Tägliche Lesung aus der Dogmatik von Eduard Böhl

Nur für Gläubige, die die fünf Punkte des Arminianismus ablehnen

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§ 15. Die Gerechtigkeit

Die Wörter, welche in der malerischen hebräischen Sprache den Begriff der Gerechtigkeit ausdrücken, gehen alle zurück auf die Vorstellung des Geraden, der Wahrheit und Billigkeit. Der Gerechte teilt die Lasten zu gleichen Teilen aus; er liebt das Gleichgewicht, das suum cuique; er verlangt in allen Dingen Gesetzmäßigkeit: daß alles hiernieden übereinstimme mit den göttlichen und menschlichen Gesetzen. qyDIc; und rv'y" sind Wörter, deren Etymologie schon die gerade Linie, die Gott einzuhalten liebt, andeutet. Ein Lob der Gerechtigkeit Gottes enthält Ps 7,10-14. Ferner ist der Satz: „daß Gott dem Menschen vergilt nach seinen Taten“ ein Ausfluß dieser Eigenschaft Gottes. Vgl. Röm 2,6-l1; 1,18; Esr 9,15; Spr 19,17; Jes 66, 6; 2.Thess 1,6-9. Die Forderung daß man den Bösen verurteilen soll, 5.Mose 25,1, und daß Gott denselben nicht gerecht sprechen werde, 2.Mose 23,7, zeigt, wie sehr Gott das suum cuique liebt. Daß Gott doppeltes Maß und Gewicht ein Greuel ist, 5.Mose 25,13-16, zeigt, daß er das Gleichgewicht liebt; deshalb fordert er in 5.Mose 25,15: ein Gewicht und einen Epha der Gerechtigkeit. Jener Indifferentismus, wonach man – wie Jes 5,20 sagt – aus sauer süß und aus süß sauer macht, ist dem Herrn ein Greuel, daher er es durch seinen Propheten verdammt. Auch dies spricht für die Gerechtigkeit Gottes. Es gehört weiter hierher 2.Mose 34,7, wo es heißt, daß Gott die Sünde gewiß nicht ungestraft läßt, sondern sie nach seiner Gerechtigkeit straft. Die Gerechtigkeit ist eine höchst preisenswerte, herrliche Eigenschaft, eine Eigenschaft ohne welche das Universum sein Gleichgewicht verlieren und alles in ein Chaos sich verwandeln müßte. Ohne das Walten der Gerechtigkeit gäbe es keinen Abstand zwischen Gott und Menschen; keinen Unterschied zwischen gut und böse; es gäbe kein Gesetz, keine Schranke, keine Ordnung; alles würde ins Chaos zurücksinken, in dem Gottes Walten ganz unerkennbar werden würde. Gott muß auf Gerechtigkeit halten; sein innerstes Wesen fordert dies. Er kann nicht Böses gut und Gutes böse heißen (Jes 5, 20). Würde diese Eigenschaft nur im Geringsten beeinträchtigt, so bliebe Gott nicht mehr Gott, und alles ginge aus den Fugen. Er ist es sich selber schuldig und seine Liebe zu allem Erschaffenen fordert es: daß die Gerechtigkeit gehandhabt werde im Himmel und auf Erden; 1.Mose 18,25; Röm 3,6. Kraft dieser seiner Gerechtigkeit kann Gott nur den lieben, der seine Gebote hält, wie es 5.Mose 7,12.13 heißt. Das Gleiche sagt Jesus seinen Jüngern : Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote; und wer mich so liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden (Joh 14,15.21). Ferner kann Gott gemäß seiner Gerechtigkeit keine Sünde vergeben ohne vorausgegangene Genugtuung (Röm 3,25.26). Bei dieser Forderung der Genugtuung reichen aber Gerechtigkeit und Liebe einander die Hand; die eine Eigenschaft will der andern nicht vorgreifen. Geben wir für diese Behauptung gleich hier den Beweis, indem wir andere Lehrstücke der Dogmatik antizipieren. Wenn wir auf den Fall Adams blicken, so scheint zunächst der Umstan, daß Gott mit den gefallenen Erstmenschen sich noch weiter befaßte, völlig im Widerspruch mit seiner Gerechtigkeit zu stehen. Wie konnte Gott Sünder, denen er selbst laut 1.Mose 2,17 im Übertretungsfall den Tod angekündigt, noch weiter am Leben lassen? Ward hierdurch das Gleichgewicht der göttlichen Weltordnung nicht arg gestört? Mußte Gott nicht von da an verkannt werden? Aber erscheint nicht auch die Liebe hier in einem falschen Lichte, wenn Gott mit Adam noch weiter verkehrte? War es nicht zugleich lieblos, so unglückliche, sich in Gewissensqualen verzehrende Sünder noch länger ein Leben führen zu lassen, das schlimmer war als der Tod?
Simon W.

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§ 15. Die Gerechtigkeit (2. Teil)

Aus dieser Verlegenheit reißt uns die Lehre von der Genugtuung heraus. Gott hat in seiner Liebe und nach Maßgabe seiner Gerechtigkeit eine Genugtuung für den Ungehorsam und Abfall Adams sich verschafft, 1.Mose 3,15. Es konkurrieren die Liebe und die Gerechtigkeit zu gleichen Teilen bei der Forderung einer Genugtuung. Dies wird uns durch folgende Erwägungen klar. Gott mußte die ihm von Adam geraubte Ehre zurückerstattet werden. Das fordern Liebe und Gerechtigkeit, weil eben nur so die Seligkeit in der Gemeinschaft mit Gott für den Menschen wirklich wertvoll wurde. Das Gesetz muß trotz der absoluten Hinfälligkeit der Menschen wieder aufgerichtet und erfüllt sein – das fordern beide Eigenschaften, weil nur dann die Seligkeit von Dauer und unanfechtbar, weil nur dann das nagende Gewissen gestillt wird. Die Sünde, Schuld und Strafe muß getilgt sein, – dann erst konnte der sündige Mensch den ersten Stand wiedereinnehmen und werden, was Adam vor dem Falle war – das fordern Liebe und Gerechtigkeit. Um diese Forderung zu erfüllen kam der Erlöser in die Welt. Die gesamte Genugtuung ist also geschehen einmal zum Nachweis dessen, daß Gott gerecht sei (Röm 3,25.26), zugleich aber ist diese Genugtuung, welche der Sohn Gottes leistete, geschehen, weil Gott die Welt geliebt (Joh 3,16). Daß nun selbst die durch Gottes gerechtes Gericht den Ungläubigen diktierte ewige Verdammnis nicht von einem Gott herstammt, der lediglich gerecht wäre auf Kosten der Liebe, dies muß gleichfalls deutlich sein. Die Liebe wird sich, eben weil sie Liebe ist, von demjenigen fernhalten müssen, der sie beharrlich zurückweist und dem sie unerträglich sein würde; sie kann sich nicht aufdringen. Dem Gottlosen aber wäre die Liebe Gottes weit unerträglicher, als selbst die Qualen der Hölle. Man muß nicht meinen, daß es ein geringes Ding sei, Gott zu sehen – die heiligen Männer fürchteten sich und meinten sterben zu müssen, wenn sie Gott gesehen (Mose, Gideon und Manoah). Wo soll da also der Gottlose und Sünder bleiben? Er zieht die Hölle weitaus vor. Auch der reiche Mann im Evangelium bittet nicht, daß er Gott schauen möge, sondern er will nur seine Brüder gewarnt wissen! Gott schauen, das kann man nur in Gerechtigkeit (Ps 17,15). Der Einklang, in dem Gerechtigkeit und Liebe zueinander stehen, wird uns nun deutlich sein. Wenn wir abstehen von einer krankhaft mystischen Auffassung der Liebe und nicht uns einbilden, als wolle diese Liebe möglichst viele Wesen beglücken auf Kosten der Gerechtigkeit, und dagegen festhalten: daß die Liebe zum eigenen Besten der Kreaturen mit der Gerechtigkeit gleichen Schritt hält, so wird keine weitere Spannung, kein Widerspruch mehr zwischen der Liebe und der Gerechtigkeit bestehen
Simon W.

Der Pilgrim
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§ 16. Die Heiligkeit (1. Teil)

Heilig und rein ist in verschiedenen Sprachen sinnverwandt. Der Grundbegriff der Heiligkeit im Hebräischen ist die Reinheit; also ist Gott als der Heilige, der Reine. Da nun die Begriffe rein und glänzend oder hell sich miteinander berühren, liebt es die Schrift, die Heiligkeit Gottes vorzugsweise unter dem Bilde des Lichtes oder des Feuers, welches im Gegensatz zu aller Unreinigkeit steht, vorzustellen: 1.Joh 1,5; Hebr 12,29; 5.Mose 4,24. Zu seiner Rechten ist Feuer (5.Mose 33,2), was am Sinai wirklich ersichtlich ward (5.Mose 19,18; 20,18). „Licht ist sein Kleid“ sagt der Psalmist (104,2). Auf eine solche Erscheinungsweise Gottes weist auch 2.Mose 24,10.17; Hes 1 und 10; Dan 2,22; und am Horeb erscheint Gott dem Mose in der Feuerflamme, die aber ausnahmsweise den Dornstrauch nicht verzehrte, 2.Mose 3,2. In der Wüste erscheint Jahwe des Nachts in einer Feuersäule, und als die Engel in Jes 6,3 das dreimal Heilig gerufen, da erfüllte ein Rauch das ganze Haus: ein Rauch der vom flammenden Throne der Heiligkeit Gottes ausging; vgl. 3.Mose 10,2; Ps 50,2 . Gott wohnt in einem Lichte, zu welchem niemand Zutritt hat, 1.Tim 6,16. Diese Heiligkeit besitzt Gott im absoluten Maße (Offb 15,4). Im Vergleich zu Gottes Reinheit und Heiligkeit ist selbst an den Engeln des Himmels noch Reinheit zu vermissen (Hiob 15,15). Indem nun das reinste, lebendigste Element – Licht und Feuer – das Symbol dieser Eigenschaft Gottes ist, so ziehen wir daraus mit der heiligen Schrift verschiedene Folgerungen. Gott kann als der Heilige gar nicht anders, als die Reinheit, das Licht und das Leben lieben; er wohnt darin; er ist selber ganz Licht und Leben. Zufolge dieser seiner Eigentümlichkeit hält Gott nun auch die seinen fern von allem, was unrein und was finster ist. Wo sie sich verunreinigt haben, da reinigt er sie durch sein läuterndes Feuer (Mal 3,3; vgl. Jes 6,7); oder er versetzt sie nach einem anderen Bilde aus dem Element der Finsternis in ein neues Element, nämlich in sein wunderbares Licht (1.Petr 2,9). Es ist dies Tun Gottes dem Eifer der Mutter vergleichbar, mit dem sie das unrein gewordene Kind wäscht und rein hält, sowohl weil sie die Reinheit liebt, als auch zum eigenen Besten des Kindes! Und so tritt die Heiligkeit gerade da hervor, wo es sich um die Berufung und Versorgung des Volkes Gottes handelt im Alten wie im Neuen Testament (3.Mose 11,44.45; 19,2; vgl. 1.Petr 1,16); desgleichen sagt Paulus in 1.Thess 4,7, Gott habe uns nicht zur Unreinigkeit berufen, sondern auf daß wir in Heiligkeit, d.h. also in Reinheit, uns befänden; und in Vers 3 desselben Kapitels heißt es, daß der Wille Gottes auf unsere Heiligung abziele, wobei beispielsweise die Reinigung von der Hurerei angegeben und der Christ ermahnt wird, seinen Leib rein und in Ehren zu halten. Daß der Zweck unserer Berufung Heiligkeit sei, dies sagt auch 1.Petrus 1,15.16.
Simon W.

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§ 16. Die Heiligkeit (2. Teil)

Aus der Heiligkeit entwickeln sich drei Affekte: Zorn, Eifersucht und Reue. Wo nämlich diese Heiligkeit beharrlichen Widerstand findet auf Seiten des Sünders, da reagiert sie, ohne freilich sich in ihr Gegenteil umzusetzen und ihr Wesen aufzugeben; sie wird

a) zum Zorn; das Licht der Heiligkeit wird zum Feuer des Zorns. In dieser
Beziehung heißt Gott ein verzehrendes Feuer, eben als der Heilige (5.Mose 4,24; 9,3; Hebr 12,29). Die an sich so wohltätige Eigenschaft erweist sich, indem sie beim Menschen auf Widerstand stößt, als eine unwiderstehliche, alles vor sich niederwerfende und gleichsam versengende Eigenschaft. Will der Mensch nicht hören, so muß er fühlen; Gott muß den Sünder statt ihn anzuziehen, von sich fern halten, statt ihn zu locken, schweigt er, ja stößt ihn ab. So heißt es beim Propheten Habakuk 1,13: „Zu rein sind Gottes Augen, um Böses anzuschauen“; das Böse beleidigt ihn, es muß ihm aus den Augen. Ähnlich sagt der Psalmist: „Wer böse ist, der kann nicht bei Gott wohnen“ (Ps 5,5). Und in Jes 33,14 fragen die erschrockenen Sünder: Welcher unter uns will wohnen bei einem verzehrenden Feuer? wer ist unter uns, der bei der verzehrenden Hitze bleiben möge? Also auf dieser Stufe der Erweisung der Heiligkeit wird dieselbe zum Zorne. Vergleiche Jes 47,4 mit Vers 3, wo von dem Heiligen Israels die Rache ausgeht.

b) Ja sofern die sündigen Menschen Gottes besonderes Eigentum sind, wie Israel es war, nimmt die Heiligkeit ferner den Charakter der heiligen Eifersucht an: 2.Mose 20,5; 5.Mose 31,29; 32,16; Jos 24,19; Hebr 10,27: πυρος ζηλος eine Eifersucht, die wie Feuer brennt.

c) Und wenn der Mensch sich nicht bekehren will, so steigert sich die Heiligkeit Gottes zur Reue darüber, daß der Mensch überhaupt geschaffen wurde (1.Mose 6,6.7. Er hebt wieder auf, was er zuerst geschaffen – aber mit heiliger Entrüstung. Diese Entrüstung über die Feinde ist an dem Höhegrad ihres Widerstandes gegen Gott zu bemessen – das äußerste geschieht von Seiten Gottes, weil jene des äußerste gewagt. Die Sintflut war ein solcher Ausfluß der Reue Gottes. Der Ausdruck Reue gibt wieder, was dabei in der göttlichen Natur vorgeht. – Es entsteht hier die Frage, ob Zorn, Eifersucht und Reue nicht Affekte seien, die Gottes unwürdig sind, speziell, ob sie nicht mit der Liebe streiten? Wir antworten: Weil Gott liebt, deshalb zürnt er auch und kann es nicht ruhig ansehen, wenn Menschen seine Gebote übertreten; sein Zorn über die Sünde bezweckt der Kreaturen Glück und Heil; er ruft sie zur Ordnung kurz zum Gesetz zurück. Sein Zorn ist Liebe. Die völlige Apathie (d.h. Abwesenheit des Zorns) würde das Gegenteil der Liebe sein – Gleichgültigkeit nämlich. Gott – so dürfen wir sagen – stellt den Menschen hoch, indem er ihn deswegen zum Objekt seines Zornes macht, weil er das Gesetz übertritt, weil er ein Sünder ist. Der Zorn ist besser als kalte Gleichgültigkeit. Zweitens ist auch die Eifersucht Gottes nichts anderes, als seine stark erregte Liebe, die im Interesse des Geschöpfes selber die Sünden der Untreue und Bundbrüchigkeit nicht übersehen kann. Eifersucht ist die Eigenschaft des Bundesgottes Israels, der seine Ehre keinem andern geben will, noch seinen Ruhm den Götzen (Jes 42,8), denn was würde dann aus seinem Volke, wenn Gott nicht eifersüchtig wäre, besonders auch darüber eifersüchtig, daß die Heiden ihren Götzen treuer sind, als Israel seinem Gott (Jer 2,10.11)? Endlich ist auch die Reue Gottes darüber, daß er Menschen gemacht, nicht im Widerspruch mit der wohl geordneten Liebe Gottes. Denn eine Liebe, welche die Erhaltung der Kreaturen um jeden Preis – selbst auf Kosten der Gerechtigkeit und Heiligkeit durchsetzen wollte, wäre eine unordentliche Liebe. Auch die Heiligkeit also ist eine Eigenschaft Gottes, der die Liebe ist. Er vergißt seiner Liebe nicht, wo er sich als den Heiligen erweist. Die Liebe Gottes ist ja – wie gesagt – keine menschenförmige und krankhafte, sondern dieselbe hat die Heiligkeit und Gerechtigkeit zu ihren Exponenten oder zu Hütern und stetigen Begleitern; sie ist selber eine heilige und gerechte. Liebe ohne Gerechtigkeit und Heiligkeit würde die allseitigste Verkennung Gottes und seines Tuns mit den Menschenkindern zur Folge haben. Übersähe Gott die Sünde ohne Genugtuung, so würde dies den Allerheiligsten zum Mitschuldigen an der Sünde machen; der liebende Gott wäre nicht länger der Heilige. Die Liebe, welche nicht zu strafen versteht, wo die Menschen Gottes heiliges Gesetz übertreten haben, ist die größte Lieblosigkeit – man flucht zuletzt solcher schwachen Liebe. Denn das Gesetz wird herabgewürdigt und Gottes Wille zu etwas, womit der Mensch sein Spiel treiben kann. Mithin stehen die höchste Interessen auf dem Spiele, wenn die Liebe nicht im Einklang mit der Gerechtigkeit und Heiligkeit vorgehen würde.
Simon W.

Der Pilgrim
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DRITTE ABTEILUNG
Von der Dreieinigkeit
§ 17. Einleitung

Gott ist der höchst zu Fürchtende, Elohim; Gott ist derjenige, aus dessen Munde uns entgegenschallt – „Ich bin; ich werde sein,“ Jahwe; er ist drittens der Machthaber vor allen andern, El. Von diesem Namen, der Gott als die Quelle der Macht bezeichnet, ging die Vorstellung der Macht und der Güte aus, der δυναμις und θειοτης Röm 1,20. Und nach dieser paulinischen Einteilung vergegenwärtigten wir uns die Eigenschaften Gottes. Damit ist die zweite Abteilung der Theologie beendigt, die Lehre vom Wesen Gottes. Aber dieser Gott wohnt ja in einem Lichte, wozu niemand Zutritt hat, 1.Tim 6,16; er ist laut Hiob 11,7-9 höher, denn der Himmel – was kannst du tun? tiefer, denn die Hölle, was kannst du wissen? Niemand hat ihn gesehen (Joh 1,18). Ausdrücklich wird in 5.Mose 4,15 in Abrede gestellt, daß Israel am Sinai eine Gestalt Gottes gesehen habe. Und so ist es ein stehender Satz des Alten Testaments, daß, wer Gott gesehen, sterben müsse, 2.Mose 33,20 ; Ri 13,22. Alles dies zusammenfassend schärft das zweite Gebot ein, man solle sich von Gott kein Bildnis, noch Gleichnis machen. Mit Eifersucht werde Gott über der Befolgung dieses Gebotes wachen. Daneben geht aber eine andere Reihe von ebenbürtigen Schriftstellen her, nach welchen Gott dennoch in Erscheinung tritt. Gott nimmt Menschengestalt und außerdem noch allerlei andere Erscheinungsformen an. Es erscheint der Hagar ein Engel, in dem sie Jahwe erkennt, 1.Mose 16,13. Dem Abraham erscheinen drei Männer, und einen derselben redet Abraham, wie nachher auch Lot, mit dem allein Gott zukommenden Namen Adonai an, 1.Mose 18,1.3; 19,18. Dieser Engel, der Adonai heißt, ißt sogar vor Abrahams Augen und verheißt zugleich der Sarah binnen Jahresfrist einen Sohn, womit er ein Zeichen seiner Allwissenheit gibt. Auch sonst wird Jahwe oft in der Person eines Engels anerkannt und verehrt. Zwar hat man eingewandt, der Engel heiße Jahwe in Rücksicht auf die Person, die ihn sendet, welche eben Gott war. So besonders die Juden und auch viele Neuere. Aber ein bloßer Engel würde sich nicht Opfer bringen lassen und also Gott die Ehre rauben; so wenig als der geschaffene Engel sich anbeten läßt Offb 22,9. Dies läßt aber der Engel, der dem Manoah und seinem Weibe erschien, zu; er läßt sich Opfer bringen und anbeten und bezeichnet den ihm gebürenden Namen als einen wunderbaren: Ri 13,16.18-23; 6,16ff.; Calv. I. 13, § 10. Das Weib Manoahs weiß, daß sie den Herrn gesehen hat. Ja was noch mehr ist: Mose selber, dem das Gebot von der Unabbildbarkeit Gottes gegeben worden, sieht Gott dennoch von hinten nach. Am Horeb forderte er nach 2.Mose 33,17, um überzeugt zu werden von Gottes Gewogenheit und seiner Geneigtheit, mit Israel auch fernerhin zu ziehen, daß Gott ihm sein Antlitz oder seine Herrlichkeit zu schauen geben möge (2.Mose 33,15.18). Gott gesteht dem Mose dieses Begehren zu; nur daß er in seiner Zusage statt der verlangten Herrlichkeit dem Mose verspricht, es solle die Güte Gottes an ihm vorbeiziehen (2.Mose 33,19). Und das geschah wirklich nach 2.Mose 34. Es ist also nach einem überaus wichtigen Erlebnis des Mose kein Widerspruch darin enthalten, daß man Gott nicht schauen und doch schauen kann. Mose hat Gott gesehen, wenn auch nur von hinten nach; einen Reflex des vollen Lichtes bekam Mose zu schauen und eine Predigt vom Namen des Herrn bekam er dabei zu hören (2.Mose 34,6.7), wie sie herrlicher nicht wieder vorkommt. Mithin steht auch nach dieser Stelle soviel fest: es gibt einen Weg, um das göttliche Wesen zu schauen, so schwierig es auch ist, uns dies deutlich vorzustellen. Desgleichen hören wir von den Ältesten Israels, daß sie den Gott Israels gesehen, und sodann wohlgemut gegessen und getrunken haben (2.Mose 24,11). Weiterhin hören wir bei Jeremia 23,6, daß ein König – ein sichtbares Wesen aus Davids Hause (Vers 5) – regieren werde, der Jahwe heißen, also der höchste Gott sein werde. Jes 9,5 besingt einen König, dessen Name „starker Gott“ sein werde. Auch Hosea sieht in dem Engel des Herrn, der mit Jakob gerungen, den ewigen Gott (Hos 12,4.5). In Sacharja 2,8.9 heißt der Engel, der von Gott gesandt wird, selbst der Herr Zebaoth, und alle Gewalt wird ihm zugeschrieben. Die gleiche Erscheinung finden wir Sach 3,1.2.3. und Mal 3,1.
Simon W.

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§ 17. Einleitung (2. Teil)

Das Gleiche geschieht in den Psalmen 45,7; 110,5. Und wenn wir aufs Neue Testament blicken, so nehmen wir wahr: daß hier der Messias auftritt und geradezu Gott genannt wird. Wir verweisen vorläufig nur im Vorbeigehen auf Stellen wie Joh 1,1; Röm 9,5; 1.Tim 3,16; Tit 2,13; 2.Petr 1,1; vgl. Calv. I. 13. § 11 Weiter vernehmen wir aus dem Neuen Testamente, daß der Erlöser Sohn Gottes heißt. Wir hören aus Joh 1,18, daß er gegen den Busen des Vaters sich gelagert befindet; wir vernehmen Joh 3,13, daß er der Seiende im Himmel ist. Aus dem Gesagten folgt ein Doppeltes. Es kann zwar die Gottheit sich nicht unmittelbar dem Menschen offenbaren; Gott tritt nirgend in seinem göttlichen Wesen unverhüllt an den sterblichen, sündigen Menschen heran. Solches kann eben der Mensch, welcher Fleisch ist, nicht ertragen. Soll nun gleichwohl ein Verkehr zwischen Gott und dem Menschen zu seinem Heil und zum Leben stattfinden: so bedarf es dazu einer Vermittlung. Und was für eine ist dies nun? Diese Vermittlung ist gegeben in dem Sohne Gottes oder dem Engel Jahwes, in welchem nach 2.Mose 23,21 der Name Gottes, d.h. die Fülle seiner Eigenschaften,
wohnt, und dieser begann schon im Alten Testament sein Mittleramt. Er war es, der mit Israel durch die Wüste zog, 1.Kor 10,4; in ihm wohnt die Fülle der Gottheit derartig, daß Menschen es ertragen können und nicht geblendet und verzehrt werden. Um den Gläubigen sich vertraulicher zu nahen, nahm Gott temporär eine Gestalt an. In solcher Gestalt ließ er sich Engel (Gesandter) nennen, und dennoch war er Gott voll unaussprechlicher Herrlichkeit. In dieser Gestalt sahen ihn seine Jünger – aus dem Menschen Jesus strahlte die Gottheit ihnen entgegen: „wer mich sieht, der siehtden Vater.“ Als dem Logos redet Johannes von ihm Joh 1,1.14. Wir werden somit auf einen Unterschied hingewiesen, der in dem göttlichen Wesen sich bemerkbar macht; ein Unterschied, der eine Mehrheit von Personen hervorhebt. Wäre das göttliche Wesen eine abstrakte Eins, so könnte kein solcher Widerspruch stattfinden, wonach Gott einerseits verborgen, unmitteilbar und über alle Schranken erhaben ist, und andererseits doch in die Erscheinung hinaustritt und zwar auf so mannigfaltige Weise. Die Vorzüge, welche die christliche Trinitätslehre vor dem Monotheismus der unitarischen Systeme des Judentums, der Mohammedaner und Rationalisten hat, liegen auf der Hand. Ein dürrverständiger Monotheismus, den das nachchristliche Judentum übrig behalten, hätte nimmermehr solche reiche, mannigfaltige Beziehungen Gottes zur geschaffenen Welt und insbesondere zu seinem Volke aus sich herausgesetzt, wie sie die biblische Geschichte uns bietet. Jener Monotheismus kann keine solche farbenreiche Geschichte, wie die alttestamentliche ist, schaffen; noch weniger aber eine so beziehungsreiche, mannigfaltige Ökonomie, wie selbige uns das Neue Testament vor Augen stellt. Vielmehr ist jenem Monotheismus Gott ein Jenseitiger, die abstrakte Spitze und Krone des ganzen Weltgebäudes. Gott und Mensch stehen einander gegenüber, wie zwei in sich abgeschlossene Kreise, die sich in keinem Punkte schneiden. Eine wirkliche Beziehung, ein persönlicher Verkehr zwischen Gott und Menschen fehlt. Wie ganz anders ist es in der heiligen Schrift.
Simon W.

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§ 17. Einleitung (3. Teil)

Die unendliche Herablassung und Menschenfreundlichkeit, die tiefste Erniedrigung bei aller Absolutheit und Unveränderlichkeit, die Bereitschaft zu dienen und zu helfen, die der biblische Gott besitzt, bei aller Allgenugsamkeit, zeugt von einer unendlichen Fülle des Lebens in dem Gott der Bibel. Dieser Gott ist nimmermehr eine abstrakte Eins. Dem Irrtum des nachchristlichen Judentums, sowie des Mohammedanismus verfiel im 16. Jahrhundert der Socinianismus und abermals im vorigen Jahrhunderte der Deismus und Rationalismus. Nur diesen kahlen Rationalismus und seinen Gott, oder besser Götzen, trifft das Dichterwort Schillers in den Göttern Griechenlands, wo er sagt:
„Freundlos, ohne Bruder, ohne Gleichen
Keiner Göttin, keiner Ird’schen Sohn
Herrscht ein Andrer in den weiten Reichen – “

Damit ist nur der Gott des Rationalismus gezeichnet, der in sich selbst selig nichts anderes als sich selber betrachtet. Der Ratschluß des Vaters um des ewig geliebten Sohnes willen auch andere Wesen zu schaffen, die er herrlich machen will durch seinen Sohn und kraft der Wirkung des heiligen Geistes, bleibt diesem Rationalismus unverständlich. Weil der einige Gott nicht zugleich der dreieinige ist, weil es nicht in seinem Wesen liegt, sich von Ewigkeit einem andern hinzugeben, so ist kein Grund vorhanden: daß Gott sich jemals liebend zu andern herabließe und aus sich herausträte. Erst die Lehre von der Dreieinigkeit, wonach Gott in einem andern sein eigenes Bild anschaut und mit diesem andern vereint liebend noch einen Dritten umfaßt – erst diese Lehre läßt uns zuversichtlich hoffen, daß bei Gott auch noch Platz ist für selige, durch sein Wort und seinen Geist geschaffene Geister. Diese Lehre ist das einzige Mittel, um in die Gottheit den Anstoß zur Erschaffung der Welt zu setzen. Ohne die Trinitätslehre bliebe nichts übrig, als diese Erschaffung für Willkür, für einen Einfall der Gottheit zu nehmen, oder unser Universum als ein Glied einer unendlichen Reihe von Universen anzusehen, und also die Ewigkeit der Welt im Prinzip zu statuieren. Die Trinitätslehre bringt für viele Probleme erst rechtes Licht; und ist sie auch eine Lehre voll von Unbegreiflichkeiten, so macht doch eben sie vieles andere begreiflich, was sonst ein ewiges Rätsel bleiben würde. Wir wissen nun aber von der Dreieinigkeit nichts abgesehen von der heiligen Schrift. Kein Mensch wäre unabhängig von ihr auf einen solchen, alle Fassungskraft übersteigenden Gottesbegriff gekommen. Wir wären nimmermehr zu einer solchen alles Denken überragenden Anschauung des göttlichen Wesens gelangt, wenn Gott die Grundzüge derselben nicht in die heilige Schrift hineingelegt hätte, wo selbst sie in Verbindung mit unserer Erschaffung, unsrem Abfall von Gott und unserer Erlösung geoffenbart sind. Ja die Philosophie, wie insbesondere die religiöse Spekulation stehen hier, wie überhaupt bei den ersten Prinzipien der Dinge ratlos da; sie müssen beide eingestehen, daß sie über den eigentlichen Grund der Dinge nichts wissen, und so auch nichts über das Mysterium der Trinität.
Simon W.

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§ 17. Einleitung (4. Teil)

Die philosophische Spekulation schwankt hinsichtlich der Dreieinigkeit zwischen dem Pantheismus und Dualismus, der sich im Deismus kund gibt. Entweder sie faßt die kirchlichen drei Personen Vater, Sohn und Geist als Modalitäten, welche die Gottheit annimmt, auf und leitet damit einen Prozeß ein, wobei die Persönlichkeit Gottes aufgegeben und Gott in der Welt und der Gemeinde so ist, wie er in Christo und dem heiligen Geiste ist, also als Modalität seines absoluten Seins. Oder man bewegt sich im anderen Extrem, dem des Deismus, und hält die Persönlichkeit Gottes fest, wobei dann Christus zum bloßen Gottesmenschen herabgesetzt wird, und Gott und Christus, beziehungsweise Gott und Mensch auseinanderfallen. Gott ist nun nicht mehr der Absolute, sondern das All besteht aus zwei Hälften, Gott und Mensch, und es läßt sich kein Weg absehen, auf dem der Mensch eins würde mit Gott, nachdem man Christus von Gott getrennt, d.h. ihn der Wesenseinheit mit Gott beraubt hat. Das hohepriesterliche Gebet in Joh 17 würde aller Anhaltspunkte im Wesen der Gottheit verlustig gehen. – Wir dürfen aber freilich von der Dreieinigkeit stets nur reden als von der großen Grundvoraussetzung alles Daseins; als von etwas, das wir vorfinden, aber nicht erfinden. Wir können das Dogma von der Trinität nur als ein den Glauben herausforderndes Axiom der Theologie behandeln und müssen demnach sagen: sein Wesen kennt nur Gott selber. Wir werden bescheidener dieser Lehre gegenüber stehen, wenn wir überhaupt erwägen, daß es eben doch Verhältnisse und Voraussetzungen gibt, hinter die wir nicht mit unsrem Verstand kommen können. Der Physiolog z.B. sieht wohl den Stoff, aber nicht die Kraft. Wir sehen den Körper – das Dasein der Seele und die Art ihrer Verbindung mit dem Körper ist ein Geheimnis, und so ist es in vielen Fällen. Man wird speziell keine mathematischen Gegenbeweise gegen die Möglichkeit der Dreieinigkeit mehr zu führen sich anmaßen, wenn man sich vor Augen hält, daß wir mit dem endlichen Rechnungsprozeß weder die Unendlichkeit noch die Ewigkeit ausmessen können, und daß, wenn wir einmal den philosophischen Gegnern gegenüber die Rolle der Sphinx spielen wollten, wir der Felsen nicht genug hätten, um sie davon herabzustürzen. „Unsere irdische Mathematik ist nicht die himmlische Mathematik“, sagte ein großer amerikanischer Naturforscher, als er gefragt wurde, wie er doch an die Trinität glauben könne. Muß denn das unendliche Wesen sich nach Zahlengrößen, welche es für endliche Wesen gegeben, sich berechnen lassen? Es bleibt also bei dem, was Hilarius in seinem Buche „De trinitate“ I,5 so schön sagt: „Außer dem Bereich der Sprache, außer der Sehweite des Sinnes, außer dem Fassungskreis der Erkenntnis ist alles was hier in Frage kommt; man kann es nicht aussprechen, nicht erreichen, nicht fassen“.
Simon W.

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§ 18. Über den Mangel einiger spekulativer Konstruktionen
der Trinitätslehre


Wir haben in der Einleitung uns klar gemacht, daß es nach der Schrift und sogar nach einer gotteswürdigen Anschauung von seinem Wesen allein sich zieme, im göttlichen Wesen eine Mehrheit der Personen anzunehmen. Die Lebendigkeit Gottes, wie sie die Schrift enthüllt, bringt es mit sich, daß wir in dem einen Wesen mehrere Personen unterscheiden. Aber Kenntnis von dieser Lehre erhalten wir nur aus der Schrift; durch Spekulation können wir sie nicht nachkonstruieren. Man hat dergleichen oft versucht; so Augustin , Melanchthon in der Enarratio Symb. Nic. Opp. 1540, II. Seite 228. Demnach wären also memoria, intellectus, voluntas (amor) oder esse, nosse, velle drei Momente, in denen sich das eine menschliche Bewußtsein zur Dreiheit entfaltet. Wie nun dort der eine menschliche Geist in drei Kräfte sich zerlegen läßt und doch einer bleibt, so sei hier beim Gottesbegriff die Monas zur Trias entfaltet. Aber dieser Hinweis auf psychologische Abstraktionen ist ungenügend, um drei Personen in der Einheit des Wesens zur Anschauung zu bringen. Solche und ähnliche Analogien machen die Sache nicht klarer und führen höchstens auf Modalismus. Dies gilt auch von jener Methode, durch welche neuere Dogmatiker, namentlich Sartorius, Jul. Müller, Liebner sich die Dreieinigkeit denkbar gemacht haben. Da sagt man: das „Ich“ der absoluten Liebe fordert ein „Du“, dem es sich vollständig mitteilen könne, also den Sohn, und beide fordern ein Drittes, in welchem ihre gegenseitige Liebe sich hypostasiere: und durch die letztere Erwägung soll nun die Notwendigkeit des heiligen Geistes erwiesen sein. Aber das ist lahm. Denn hat man auch begreiflich gemacht, daß Gott, um nicht sich selbst zu lieben und damit sich in sich selber zu verschließen, einen ewig Geliebten bei sich haben müsse – hat man also die Existenz des Sohnes begreiflich zu machen gesucht, wo bleibt dann der weitere Beweis für die Existenz des heiligen Geistes? Daß die Liebe Zweier ein Drittes fordert, in welchem ihre gegenseitige Liebe sich hypostasiere, ist ein aus der Erfahrung geschöpfter Satz. Das Streben der Eltern ist auf Nachkommenschaft gerichtet; im Kinde hypostasiert sich ihre Liebe. Daß aber dieser Erfahrungssatz hinreiche, um in das Geheimnis der Dreieinigkeit hineinzuleuchten und die Genesis der Trinität a priori begreiflich zu machen, wird niemand behaupten wollen. Es hat diese Methode höchstens den Wert einer Analogie, die aber überdies auf Tritheismus führen würde; sie gibt uns keineswegs a priori die Notwendigkeit der Trinität zu verstehen. Noch keine Spekulation hat a priori die Notwendigkeit der Existenz des heiligen Geistes zu erweisen gewußt; und was man darüber auch lallt, man wird nie das göttliche Wesen nachkonstruieren können. Schleiermacher resolviert sich auch dahin, nichts als Andeutungen über die Trinitätslehre zu geben, die sich aber nicht über den Sabellianismus erheben – er stellt diese ganze Lehre an den Schluß des „Christlichen Glaubens“ und hofft von der Zukunft, sie werde Formeln finden, die genügen werden, das Geheimnis zu erfassen, – was aber eine durchaus vergebliche Hoffnung ist. Könnten wir es nachkonstruieren, so müßten wir in der Tat ein Analogon dazu im Bereich unserer Erfahrung haben, an dem wir uns zuvor geübt hätten; aber ein solches gibt es nicht. Der Ur- und Realgrund aller Dinge hat sich nicht selber verendlicht, und im Bereiche unserer Endlichkeit findet sich seinesgleichen nicht. Da hätte er ja sein Wesen aufgeben müssen. Ja, Gott würde den Beurteilern seines Wesens eigentlich einen Platz über sich eingeräumt haben; denn um einen Gegenstand völlig zu beurteilen, muß man über ihm stehen. Und übrigens erst dann, wenn sein Ratschluß mit uns vollendet sein wird, und wir zum Anschauen Gottes im Jenseits gelangt sind, kann ernsthaft die Rede davon sein, daß wir etwas von diesen Tiefen der Gottseligkeit anschauen. Erst wenn wir auf der höchsten Höhe angelangt sind, haben wir den weitesten Fernblick – erst dann werden wir sehen, wie die Dreieinigkeit mit ihren lebendigen Kräften Zeit und Ewigkeit durchdringt, trägt und erfüllt. Bis dahin ziemt uns der Glaube. Um also sicher zu gehen, und damit man gegen uns nicht den Vorwurf erhebe: wir hätten nur philosophisch klingende Worte gemacht, um nicht geradezu schweigen zu müssen über dieses Mysterium, so halten wir uns einfach an die heilige Schrift, die uns eine Zusammenstellung der Zeugnisse über diese übersinnliche Tatsache an die
Hand gibt – aber wir lassen die Spekulation fahren.
Simon W.

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§ 19. Der Unterschied zwischen ontologischer und
ökonomischer Trinität


Es ist, bevor wir den Schriftbeweis für die Trinität eröffnen können, zunächst noch zu fragen, ob die Trinitätslehre ein ewiges Verhältnis in der Gottheit meine, ganz abgesehen von der Welt, also ontologisch (d.h das Dasein betreffend) zu fassen sei – oder ob die Trinitätslehre nur ein mit Rücksicht auf die Welt stattfindendes Verhältnis der Gottheit zur Darstellung bringe. Viele Theologen meinen mit Marcellus von Ancyra, der Trinität nur eine vorübergehende Bedeutung beimessen zu sollen; sie meinen, die Schrift kenne keine interne Offenbarung Gottes, sondern nur eine solche ad extra, nach außen hin; so neuerdings Urlsperger u.v.a. Auch wir behaupten, daß in dieser Lehre von der Offenbarungstrinität auszugehen ist. Alle Ausdrücke, die uns das Wesen der Gottheit näher bringen, z.B. Vater, Sohn und Geist sind in der Tat nur mit Rücksicht auf unser Verständnis gewählt. Es haben insbesondere die Ausdrücke: Wort (Joh 1,1), Weisheit Gottes, Eingeborner, Ebenbild Gottes, Geist Gottes, Wehen des Geistes, eine Physiognomie, die auf das menschliche Verständnis berechnet ist und uns Menschen mit dieser hochwichtigen Lehre vertraut machen soll. Alle Ausdrücke, welche hier vorkommen, dienen zur Auferbauung der Gemeinde Gottes, bieten aber keinen Anhalt für die menschliche Spekulation. Wo dasjenige, was uns mitgeteilt werden soll, eigentlich außer dem Bereich der Sprache liegt, da hat man die Hand auf den Mund zu legen. – Obgleich nun die Offenbarung in einer gewissen Anbequemung an unser Verständnis verfahren, so ist damit doch die Lehre nicht aus bloßer Accomodation entstanden. Wir dürfen nicht meinen, daß Gott sich der trinitarischen Offenbarung nur als eines Mittels zum Zwecke der Weltschöpfung und Erlösung bedient habe, was der Irrtum des Sabellius war, der die trinitarische Offenbarung als ein Schauspiel ansehen lehrte, das die Gottheit sich selber gibt. Gott hat sein Wesen nicht zeitweilig verleugnet und somit das Beste für sich behalten. Vielmehr spricht alles dafür, daß Gott, wo er sich offenbarte, nach dem vollen Umfang seines Wesens sich offenbarte, wenn auch immerhin in notdürftigen Formen. Gott ist nicht doppelsinnig, daß er sich anders offenbarte, als er wirklich ist, sondern er ist einfach; das will sagen: Alles, was in Gott ist, ist Gott selbst; was von seinem Wesen uns zu gut geoffenbart wird, weist hin auf die Beschaffenheit dieses Wesens selber. Wir müssen also sagen: die historische oder Offenbarungstrinität erlaubt gar wohl einen Rückschluß auf die ewige Wesenstrinität; gerade so gut, wie etwa die Weissagungen der Propheten und die Bilder in der Stiftshütte einen Rückschluß gestatteten auf die ewigen Urbilder oder die Realität im Himmel. Insbesondere fordert aber die Art und Weise, wie sich der Sohn Gottes in seinem Verhältnis zum Vater vor der Welt Grundlegung darstellt, entschieden eine ins Wesen Gottes selber fallende Unterscheidung von Personen innerhalb der Gottheit.Geben wir nur einige Stellen. In Joh 8,58 heißt es: „Ehe denn Abraham ward, bin ich, und in Offb 1,8 sagt der Sohn Gottes: „Ich bin das Α und das Ω; der Anfang und das Ende, so spricht der Herr, der Seiende und der da war und der da kommt, der Allmächtige“. Und der Logos war bei Gott im Anfange der Dinge; Joh 1,1.2 heißt es προς τον Θεον; vgl. ferner Joh 17,5. Diese für eine ewige Existenz des Sohnes beim Vater zeugenden Stellen schließen jede bloße Manifestation des einen göttlichen Wesens unter einem anderen Namen oder in anderer Form, also jeden Offenbarungsapparat aus. Aufgrund solcher Stellen ist der Sohn ewig bei dem Vater gewesen. Endlich ist die Notwendigkeit nicht einzusehen, daß die verschiedenen Tätigkeiten Gottes zur Bewirkung unseres Heils gerade eine Verdoppelung und Verdreifachung der Personen innerhalb eines und desselben Wesens Gottes mit sich brächten, wenn keine Nötigung dazu in der Sache selbst lag. Warum hatte es dann nicht bei der einen streng unitarischen Offenbarungsweise sein Bewenden? Weshalb läßt die Schrift auch nur den Schein aufkommen, daß in Gottes Wesen mehrere persönliche Existenzen ihren Lebensgrund haben? Daß nun aber nicht ein bloßer Schein, sondern die unleugbare Wirklichkeit für das Vorhandensein mehrerer Personen in dem einigen göttlichen Wesen spricht, werden wir alsbald sehen. Sofern wir nun aber nichts von der Trinität wissen, außer durch Offenbarung, ist es billig von der im Wege der Offenbarung uns bekannt gewordenen Trinität, also von der ökonomischen,
auszugehen und von hier aus dann behutsam den Rückschluß auf das Bestehen einer Wesenstrinität zu machen.
Simon W.

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§ 20. Die ökonomische Trinität nach der heiligen Schrift

Es gibt eine Ökonomie Gottes. Der Epheserbrief (1,9.10) spricht von einem Rat und Wohlgefallen Gottes, das er sich vorgesetzt betreffs einer Ökonomie, die der Fülle der Zeiten angehört. Auch in Hebr 3,4 heißt es, daß Gott alles nach Weise eines Hausherrn bereitet habe; die Veranstaltungen zum Heile der Menschen sind hier unter dem Bilde eines Hausbaues betrachtet. Alles, was er tut, steht in bezug zur Ökonomie dieses Hauses und so besonders die Offenbarung seines Wesens, die Kundgebungen der Trinität. Indem sich nun die Trinität in den Dienst eines von ihr selbst gefaßten Ratschlusses begibt, erhält sie den Namen ökonomische Trinität. Es fragt sich nun, wann hebt die Trinitat an, sich im Dienste des Ratschlusses zu dokumentieren? Zunächst bietet uns die Ökonomie der Schöpfung das Walten einer alles bereitenden ökonomischen Trinität dar. In 1.Mose 1,26 heißt es: „Lasset uns Menschen machen“, und in 1.Mose 3,22 steht geschrieben: „Adam istgeworden, wie unser Einer“. Eine gesunde Exegese kann zur Erläuterung der hier ausgesprochenen Mehrzahl nur das Vorhandensein mehrerer Personen in dem einen Wesen der Gottheit annehmen. So tun viele Kirchenväter: unter ihnen auch schon Justin im Dial. c. Tryph. C.62D; er sieht 1.Mose 1,26 als zum Sohne gesprochen an. Eine Aufforderung, die Gott an sich selbst richtete, kann der Plural in 1.Mose 1,26 nicht enthalten, da dieselbe im Singular mit darauffolgendem an' steht (so Knobel gegen Tuch). Gott kann ferner nicht nach Weise der Könige im Pluralis majestaticus geredet haben – denn derselbe besteht im Hebräischen nicht. Daß er die Engel angeredet habe, ist ein Unding; denn die Engel können von Gott nicht aufgefordert werden, Menschen zu schaffen in „unserem“ Bilde. Der Engel Bild kann nicht mit Gottes Bild identifiziert und als Modell des Menschen betrachtet werden. Wir sind genötigt für dieses „wir“ andere Genossen zu suchen. Wie heißen nun diese Personen, welche Gott als seine Genossen anredet? Salomo nennt in Spr 8,30.31 eine Person, die Weisheit, die bei der Weltschöpfung tätig gewesen und wie ein junger Sohn vor Gott gespielt. Die Weisheit sagt daselbst von sich: Und ich war bei ihm (bei Gott) als ein Schoßkind. Hier vergleichen wir, was vom Logos gesagt wird in Joh 1,1: Και ο Λογος ην προς τον θεον worin das Schauen des ewigen Wortes auf den Vater liegt; der gleiche Blick, womit das Kind die Mutter anblickt, oder der Sohn den Vater. Weiter sagt die persönliche Weisheit: „Und ich spielte vor ihm;“ durch ihr liebliches Spiel erfreute sie Gott. Also die persönliche Weisheit hat mit ihrem Vater die Pläne vor der Weltschöpfung entworfen, alle Ratschlüsse mit ihm zusammen gefaßt und sie ihm durch ihr Mitwirken annehmbar gemacht. Und anknüpfend an diese Tiefe der Erkenntnis und im Bewußtsein der Verborgenheit dieses innergöttlichen Verhältnisses fragt ein Prophet in Spr 30,4: „Wie ist sein Name – und wie der Name seines Sohnes?“ Da redet einer, der sich abgemüht, Gott zu begreifen nach seinem Wesen und seinem Tun – aber der mit der Erkenntnis geendet: daß er der Allernärrischste sei, und Menschenverstand ihm abgehe. Immerhin weiß er, daß Gott einen Sohn habe: nur die Erkenntnis seines Wesens ist dem Redenden zu hoch. Noch tiefer führt uns in das Verständnis dieses Plurals in 1.Mose 1,26; 3,22 der Evangelist Johannes ein. In Anknüpfung daran, daß Gott geredet bei der Schöpfung, lehrt er uns in diesem Reden das Walten eines persönlichen Wortes Gottes anzuschauen. Das Wort, das Gott am Anfang der Schöpfung sprach, ist ihm nicht eine müßige Einkleidung, sondern stellt sich ihm als Unterpfand und Vehikel des Mitwirkens des Sohnes Gottes bei der Erschaffung der Welt dar.
Simon W.

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§ 20. Die ökonomische Trinität nach der heiligen Schrift (2. Teil)

Der Ausdruck „Λογος“ dient

I. zur Andeutung eines ewigen Seins des Sohnes beim Vater; er ist gewählt, wie Melanchthon sagt, respectu patris. Wir müssen uns dieses also erklären: so lange, als noch keine Menschen da waren, hat Gott eben nicht gesprochen, wie ein Mensch, sondern, wie Gott spricht. Das Wort, welches Gott von sich ausgehen ließ, war nichts anderes, als was er selbst ist – es war Gott. Kein adäquateres Bild von der Wesenseinheit und bei alledem von der Verschiedenheit, die in dem Verhältnis zwischen Gott Vater und Gott Sohn obwaltet, läßt sich ersinnen, als es hier der Apostel Johannes mit dem Ausdrucke Logos gibt. Alle Gedanken Gottes hat das persönliche Wort Gottes in sich aufgenommen und offenbart sie, bringt sie zum Durchbruch nach außen. Erfüllt, gesättigt gleichsam von dem Gedanken Gottes, steht das Wort Gottes da, dennoch etwas für sich, obgleich es ganz eins ist mit dem Gedanken. Dieses Wort nun, freilich nach Abzug alles Bildlichen, Endlichen und Menschenförmigen, ist laut Joh 1,1-3 im Anfang schon bei Gott gewesen; und Gott von Person war dieses Wort; ohne dasselbige ist nichts geworden von dem, was geworden ist. Es ist also diese Darstellung einer zweiten Person in der Gottheit unter der Form des Wortes eine durchaus angemessene; ein geeigneteres Bild, um das ewige Verhältnis einer zweiten Person der Gottheit zu einer ersten, Gottes des Sohnes zu Gott dem Vater, zu veranschaulichen, läßt sich nicht erdenken. Melanchthon sagt treffend (Opp. v. J. 1540, t. II, S. 213): eum dici Λογον respectu patris in illa aeterna generatione (also ontologisch). Ein hoher Trost und zugleich eine Weissagung auf die Erlösung liegt in dieser Offenbarung von der Beteiligung des Logos bei der Schöpfung, oder wie Melanchthon sagt: es sei eine „appellatio dulcissima“. Was wäre es, wenn Gott ohne Vermittelung des Wortes mit uns verkehren würde? – ein sterblicher Mensch würde erdrückt werden; er könnte den hohen Gott nicht fassen, wenn dieser nicht durch das Wort, durch den Sohn sich geoffenbart hätte und so Mittel des Verkehrs uns geöffnet haben würde.

II. Dieser Ausdruck: „Λογος“ ist aber nicht bloß „respectu patris“, mit Bezug auf dasVerhältnis des Sohnes zum Vater gewählt, sondern er will noch etwas andres sagen. Er hat eine Beziehung auf den „λογον“, oder die Predigt der Propheten und Apostel; er dient dazu, alle einzelnen Worte Gottes in der heiligen Schrift auf ihren gemeinsamen Träger und Vermittler zurückzuführen. Auch hier sagt Melanchthon a.a.O. II. 213: „Sciamus ideo dici λογον, quia per eum pater dixit decretum de toto ordine creationis et reparationis hominis, et haec persona immediate mittitur. Pater non cognosceretur nisi edito et promulgato verbo. Loquitur ergo et haec persona ad patres, monstrat eis Patrem“. Johannes hat keine spekulativen Interessen, sondern den realen Zusammenhang zwischen der geschriebenen und verkündigten Wortoffenbarung und der ewigen Logosoffenbarung will er aufzeigen. Er will zeigen, wen wir verwerfen, wo wir des Evangelisten Wort verwerfen; wir verwerfen den dahinter verborgenen Träger dieses Wortes, des Wortes Urheber; um dies anzuzeigen, bedient er sich des sehr adäquaten Ausdrucks „Logos“. Der Ausdruck „Λογος“ hat also eine gewisse Doppelseitigkeit. Er hat erstlich eine Seite, die uns an das trinitarische Verhältnis erinnert, und eine andere, welche die Offenbarung im Worte zusammenfaßt und auf einen gemeinsamen Träger überträgt. An eine Anlehnung an die Ausdrucksweise der alexandrinischen Religionsphilosophie eines Philo ist nicht zu denken; vielmehr ist des Apostels Ausgangspunkt ganz praktischer Natur. Er weiß, daß am Worte alles hängt, die Schöpfung wie die Erhaltung; die erste Geburt, wie die neue Geburt – alles hat seinen Bestand in dem Worte (vgl. dazu Kol 1,16). Dieser Ausdruck „Logos“ ist aber zugleich geeignet, um das Tun des Sohnes Gottes wiederzugeben und für ihn einen besonders charakteristischen Namen abzugeben. Als Logos zeigt sich der Sohn als denjenigen, der uns das unzugängliche Wesen des Vaters offenbart und das verschλossene, verhüllte Wesen der Gottheit nach außen zur Darstellung bringt, mit anderen Worten, von seinem Namen uns die Kunde mitbringt (Joh 17,26). Er hat uns alles, was uns vom göttlichen Wesen zu wissen dienlich ist, ausgelegt (Joh 1,18). Was Johannes im Kapitel 1 durch Logos ausdrückt, ganz dasselbige meint Paulus in Hebr 1,3. Der Sohn sei der Abglanz der Herrlichkeit Gottes und die vollkommene Darstellung seines Wesens. Er gehört zu ihm wie der Glanz zum Licht, wie das Siegel zum Siegelring, wie das Wort zum Gedanken. Von der Herrlichkeit und dem für Menschen huldvollen Wesen Gottes würden wir nichts wissen, wo nicht der Sohn Gottes es uns geoffenbart hätte.
Simon W.

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§ 20. Die ökonomische Trinität nach der heiligen Schrift (3. Teil)

Während nun Johannes in dem Worte, welches in der Schöpfungsgeschichte in 1.Mose 1 erschallt, uns das nachmals Fleisch gewordene Wort erkennen lehrt, so wird des Geistes Gottes ausdrücklich in 1.Mose 1,2 gedacht. Von dem Geiste Gottes, der über den Wassern schwebt, hören wir hier. Dem Gott, der Geist ist um und um, durch und durch, wird in 1.Mose 1,2 noch ein Geist beigemessen. Auch in Stellen, wie 4.Mose 11,17; 1.Sam 16,14 wird der Geist Jahwes von Jahwe unterschieden. In 1.Kor 2,10.11 und Röm 8,26.27 wird der heilige Geist gleichfalls bestimmt von Gott unterschieden. Der Geist erforscht die Tiefen Gottes, heißt es daselbst, und: Gott versteht, was des Geistes Meinung sei. Gott und der Geist treten deutlich einander gegenüber. Elohim hat also, bei alledem daß er Geist ist, noch einen Geist. Und dieser Geist wird mit einer ganz individuellen Tätigkeit ausgerüstet; er brütet gleich einer Vogelmutter über der noch ungeordneten Masse von Himmel und Erde, welche nach V.1 geschaffen worden, und ruft Wärme, Leben und Bewegung hervor. Mose will sein Volk mit dieser Erwähnung des heiligen Geistes bei der Schöpfung belehren, daß der Geist, welcher Israel erwärmt, trägt und ihm ein neues Herz schafft – der nämliche sei, welcher einst bei der Weltschöpfung als Schöpfer und Erzeuger wirksam gewesen. Vor einem solchen Geist will er ihnen Furcht und Respekt einflößen, auf daß sie dem heiligen Geiste nicht widerständen und ihn betrübten, wovor ebenfalls Jes 63,10-14 gewarnt wird. Noch andere Stellen nötigen uns, drei Personen innerhalb des einen göttlichen Wesens zu unterscheiden. An das „Wir“, in welchem sich Gott am sechsten Schöpfungstage offenbart, schließt sich ein anderes „Wir“ an in Jes 6,8: „Wer wird uns gehen, wer wird unser Bote sein?“ Also hört Jesaja Gott reden, nachdem die Seraphim dreimal „heilig“ gerufen. Der Grund für die dreimalige Wiederholung des „heilig“ läßt sich aus dem Plural in V.8 ersehen. Eine Mehrheit der Personen schließt das eine Wesen Gottes in sich. Sollte das dreimalige Wiederholen des „heilig“ eine bloße Emphase oder Steigerung ausdrücken, so wäre angemessener gewesen, daß ein lange anhaltendes Rufen stattgehabt hätte, welches sich dann etwa zuletzt in der Ferne verloren haben würde. So aber ist die Dreizahl, in Verbindung mit dem Plural des Pronomen, ein Beweis dafür, daß drei Personen in der Gottheit der Heiligkeit wegen zu preisen sind. Eine erste, eine zweite und eine dritte Person, oder neutestamentlich: Vater, Sohn und Geist lehrt uns dieses dreimalige „heilig“ unterscheiden. Dies folgt noch besonders aus folgenden Schriftstellen. In Joh 12,41 heißt es, daß Jesaja die in Kap 6 vernommenen Worte mitgeteilt habe, als der Prophet die Herrlichkeit Jesu sah; und in Apg 28, 25 werden die Worte aus Jes 6,9 dem heiligen Geist in den Mund gelegt. Dies zeugt dafür, daß die Apostel in dem einen göttlichen Wesen drei Personen anzubeten und zu verehren sich bewußt waren. Auch als die Taufe Jesu geschehen war, vernehmen wir, daß Gott Vater vom Himmel herab redet, daß der Sohn Gottes das Objekt dieser Rede ist, und daß der heilige Geist in Gestalt einer Taube sich vom Himmel herniederläßt. Mt 3,16.17; Mk 10; Lk 3,21.22; Joh 1,32.33.
Simon W.

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§ 20. Die ökonomische Trinität nach der heiligen Schrift (4. Teil)

Die Gestalt der Taube erinnert aber an 1.Mose 1,2, wo ein Brüten vom Geiste ausgesagt wird. Hier – bei der Taufe Jesu – tritt die Dreiheit der Personen in großer Klarheit hervor. Wie bei Beginn der ersten Schöpfung, so zeigt sich auch gleich zu Anfang der zweiten Schöpfung, der Erlösung, die Dreieinigkeit im harmonischen Zusammenwirken und zwar im Dienste eines Haushalts zur
Errettung des Menschen.74 Die gleiche Dreiheit der Personen ergibt sich aus Mt 28,19, wo wir die sogenannte Taufformel finden – also ein Hauptstück der Ökonomie Gottes, die heilige Taufe, geht nicht ohne Zutun der Trinität ins Werk. Hier entfaltet sich der eine Name zu drei Personen: Vater, Sohn und Geist. Der Sinn dieser Stelle ist dieser: indem ihr sie taufet, sollt ihr sie damit hinübertragen auf diesen Namen und sie dem Herrschaftsgebiet dieses dreimal heiligen Namens einverleiben. Erteilt wird nun eben die Taufe auf den Namen Jesu Christi (Apg 2,38); aber sogleich hier wird der Empfang des heiligen Geistes mit der Taufe in Verbindung gesetzt, und in Vers 29 wird bestätigt, daß die Verheißung, welche in der Taufe den Täuflingen versiegelt wird, von Gott dem Vater ausgehe. So finden wir auch in der Apostelgeschichte die Taufe abhängig gemacht von dem Zusammenwirken des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. In Joh 14,16; 15,26 treten desgleichen in der Rede unseres Herrn drei Personen hervor: „Ich“ werde den Vater bitten, und „er“ wird euch einen „anderen“ Beistand – als mich nämlich – geben. Indem sich Jesus hier von einem anderen, der an seine Stelle treten wird, unterscheidet, so bezeichnet er den anderen dadurch deutlich als eine Person neben sich, die noch wieder eine andere Person, der Vater, senden wird. Aber nicht der Vater allein wird diesen Beistand senden, sondern der Sohn wird ihn vom Vater her senden, (15,26). Also vom Vater und vom Sohn geht diese andere Person, dieser von beiden Unterschiedene, aus. In Lk 1,15 heißt es von Johannes dem Täufer: er werde groß sein vor dem Herrn (d.h. Gott dem Vater); er werde erfüllt werden mit dem heiligen Geiste (V.15) und endlich, er werde dem Herrn (d.h. Christus) vorausgehen (V.17). In 1.Kor 2,10 ist die Rede von der Wohltat Christi; dieselbe habe uns Gott zugeeignet durch den heiligen Geist; also wiederum das Zusammenwirken der Trinität in der göttlichen Ökonomie. Gott teilt uns die Wohltat Christi mit durch den Geist Gottes: das ist die sich immer gleich bleibende Offenbarungsweise der Trinität. Der apostolische Gruß in 2.Kor 13,13 hat von jeher als eine leuchtende Beweisstelle für die Dreieinigkeit gegolten, und das mit Recht. Neben diesen Stellen, in welchen sich die ökonomische Trinität so klar entfaltet, wie nur möglich, ziehen noch andere ebenfalls wichtige Stellen unsere Aufmerksamkeit auf sich. In Jes 48,16 tritt neben Jahwe eine andere Person redend auf, die mit dramatischer Unmittelbarkeit in die Rede Jahwes eingreift. Es ist dies die Person des Messias oder Knechtes Jahwes, welche auch sonst in diesen Kapiteln, z.B. 42,1; 49,1 unmittelbar redend hervortritt. An unserer Stelle (48,16) bezeugt der Messias, daß ihn Jahwe gesendet habe und mit ihm den Geist. Auch in Jes 61,1 tritt die Dreiheit hervor. Der Messias redet hier davon, daß der Geist Jahwes auf ihm sei, weshalb ihn Jahwe gesalbt, nach der Regel: wer da hat, dem wird gegeben. Auch hier redet der Messias; Gott der Vater hat ihn gesalbt, und der Geist Jahwes ist auf ihm – wie einst 1.Mose 1,2 über den Gewässern. Christus selber hat in Lk 4,21 diese Worte auf sich bezogen und sie von seiner Person uns auszulegen gelehrt. In Jes 63,8-10 wird dem Jahwe die Erbarmung, dem Engel des Angesichts, d.h. demjenigen, welcher im höchsten Maße Gottes Wesen offenbart, also Christus, die Erlösung zugeschrieben, und in Betreff des heiligen Geistes wird in Vers 10 ausgesagt, daß das Volk ihn betrübt habe. Daß nun auch im ahronitischen Segen 4.Mose 6,231f. der Urheber alles Segens sehr absichtsvoll in dreimaligem Ansatze segnet, wird nicht geleugnet werden können. Die Absicht ist, die Trinität zum Ausdruck kommen zu lassen. Ebensowenig wird zu leugnen sein, daß die Dreizahl in der heiligen Schrift überhaupt mit Absicht so hochgestellt wird, was sich u.a. ergibt aus dem Spruch von der dreifältigen Schnur (Pred 4,12); von den dreifachen Zeugen 1.Joh 5,7; 2.Kor 13,1; von den drei Tagereisen 2.Mose 5,3; vgl. Apg 27,19; und andere Anzeichen mehr; vgl. endlich Calv. Inst. I. 13. § 7-24.
Simon W.

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§ 20. Die ökonomische Trinität nach der heiligen Schrift (5. Teil)

Schließlich ist noch zu bemerken, daß die aramäischen Übersetzungen es alten Testaments viele Anzeichen tragen, daß die Theologie ihrer Zeit auch eine Trinität kannte. Dieselbe hat zunächst neben dem verborgenen Gott ein offenbar werdendes Wort Gottes aufgestellt. An vielen Stellen, wo Jahwe im Grundtext steht, von ihm jedoch allzu menschenförmiges ausgesagt wird, setzt der jüdische Übersetzer die umschreibende Formel: Memra Jahwes – Wort Jahwes. Die für die Geistigkeit Jahwes zart besorgten Übersetzer substituieren dem Namen des verborgenen Gottes das Wort Gottes, besonders da, wo Jahwe zu sehr an die Äußerlichkeit tritt: z.B. 5.Mose 5,5. Das Memra Jahwes entspricht dem Logos bei Johannes. Wenn nun dieses Memra Jahwes in den Talmuden, Midraschen und selbst in der Mischna nicht mehr vorkommt, so muß der Ausdruck vor-philonisch sein (sagt richtig Strack in einer Kritik von Webers synagogaler Theologie.) Neben dem Memra tritt die dem heiligen Geiste entsprechende Schechina Gottes bei Onkelos – einem Übersetzer des Gesetzes Moses – auf, die er besonders gern da setzt, wo von einer innerlichen Einwohnung Gottes im Volke durch seinen Geist die Rede ist. Während das Wort Gottes der objektive Faktor der Mitteilung Gottes an die Welt ist, stellt sich der heilige Geist als im Menschen wirkender und innerlich sich mitteilender Faktor dar. 2.Mose 33,14.15 heißt in der Übersetzung die mit dem Volke ziehende Gottheit Schechina. Das ist entnommen aus 2.Mose 25,8, wo Jahwe sagt: Ich will in ihnen wohnen. Und neben dem Memra als Namensumschreibung Jahwes finden wir in einem und demselben Verse die Schechina als eine besondere Umschreibung des Namens Jahwe in 4.Mose 23,21. Das Memra entspricht dem Logos, die Schechina dem heiligen Geiste. Diese Andeutungen brachte dann die Kabbala, die jüdische Geheimlehre, in ein trinitarisches System, dem nachzugehen für den christlichen Dogmatiker ebenso unergiebig ist, wie die Benutzung unserer modernen Philosophie zur Aufhellung der Trinitätslehre. Diese neuere Philosophie – um auch dies noch hier zu erwähnen – hat es bekanntlich weit gebracht in der Fähigkeit, ihre spekulativen Sätze mit den Vorstellungen der Dogmatik zu bekleiden, obgleich selbst ihre Vertreter bereits sehr wohl wußten, daß zwischen der neueren Spekulation und der althergebrachten Dogmatik eine himmelweite Verschiedenheit besteht, welche nie ausgeglichen werden kann. Man halte sich unter diesen Umständen einfach an die Schrift und suche nicht den lebendigen Gott zu zergliedern. Wir haben bisher im Allgemeinen die Dreieinigkeit in der heiligen
Schrift nachgewiesen. Die Trinitätslehre, wie sie in der Hausordnung, der Ökonomie Gottes hervortritt, beleuchteten wir. Unabweisbar tritt die Trinität in gewissen Hauptmomenten der heiligen Geschichte, in den Heilstaten Gottes, die zu seiner Ökonomie gehören, hervor. Es erübrigt nunmehr noch die Ewigkeit dieses trinitarischen Verhältnisses und damit die ontologische Trinität selber zu beweisen. Das kann nur dadurch geschehen, daß die Selbständigkeit und die Gottheit sowohl des Sohnes als auch des heiligen Geistes speziell nachgewiesen werden, womit sodann die Wesenstrinität zugleich erwiesen ist. Es sind der Sohn und der heilige Geist zwei Gott dem Vater selbständig gegenübertretende und gleich ewige Personen der Gottheit.
Simon W.

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