausnehmend wichtigen Sache und wie ebenfalls der Friede der Kirche bei uns von solchem Wert sein müssen, daß man etwas, das zu ihrer Herbeiführung beitragen mag, ohne Widerwillen aufnehmen muß. Außerdem werde ich mich bemühen, diese Erörterung derartig einzurichten, daß sie nicht wenig dazu dienen wird, das Geheimnis der Taufe klarer zu erläutern. Der Beweisgrund, mit dem die genannten Leute gegen die Kindertaufe angehen, ist dem Anschein nach wirklich beifallswürdig: sie erklären nämlich, die Kindertaufe sei auf keine Einsetzung Gottes begründet, sondern bloß durch die Vermessenheit und den verkehrten Vorwitz der Menschen aufgebracht worden und dann in törichter Leichtfertigkeit ohne Überlegung zur Annahme gekommen. (Dieser Beweisgrund scheint gut zu sein.) Denn wenn sich ein Sakrament nicht auf das sichere Fundament des Wortes Gottes stützt, so hängt es an einem Faden. Was will man aber sagen, wenn es sich bei rechter Betrachtung der Sache klar herausstellen wird, daß man solche Schmach fälschlich und unbillig der heiligen Anordnung Gottes aufbrennt? Wir wollen also zunächst die Entstehung der Kindertaufe untersuchen. Und wenn es sich dann herausstellen sollte, daß sie allein von der Unbedachtheit der Menschen ersonnen ist, so wollen wir sie fahrenlassen und die wahre Übung der Taufe ausschließlich nach dem Worte Gottes bemessen. Erweist es sich aber, daß die Kindertaufe durchaus nicht ohne die gewisse Autorität Gottes besteht, so müssen wir uns davor hüten, durch Untergrabung der heiligen Einrichtungen Gottes auch gegen ihren Urheber selbst Verachtung zu zeigen.



IV,16,2

Zunächst ist es ein hinreichend bekannter und bei allen Frommen angenommener Satz, daß die rechte Betrachtung der Zeichen nicht bloß auf den äußeren Zeremonien beruht, sondern vor allem von der Verheißung abhängt und von den geistlichen Geheimnissen, zu deren Darstellung der Herr eben die Zeremonien anordnet. Wer also gründlich feststellen will, was für einen Wert die Taufe hat, welchem Zweck sie dient, kurz, was sie überhaupt ist, der darf seine Erkenntnis nicht bei dem „Element“ oder bei dem leiblichen Anblick stehenbleiben lassen, sondern muß sie vielmehr zu den Verheißungen Gottes emporrichten, die uns darin dargeboten, und zu den tieferen Verborgenheiten, die uns darin vergegenwärtigt werden. Wer die kennt, der hat die wohlbegründete Wahrheit der Taufe und sozusagen ihre ganze Substanz erfaßt, und von da aus wird er dann auch darüber belehrt werden, was die äußerliche Besprengung für einen Sinn und Nutzen hat. Und auf der anderen Seite: wer jene entscheidenden Dinge verächtlich beiseite läßt und seinen Sinn voll und ganz an die äußere Zeremonie geheftet und festgebunden hält, der wird weder die Kraft noch das eigentliche wesender Taufe verstehen, ja, er wird nicht einmal begreifen, was das Wasser (dabei) bedeutet und welchen Nutzen es hat. Dieser Satz ist von zu vielen und zu klaren Zeugnissen der Schrift bewiesen, als daß es vonnöten wäre, vorderhand noch weiter auf ihn einzugehen. Es bleibt uns also noch die Aufgabe übrig, auf Grund der in der Taufe gegebenen Verheißungen danach zu forschen, was die Kraft und das Wesen der Taufe ist. Die Schrift zeigt, daß wir in der Taufe erstens auf die Reinigung von den Sünden hingewiesen werden, die wir durch Christi Blut erlangen. Zum Zweiten werden wir in der Taufe nach dem Zeugnis der Schrift auf die Ertötung des Fleisches hingewiesen, die in dem Teilhaben am Tode Christi besteht, durch welchen die Gläubigen zu einem neuen Leben wieder, geboren werden, – und damit auch (drittens) auf die Gemeinschaft mit Christus. Zu dieser Hauptsumme läßt sich alles in Beziehung setzen, was in der Schrift über die Taufe gelehrt ist; abgesehen davon, daß die Taufe außerdem auch ein Merkzeichen für die Bezeugung der Religion vor den Menschen ist.



IV,16,3

Nun stand aber für das Volk Gottes vor Einrichtung der Taufe an deren Stelle die Beschneidung, und wir wollen also untersuchen, welcher Unterschied zwischen diesen beiden Zeichen besteht und in welchen gemeinsamen Eigenschaften sie übereinstimmen. Daraus soll dann auch deutlich werden, was vom einen zum anderen hinüberführt. Als der Herr dem Abraham den Auftrag gibt, die Beschneidung zu üben, da sagt er vorweg, er wolle sein und seines Samens Gott sein (Gen. 17,7.10). Dabei fügt er hinzu, wie die Fülle und der vollgenügende Reichtum aller Dinge bei ihm liegt (Gen. 17,1.6.8), damit Abraham dafür hält, daß seine Hand für ihn der Brunnquell alles Guten sein werde. In diesen Worten ist die Verheißung des ewigen Lebens enthalten. So legt sie Christus aus und entnimmt ihnen den Beweis, um die Unsterblichkeit und Auferstehung der Gläubigen darzutun. Denn Gott, so sagt er, „ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen“ (Matth. 22,32; Luk. 20,38). In dem gleichen Sinne äußert sich Paulus: er will den Ephesern zeigen, aus was für einem Verderben sie der Herr befreit hatte, und dazu zieht er aus der Tatsache, daß sie zu dem Bund der Beschneidung keinen Zutritt gehabt hatten, die Folgerung, sie seien damals „ohne Christum“, „ohne Gott“, „ohne Hoffnung“ und „fremd den Testamenten der Verheißung“ gewesen (Eph. 2,12) – denn alles das umschloß eben dieser Bund! Nun besteht aber der erste Zugang zu Gott, der erste Schritt zu unsterblichem Leben in der Vergebung der Sünden. Daher ergibt sich, daß der Verheißung von unserer Reinigung, die uns in der Taufe gegeben wird, diese (in der Beschneidung gegebene) entspricht. Nachher legt der Herr dem Abraham die Verpflichtung auf, in Aufrichtigkeit und Unschuld des Herzens „vor ihm zu wandeln“ (Gen. 17,1) – das steht zu der Abtötung und Wiedergeburt in Beziehung (wie sie in der Taufe zur Darstellung kommt). Und damit sich niemand im unklaren darüber ist, daß die Beschneidung ein Zeichen der Abtötung ist, so gibt Mose an anderer Stelle noch eine deutlichere Darlegung, indem er nämlich das israelitische Volk dazu ermahnt, dem Herrn die Vorhaut seines Herzens zu beschneiden (Deut. 10,16), und zwar darum, weil es „aus allen Völkern“ der Erde zu Gottes Volk erwählt worden sei (Deut. 10,15). Wie Gott, als er sich die Nachkommenschaft des Abraham zum Volke annimmt, den Befehl zur Beschneidung gibt (Gen. 17), so tut Mose kund, daß das Volk an seinem Herzen beschnitten werden muß, und damit legt er eben dar, was die Wahrheit (d.h. das wahre Wesen) der fleischlichen Beschneidung ist (Deut. 30,6). Und damit sich keiner aus eigener Kraft um solche Herzensbeschneidung mühte, so lehrt Mose, daß sie ein Werk der Gnade Gottes ist. Das alles wird von den Propheten so oft eingeschärft, daß es nicht erforderlich ist, hier die vielen Zeugnisse aufzuführen, die einem ohne weiteres immer wieder begegnen. Wir stellen also fest, daß den Vätern in der Beschneidung die gleiche geistliche Verheißung zuteil geworden ist, wie sie uns in der Taufe gegeben wird; denn die Beschneidung gab ihnen eine bildliche Darstellung der Vergebung der Sünden und der Abtötung des Fleisches. Und außerdem: wie nach unserer obigen Darlegung das Fundament der Taufe Christus ist, in welchem diese beiden Gaben (Vergebung der Sünden und Abtötung des Fleisches) liegen, so ist er zweifellos auch das Fundament der Beschneidung. Denn er wird dem Abraham verheißen, und in ihm der Segen über alle Völker. Zur Versiegelung dieser Gnade aber wird ja das Zeichen der Beschneidung hinzugefügt.
Simon W.

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IV,16,4

Jetzt läßt sich ohne Mühe feststellen, was in diesen beiden Zeichen Ähnliches liegt und was sie voneinander unterscheidet. Die Verheißung, in der nach unserer Darstellung die Kraft der Zeichen besteht, ist bei beiden dieselbe: es ist eben die Verheißung der väterlichen Huld Gottes, der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens. Zweitens ist auch die im Bilde veranschaulichte Sache (res figurata) eine und dieselbe, nämlich die Wiedergeburt. Das Fundament, auf dem die Erfüllung dieser Dinge beruht, ist bei beiden das gleiche. Daher liegt in dem inwendigen Geheimnis, auf Grund dessen die ganze Kraft und Eigenart der Sakramente beurteilt werden muß, keinerlei Unterschied. Der Unterschied, der noch bleibt, der liegt in der äußerlichen Zeremonie, die doch das geringste Stück ist – denn das wichtigste beruht ja auf der Verheißung und der im Bilde veranschaulichten Sache. Daher kann man feststellen, daß sich alles, was zur Beschneidung paßt, zugleich auch auf die Taufe bezieht, abgesehen von dem Unterschied in der äußerlichen Zeremonie. Auf diesen Zusammenhang und diesen Vergleich werden wir bei der Hand geleitet durch die Regel des Apostels, in der uns geboten wird, alle Auslegung der Schrift nach dem Verhältnismaß des Glaubens (analogia fidei) auszurichten (Röm. 12,3.6). Und in der Tat tritt die Wahrheit in diesem Stück dermaßen vor uns hin, daß wir sie schier betasten können. Denn genau wie einst für die Juden der erste Schritt in die Kirche in der Beschneidung bestand, weil sie ihnen ja gewissermaßen als Merkzeichen diente, vermöge dessen sie Gewißheit davon erlangten, daß sie in Gottes Volk und Hausgenossenschaft aufgenommen wurden, und mit dem sie auch wiederum ihrerseits versprachen, Gott nachzufolgen – genau so werden auch wir durch die Taufe Gott geweiht, um zu seinem Volke hinzugerechnet zu werden und uns wiederum auch selbst eidlich an ihn zu binden. Daraus ergibt sich unstreitig, daß die Taufe an die Stelle der Beschneidung getreten ist, um an uns das gleiche Amt zu erfüllen.



IV,16,5

Wir wollen jetzt der Frage nachgehen, ob es recht ist, wenn man die Taufe auch Kindern zuteil werden läßt. Wenn sich nun hier jemand bloß bei dem Element des Wassers und bei der äußerlichen Übung aufhalten will, es aber nicht unternimmt, seinen Sinn dem geistlichen Geheimnis zuzuwenden – müssen wir dann nicht sagen, daß der sich gar zu albern verhält, ja, Wahnvorstellungen hegt? Trägt man aber diesem geistlichen Geheimnis Rechnung, so wird man ohne Zweifel feststellen, daß die Taufe den Kindern mit Recht zugedient wird, und zwar weil sie ihnen eben zukommt. Denn der Herr hat in alter Zeit die Kinder nicht der Beschneidung gewürdigt, ohne sie (damit) all der Dinge teilhaftig zu machen, die dazumal durch die Beschneidung angezeigt wurden. Sonst, wenn er sein Volk mit trügerischen Merkzeichen verführt hätte, so hätte er mit ihm ja in lauter Gaukeleien seinen Spott getrieben – und das ist schon abscheulich anzuhören! Denn er gibt doch ausdrücklich kund, daß die Beschneidung eines Kindleins gleich einem Siegel wirken sollte, um die Verheißung des Bundes zu versiegeln. Bleibt der Bund nun aber fest und unerschüttert bestehen, so kommt er heute den Kindern der Christen nicht weniger zu, als er sich unter dem Alten Testament auf die Kinder der Juden bezog. Und wenn sie nun der im Zeichen veranschaulichten Sache teilhaftig sind, weshalb soll ihnen dann das Zeichen vorenthalten werden? Wenn sie die Wahrheit erlangen, weshalb soll man ihnen das Bild verwehren? Allerdings hängt bei dem Sakrament das äußere Zeichen derart mit dem Wort zusammen, daß es nicht von ihm losgerissen werden kann. Soll aber (trotzdem) eine Unterscheidung stattfinden, so frage ich: welches von beiden wollen wir denn höher achten? Es ist doch in der Tat so: da wir sehen, daß das Zeichen dem Worte dienstbar ist, so werden wir sagen, daß es ihm nachsteht, und wir werden ihm den niedrigeren Platz zuweisen. Wenn also das Wort (in) der Taufe für die Kinder bestimmt ist – weshalb soll man ihnen dann das Zeichen, das heißt: das Anhängsel zum Wort, vorenthalten? Wenn außer diesem einen Grunde auch keine anderen zur Verfügung stünden, so würde er doch vollauf hinreichen, um alle zu widerlegen, die hätten Einspruch erheben wollen. Man macht aber den Einwand, für die Beschneidung habe ein festgelegter Tag bestanden (für die Taufe dagegen nicht). Aber das ist offenkundig eine Ausflucht. Wir geben zu, daß wir nicht mehr wie die Juden an bestimmte Tage gebunden sind, aber wenn der Herr zwar keinen Tag vorschreibender trotzdem erklärt, daß es ihm wohlgefällt, daß die Kinder in feierlichem Brauch in seinen Bund aufgenommen werden – was verlangen wir dann mehr?



IV,16,6

Jedoch eröffnet uns die Schrift eine noch gewissere Erkenntnis der Wahrheit. Denn es ist doch im höchsten Maße offenkundig, daß der Bund, den der Herr einmal mit Abraham geschlossen hat, für die Christen heute nicht weniger Bestand besitzt als einst für das jüdische Volk, und daß sich darum auch jenes Wort nicht weniger auf die Christen bezieht als damals auf die Juden (vgl. Gen. 17,10). Wir müßten sonst schon der Meinung sein, Christus hätte durch sein Kommen die Gnade des Vaters vermindert oder verkürzt – und solche Meinung wäre ja nicht frei von abscheulicher Gotteslästerung! So wurden also die Kinder der Juden, weil sie, zu Erben des Bundes gemacht, von den Kindern der Gottlosen unterschieden wurden, als „heiliger Same“ bezeichnet (Esra 9,2), und eben aus dem nämlichen Grunde gelten nun die Kinder der Christen als heilig, selbst wenn nur einer der Eltern, von denen sie abstammen, gläubig ist, und nach dem Zeugnis des Apostels unterscheiden sie sich von dem unreinen Samen der Abgöttischen (1. Kor. 7,14). Nun hat der Herr, gleich nachdem er mit Abraham den Bund geschlossen hatte, das Gebot gegeben, diesen Bund in einem äußeren Zeichen den Kindern zu versiegeln (Gen. 17,12); was für einen Grund sollen also die Christen angeben können, weshalb sie diesen Bund nicht auch heute vor ihren Kindern bezeugen und versiegeln sollten? Es soll mir auch keiner den Einwand machen, nach der Vorschrift des Herrn sei kein anderes Merkzeichen zur Bekräftigung seines Bundes bestimmt gewesen als eben die Beschneidung, und die sei ja schon seit langer Zeit abgeschafft. Denn hier läßt sich leicht entgegnen: Gott hat für die Zeit des Alten Testaments zur Bekräftigung seines Bundes die Beschneidung eingesetzt; nachdem diese nun abgeschafft ist, bleibt doch allezeit die gleiche Begründung zu solcher Bekräftigung bestehen, die wir mit den Juden gemeinsam haben. Daher muß man fort und fort fleißig darauf achthaben, was den Juden und uns gemeinsam ist und was jene gesondert von uns besitzen. Der Bund ist gemeinsam, gemeinsam ist auch die Ursache zu seiner Bekräftigung. Nur die Art und Weise solcher Bekräftigung ist verschieden: das war nämlich für sie die Beschneidung, an deren Stelle dann für uns die Taufe getreten ist. Sonst, nämlich wenn das Zeugnis, vermöge dessen die Juden über das Heil ihres Samens Gewißheit bekamen, uns entrissen würde, hätte Christi Kommen die Wirkung gehabt, daß Gottes Gnade für uns dunkler und schwächer bezeugt wäre, als sie es früher für die Juden war. Das kann man nun aber nicht ohne die schlimmste Schmähung Christi aussprechen; denn durch ihn hat sich doch die grenzenlose Güte des Vaters deutlicher und freundlicher auf die Erde ergossen und den Menschen kundgetan als je zuvor. Wir müssen also notwendig zugeben, daß solche Güte Gottes heute wahrhaftig nicht engherziger verborgen gehalten und auch nicht mit einem geringeren Zeugnis verherrlicht werden darf, als es einst unter den dunklen Schatten des Gesetzes geschehen ist.
Simon W.

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IV,16,7

Nun wollte also Jesus, der Herr, einen Beweis geben, an dem die Welt begreifen sollte, daß sein Kommen nicht einer Eingrenzung der Barmherzigkeit des Vaters diente, sondern vielmehr ihrer Ausbreitung; und zu diesem Zweck nahm er die Kindlein, die man zu ihm brachte, freundlich in die Arme und tadelte die Jünger, die sie von, dem Zutritt zu ihm fernzuhalten versuchten, weil sie damit eben die, denen das Himmelreich gehörte, von ihm wegleiteten, durch den doch allein der Zugang zum Himmel offensteht (Matth. 19,13-15). Aber, so könnte jemand sagen, was hat denn diese Umarmung, die Christus übt, mit der Taufe für Ähnlichkeit? Denn es wird doch nicht erzählt, daß Jesus diese Kinder getauft habe; sondern wir hören bloß, daß er sie aufgenommen, umarmt und gesegnet hat. Wenn wir also seinem Vorbild nachfolgen wollen, so wollen wir den Kindern mit Gebeten zur Seite stehen, aber sie nicht taufen. Wir dagegen wollen Christi Verhalten etwas aufmerksamer bedenken als solche Art Menschen. Denn man darf nicht leichthin über die Tatsache hinweggehen, daß Christus dem Gebot, ihm die Kindlein zu bringen, die Ursache hinzufügt: „Denn solcher ist das Himmelreich“ (Matth. 19,14). Hernach bezeugt er dann seinen Willen mit der Tat, indem er die Kindlein in die Arme nimmt und sie dem Vater durch sein Gebet und seinen Segen anbefiehlt. Wenn es recht und billig ist, Christus die Kinder zuzuführen – weshalb denn nicht auch, sie zur Taufe zuzulassen, die doch das Merkzeichen unserer Einung und Gemeinschaft mit Christus ist? Wenn „solcher ist das Himmelreich“, weshalb soll man ihnen dann das Zeichen verweigern, mit dem ihnen gleichsam der Zugang zur Kirche eröffnet wird, damit sie, darin aufgenommen, den Erben des Himmelreichs zugerechnet werden? Wie ungerecht verfahren wir doch, wenn wir die abweisen, die Christus zu sich einlädt, wenn wir die, die er mit seinen Gaben ziert, (dieser Gaben) berauben, wenn wir die ausschließen, die er selbst aus freien Stücken zu sich läßt: Und wenn wir eine Erörterung darüber anstellen sollen, wie sehr sich die Taufe von dem unterscheidet, was Christus an dieser Stelle getan hat, so müssen wir doch fragen, wieviel höher soll uns denn etwa die Taufe stehen, in der wir (bloß) bezeugen, daß die Kinder in Gottes Bund eingeschlossen werden, als das Aufnehmen und Umarmen, die Handauflegung und das (segnende) Gebet, mit denen Christus in eigener Person erklärt, daß sie ihm gehören und von ihm geheiligt werden? Unsere Widersacher bringen aber auch noch eine andere Ausflucht vor, mit der sie sich bemühen, der hier angezogenen Stelle auszuweichen; aber damit legen die nur ihre eigene Unwissenheit an den Tag. Sie ziehen nämlich aus Christi Wort: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ die spitzfindige Folgerung, diese Kinder wären schon etwas älter gewesen, weil sie doch bereits in der Tage gewesen wären, zu ihm zu „kommen“. Aber diese Kinder werden von den Evangelisten als „brephe kai paidia“ bezeichnet, und mit solchen Ausdrücken meinen die Griechen Kindlein, die noch an der Mutter Brust hängen. „Kommen“ ist also einfach für „herannahen“ gesetzt! Da sieht man aber, was für Trügereien solche Leute zum Vorwand zu nehmen genötigt werden, die sich gegen die Wahrheit verhärtet haben! Ferner machen sie geltend, das Himmelreich werde an dieser Stelle nicht den Kindern (im Sinne des Kindesalters) zugesprochen, sondern solchen (Menschen, auch Erwachsenen), die ihnen ähnlich seien; denn es heiße ja „solcher“, nicht „ihrer“. Aber dieser Einwand ist um nichts stichhaltiger als der vorige. Denn wenn man das gelten läßt – was soll dann wohl aus Christi Begründung werden, mit der er doch zeigen will, daß ihm Kinder dem Alter nach nicht fremd sind? Er gebietet, man solle Kinder zu ihm kommen lassen, und darum ist nichts deutlicher, als daß er ein wirkliches Kindesalter meint! Damit dies sein Gebot nicht widersinnig erscheint, setzt er hinzu: „Denn solcher ist das Himmelreich.“ Darunter müssen doch (nach Lage der Dinge) notwendig auch die Kinder (im Sinne des Kindesalters) mit beschlossen sein; wenn es aber so steht, dann ist es auch völlig deutlich, daß der Ausdruck „solcher“ die Kinder selbst und solche bezeichnet, die ihnen ähnlich sind.



IV,16,8

Jetzt gibt es keinen mehr, der nicht einsähe, daß die Kindertaufe keineswegs „vom Menschen aus zusammengeschmiedet worden“ ist – sie stützt sich ja auf eine so kräftige Billigung der Schrift! Auch ist es kein hinreichend schönscheinendes Geschwätz, was diejenigen vorbringen, die den Einwand erheben, man finde es doch nirgendwo (berichtet), daß auch nur ein einziges Kind durch die Hand der Apostel getauft worden wäre. Nun wird das allerdings von den Evangelisten nicht ausdrücklich berichtet; aber auf der anderen Seite werden, sooft sich auch die Taufe einer Familie erwähnt findet, die Kinder nicht ausgeschlossen. Wer will nun also – vorausgesetzt, daß er eben nicht wahnwitzig ist – daraus den Schluß ziehen, die Kinder seien nicht getauft worden? Wenn solcherlei Beweisgründe etwas gelten sollten, so müßten in gleicher Weise auch die Frauen vom Abendmahl des Herrn ausgeschlossen werden, weil wir nirgendwo zu lesen bekommen, daß sie zur Zeit der Apostel dazu zugelassen worden sind (Apg. 16,15.32). Wir begnügen uns hier eben mit der Regel des Glaubens, denn wenn wir erwägen, was die Einsetzung des Abendmahls für einen Sinn hat, so werden wir daraufhin auch leicht ein Urteil darüber gewinnen, welchen Menschen an seiner Ausübung Anteil zu geben ist. Das gleiche beobachten wir auch bei der Taufe. Denn sobald wir darauf achten, zu welchem Zweck sie eingerichtet ist, liegt es für uns auch klar auf der Hand, daß sie den Kindern nicht weniger zukommt als Menschen von höherem Lebensalter. Man kann sie also den Kindern nicht wegnehmen, ohne dadurch dem Willen des Gebers, das heißt dem Willen Gottes, offen Eintrag zu tun. Wenn die Wiedertäufer aber bei dem einfältigen Volke die Behauptung ausstreuen, es sei nach Christi Auferstehung eine lange Reihe von Jahren vergangen, in denen die Kindertaufe unbekannt gewesen sei, so ist das eine ganz jämmerliche Lüge. Denn es gibt keinen (kirchlichen) Schriftsteller, er mag noch so alt sein, der nicht mit Sicherheit den Ursprung der Kindertaufe auf die Zeit der Apostel zurückführte.



IV,16,9

Damit nun niemand die Kindertaufe als unnütz und müßig verachtet, bleibt uns noch übrig aufzuzeigen, welche Früchte aus dieser Übung sowohl den Gläubigen erwachsen, die ihre Kinder zur Taufe vor die Kirche bringen, als auch den Kindern selbst, die mit dem geheiligten Wasser getauft werden. Wenn es allerdings jemandem in den Sinn kommt, die Kindertaufe unter diesem Vorwand (nämlich sie brächte keinen Nutzen) zu verlachen, der treibt auch mit dem von dem Herrn gegebenen Gebot der Beschneidung seinen Spott. Denn was sollten solche Leute wohl zum Kampf gegen die Kindertaufe vorbringen können, das nicht auf das Beschneidungsgebot zurückfiele? Auf diese Weise ahndet der Herr die Anmaßung derer, die gleich verdammen, was sie mit dem Empfinden ihres Fleisches nicht begreifen. Jedoch rüstet uns Gott noch mit anderen Waffen aus, um der Torheit dieser Leute entgegenzutreten. Diese heilige Einrichtung, durch die unserem Glauben, wie wir es erfahren, in herrlichster Tröstung Hilfe zuteil wird, verdient es nämlich nicht, als überflüssig bezeichnet zu werden. Denn das Zeichen Gottes, das einem jungen Knaben gegeben wird, bekräftigt wie ein aufgedrücktes Siegel die Verheißung, die dem frommen Vater oder der frommen Mutter gegeben ist, und erklärt es für abgemacht, daß der Herr nicht nur der Gott des Vaters oder der Mutter, sondern auch der Gott ihres Samens sein und nicht nur ihnen selbst mit seiner Güte und Gnade begegnen will, sondern auch ihren Nachfahren bis ins tausendste Glied. Da nun hierbei Gottes unermeßliche Freundlichkeit an den Tag tritt, so gibt sie solchen Menschen zunächst den reichsten Anlaß, seinen Ruhm zu preisen, und durchdringt ihr frommes Herz mit ungewöhnlicher Freude, durch welche sie zugleich um so kräftiger dazu angereizt werden, solch frommen Vater wiederzulieben, weil sie ja wahrnehmen, wie er um ihretwillen auch für ihre Nachkommenschaft sorgt. Ich kümmere mich auch nicht darum, wenn hier jemand einwendet, zur Bekräftigung des Heils unserer Kinder müsse auch die Verheißung (allein) genügen. Denn es hat Gott (nun einmal) anders gefallen: er hat unsere Schwachheit erkannt und hat ihr eben in demselben Maße, in dem er sie erkannt hat, in dieser Sache Nachsicht widerfahren lassen wollen. Wer also die Verheißung, daß sich Gottes Barmherzigkeit auch auf seine Kinder ausdehnen soll, annimmt, der soll bedenken, daß es seine pflichtmäßige Aufgabe ist, solche Kinder zur Zeichnung mit dem Merkzeichen dieser Barmherzigkeit vor die Kirche zu tragen und sich daraufhin zu um so gewisserer Zuversicht zu ermuntern, weil er ja mit eigenen Augen sieht, wie der Bund des Herrn auf den Leib seiner eigenen Kinder aufgeprägt ist. Auf der anderen Seite empfangen auch die Kinder aus ihrer Taufe mancherlei Gewinn, weil sie ja dadurch in den Leib der Kirche eingefügt werden und damit den anderen Gliedern (an diesem Leibe) noch wesentlich nachdrücklicher anbefohlen sind. Und wenn sie dann herangewachsen sind, so werden sie durch ihre Taufe nicht wenig zum ernsten Trachten nach der Verehrung Gottes angespornt, der sie ja durch das feierliche Merkzeichen ihrer Adoption zu Kindern angenommen hat, ehe sie ihn ihres Alters halben als Vater zu erkennen vermochten. Und schließlich muß uns aufs höchste jenes Fluchwort schrecken, nach welchem Gott als Vergelter auftreten will, wenn es jemand verächtlich von sich weist, seinen Sohn mit dem Merkzeichen des Bundes zu zeichnen, weil ja durch solche Verachtung des Zeichens die dargebotene Gnade abgewiesen und gleichsam abgeschworen wird (Gen. 17,14).



IV,16,10

Jetzt wollen wir die Beweisgründe erörtern, mit denen gewisse rasende Tiere unaufhörlich gegen diese heilige Einrichtung Gottes anrennen. Zunächst: da sie wohl merken, wie sie durch die Ähnlichkeit von Taufe und Beschneidung über alle Maßen ins Gedränge und in die Enge geraten, so geben sie sich Mühe, diese beiden Zeichen durch einen großen Gegensatz voneinander loszutrennen, damit es nur ja den Anschein gewinnt, daß das eine mit dem anderen nichts gemein hätte. Sie behaupten nämlich, es würden hier (erstens) verschiedene Dinge bezeichnet, der Bund sei (zweitens) ein völlig anderer, und (drittens) auch der Ausdruck „Kinder“ sei nicht in gleichem Sinne gebraucht.

a) Wenn sie nun aber jene erste Behauptung zu beweisen trachten, so wenden sie vor, die Beschneidung sei ein Zeichen der Abtötung, nicht aber der Taufe gewesen. Das geben wir ihnen wahrlich mit größter Bereitwilligkeit zu. Denn es gewahrt uns den besten Beistand. Wir benutzen auch zu unserem Beweis keinen anderen Satz als den, daß Taufe und Beschneidung Zeichen der Abtötung sind. Auf Grund dessen stellen wir fest, daß die Taufe an die Stelle der Beschneidung getreten ist, damit sie uns das gleiche veranschaulicht, was die Beschneidung vorzeiten den Juden als Zeichen vor Augen hielt.

b) Und wenn es gilt, die Verschiedenheit des Bundes zu verteidigen – in was für barbarischer Verwegenheit zerreißen und verderben sie dann die Schrift! Das geschieht nicht etwa an einer einzigen Stelle, sondern so, daß sie nichts heil und unversehrt lassen! Die Juden schildern sie uns nämlich als dermaßen fleischlich, daß sie mehr dem Vieh gleichen als den Menschen. Sie erklären eben, der Bund, der mit den Juden geschlossen worden sei, gehe nicht über das zeitliche Leben hinaus, und die Verheißungen, die ihnen zuteil geworden wären, bezögen sich bloß auf gegenwärtige und leibliche Güter. Was würde, wenn sich diese Lehre durchsetzte, anders übrigbleiben, als daß das jüdische Volk eine Zeitlang durch Gottes Wohltat gesättigt worden sei – nicht anders, als man eine Sauherde im Roben mästet –, um dann schließlich im ewigen Verderben zugrunde zu gehen? Denn wenn wir die Beschneidung und die mit ihr verbundenen Verheißungen anführen, dann antworten sie sogleich, die Beschneidung sei ein unter dem Buchstaben stehendes Zeichen (literale signum), und ihre Verheißungen seien fleischlich gewesen.
Simon W.

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IV,16,11

In der Tat, wenn die Beschneidung ein unter dem Buchstaben stehendes Zeichen war, dann muß man über die Taufe genau in der gleichen Weise urteilen. Denn der Apostel erklärt im zweiten Kapitel des Briefes an die Kolosser das eine Zeichen nicht mehr für geistlich als das andere (Kol. 2,11). Er sagt nämlich, wir seien in Christo „beschnitten mit der Beschneidung ohne Hände“, „durch Ablegung des sündlichen Leibes“, der „in unserem Fleische“ wohnte; und diese Beschneidung nennt er die „Beschneidung Christi“. Dann fügt er zur Erläuterung dieses Satzes hinzu, wir seien „mit Christus begraben durch die Taufe“ (Kol. 2,12). Was will Paulus nun mit diesen Worten anders sagen, als daß die Erfüllung und die Wahrheit der Taufe zugleich die Wahrheit und die Erfüllung der Beschneidung ist, weil sie ja beide eine und dieselbe Sache bildlich veranschaulichen? Denn er bemüht sich doch zu beweisen, daß die Taufe für die Christen das gleiche ist, was früher für die Juden die Beschneidung war. Da wir aber schon deutlich auseinandergesetzt haben, daß die Verheißungen beider Zeichen und auch die in ihnen dargestellten Geheimnisse miteinander zusammenstimmen, so wollen wir uns vorderhand nicht dabei aufhalten. Ich möchte die Gläubigen nur ermahnen, auch ohne daß ich etwas sage, bei sich zu bedenken, ob man ein Zeichen, dem nichts als Geistliches und Himmlisches innewohnt, für irdisch und für Buchstabensache halten darf. Damit sie nun aber ihren Nebeldampf nicht bei schlichten Leuten an den Mann bringen, wollen wir die Behauptung, mit der sie diese unverschämte Lüge zu decken suchen, im Vorbeigehen entkräften. Es ist gewisser als gewiß, daß die vornehmsten Verheißungen, in die der Bund verfaßt war, den Gott unter dem Alten Testament mit den Israeliten geschlossen hat, geistlich gewesen sind und sich auf das ewige Leben bezogen haben. Ebenso sicher ist es, daß diese Verheißungen, wie es sich gebührte, von den Vätern auch geistlich aufgenommen worden sind, damit sie aus ihnen Zuversicht auf das ewige Leben schöpften, nach dem sie sich mit allen Regungen ihres Herzens sehnten. Indessen leugnen wir aber durchaus nicht, daß Gott ihnen sein Wohlwollen auch mit irdischen und fleischlichen Wohltaten bezeugt hat, und behaupten auch, daß durch diese Wohltaten jene Hoffnung auf die geistlichen Verheißungen bekräftigt worden ist. So geschah es, als er seinem Knecht Abraham die ewige Seligkeit zusagte: er wollte ihm einen handgreiflichen Beweis seiner Huld vor Augen stellen und fügte darum die weitere Verheißung hinzu, nach welcher Abraham das Land Kanaan besitzen sollte (Gen. 15,1.18). Man muß also alle irdischen Verheißungen, die dem jüdischen Volk zuteil geworden sind, in dem Sinne auffassen, daß die geistliche Verheißung als die Hauptsache stets den ersten Platz innehat und die anderen darauf bezogen werden. Da ich diese Dinge aber bei der Darlegung des Unterschieds zwischen dem Alten und Neuen Testament ausführlicher behandelt habe, so begnüge ich mich hier mit einer recht kurzen Erwähnung.



IV,16,12

c) Im Bezug auf die Bezeichnung „Kinder“ finden sie (zwischen Beschneidung und Taufe) den Unterschied, daß unter dem Alten Testament diejenigen als Kinder Abrahams erscheinen, die ihren (natürlichen) Ursprung von seinem Samen herleiteten, während dieser Begriff heute diejenigen meint, die seinem Glauben nachfolgen. Deshalb habe, so behaupten sie weiter, jene fleischliche Kinderschaft, die durch die Beschneidung in die Gemeinschaft des Bundes aufgenommen wurde, die geistlichen Kinder des Neuen Testaments bildlich veranschaulicht, die aus Gottes Wort zu unsterblichem Leben wiedergeboren seien. In diesen Worten sehen wir freilich ein geringes Fünklein von Wahrheit; aber diese oberflächlichen Geister vergehen sich darin schwer, daß sie das an sich reißen, was ihnen zuerst in die Hand gerät, und sich dabei auf das eine Wort hartnäckig versteifen, während man doch eigentlich weiter gehen und vieles miteinander vergleichen müßte. Von da aus kann es dann nicht anders zugehen, als daß sie gleich auf irrige Vorstellungen geraten; denn sie gehen bei keiner Sache auf eine gründliche Erkenntnis aus. Wir geben allerdings zu, daß der fleischliche Same Abrahams eine Zeitlang den Platz des geistlichen Samens innegehabt hat, der durch den Glauben in ihn eingeleibt wird. Denn wir werden seine Kinder genannt, ob auch zwischen ihm und uns keinerlei natürliche Verwandtschaft besteht (Gal. 4,28; Röm. 4,12). Wenn sie nun aber der Meinung sind – und diese Ansicht geben sie völlig klar zu erkennen –, daß dem fleischlichen Samen Abrahams niemals die geistliche Segnung Gottes verheißen worden sei, dann sind sie darin bei weitem im Irrtum. Daher müssen wir uns nach einem besseren Richtpunkt ausrichten, zu dem wir durch die völlig sichere Führung der Schrift hingeleitet werden. Der Herr verheißt also dem Abraham einen zukünftigen Samen, in dem „alle Völker der Erde gesegnet werden sollen“, und zugleich gibt er ihm die Zusage, er wolle sein und seines Samens Gott sein (Gen. 12,3; 17,6). Alle, die nun Christus als den Geber solchen Segens im Glauben annehmen, die sind Erben dieser Verheißung und heißen deshalb „Kinder Abrahams“.



IV,16,13

Allerdings haben sich nach der Auferstehung Christi die Grenzen des Reiches Gottes weit und breit zu allen Völkern hin unterschiedslos zu erweitern angefangen, damit nach Christi Wort von allen Seiten die Gläubigen versammelt werden, um „mit Abraham und Isaak und Jakob“ in himmlischer Herrlichkeit zu Tische zu sitzen (Matth. 8,11). Aber Gott hatte trotzdem schon viele hundert Jahre zuvor die Juden mit solch großer Barmherzigkeit umfaßt. Und da er unter Übergehung aller anderen dieses eine Volk auserwählt hatte, um in ihm eine Zeitlang seine Gnade beschlossen sein zu lassen, so erklärte er es auch für sein „Eigentum“ und für das von ihm erworbene Volk (Ex. 19,5). Zur Bezeugung solcher Wohltätigkeit wurde dem Volke die Beschneidung gegeben, die ein Merkzeichen darstellte, das die Juden darüber unterweisen sollte, daß Gott der Hüter ihres Heils sei. Durch solche Erkenntnis wurden ihre Herzen zur Hoffnung auf das ewige Leben aufgerichtet. Denn was soll dem wohl fehlen, den Gott einmal in seine Hut aufgenommen hat? Daher bedient sich auch der Apostel, um zu beweisen, daß die Heiden zusammen mit den Juden Abrahams Kinder sind, folgender Redeweise: „Abraham ist im Glauben gerechtfertigt worden, als er noch unbeschnitten war. Das Zeichen aber der Beschneidung empfing er dann zum Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens …, auf daß er würde ein Vater aller, die da glauben und nicht beschnitten sind, … und würde auch ein Vater der Beschneidung, und zwar nicht derer, die sich allein der Beschneidung rühmen, sondern auch wandeln in den Fußtapfen des Glaubens, welcher war in unserem Vater Abraham, als er noch nicht beschnitten war“ (Röm. 4,10-12; gelegentlich nicht Luthertext). Sehen wir da nicht, wie beide in ihrer Würde gleichgestellt werden? Denn eine Zeitlang, soweit es Gott bestimmt hatte, war Abraham ein Vater der Beschneidung. Als dann, wie der Apostel an anderer Stelle schreibt (Eph. 2,14), der Zaun abgebrochen war, der die Heiden von den Juden trennte, und damit auch den Heiden der Zugang zum Reiche Gottes eröffnet wurde, da wurde Abraham auch zu ihrem Vater, und zwar ohne das Zeichen der Beschneidung, weil sie ja an Stelle der Beschneidung die Taufe haben. Wenn aber Paulus ausdrücklich erklärt, Abraham sei nicht der Vater derer, die bloß aus der Beschneidung sind (Röm. 4,12), so ist das gesagt, um die Überheblichkeit gewisser Leute zu dämpfen, die die Sorge um die Frömmigkeit beiseite ließen und sich bloß der Zeremonien rühmten. Es geschieht in der gleichen Weise, wie man auch heute der Eitelkeit derer entgegentreten könnte, die bei der Taufe nichts suchen als das Wasser.



IV,16,14

Aber hiergegen wird man eine andere Stelle aus dem Apostel, und zwar Römer 9,7, anführen: da lehrt er, die, welche nach dem Fleische (Abrahams Nachkommen) sind, seien nicht Abrahams Kinder (Röm. 9,7f.), sondern zu seinem Samen würden nur die gerechnet, die „Kinder der Verheißung“ sind. Denn es hat den Anschein, als wollte er hier zu verstehen geben, daß die fleischliche Verwandtschaft mit Abraham, die wir doch auf eine gewisse Stufe stellen, nichts sei. Wir müssen jedoch aufmerksamer darauf achten, was für einen Fall der Apostel an dieser Stelle behandelt. Er will nämlich den Juden zeigen, wie gar nicht die Güte Gottes an den Samen Abrahams gebunden ist, ja, wie rein nichts die fleischliche Verwandtschaft mit ihm aus sich selbst heraus schafft, und zum Beweis dafür verweist er auf Ismael und Esau; denn diese wurden doch, obwohl sie nach dem Fleisch echte Nachkommen des Abraham waren, verworfen, als ob sie Fremde wären, während der Segen auf Isaak und Jakob ruhte. Daraus ergibt sich, was Paulus dann hernach behauptet: das Heil hängt von Gottes Barmherzigkeit ab, mit der er begegnet, wem er will (Röm. 10,15f.), und die Juden haben keinen Grund, weshalb sie sich unter Berufung auf den Bund gefallen oder rühmen sollten, sofern sie nicht das Gesetz des Bundes innehalten, das heißt: dem Wort gehorchen. Und wiederum: nachdem er den Juden das eitle Vertrauen auf ihre Herkunft weggenommen hatte, gewahrte er nun doch auf der anderen Seite, daß der Bund, den Gott einmal mit der Nachkommenschaft Abrahams eingegangen war, in keiner Weise ungültig werden konnte, und deshalb setzt er im elften Kapitel auseinander, daß die fleischliche Verwandtschaft des Abraham ihrer Würde nicht beraubt werden kann; denn um ihretwillen sind ja, so lehrt er, die Juden die ersten und geborenen Erben des Evangeliums, wofern sie nicht wegen ihrer Undankbarkeit als Unwürdige verworfen sind, freilich dann so, daß der himmlische Segen nicht voll und ganz von ihrem Volke gewichen ist. Aus diesem Grunde nennt er sie, so widerspenstig und bundbrüchig sie auch waren, nichtsdestoweniger "heilig" (Röm. 11,16) – soviel Ehre läßt er dem heiligen Geschlecht zuteil werden, das Gott seines heiligen Bundes gewürdigt hätte –, uns dagegen betrachtet er im Verhältnis zu ihnen gleichsam als nachgeborene oder auch als unzeitig geborene Kinder Abrahams, und zwar durch Aufnahme in die Kindschaft, nicht auf Grund natürlicher Abkunft, wie wenn ein Reis von seinem Baum heruntergeschlagen ist und auf einen fremden Stamm gepfropft wird (Röm. 11,17). Damit die Juden also nicht um ihr Vorrecht gebracht würden, so mußte ihnen das Evangelium an erster Stelle verkündigt werden. Denn sie sind in Gottes Hausgenossenschaft gleichsam die Erstgeborenen. Deshalb mußte ihnen diese Würde zuteil werden, bis sie die angebotene Ehre verwarfen und es mit ihrer Undankbarkeit dahin brachten, daß sie nun auf die Heiden überging. Mit wieviel Halsstarrigkeit sie nun aber auch dabei beharren mögen, mit dem Evangelium Krieg zu führen, so dürfen wir sie deshalb trotzdem nicht verachten, wenn wir doch bedenken, daß um der Verheißung willen Gottes Segen immer noch unter ihnen bleibt, wie denn jedenfalls der Apostel bezeugt, daß dieser Segen nie ganz von ihnen weichen wird; „denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen“ (Röm. 11,29).
Simon W.

Der Pilgrim
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IV,16,15

Da sehen wir, was die Verheißung, die der Nachkommenschaft des Abraham gegeben worden ist, für einen Wert hat und auf welcher Waage sie gewogen werden muß. Daher zweifeln wir allerdings nicht daran, daß bei der Unterscheidung zwischen den Erben des Reiches und den Bastarden und Fremden allein Gottes Erwählung nach freiem Rechte das Regiment führt; zugleich jedoch erkennen wir, daß es ihm gefallen hat, den Samen Abrahams in besonderer Weise mit seiner Barmherzigkeit zu umfangen und diese Barmherzigkeit, damit sie als besser bezeugt gelte, durch die Beschneidung zu versiegeln. Mit der christlichen Kirche ist es nun durchaus ebenso bestellt. Denn wie Paulus oben auseinandersetzt, daß die Juden durch ihre Eltern geheiligt würden, so lehrt er an anderer Stelle, daß die Kinder der Christen von ihren Eltern die gleiche Heiligung empfangen (1. Kor. 7,14). Daraus ergibt sich, daß sie verdientermaßen von anderen abgesondert werden, die ihrerseits als unrein beschuldigt werden. Wer kann nun noch daran zweifeln, daß es völlig verkehrt ist, wenn die Wiedertäufer jetzt weiter die Behauptung folgen lassen, die Kinder, die dazumal beschnitten worden seien, hätten bloß die geistliche Kindschaft bildlich veranschaulicht, die sich aus der Wiedergeburt durch das Wort Gottes erhebt? So spitzfindig nämlich philosophiert der Apostel nicht, wenn er doch schreibt, Christus sei ein „Diener der Beschneidung“, um die Verheißungen zu erfüllen, die den Vätern gegeben waren (Röm. 15,8); denn das ist doch gerade, als wenn er sich in folgender Weise ausspräche: da der Bund, der mit Abraham geschlossen ist, auf seinen Samen Bezug hat, so ist Christus, um das vom Vater einmal gegebene Wort zu erfüllen und einzulösen, dem jüdischen Volke zum Heil gekommen. Sieht man nun, wie nach dem Urteil des Paulus auch nach der Auferstehung Christi die Verheißung des Bundes nicht nur sinnbildlich (allegorice), sondern dem Wortlaut nach an dem fleischlichen Samen Abrahams in Erfüllung gehen mußte? Hierher gehört es auch, daß Petrus Apostelgeschichte 2,39 den Juden die Kunde gibt, daß ihnen und ihrem Samen kraft Bundesrechts die Wohltat des Evangeliums zukomme, und daß er sie dann gleich im folgenden Kapitel als „des Bundes Kinder“, das heißt seine Erben, bezeichnet (Apg. 3,25). Hiervon weicht auch nicht wesentlich die andere oben bereits angeführte Stelle aus dem Apostel ab, an der er dafürhält und behauptet, daß die Beschneidung, die den Kindern aufgeprägt ist, ein Zeichen der Gemeinschaft darstellt, die sie mit Christus haben (Eph. 2,11f.). Und wahrlich – was soll denn, wenn wir auf das Geschwätz der Wiedertäufer hören, aus jener Verheißung werden, mit der der Herr im zweiten Hauptstück (Gebot) seines Gesetzes seinen Knechten die Zusage gibt, er wolle ihrem Samen bis ins tausendste Glied „Barmherzigkeit tun“? Sollen wir hier etwa zu Allegorien unsere Zuflucht nehmen? Aber das wäre doch eine gar zu possenhafte Ausflucht. Oder sollen wir etwa behaupten, das sei abgeschafft? Aber damit würde das Gesetz der Auflösung verfallen – und Christus wollte es doch vielmehr bekräftigen, sofern es uns zum Guten und zum Leben gereicht! Es soll also keiner Auseinandersetzung unterworfen sein, daß Gott gegen die Seinen so gütig und freigebig ist, daß er um ihretwillen auch die Kinder, die sie gezeugt haben, zu seinem Volke gezählt haben will.



IV,16,16

Die Unterscheidungen, die die Wiedertäufer außerdem zwischen Taufe und Beschneidung einzutragen sich bemühen, sind nicht nur lächerlich und alles Scheins einer Begründung ledig, sondern auch untereinander widerspruchsvoll. Denn sie behaupten zunächst, die Taufe beziehe sich auf den ersten Tag des geistlichen Streites, die Beschneidung dagegen auf den achten, nachdem die Abtötung bereits vollendet sei. Aber gleich darauf vergessen sie diesen Satz, kehren das Liedlein um und nennen die Beschneidung eine bildliche Darstellung der Abtötung des Fleisches, die Taufe dagegen das Begrabenwerden des Fleisches, zu dem nur die kommen könnten, die bereits gestorben wären. Welche Wahnvorstellungen geisteskranker Leute könnten wohl in solcher Leichtfertigkeit auseinanderbersten? Denn nach dem ersten Satz muß die Taufe vor der Beschneidung den Vorrang haben, nach dem zweiten wird sie auf einen untergeordneten Platz verwiesen. Jedoch ist das Beispiel nicht neu, daß die Geister der Menschen, sobald sie alles, was sie sich erträumt haben, als gewissestes Wort Gottes anbeten, dergestalt auf und nieder wirbeln. Wir behaupten also, daß jener erstgenannte Unterschied eine reine Träumerei darstellt. Wenn man schon den achten Tag (an dem die Beschneidung statt, finden sollte) zum Anlaß für allegorische Deutungen nehmen wollte, so durfte es trotzdem nicht in dieser Weise geschehen. Viel besser wäre es, wenn man die Zahl acht nach dem Vorgang der Alten auf die am achten Tage (nach Beginn der Leidenszeit) erfolgte Auferstehung bezöge, weil wir ja wissen, daß auf ihr die Neuheit des Lebens beruht, oder auf den ganzen Lauf des gegenwärtigen Lebens, in dem ja die Abtötung immerfort weitergehen muß, bis es zu seinem Ende gekommen und damit auch die Abtötung des Fleisches vollkommen geworden ist. Jedoch läßt es sich auch so ansehen, daß Gott auf die Zartheit des Alters hat Rücksicht nehmen wollen, indem er die Beschneidung auf den achten Tag aufschob, weil ja die (dadurch entstehende) Verwundung für die eben erst Geborenen, die noch von der Mutter her eine rötliche Haut hatten, recht gefährlich werden mußte. Wieviel mehr Kraft mag nun die zweite Behauptung der Wiedertäufer haben, daß wir, schon zuvor gestorben, durch die Taufe begraben würden? Denn die Schrift erhebt doch ausdrücklich Einspruch dagegen und sagt, daß wir mit der Bestimmung in den Tod begraben werden, daß wir ersterben und daraufhin nach solcher Abtötung trachten (Röm. 6,4)! Ebenso geschickt ist die Ausflucht: wenn die Taufe der Beschneidung gleichgestaltet werden sollte, so dürften Mädchen eben nicht getauft werden. Denn es ist doch völlig abgemacht, daß durch das Zeichen der Beschneidung die Heiligung des Samens Israels bezeugt wurde; ist es aber so, dann ergibt sich daraus auch ohne Zweifel, daß dies Zeichen zur Heiligung von männlichen wie weiblichen Nachkommen gleichermaßen gegeben war. Es wurden aber allein die Leiber der Knäblein mit diesem Zeichen versehen, weil es bei ihnen von Natur aus möglich war; aber doch so, daß die Mädchen durch die Knaben gewissermaßen Mitgenossen und Teilhaberinnen an diesem Zeichen waren. Wir wollen also dergleichen Albernheiten der Wiedertäufer weit von uns fern sein lassen und an der Ähnlichkeit von Taufe und Beschneidung festhalten; denn wir sehen, daß diese in dem inwendigen Geheimnis, in den (mit ihnen verbundenen) Verheißungen, in der Ausübung und in der Wirkung ganz hervorragend zustande kommt.



IV,16,17

Eine sehr stichhaltige Begründung, weshalb man die Kinder von der Taufe fernhalten müßte, meinen die Wiedertäufer auch vorzuschützen, indem sie darauf verweisen, daß die Kinder ihres Alters wegen noch nicht imstande seien, das in der Taufe dargestellte Geheimnis zu erfassen. Denn dies Geheimnis (so sagen sie) ist doch die geistliche Wiedergeburt, die nicht in die erste Kindheit fallen kann. Daher ziehen sie die Folgerung, man müsse die Kinder, ehe sie zu dem Alter herangewachsen seien, das zu einer zweiten Geburt paßte, für nichts anderes achten als eben für Kinder Adams. Aber gegen alle diese Behauptungen erhebt Gottes Wahrheit allenthalben Widerspruch. Denn wenn man diese Kinder unter Adams Kindern lassen muß, so läßt man sie damit im Tode; denn in Adam können wir nichts als sterben. Demgegenüber aber gebietet Christus, man solle ihm die Kinder zuführen (Matth. 19,14). Und warum das? Weil er das Leben ist! Um sie also lebendig zu machen, macht er sie seiner teilhaftig – während die Wiedertäufer sie unterdessen weit von ihm wegweisen und dem Tode überantworten. Wenn sie nämlich die Ausflucht machen, diese Kinder gingen doch, wenn man sie als Adams Kinder betrachtete, deshalb nicht verloren, so wird ihr Irrtum vom Zeugnis der Schrift mehr als genug widerlegt. Denn sie spricht es aus, daß in Adam alle sterben (1. Kor. 15,22), und daraus folgt dann doch, daß keine Hoffnung auf Leben mehr übrigbleibt als allein in Christus. Damit wir also zu Erben des Lebens werden, müssen wir mit ihm Gemeinschaft haben. Und da auf der anderen Seite anderwärts geschrieben steht, daß wir von Natur allesamt dem Zorn Gottes verfallen (Eph. 2,3) und in Sünden empfangen sind (Ps. 51,7), womit doch fort und fort die Verdammnis verbunden ist, so müssen wir also aus unserer Natur ausziehen, bevor uns ein Zugang zum Reiche Gottes offensteht. Und wie sollte sich wohl eine deutlichere Aussage finden lassen als die, daß „Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können“ (1. Kor. 15,50)? Es muß also alles, was uns eigen ist, abgetan werden – und das wird nicht ohne Wiedergeburt geschehen –; dann (erst) werden wir diesen Besitz des Reiches schauen! Und endlich: redet Christus wahrheitsgemäß, wenn er verkündigt, daß er das Leben ist (Joh. 11,25; 14,6), so müssen wir notwendig in ihn eingeleibt werden, damit wir aus der Knechtschaft des Todes befreit werden. Aber, so sagen sie, wie sollen denn Kinder wiedergeboren werden, die noch mit gar keiner Erkenntnis von Gut und Böse ausgestattet sind? Wir antworten dagegen: wenn das Werk Gottes auch unserem Begreifen nicht zugänglich ist, so ist es trotzdem nicht etwa nicht vorhanden. Ferner ist völlig klar, daß die Kinder, die errettet werden sollen – und zweifellos werden aus diesem Lebensalter durchaus einige errettet –, zuvor von dem Herrn wiedergeboren werden. Denn wenn sie die ihnen angeborene Verderbtheit vom Mutterleibe an mitbringen, so müssen sie von ihr gereinigt sein, ehe sie in Gottes Reich eingelassen werden; denn da kommt nichts Beflecktes oder Besudeltes hinein (Apk. 21,27). Wenn sie als Sünder geboren werden, wie es doch David sowohl als Paulus behaupten (Eph. 2,3; Ps. 51,7), so bleiben sie Gott entweder mißfällig und verhaßt – oder sie müssen gerechtfertigt werden. Und was suchen wir weiter, wo doch der Richter selbst offen erklärt, daß der Zugang zum Leben keinem offensteht als den Wiedergeborenen (Joh. 3,3)? Um widerspruchslustige Leute von der Art der Wiedertäufer zum Schweigen zu bringen, so hat er an Johannes dem Täufer, den er (schon) im Mutterleibe heiligte, einen Beweis dafür erbracht, was er bei den anderen zu tun vermag (Luk. 1,15). Nichts werden die Wiedertäufer auch mit der Ausflucht erreichen, mit der sie hier spielen: sie sagen nämlich, das sei (nur) einmal so geschehen, und daraus ergebe sich nicht gleich die Folgerung, daß der Herr mit den Kindern durchweg so zu verfahren pflege. Denn in dieser Weise führen wir unseren Beweis auch nicht! Wir wollen nur zeigen, daß es unbillig und böswillig ist, wenn sie Gottes Kraft in so enge Grenzen zwängen, in die sie sich nicht einschließen läßt. Ebensoviel Gewicht hat auch eine zweite Ausflucht, die sie machen. Sie bringen nämlich die Behauptung vor, nach der gebräuchlichen Gepflogenheit der Schrift bedeute die Wendung „Vom Mutterleibe an“ ebensoviel wie „Von früher Jugend auf“. Aber es läßt sich doch klar und deutlich wahrnehmen, daß der Engel, als er dem Zacharias jene Botschaft kundtat (Luk. 1,15), etwas anderes im Sinne gehabt hat, nämlich daß das Kind, noch nicht geboren, mit dem Heiligen Geist erfüllt werden sollte. Wir wollen also nicht versuchen, Gott ein Gesetz aufzuerlegen, daß er etwa die, die er will, nicht in der gleichen Weise heiligen könnte, wie er das Kindlein Johannes geheiligt hat; denn seiner Kraft ist doch (seither) nichts abgegangen.



IV,16,18

Gewißlich ist Christus dazu von frühester Jugend auf geheiligt worden, daß er seine Auserwählten von jedem beliebigen Lebensalter an ohne Unterschied in sich heiligte. Denn wie er zur Vernichtung der Schuld des Ungehorsams, der in unserem Fleische begangen worden war, eben dies Fleisch selber anzog, um um unsertwillen und an unserer Statt den vollkommenen Gehorsam zu leisten, so wurde er auch „empfangen vom Heiligen Geiste“, damit er, in dem von ihm angenommenen Fleische mit seiner Heiligkeit voll und ganz durchdrungen, ihn auch auf uns überfließen ließe. Haben wir in Christus (seit seinen frühesten Kindertagen) das vollkommenste Vorbild aller Gnadengaben, mit denen Gott seine Kinder beschenkt, so kann er uns eben auch in dem Stück als Beweis dienen, daß das kindliche Alter nicht gar so sehr im Widerspruch zur Heiligung steht. Wie dem auch sei, so stellen wir doch unstreitig fest, daß keiner von den Auser, wählten (also auch kein Kind!) aus dem gegenwärtigen Leben abberufen wird, der nicht zuvor durch den Geist Gottes geheiligt und wiedergeboren würde. Wenn die Wiedertäufer dagegen den Einwand erheben, der Heilige Geist kenne in der Schrift keine andere Wiedergeburt als die, welche „aus unvergänglichem Samen“, das heißt durch das Wort Gottes, geschehen sei (1. Petr. 1,23), so ist das eine verkehrte Auslegung jener Petrus-Stelle; denn Petrus faßt darin einzig die Gläubigen zusammen, die durch die Predigt des Evangeliums unterwiesen worden waren. Wir geben freilich zu, daß für solche Gläubige das Wort des Herrn der einzige Same ihrer geistlichen Wiedergeburt ist; aber wir bestreiten, daß man daraus entnehmen könnte, daß Kinder nicht durch Gottes Kraft wiedergeboren werden könnten; denn diese Kraft kann er so leicht und so mühelos handhaben, wie sie für uns unbegreiflich und bewunderungswürdig ist. Ferner wäre es auch nicht gefahrlos genug, dem Herrn das Vermögen abzusprechen, sich auch den Kindern auf irgendeine Weise kundzugeben und dadurch erkennbar zu machen.
Simon W.

Der Pilgrim
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IV,16,19

Aber, so sagen sie, der Glaube kommt doch aus dem Hören (Röm. 10,17), und davon haben doch die Kinder noch gar keine Erfahrung gewonnen; auch können sie nicht in der Lage sein, Gott zu erkennen, weil Mose lehrt, daß ihnen die Erkenntnis des Guten und Bösen abgeht (Deut. 1,39). Aber die Wiedertäufer bemerken nicht, daß der Apostel, wenn er das Hören (der Predigt) für den Anfang des Glaubens erklärt, allein die gewöhnliche Ordnung und Austeilungsform beschreibt, die der Herr bei der Berufung der Seinen innezuhalten pflegt, ihm aber keine bleibende Regel setzt, so daß er kein anderes Verfahren einschlagen könnte. Eine solche andere Weise hat er unzweifelhaft bei der Berufung vieler Menschen angewandt, die er auf innerliche Weise durch die Erleuchtung vermittelst des Heiligen Geistes ohne jedes Dazwischentreten der Predigt mit der wahren Erkenntnis seiner selbst beschenkt hat. Wenn die Wiedertäufer aber der Ansicht sind, es sei recht widersinnig, wenn man den Kindern, denen doch Mose (schon) das Begreifen von Gut und Böse abspricht, irgendwelche Erkenntnis Gottes zuschreiben wollte, so möchte ich doch, daß sie mir die Frage beantworteten, welche Gefahr denn darin liegen soll, wenn man sagt, daß sie nun ein Stücklein der Gnade empfangen, deren vollen Reichtum sie bald nachher genießen sollen. Denn die Fülle des Lebens besteht doch in der vollkommenen Erkenntnis Gottes; wenn nun aber einige unter den Kindern, die der Tod gleich in ihrer frühesten Jugend aus diesem Leben hinwegnimmt, in das ewige Leben übergehen, so werden sie damit also unzweifelhaft zum Anschauen des Angesichts Gottes in seiner vollendeten Gegenwärtigkeit zugelassen. Wenn der Herr also solche Kinder mit dem vollen Strahlenglanz seines Lichtes erleuchten wird – weshalb sollte er sie dann nicht auch, wenn es ihm gefällt, für die gegenwärtige Zeit mit einem geringen Fünklein solchen Lichtes bestrahlen, vor allem wo er sie doch erst dann ihrer Unwissenheit entkleidet, wenn er sie aus dem Knechthaus des Fleisches hinwegnimmt? Ach sage dies nicht, weil ich unbedacht behaupten wollte, die Kinder seien mit dem nämlichen Glauben begabt, den wir in uns erfahren, oder sie hätten überhaupt eine dem Glauben ähnliche Erkenntnis – das möchte ich lieber in der Schwebe lassen –, sondern nur, um die törichte Anmaßung solcher Leute ein wenig in Schranken zu weisen, die, je wie ihnen die Backen aufgeblasen sind, alles Erdenkliche unbekümmert bestreiten oder behaupten.



IV,16,20

Um aber ihrer Ansicht in diesem Stück einen noch kräftigeren Nachdruck zu verschaffen, fügen sie die Behauptung hinzu, die Taufe sei doch das Sakrament der Buße und des Glaubens; aus diesem Grunde aber müsse man sich, da doch weder Buße noch Glauben in die zarteste Kindheit fielen, davor in acht nehmen, daß diese Bedeutung des Sakraments durch Zulassung der Kinder zur Gemeinschaft an der Taufe eitel und inhaltslos würde. Aber diese Geschosse richten sich nun mehr gegen Gott als gegen uns. Denn es geht aus vielen Zeugnissen der Schrift völlig deutlich hervor, daß auch die Beschneidung ein Zeichen der Buße gewesen ist. Zudem wird sie von Paulus als „Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens“ bezeichnet (Röm. 4,11). Man muß also Gott selbst darüber zur Rechenschaft ziehen, weshalb er geboten hat, die Beschneidung den Leibern der Kinder aufzuprägen. Denn da es nun mit Taufe und Beschneidung gleich bestellt ist, so können sie der Beschneidung nichts geben, ohne es zugleich auch der Taufe zuzugestehen. Wenn sie sich hier wieder nach ihrer gewohnten Ausflucht umsehen, damals seien durch das kindliche Alter die geistlichen Kinder bildlich veranschaulicht gewesen, so ist ihnen der Weg schon verrammelt. Wir behaupten also: da Gott die Beschneidung, die doch ein Sakrament der Buße und des Glaubens war, den Kindern hat zuteil werden lassen, so kann es nicht widersinnig erscheinen, wenn sie nun auch der Taufe teilhaftig werden, es sei denn, daß man gegen Gottes Einsetzung offen seine Wut auslassen wollte. Jedoch erstrahlt wie in allen Taten Gottes, so auch eben in dieser genug Weisheit und Gerechtigkeit, um den Widerstand der Gottlosen zu dämpfen. Denn obwohl die Kinder in dem Augenblick, da sie beschnitten wurden, mit ihrem Verstand noch nicht begriffen, was jenes Zeichen für eine Bedeutung hätte, so wurden sie trotzdem in Wahrheit zur Abtötung ihrer verderbten und befleckten Natur beschnitten, um dann später, wenn sie herangewachsen waren, ihre Betrachtung auf solche Abtötung zu richten. Kurzum, dieser Einwand läßt sich ohne Mühe durch die Erwägung aus der Welt schaffen: die Kinder werden auf ihre künftige Buße und ihren künftigen Glauben hin getauft; beide haben in ihnen noch keine Gestalt gewonnen, aber durch das verborgene Wirken des Geistes liegt dennoch der Same zu beiden in ihnen beschlossen. Durch diese Antwort wird dann auch alles auf einmal umgestoßen, was sie von der Bedeutung der Taufe hernehmen und gegen uns kehren. Dazu gehört auch der Lobpreis, mit dem die Taufe von Paulus ausgezeichnet wird, indem er sie das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung“ nennt (Tit. 3,5). Daraus ziehen sie den Schluß, die Taufe dürfte also niemand gewährt werden, er sei denn dieser Dinge fähig. Aber wir können dann eben auf der anderen Seite wieder einwenden, daß dann auch die Beschneidung, die doch die Wiedergeburt bezeichnete, niemandem anders als Wiedergeborenen hätte erteilt werden dürfen. Und auf diese Weise würde dann Gottes Einsetzung von uns verdammt werden. Daher haben, wie ich schon mehrfach berührt habe, alle Beweisgründe, die dazu angetan sind, die Beschneidung ins Wanken zu bringen, auch zur Bekämpfung der Taufe keine Kraft. Sie können auch nicht entwischen, wenn sie sagen: was sich mit Sicherheit auf Gottes Autorität stütze, das sei für uns fest und unerschütterlich, auch wenn keine Begründung dafür erkennbar wäre, diese Ehrerbietung aber komme weder der Kindertaufe noch anderen ähnlichen Dingen zu, weil sie uns nicht durch ein ausdrückliches Wort Gottes anbefohlen seien. Denn sie bleiben dann immerfort in dem Entweder-Oder befangen: Gottes Gebot, die Kinder zu beschneiden, war entweder rechtmäßig und keinerlei Ausflüchten unterworfen – oder es war eben tadelnswert; lag nun aber nichts Ungereimtes oder Widersinniges in diesem Gebot, so wird man auch bei der Übung der Kindertaufe nichts Widersinniges aufweisen können.



IV,16,21

Den Makel der Widersinnigkeit, den sie uns nun an dieser Stelle aufzubrennen versuchen, wischen wir folgendermaßen ab. Wenn Menschen, die der Herr seiner Erwählung gewürdigt hat, nach Empfang des Zeichens der Wiedergeburt aus diesem gegenwärtigen Leben wieder ausziehen, ehe sie herangewachsen sind, so erneuert er sie mit der uns unbegreiflichen Kraft seines Geistes auf eine Weise, von der er selbst allein vorsieht, daß sie zum Ziele führt. Widerfährt es ihnen, zu einem Alter aufzuwachsen, in dem sie über die Wahrheit der Taufe unterwiesen werden können, so werden sie dadurch um so mehr zum Eifer um jene Erneuerung angefeuert, wo sie ja nun erfahren, daß sie mit dem Merkzeichen solcher Erneuerung schon gleich seid frühester Jugend beschenkt worden sind, um im ganzen Lauf ihres Lebens nach ihr zu trachten. Eben hierauf muß es bezogen werden, wenn Paulus an zwei Stellen lehrt, wir würden durch die Taufe mit Christus begraben (Röm. 6,4; Kol. 2,12). Denn er meint hier nicht, daß der, der durch die Taufe eingeweiht werden soll, schon vorher mit Christus begraben sein muß, sondern er legt die Lehre, die der Taufe zugrunde liegt, schlicht dar, und zwar solchen gegenüber, die bereits getauft sind. Es werden also nicht einmal wahnwitzige Leute auf Grund dieser Stelle die Meinung verteidigen können, diese Lehre gehe der Taufe vorauf. In dieser Weise machten Mose und die Propheten das Volk darauf aufmerksam, was die Beschneidung für eine Bedeutung hatte, mit der doch die Hörer schon als Kinder gezeichnet worden waren (Deut. 10,16; Jer. 4,4)! Den gleichen Sinn hat es, wenn Paulus auch an die Galater schreibt, als sie getauft worden wären, da hätten sie „Christum angezogen“ (Gal. 3,27). Wozu das? Sie sollten eben fortan Christo leben, weil sie ihm vorher nicht gelebt hatten! Und obwohl bei älteren Menschen der Empfang des Zeichens auf das Begreifen des Geheimnisses folgen soll, so muß doch bald dargelegt werden, daß es mit den Kindern eine andere Bewandtnis hat. Anders läßt sich auch jene Petrusstelle nicht auffassen, in der die Wiedertäufer einen wesentlichen Schutz zu finden meinen; Petrus sagt da von der Taufe, sie sei nicht eine Abwaschung zum Abtun der Befleckungen des Leibes, sondern das Zeugnis eines guten Gewissens vor Gott, durch die Auferstehung Christi (1. Petr. 3,21). Auf Grund dieser Stelle behaupten sie nun, der Kindertaufe werde nichts übriggelassen, als daß sie eine eitle Sache, ein Nebelrauch sei, und zwar, weil eben diese Wahrheit (von der Petrus redet) weit von ihr weg sei. Aber hier versündigen sie sich abermals durch die irrige Meinung, die darin besteht, daß sie verlangen, die Sache müsse stets in der zeitlichen Reihenfolge dem Zeichen vorausgehen. Denn auch die Wahrheit der Beschneidung bestand in dem nämlichen „Zeugnis eines guten Gewissens“. Hätte diese Wahrheit nun unumgänglich (der Zeit nach) vorausgehen müssen, so wären die Kinder nie und nimmer auf Gottes Geheiß beschnitten worden. Aber indem der Herr selbst zeigt, daß der Wahrheit der Beschneidung das Zeugnis eines guten Gewissens innewohnt, und indem er trotzdem gleichzeitig die Weisung gibt, die kleinen Kinder zu beschneiden, gibt er genugsam zu verstehen, daß in dieser Hinsicht die Beschneidung auf die künftige Zeit hin erteilt wird. Daher darf man in der Kindertaufe an gegenwärtiger Wirkung nicht mehr suchen, als daß sie den Bund, den der Herr mit den Kindern geschlossen hat, bekräftigt und als gültig erweist. Die sonstige Bedeutung dieses Sakraments wird dann später folgen, zu der Zeit, die Gott selber vorgesehen hat.



IV,16,22

Ich nehme an, daß es jetzt keinen mehr gibt, der nicht deutlich gewahrte, daß alle derartigen Beweisgründe lauter Verkehrungen der Schrift darstellen. Die übrigen, die von der gleichen Art sind, wollen wir in Eile durchgehen. Die Wiedertäufer machen den Einwurf, die Taufe werde doch zur Vergebung der Sünden erteilt. Ist das zugestanden, so wird es unsere Meinung überreichlich stützen. Denn da wir als Sünder geboren werden, so haben wir bereits vom Mutterleibe her Vergebung und Verzeihung nötig. Und da ferner Gott diesem Lebensalter die Hoffnung auf Barmherzigkeit nicht abschneidet, sondern sie vielmehr gewiß macht, weshalb sollen wir ihm dann das Zeichen, das doch weit niedriger steht als die Sache selbst, wegreißen? Deshalb kehren wir das Geschoß, das sie sich bemühten gegen uns zu schleudern, gegen sie selbst und sagen: die Kinder erhalten die Vergebung der Sünden zum Geschenk, also darf man ihnen auch das Zeichen (solcher Vergebung) nicht rauben. Zugleich bringen sie auch ein Wort aus dem Briefe an die Epheser vor, nach welchem die Kirche von dem Herrn gereinigt ist „durch das Wasserbad im Wort“ des Lebens (Eph. 5,26). Nun hätte man kein Wort anführen können, das zur Widerlegung ihres Irrtums geeigneter gewesen wäre. Denn aus ihm ergibt sich für uns ein bequemer Beweis: wenn Christus will, dass die Abwaschung, mit der er seine Kirche reinigt, in der Taufe bezeugt sei, so erscheint es nicht billig, dass jene Abwaschung bei den Kindern dies Zeugnis entbehren soll, die doch mit Recht auf die Seite der Kirche gerechnet werden, da sie ja Erben des Himmelreichs heißen. Denn Paulus begreift die gesamte Kirche ein, wenn er sagt, sie sei durch dies Wasserbad gereinigt. Eine völlig gleiche Folgerung ziehen wir auch daraus, wenn Paulus an anderer Stelle sagt, wir seien durch die Taufe in den Leib Christi eingefügt (1. Kor. 12,13); daraus entnehmen wir nämlich, dass die Kinder, die er doch zu seinen Gliedern hinzurechnet, getauft werden müssen, damit sie nicht von seinem Leibe losgerissen werden. Da sieht man, wie gewaltig sie mit soviel Kriegswerkzeug gegen die Schutzwälle unseres Glaubens anrennen!
Simon W.

Der Pilgrim
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IV,16,23

Jetzt kommen sie auf die Übung und Gepflogenheit der apostolischen Zeit zu sprechen, in der sich niemand finde, der zur Taufe zugelassen worden wäre, ohne zuvor seinen Glauben und seine Bußfertigkeit bekannt zu haben. Denn als Petrus von solchen, die zur Umkehr gesonnen waren, gefragt wurde: „Was sollen wir nun tun?“, da gab er ihnen den Rat, erstens Buße zu tun, und zweitens sich „zur Vergebung der Sünden“ taufen zu lassen (Apg. 2,37f.). Ebenso gab Philippus, als jener Kämmerer getauft zu werden bat, zur Antwort: „Glaubst du von ganzem Herzen, so mag’s wohl sein“ (Apg. 8,37). Hieraus hoffen nun die Wiedertäufer für sich (das Zugeständnis) erreichen zu können, dass es durchaus nicht recht sei, wenn man jemandem die Taufe erteilte, ohne dass Glaube und Buße vorausgingen. Ja, wahrhaftig, wenn wir dieser Begründung stattgeben, so wird die erste Stelle (Apg. 2), an der man keine Erwähnung des Glaubens zu hören bekommt, den Beweis erbringen, dass allein die Buße genügt, und die zweite (Apg. 8), in der sich nun die Buße durchaus nicht findet, wird beweisen, dass der Glaube allein genug ist! Sie werden nun meines Erachtens demgegenüber behaupten, diese beiden Stellen stützten sich gegenseitig und müßten deshalb miteinander verbunden werden. Auch ich sage meinerseits, dass man hier vergleichen muß andere Stellen, die zur Auflösung dieses Knotens einige Bedeutung haben. Denn es gibt in der Schrift viele Aussagen, deren Verständnis von den jeweiligen Umständen abhängt. Ein derartiges Beispiel haben wir eben in den gegenwärtig zur Verhandlung stehenden Stellen vor uns; denn die Menschen, denen Petrus und Philippus die angeführten Worte sagen, stehen in einem Alter, das dazu geschickt ist, nach Buße zu trachten und Glauben zu fassen. Wir bestreiten mit Nachdruck, dass solche Leute die Taufe empfangen dürften, wofern man nicht ihre Bekehrung und ihren Glauben wahrgenommen hat, freilich nur, soweit man sie mit dem Urteil von Menschen erkunden kann. Aber es ist mehr als genug deutlich, dass man die Kinder einer anderen Gruppe zurechnen muß. Denn wenn sich in alter Zeit jemand an Israel anschloß, um mit ihm Gemeinschaft an der Religion zu haben, so mußte er im Bunde des Herrn unterwiesen und im Gesetz unterrichtet werden, ehe er das Zeichen der Beschneidung empfing, weil er nach seiner Herkunft ein Ausländer war, das heißt ein Fremdling gegenüber dem Volke Israel, mit dem der Bund geschlossen worden war, den die Beschneidung bekräftigte.



IV,16,24

In dieser Weise macht auch der Herr, als er den Abraham zu sich aufnimmt, den Anfang nicht mit der Beschneidung, indem er ihm etwa in der Zwischenzeit verschwiege, was er mit diesem Zeichen im Sinne hat; nein, er kündigt ihm zunächst an, was für einen Bund er mit ihm zu schließen beabsichtigt (Gen. 15,1), und dann, nachdem Abraham der Verheißung Glauben geschenkt hat, macht er ihn auch des Sakraments teilhaftig (Gen. 17,11). Weshalb ist es nun so, dass das Sakrament bei Abraham dem Glauben folgt, bei seinem Sohne Isaak dagegen jeglicher Erkenntnis vorausgeht? Eben deshalb, weil es recht und billig war, dass einer, der erst im Erwachsenenalter in die Gemeinschaft des Bundes aufgenommen wurde, mit dem er bis dahin gar nichts zu tun gehabt hatte, zuvor dessen Bedingungen gründlich kennenlernte, während es dagegen mit dem Kinde, das von ihm stammte, nicht ebenso bestellt war; denn es war ja kraft Erbrechts, nach der gegebenen Form der Verheißung schon vom Mutterleibe an in den Bund eingeschlossen. Oder, um die Sache klarer und kürzer darzulegen: wenn die Kinder der Gläubigen ohne Beihilfe ihres Verständnisses des Bundes teilhaftig sind, so besteht kein Grund, weshalb man sie von dem Zeichen fernhalten könnte, und zwar etwa mit der Begründung, sie könnten noch nicht auf die Bedingungen des Bundes schwören. Hier liegt unzweifelhaft der Grund, weshalb Gott mehrfach erklärt, dass die Kinder, die von den Israeliten abstammten, ihm erzeugt und geboren wären (Ez. 16,20; 23,37). Denn ohne Zweifel behandelt er die Kinder derer, denen er verheißen hat, er wolle ihres Samens Vater sein, als seine Kinder (vgl. Gen. 17,7). Wer aber ungläubig ist und von gottlosen Eltern abstammt, der gilt als fremd gegenüber der Gemeinschaft des Bundes, bis er durch den Glauben mit Gott geeint wird. Es ist daher nichts Verwunderliches dabei, wenn er ihm auch an dem Zeichen keinen Anteil gibt; denn dessen Bedeutung wäre ja bei ihm trügerisch und eitel. In diesem Sinne schreibt auch Paulus, dass die Heiden, solange sie in ihrer Abgötterei versunken waren, außerhalb des Testaments (d.h. des Bundes) standen (Eph. 2,12). Die ganze Sache läßt sich, wenn ich mich nicht täusche, in folgender Zusammenfassung zu klarer Lösung bringen: die Menschen, die erst im Erwachsenenalter den Glauben an Christus annehmen, dürfen, da sie ja bis dahin als Fremde außerhalb des Bundes gestanden haben, nur dann mit der Taufe gezeichnet werden, wenn Glaube und Buße dazwischentreten, die ihnen allein den Zugang zur Gemeinschaft des Bundes eröffnen können; die Kinder aber, die von Christen abstammen, werden ja sogleich mit ihrer Geburt von Gott in die Erbschaft des Bundes aufgenommen und sind dementsprechend auch zur Taufe zuzulassen. Hierauf ist der Bericht des Evangelisten zu beziehen, dass Johannes diejenigen getauft hat, die ihre Sünden bekannten (Matth. 3,6) – ein Vorbild, das nach unserer Ansicht auch heute noch innegehalten werden muß. Denn wenn sich ein Türke zur Taufe erbötig zeigte, so dürfte er von uns nicht unbedacht getauft werden, wofern er nämlich nicht ein Bekenntnis abgelegt hätte, das der Kirche Genüge täte.



IV,16,25

Ferner bringen die Wiedertäufer die Worte Christi vor, die im dritten Kapitel des Johannesevangeliums wiedergegeben werden und in denen nach ihrer Meinung bei der Taufe die tatsächliche Wiedergeburt erfordert wird: „Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh. 3,5). Man sehe doch, so sagen sie, wie die Taufe durch den Mund des Herrn als Wiedergeburt bezeichnet wird! Mit welchem Vorhand wollen wir es nun beschönigen, dass wir solche, die doch, wie mehr als genug bekannt, zur Wiedergeburt nicht im mindesten fähig sind, mit der Taufe einweihen, die ohne solche Wiedergeburt nicht bestehen kann? (So sollen wir uns nach ihrer Meinung fragen.) Zunächst sind sie darin auf dem verkehrten Wege, dass sie der Meinung sind, an dieser Stelle werde der Taufe Erwähnung getan, und zwar, weil sie das Wort „Wasser“ vernehmen. Christus hatte doch dem Nikodemus zunächst die Verderbnis der Natur dargelegt und ihn gelehrt, dass eine Wiedergeburt vonnöten sei; da aber Nikodemus von einer leiblichen Neugeburt träumte, so zeigt Christus an dieser Stelle die Art und Weise an, in der uns Gott solche Wiedergeburt schenkt, nämlich eben „aus Wasser und Geist“. Es ist, als ob er sagte: es geschieht durch den Geist, der die Seelen der Gläubigen reinigt und besprengt und damit die Rolle des Wassers erfüllt. „Wasser und Geist“ verstehe ich also einfach so: „der Geist, der das Wasser ist“. Diese Redeweise ist auch nicht neu; denn sie stimmt voll und ganz mit der überein, die sich im dritten Kapitel des Matthäusevangeliums findet: „der … nach mir kommt, … der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Matth. 3,11). „Mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“, das heißt nun: den Heiligen Geist gewähren, der in der Wiedergeburt Amt und Natur des Feuers hat; ebenso bedeutet danach: „aus Wasser und Geist wiedergeboren werden“ nichts anderes als jene Kraft des Geistes empfangen, die an der Seele das ausrichtet, was das Wasser am Leibe vollbringt. Ich weiß, dass andere diese Stelle anders auslegen; aber ich zweifle nicht daran, dass dies hier ihr lauterer Sinn ist; denn Christus hat doch nichts anderes vor, als zu lehren, dass alle, die nach dem Himmelreich trachten, ihre eigene Art ausziehen müssen. Wenn ich allerdings nach der Gewohnheit der Wiedertäufer schmutzige Ausflüchte suchen wollte, so könnte ich ihnen – auch wenn ich ihnen zugäbe, was sie wünschen – leicht wieder vorhalten, dass die Taufe (nach dieser Stelle) dem Glauben und der Buße voranginge, weil sie ja in Christi Worten vor dem Geist steht! Das ist nun zweifellos auf die geistlichen Gaben bezogen, und wenn diese also auf die Taufe folgen, so habe ich erreicht, was ich will. Aber wir wollen solche Ausflüchte beiseite lassen und die schlichte Auslegung festhalten, die ich vorgebracht habe, nämlich dass niemand in das Reich Gottes eingehen kann, ehe er durch das lebendige Wasser, das heißt durch den Heiligen Geist, erneuert ist.



IV,16,26

Daß nun das Hirngespinst der Wiedertäufer abgelehnt werden muß, liegt auch auf Grund der Tatsache auf der Hand, dass sie (damit) alle nicht Getauften dem ewigen Tode überantworten. Nehmen wir also einmal nach ihrem Wunsch an, die Taufe würde ausschließlich an Erwachsene erteilt. Wenn nun da ein Kind ist, das über die Grundwahrheiten der Frömmigkeit gehörig und recht schaffen unterrichtet ist, und wenn es solchem Kinde widerfährt, dass es kurz vor dem für die Taufe angesetzten Tage gegen alle Erwartungen von Menschen durch einen plötzlichen Tod hinweggenommen wird – was soll dann nach ihrer Meinung aus diesem Kinde werden? Deutlich ist die Verheißung des Herrn: Jeder, der an den Sohn glaubt, der wird den Tod nicht sehen noch in das Gericht kommen, sondern er „ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen“ (Joh. 5,24; sehr ungenau). Und man bekommt nirgendwo zu erfahren, dass er einen noch nicht Getauften verdammt hätte. Ich möchte nicht, dass dies von mir in dem Sinne aufgefaßt würde, als wollte ich zu verstehen geben, man könnte die Taufe ungestraft verachten – denn ich behaupte, dass durch Verachtung der Taufe der Bund Gottes geschändet würde; soweit bin ich davon entfernt, mich zu unterstehen, dass ich solche Verachtung entschuldigte. Es genügt mir nur, (durch diese Darlegungen) zu erweisen, dass die Taufe nicht dermaßen notwendig ist, dass man meinen müßte, ein Mensch, dem die Möglichkeit genommen war, sie zu erlangen, müsse deshalb verloren gegangen sein. Wenn wir dagegen das Hirngespinst der Wiedertäufer gelten lassen, so müssen wir ohne Ausnahme alle verdammen, die irgendein Unglücksfall von der Taufe ferngehalten hat, mögen sie auch sonst mit noch so viel Glauben ausgerüstet gewesen sein, mit dem man doch Christus selbst besitzt! Obendrein sprechen sie alle Kinder des ewigen Todes schuldig, indem sie ihnen die Taufe verweigern, die nach ihrem eigenen Bekenntnis zum Heil notwendig sein soll. Nun mögen sie zusehen, wie trefflich sie mit Christi Worten übereinkommen, in denen das Himmelreich eben diesem Lebensalter zugesprochen wird (Matth. 19,14). Und wenn wir ihnen auch alles nur Erdenkliche zugeben, was mit dem Verständnis dieser Stelle im Zusammenhang steht, so werden sie doch daraus nichts herausholen, wenn sie nicht zuvor den von uns bereits aufgestellten Satz von der Wiedergeburt der Kinder umgestoßen haben.
Simon W.

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IV,16,27

Aber das allerfesteste Bollwerk rühmen sie sich in der Einsetzung der Taufe selbst zu besitzen, die sie aus dem letzten Kapitel des Matthäusevangeliums entnehmen: da sendet Christus die Apostel zu allen Völkern aus und gibt ihnen dann den Befehl, erstens, sie zu unterweisen, und dann zweitens, sie zu taufen (Matth. 28,19). Alsdann verbinden sie damit auch das Wort aus dem letzten Kapitel des Markusevangeliums: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“ (Mark. 16,16). Was suchen wir mehr, sagen sie, wo doch die Worte des Herrn klar und offen so lauten, dass man zunächst lehren und dann taufen soll, und wo sie doch der Taufe den zweiten Platz, den Platz nach dem Glauben, zuweisen? Für diese Reihenfolge hat auch Jesus, der Herr, einen Beweis an seiner eigenen Person erbracht, indem er sich erst in seinem dreißigsten Lebensjahr hat taufen lassen wollen (Matth. 3,13; Luk. 3,21-23). Gütiger Gott, in wie vielfältiger Weise verstricken sie sich doch hier und legen sie ihre Unwissenheit an den Tag! Denn sie kommen schon mehr als kindisch darin zu Fall, dass sie die erstmalige Einsetzung der Taufe aus den angeführten Stellen herleiten, während Christus doch seit Anbeginn seiner Predigt den Aposteln den Auftrag gegeben hat, sie zu verwalten. Es besteht also kein Grund zu ihrer Behauptung, man müsse das Gesetz und die Regel der Taufe aus diesen beiden Stellen entnehmen, als ob diese die erste Einsetzung dieses Sakraments enthielten. Aber selbst wenn wir ihnen diesen Fehlgriff durchgehen lassen, – welche Kraft hat dann diese Beweisführung? Allerdings, wenn ich Ausflüchte suchen wollte, so eröffnete sich mir nicht nur ein Schlupfwinkel, sondern ein ganz weites Feld zum Entschlüpfen! Sie versteifen sich ja so verbissen auf die Reihenfolge der Worte, und weil es da heißt: „Gehet hin … Predigt … und taufet“ (Mark. 16,15; ungenau) und ebenso: „Wer da glaubet und getauft wird …“ (Mark. 16,16), so ziehen sie daraus die Folgerung, man müsse also erst predigen und dann taufen, und zuvor glauben, ehe man die Taufe begehre. Wenn sie das aber nun so machen – weshalb sollen nicht auch wir unsererseits die Gegenbehauptung aufstellen, man müsse taufen, ehe man das „Halten“ der Dinge „lehrt“, die Christus befohlen hat? Denn die Stelle lautet ebenso: „Taufet sie, indem ihr sie lehret halten alles, was ich euch befohlen habe“ (Matth. 28,19; genauer). Die gleiche Bemerkung (hier also: „Taufet“ steht vor „lehret“) haben wir zu dem wenig weiter oben angeführten Ausspruch Christi gemacht, der von der Wiedergeburt aus Wasser und Geist handelte (Joh. 3,5; vgl. Sektion 25). Denn wenn wir die Stelle so auffassen, wie es die Wiedertäufer verlangen, so ergibt sich daraus ohne Zweifel, dass die Taufe vor der geistlichen Wiedergeburt steht, weil sie nämlich an erster Stelle genannt wird. Denn Christus lehrt doch nicht, wir müßten „aus Geist und Wasser“, sondern „aus Wasser und Geist“ wiedergeboren werden.



IV,16,28

Man gewinnt den Eindruck, dass dieser „unüberwindliche“ Beweisgrund, auf den die Wiedertäufer so große Zuversicht setzen, bereits einigermaßen erschüttert ist! Da aber die Wahrheit genügenden Schutz bei der Schlichtheit findet, so will ich mich nicht mit solchen oberflächlichen Spitzfindigkeiten aus der Sache herauswinden. Sie sollen also eine wohlbegründete Antwort haben! An dieser Stelle gibt Christus vor allem den Befehl, das Evangelium zu predigen, und daran schließt er das Amt der Taufübung als Anhängsel an. Ferner ist von der Taufe nur insofern die Rede, als ihre Verwaltung zur Amtsaufgabe der Unterweisung gehört. Denn Christus sendet die Apostel aus, um das Evangelium allen Völkern der Erde kundzumachen, damit sie von allen Seiten Menschen, die zuvor verloren waren, durch die Lehre des Heils in sein Reich versammeln. Aber was sind das nun für Menschen, und von welcher Art sind sie? Es ist sicher, dass hier ausschließlich von solchen die Rede ist, die in der Lage sind, die Lehre anzunehmen. Hernach läßt er dann die Weisung folgen, derartige Leute sollten, nachdem sie unterwiesen wären, die Taufe erhalten, und er fügt die Verheißung hinzu: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“ (Mark. 16,16). Findet sich nun über die Kinder in der ganzen Rede auch nur eine einzige Silbe? Wie soll also die Form der Beweisführung aussehen, mit der unsere Widersacher hier gegen uns angehen? „Die Menschen im Erwachsenenalter sollen zuerst unterwiesen werden, damit sie glauben, und dann erst sollen sie die Taufe empfangen. Also ist es ein Frevel, auch Kindern an der Taufe Anteil zu geben!“ Aber wenn sie auch darüber bersten, so werden sie doch aus dieser Stelle nichts anderes beweisen, als dass man solchen, die zum Hören in der Lage sind, zuvor das Evangelium predigen muß, ehe man sie tauft; denn nur von ihnen ist hier die Rede. Hieraus sollen sie nun, wenn sie es fertig bekommen, den Sperrdamm bauen, um die Kinder von der Taufe fernzuhalten!



IV,16,29

Aber damit ihre Trügereien selbst für Blinde im Tasten wahrnehmbar werden, will ich sie noch mit einem recht deutlichen Gleichnis ins Licht rücken. Der Apostel sagt: „So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen“ (2. Thess. 3,10); wenn nun jemand dieses Wort zum Vorwand nähme, um zu beweisen, man müsse den Kindern (die ja nicht arbeiten) ihre Nahrung wegnehmen, wäre der nicht wert, dass er von allen Leuten verachtet würde? Und warum nun? Weil er eben ein Wort, das sich auf eine ganz bestimmte Art von Menschen und auf ein bestimmtes Lebensalter bezog, ohne Unterschied gewaltsam auf alle anwenden will. Durchaus nicht geschickter benehmen sich nun die Wiedertäufer in der hier zur Verhandlung stehenden Sache. Denn was sich, wie jedermann sieht, ausschließlich auf das Erwachsenenalter bezieht, das wenden sie auf die Kinder, so dass auch dies Lebensalter einer Regel unterworfen wird, die nur für ältere Menschen aufgestellt war. Was nun das Beispiel Christi angeht, so trägt es zur Stützung ihrer Sache rein nichts bei. Er ist, so sagen sie, nicht vor seinem dreißigsten Lebensjahr getauft worden (Matth. 3,13; Luk. 3,23). Das ist allerdings richtig; aber die Ursache liegt doch auf der Hand: er wollte eben erst damals mit seiner Predigt das feste Fundament der Taufe legen, oder besser: das Fundament festigen, das kurz zuvor von Johannes gelegt worden war. Er wollte also mit seiner Lehre die Taufe einsetzen, und um nun seiner Einsetzung größere Autorität zu verschaffen, heiligte er sie an seinem eigenen Leibe, und zwar zu der denkbar gelegensten Zeit, nämlich als er seine Predigt begann. Kurz, die Wiedertäufer können aus diesem Tatbestand nichts anderes beweisen, als dass die Taufe ihren Ursprung und Anfang bei der Predigt des Evangeliums genommen hat. Wenn sie nun aus dem dreißigsten Lebensjahr eine feste Vorschrift machen wollen, weshalb halten sie es dann nicht ein, sondern lassen jeden zur Taufe zu, wenn er nach ihrem Urteil weit genug vorangekommen ist? Ja, selbst Servet, einer von ihren Meistern, legte zwar auf die dreißig Jahre hartnäckig Nachdruck – aber er hatte trotzdem schon mit seinem einundzwanzigsten Lebensjahr angefangen, sich für einen Propheten auszugeben! Das ist genau so, als wenn man einen Menschen dulden sollte, der sich in der Kirche das Lehramt anmaßt, bevor er ein Glied der Kirche selber ist!



IV,16,30

Schließlich machen die Wiedertäufer den Einwand, es bestehe kein stärkerer Grund, den Kindern an der Taufe Anteil zu geben, als am Abendmahl des Herrn, das man ihnen doch durchaus nicht gewährt. Als ob die Schrift nicht auf allerlei Weise einen weitgehenden Unterschied zwischen den beiden Sakramenten kenntlich machte! Es ist zwar in der Alten Kirche so gemacht worden (dass man den Kindern auch das Abendmahl gab), wie sich aus Cyprian und Augustin klar ergibt; aber diese Sitte ist verdientermaßen wieder abgekommen. Denn wenn wir das Wesen und die Eigenart der Taufe in Betracht ziehen, so ist sie jedenfalls gewissermaßen der Eingang oder gleichsam die Einweihung in die Kirche, wodurch wir zu Gottes Volk hinzugerechnet werden, sie ist das Zeichen unserer geistlichen Wiedergeburt, durch die wir zu Kindern Gottes neu geboren werden. Das Abendmahl dagegen ist für die Älteren bestimmt, die die zartere Kindheit hinter sich haben und schon feste Speise ertragen können. Dieser Unterschied wird in der Schrift überaus deutlich aufgezeigt. Denn da läßt der Herr, soweit es die Taufe betrifft, keine Auswahl hinsichtlich des Alters eintreten. Das Abendmahl aber reicht er nicht so dar, dass alle gleichermaßen daran teilhaben sollen, sondern es können seiner nur solche teilhaftig werden, die imstande sind, Leib und Blut des Herrn zu „unterscheiden“, ihr eigenes Gewissen zu „prüfen“, „den Tod des Herrn zu verkündigen“ und seine Kraft recht zu erwägen. Wollen wir etwas Klareres haben, als was der Apostel lehrt, wenn er die Mahnung ausspricht: „Der Mensch prüfe aber sich selbst und untersuche sich selbst, und also esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch“ (1. Kor. 11,28; kleiner Zusatz)? Es muß also eine (Selbst-)prüfung vorausgehen, und die erwartet man bei Kindern vergeblich. Ebenso sagt der Apostel: „Welcher unwürdig isset …, der isset und trinket sich selber zum Gericht, darum, dass er nicht unterscheidet den Leib des Herrn“ (1. Kor. 11,29). Wenn nur die würdig am Abendmahl teilnehmen können, die die Heiligkeit des Leibes Christi nach Gebühr zu unterscheiden wissen, weshalb sollen wir dann unseren zarten Kindern statt der lebendigmachenden Nahrung Gift darreichen? Was soll uns denn die Weisung des Herrn bedeuten: „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ (Luk. 22,19; 1. Kor. 11,25)? Und was sollen wir zu der anderen Weisung sagen, die der Apostel daraus ableitet: „Sooft ihr von diesem Brot esset …, sollt ihr des Herrn Tod verkündigen, bis dass er kommt“ (1. Kor. 11,26)? Ich möchte doch wissen: was für ein „Gedächtnis“ wollen wir denn von den Kindern verlangen – mit Bezug auf eine Sache, die sie mit ihrem Empfinden nie und nimmer erfaßt haben? Was für eine „Verkündigung“ des Kreuzes Christi sollen wir denn von ihnen fordern, dessen Kraft und Wohltat sie mit ihrem Verstand noch nicht begreifen? Bei der Taufe wird nichts dergleichen vorgeschrieben, und daher besteht zwischen diesen beiden Zeichen ein sehr wesentlicher Unterschied. Den nämlichen Unterschied bemerken wir auch unter dem Alten Testament zwischen den beiden ähnlichen Zeichen (Beschneidung und Passah). Die Beschneidung, welche, wie bekannt, unserer Taufe entsprach, war für die Kinder bestimmt. Das Passah dagegen, an dessen Stelle jetzt das Abendmahl getreten ist, ließ nicht ohne Unterschied alle und jegliche Tischgenossen zu, sondern es wurde nur von denen rechtmäßig gegessen, die ihrem Alter nach in der Lage waren, nach seiner Bedeutung zu fragen (Ex. 12,26). Würden die Wiedertäufer, wenn ihnen auch nur ein klein wenig gesunder Verstand übriggeblieben wäre, wohl einer Sache gegenüber blind sein, die so deutlich und so unmittelbar einleuchtend ist?
Simon W.

Der Pilgrim
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IV,16,31

Obgleich es mich verdrießt, den Lesern mit einer solchen Masse von Geschwätz lästig zu fallen, wird es doch angebracht sein, in aller Kürze die schönscheinenden Beweisgründe zu entkräften, die Servet, nicht der geringste unter den Wiedertäufern, ja eine große Zierde dieser Schar, vorzubringen für gut befunden hat, als er sich zum Kampfe rüstete.

(1) Er schützt die Behauptung vor, Christi Merkzeichen seien doch vollkommen und erforderten dementsprechend auch Menschen, die vollkommen wären oder doch zur Vollkommenheit imstande wären. Da liegt aber die Antwort schon bereit: die Vollkommenheit der Taufe erstreckt sich bis zum Tode hin, und es ist daher verkehrt, wenn man sie auf einen einzigen Zeitpunkt beschränkt. Ich füge auch noch hinzu: es ist töricht, wenn man bei einem Menschen am ersten Tage (bei seiner Taufe) eine Vollkommenheit sucht, zu der uns doch die Taufe unser ganzes Leben lang in ununterbrochener Stufenfolge einlädt.

(2) Servet wirft nun ein, die Merkzeichen Christi seien zu seinem Gedächtnis gestiftet, damit jeder bei sich bedenke, dass er mit Christus begraben worden sei. Ich antworte darauf: was er sich aus seinem Kopf heraus erdacht hat, das bedarf keiner Widerlegung. Ja, was er auf die Taufe bezieht, das ist dem Abendmahl eigentümlich, wie die Worte des Paulus zeigen: „Der Mensch prüfe sich selbst …“ (1. Kor. 11,28). Im Hinblick auf die Taufe findet sich dergleichen nirgendwo. Daraus entnehmen wir, dass die Taufe rechtmäßig an solche erteilt wird, die nach dem Maß ihres Alters zu solcher (Selbst-)prüfung nicht in der Lage sind.

(3) Zum dritten führt er die Stelle an: „Wer dem Sohn nicht glaubt, der bleibt im Tode, und der Zorn Gottes bleibt über ihm“ (Joh. 3,36; Mitte ungenau). Daraus folgert er: also verblieben auch die Kinder, die nicht zu glauben vermöchten, in ihrer Verdammnis. Darauf gebe ich die Entgegnung: Christus spricht hier nicht von der allgemeinen Schuld, in die alle Nachkommen Adams verhaftet sind, sondern er droht nur den Verächtern des Evangeliums, die die ihnen angebotene Gnade hoffärtig und halsstarrig von sich weisen. Das aber hat mit den Kindern nichts zu tun. Zugleich setze ich seiner Behauptung eine entgegengesetzte Begründung entgegen: jeder, den Christus segnet, er mag sein, wer er will, der wird dem Fluch über Adam und dem Zorn Gottes entnommen. Da es also bekannt ist, dass die Kinder von ihm gesegnet sind (Matth. 19,15; Mark. 10,16), so ergibt sich, dass sie aus dem Tode erlöst sind. Fälschlich führt Servet dann eine Stelle an, die man nirgendwo (in der Schrift) zu lesen bekommt: „Wer aus dem Geist geboren ist, der hört die Stimme des Geistes.“ Selbst wenn wir zugäben, dass dies geschrieben stünde, so könnte er daraus doch nichts anderes beweisen, als dass die Gläubigen in dem Maße, als der Geist in ihnen am Werke ist, zum Gehorsam gestaltet werden. Aber es ist verkehrt, ein Wort, das sich auf eine bestimmte Anzahl von Menschen bezieht, gleichermaßen auf alle anzuwenden.

(4) Zum vierten macht er den Einwand: weil das, was natürlich ist (dem Geistlichen) vorausgeht (1. Kor. 15,46), so muß man eine Zeit abwarten, die für die Taufe reif ist, die doch geistliche Art hat. Ich gebe nun freilich zu, dass alle Nachkommen des Adam aus dem Fleisch geboren sind und vom Mutterleibe an ihre Verdammnis mit sich herumtragen; aber ich bestreite doch, dass dies ein Hindernis bedeutete, weshalb Gott nicht sogleich ein Mittel dagegen anwenden könnte. Denn Servet wird nicht nachweisen können, dass Gott eine bestimmte Anzahl von Jahren vorgeschrieben hätte, mit denen das neue geistliche Leben beginnen könnte. Paulus ist jedenfalls Zeuge dafür, dass die Kinder, die von Gläubigen geboren werden, zwar der Natur nach verloren sein mögen, aber durch die übernatürliche Gnade heilig sind (1. Kor. 7,14).

(5) Alsdann bringt er eine Allegorie vor: David habe, als er den Berg Zion hinanzog, weder Blinde noch Lahme mit sich geführt, sondern wackere Soldaten (2. Sam. 5,6). Was will Servet aber sagen, wenn ich dem das Gleichnis entgegenhalte, in dem Gott die Blinden und die Lahmen zudem himmlischen Mahle einlädt (Luk. 14,21)? Wie will er sich aus diesem Knoten herauswinden? Ich frage auch: haben denn etwa vorher nicht auch Lahme und Verstümmelte mit David (zusammen) gekämpft? Es ist aber überflüssig, bei diesem Gedankengang länger stehenzubleiben; denn die Leser werden auf Grund der Heiligen Geschichte schon herausfinden, dass er aus lauter Trügerei zusammengeschmiedet ist.

(6) Dann folgt eine weitere Allegorie: die Apostel seien „Menschenfischer“, nicht aber Fischer von kleinen Kindern gewesen (Matth. 4,19). Ich frage nun aber, was dann das Wort Christi bedeuten soll, nach welchem in dem Netz des Evangeliums Fische von „allerlei Gattung“ gefangen werden (Matth. 13,47). Aber weil ich keine Lust habe, mit Allegorien zu spielen, so antworte ich: wenn den Aposteln das Amt der Lehrunterweisung aufgetragen worden ist, so hinderte sie das nicht daran, Kinder zu taufen. Allerdings möchte ich auch noch wissen, warum Servet, wo doch der Evangelist von „Menschen“ spricht – ein Ausdruck, der das Menschengeschlecht ohne Ausnahme umfaßt –, etwa leugnen will, dass die Kinder Menschen sind.

(7) Zum siebenten behauptet Servet: da Geistliches zu geistlichen Menschen gehörte (1. Kor. 2,13f.), so seien die Kinder, die nicht geistlich seien, zur Taufe ungeeignet. Aber es liegt zunächst klar auf der Hand, wie verkehrt er die Stelle bei Paulus verdreht. Es handelt sich um die Lehre, und da sich nun die Korinther in ihrem eitlen Scharfsinn mehr als billig gefielen, so zog Paulus ihre Trägheit ans Licht (und zeigte), dass sie noch in den ersten Anfangsgründen der himmlischen Lehre unterwiesen werden mußten. Wer will nun daraus die Folgerung ziehen, die Taufe müsse den Kindern verweigert werden, die doch Gott, obwohl sie vom Fleische geboren sind, gnadenweise zu Kindern annimmt und dadurch für sich weiht?

(8) Weiter stellt er den Satz auf, wenn die Kinder neue Menschen wären, so müßten sie mit geistlicher Speise genährt werden (was doch bei ihnen noch nicht möglich sei). Aber hier ist die Antwort leicht zu geben, die Kinder werden durch die Taufe in Christi Herde aufgenommen, und das Merkzeichen ihrer Aufnahme in die Kindschaft genügt ihnen, bis sie herangewachsen und dadurch in der Lage sind, feste Speise zu ertragen; man muß also die Zeit der Prüfung abwarten, die Gott bei dem Heiligen Abendmahl ausdrücklich fordert.

(9) Danach macht er den Einwand, Christus rufe alle zum Heiligen Abendmahl, die zu den Seinigen gehören. Aber es steht doch hinreichend fest, dass er nur solche zuläßt, die schon dazu bereitet sind, das Gedächtnis seines Todes zu feiern. Daraus ergibt sich, dass die Kinder, die er gewürdigt hat, von ihm in die Arme genommen zu werden, zwar, bis sie herangewachsen sind, auf einer gesonderten und ihnen eigenen Stufe stehen, aber doch keine Fremdlinge sind. Und wenn Servet dann entgegnet, es sei doch ungeheuerlich, dass ein Mensch, nachdem er (geistlich neu) geboren ist, nicht (geistlich, d.h. im Abendmahl) essen sollte, so antworte ich: die Seelen werden anders gespeist als durch den äußerlichen Genuß des Abendmahls, und Christus ist daher nichtsdestoweniger die Speise für die Kinder, mögen sie sich auch des Merkzeichens (solcher Speise, d.h. des Abendmahls) enthalten. Mit der Taufe ist es anders bestellt, durch sie wird ihnen allein die Eingangspforte zur Kirche geöffnet.

(10) Wiederum wirft Servet ein, ein guter Haushalter gebe seinen Hausgenossen „zu rechter Zeit Speise“ (Matth. 24,45). Das gebe ich nun zwar gerne zu; aber mit welchem Recht will er uns die Zeit zur Taufe festsetzen, um zu beweisen, sie werde den Kindern nicht „zur rechten Zeit“ zuteil? Außerdem führt er jene Weisung Christi an seine Apostel an, sie sollten zur Ernte eilen, wenn die Felder weiß seien (Joh. 4,35). Aber Christus hat doch an dieser Stelle nur eins im Sinne: die Apostel sollten sehen, dass die Frucht ihrer Arbeit vor ihnen lag, und sich deshalb um so eifriger zum Lehren anschicken. Wer will nun daraus folgern, allein die Zeit der Ernte sei die rechte Zeit zur Taufe?

(11) Sein elfter Beweisgrund ist der, in der ersten Kirche seien „Christen“ und „Jünger“ dasselbe gewesen (Apg. 11,26). Aber wir haben ja schon gesehen, dass er damit törichterweise von einem Teil auf das Ganze schließt. „Jünger“ heißen Menschen von gehörigem Alter, die schon unterwiesen und in die Nachfolge Christi getreten waren, so wie die Juden unter dem Gesetz Jünger Moses sein mußten; aber daraus wird niemand mit Recht folgern dürfen, die Kinder seien Draußenstehende gewesen, wo doch Gott bezeugt hat, dass sie seine Hausgenossen sind.

(12) Zudem führt er auch an, alle Christen seien Brüder, und zu den Brüdern gehörten die Kinder für uns nicht, solange wir sie vom Abendmahl fernhielten. Ich komme demgegenüber auf den Grundsatz zurück: Erben des Himmelreichs sind nur die, welche Christi Glieder sind; ferner ist es ein wahrhaftiges Zeichen der Aufnahme in die Kindschaft gewesen, dass Christus die Kinder in die Arme genommen hat (Matth. 19 und Parallelen), und durch diese Aufnahme in die Kindschaft werden die Kinder mit den Erwachsenen gemeinsam umschlossen, endlich steht auch die zeitweilige Enthaltung vom Abendmahl der Tatsache nicht im Wege, dass sie zum Leib der Kirche gehören. Auch der am Kreuze bekehrte Schacher hörte doch nicht auf, ein Bruder der Frommen zu sein, obgleich er niemals zum Abendmahl gekommen ist.

(13) Dann fügt Servet noch zu, es würde niemand unser Bruder als durch den Geist der (Aufnahme in die) Kindschaft, den man doch nur aus dem Hören (der Predigt) des Glaubens erlangte. Ich antworte: er verfällt immer wieder in den gleichen Fehlschluß, weil er Worte, die allein von den Erwachsenen gelten, unrichtigerweise auf die Kinder bezieht. Paulus lehrt an dieser Stelle (Röm. 10,17; Gal. 3,5), wie Gott bei der Berufung gewöhnlich den Weg einschlägt, dass er seine Auserwählten zum Glauben führt, indem er ihnen treue Lehrer erweckt, durch deren Dienst und Arbeit er ihnen die Hand entgegenstreckt. Wer will sich aber erdreisten, ihm daraufhin ein Gesetz aufzuerlegen, dass er die Kinder nicht auf eine andere, verborgene Weise in Christus einleibt?

(14) Weiterhin beruft er sich darauf, dass Cornelius nach Empfang des Heiligen Geistes getauft worden ist (Apg. 10,44-48). Aber wie verkehrt es ist, dass er aus diesem einen Beispiel eine allgemeine Regel beweisen will das kommt bei dem Kämmerer und bei den Samaritanern heraus (Apg. 8,27-38; 8,12), bei denen Gott die umgekehrte Reihenfolge eintreten ließ, dass die Taufe den Gaben des Geistes vorausging.

(15) Sein fünfzehnter Beweisgrund ist mehr als ungereimt: er sagt, durch die Wiedergeburt würden wir zu Göttern; Götter seien aber solche, zu denen Gottes Wort geschehen sei (Joh. 10,34f.), und das könne man von unmündigen Kindern nicht behaupten. Daß er den Gläubigen göttliche Art andichtet, das ist eine von seinen Wahnvorstellungen, deren Widerlegung nicht hierher gehört; aber die (hier in Frage kommende) Psalmstelle (Ps. 82,6) in einem ihr so fremden Sinne zu verdrehen, das ist heillose Unverschämtheit. Christus erklärt, dass die Könige und Obrigkeiten von dem Propheten „Götter“ genannt werden, weil sie ein Amt tragen, das ihnen von Gott auferlegt ist. Dieser gewandte Ausleger aber bezieht ein Wort, das von dem besonderen Auftrag zur Regierung handelt und sich an bestimmte Personen richtet, auf die Lehre des Evangeliums, um die Kinder von der Kirche wegzuweisen.

(16) Auf der anderen Seite macht er den Einwand: die Kinder könnten nicht als neue Menschen angesehen werden, weil sie nicht durch das Wort geboren würden. Ich wiederhole demgegenüber abermals, was ich schon mehrfach ausgesprochen habe: den „unvergänglichen Samen“ zu unserer Wiedergeburt (1. Petr. 1,23) stellt die Lehre dar, sofern wir in der Lage sind, sie in uns aufzunehmen; wo wir aber unseres Alters halben noch keine Belehrung empfangen können, da hat Gott seine Stufenfolge in der Hand, um uns zur Wiedergeburt zu bringen.

(17) Danach kommt er dann wieder auf seine Allegorien zurück und sagt, unter dem Gesetz hätte man Schaf und Ziege nicht sogleich, wenn sie aus dem Mutterleibe hervorgegangen waren, zum Opfer dargebracht, wenn ich nun Lust hätte, hier (auch meinerseits) bildliche Veranschaulichungen herbeizuziehen, so könnte ich leicht die Gegenbehauptung aufstellen: „allerlei Erstgeburt“ war, gleich, wenn sie „die Mutter brach“, Gott geheiligt (Ex. 13,2), und ferner sollte doch (bereits) ein einjähriges Lamm geschlachtet werden (Ex. 12,5). Daraus ergibt sich dann, dass man keineswegs auf die männliche Kraft warten muß, sondern dass vielmehr auch die eben erst geborenen und noch gar zarten Sprößlinge von Gott zu Opfern erwählt werden.

(18) Außerdem behauptet Servet, es könnten nur die zu Christus kommen, die zuerst von Johannes vorbereitet worden wären. Als ob das Amt des Johannes nicht zeitlich (und damit vorübergehend) gewesen wäre! Aber, um das beiseite zu lassen: bei den Kindern, die Christus in seine Arme genommen und gesegnet hat (Matth. 19 und Parallelen), lag jene Vorbereitung jedenfalls nicht vor. Darum wollen wir ihn mit seinem falschen Grundsatz laufen lassen!

(19) Schließlich nimmt er sich (die Schriften unter Berufung auf) den (Hermes) Trismegistos und die Sibyllen zu Schutzhelfern dafür, dass die heiligen Waschungen nur Erwachsenen zukämen. Da sieht man, was er für eine ehrerbietige Meinung von der Taufe Christi hat, indem er sie nach den unheiligen Gebräuchen der Heiden richtet, damit sie nicht anders verwaltet werde, als es dem (Hermes) Trismegistos gefallen hat! Für uns aber steht an höherer Stelle die Autorität Gottes, dem es gefallen hat, sich die Kinder zu heiligen und sie mit dem heiligen Merkzeichen einzuweihen, dessen Kraft sie ihres Alters wegen noch nicht verstanden, wir sind auch nicht der Meinung, dass es recht ist, aus den Sühnegebräuchen der Heiden etwas zu entlehnen, was an unserer Taufe Gottes ewiges und unverletzliches Gesetz abändern soll, wie er es mit Bezug auf die Beschneidung festgelegt hat.

(20) Und am Ende stellt er die Überlegung an: wenn man Kinder taufen dürfte, ohne dass sie etwas davon verstehen, so könnte die Taufe auch von spielenden Kindern zur Nachahmung oder um Scherz ausgeübt werden. Aber darüber mag er mit Gott rechten, auf dessen Geheiß die Beschneidung den Kindern zuteil wurde, bevor sie Verstand bekommen hatten, war sie nun deshalb eine Spielerei oder eine Sache, die kindischen Albernheiten unterworfen gewesen wäre, so dass Kinder die heilige Einsetzung Gottes hätten umstoßen können? Aber es ist nicht verwunderlich, dass solche verworfenen Geister, wie wenn sie vom Wahnwitz umgetrieben würden, auch die gröbsten Widersinnigkeiten zur Verteidigung ihrer Irrtümer vorbringen; denn mit solcher schwindelnden Raserei übt Gott an ihnen gerechte Rache für ihre Aufgeblasenheit und Widerspenstigkeit. Auf jeden Fall hoffe ich deutlich gemacht zu haben, mit was für gebrechlichen Stützen Servet seinen Brüderlein, den Wiedertäufern, beigesprungen ist.
Simon W.

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