Tägliche Lesung aus der Dogmatik von Eduard Böhl

Nur für Gläubige, die die fünf Punkte des Arminianismus ablehnen

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Joschie
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.1

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.1

Indem der Sohn Gottes sein dreifaches Amt von dem Throne seiner Herrlichkeit aus fortsetzt, so bedient er sich dabei des heiligen Geistes und des Wortes Gottes. Der heilige Geist geht voraus; aber seine erste Wirkung ist die Predigt des Wortes (Apg 2,14; 4,31; 5,42). Auch Eph 4,10.11 wird mit der Himmelfahrt die Sendung der Verkündiger des Wortes zufolge der Sendung des heiligen Geistes in Verbindung gebracht. Durch seinen Geist und sein Wort sammelt Christus sich seine Gemeinde und schützt und er hält sie in eben derselben Weise. Erst also der Geist und das Wort – dann die Kirche und ihre Vorsteher; der Glaube (der Kirche) kommt aus der Predigt, die Predigt aus dem Worte Gottes (Röm 10,14-17; vgl. damit Apg 4,4.20; 13,12.48 ; 14,1 ; 17,11.12; 18,8). Betrachten wir zunächst die Notwendigkeit des Wortes Gottes. Zwei Abwege sind bei der Beurteilung dieser Notwendigkeit zu meiden. Auf der einen Seite steht die Lutherische Kirche, welche in der späteren dogmatischen Entwicklung (251) eine „vis conversiva et regeneratrix scripturae inhaerens“ (252) annahm Danach hätte sich also der heilige Geist derartig an die heilige Schrift gebunden, dass er außer ihr keine besondere Wirksamkeit mehr habe, womit dann die Gotteskraft des heiligen Geistes eigentlich an die Schrift abgetreten ist. Dies war etwas ganz anderes, als wenn Luther (Schmalk. Art. S. 333) sagte: Alles was ohne Wort für Geist ausgegeben werde, sei rein teuflisch. Hier war er ganz im Recht, und darin ist ihm auch die reformierte Kirche gefolgt (vgl. 2. Helvet. I und XVIII; Heid. Kat. 65.67. Conf. Belg. 24). Und mit Recht hatte schon Zwingli gelehrt und ihm nachfolgend die 1. Helvet. Confession (253) den Satz aufgestellt: dass alle (Heils-) Wirkung und Kraft Gott dem Herrn allein und keinem Geschöpf jemals zugeteilt werden solle – Gott teile sie aus nach seinem freien Willen, denen er will. Auf der andren Seite stehen die Schwärmer, besonders die Wiedertäufer, welche in der Reformationszeit die Unabhängigkeit der regenerierten Persönlichkeit vom toten Buchstaben des Wortes behaupteten und von Luther l. c. S. 331 als solche gekennzeichnet werden, qui ante verbum et sine verbo spiritum habent. Aber solche Trennung der Wirksamkeit des Wortes Gottes vom heiligen Geiste schließt die heilige Schrift aus. Von Anfang der Welt an hat Gott je und je sein Wort gegeben und zu seiner Erhaltung bestimmte Personen als Träger desselben durch eine widerstrebende Welt berufen: Adam, Seth, Enos, Noah, Sem und die drei Patriarchen Abraham,Isaak, Jakob. Als nunmehr die Nachkommen derselben in Ägypten abermals dieses Wort zu vergessen im Begriff waren (Hes 20,8), da sandte Gott
zu.251. Besonders seit dem Streit mit Rathmann (vgl. Dorner, Geschichte der prot. Teologie S. 551f.) obschon bereits die Concordienformel S. 671,Absatz 55, einen Ansatz dazu macht, den heiligen Geist an den Bibelbuchstaben zu fesseln.
zu.252. Vgl. Baiers Compendium Teologiae positievae, Francof 1739, p. 108ff.
zu.253. Abschnitt 15, latein. Ausgabe 16.
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.2

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.2

Als nunmehr die Nachkommen derselben in Ägypten abermals dieses Wort zu vergessen im Begriff waren (Hes 20,8), da sandte Gott den Mose und gab selbst auf Sinai das erste Vorbild der feierlichen schriftlichen Aufzeichnung des von ihm geredeten Wortes (2.Mose 32,16), und im Anschluss daran schrieb Mose das Gesetz und hinterlegte es am Ort der Bundeslade, 5.Mose 31,26,von wo z.B. der König Israels es hernehmen musste (5.Mose 17,18-20). Und von der Zeit an reißt der Faden des schrift- lichen Wortes nicht ab: Jos 24,26; 1.Sam 10,25; Ps 40,8; Jesaja 30,8; Hab 2,2; Jer 36,2.32; 45,1; 51.60;Offb1,19 etc. Wenn es also Zeiten im Volke Gottes gegeben hat, wo Gott die Menschen auch ohne das geschriebene Wort erleuchtet hat, so war es doch niemals eine derartig innerliche Offenbarung, daß ein Kern des objektiven Wortes und die Predigt des Wortes gefehlt hätte. Sodann aber ist seit der schriftlichen Abfassung der Offenbarung eine Unterwerfung unter das Wort schon durch den Gott schuldigen Gehorsam gefordert. Denn kein Befehl ist strenger an die Empfänger der Offenbarung ergangen, als dieser, dass sie dem schriftlich verfassten Worte Achtung und höchste Aufmerksamkeit entgegenbringen sollen. 5.Mose 6,6ff.; 11,20; 31,11.12.26.28; Jos 1,7; 23,6 etc.; vgl. 1.Thess 5,27: „Ich beschwöre euch bei dem Herrn, dass ihr diese Epistel lesen lasest alle heilige Brüder“; vgl. Joh 5,47; Kol 4,16. Die Methode also, welche Gott selbst durch seinen Befehl und Beispiele uns an die Hand gegeben, ist diese: durch das Wort, oder die heilige Schrift die Menschen zu belehren. Es gibt keine Zeit in der göttlichen Haushaltung, in welcher es kein Wort Gottes gegeben hätte, und keine Zeit, in der der heilige Geist noch nicht gewesen, (254 ) um mit diesem Wort zu zeugen. Und es ist eins der deutlichst vorgesteckten Ziele in der göttlichen Haushaltung, dass dieses Wort auch geschrieben werde. Die 10 Gebote sind geschrieben, 2.Mose 31,18; um diese magna charta in der Bundeslade gruppiert sich der heilige Dienst, und seitdem setzt sich die schriftlich verfaste Offenbarung fort. Mose schrieb – die Propheten schrieben. Wir wollen hier nur daran erinnern, welche Rolle das Wort „Es steht geschrieben“ im Neuen Testament hat; Mt 4,4; Joh 12,14; Hebr 10,7,vgl. Ps 40,8. So stark auch die Inspiration der heiligen Männer Gottes im Leben uns in der heiligen Geschichte entgegentritt, so ist doch der heilige Geist stets darauf bedacht, dass dieses vom Propheten Geredete auch geschrieben werde auf die Nachwelt. „Was immer zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben.“ Röm 15,4.
zu.254. Joh 7,39 redet von einer besonderen Art der Erzeigung des heiligen Geistes, der in Strömen hervorbrechen werde.
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.3

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.3

Der ganze Schriftbeweis für die Messianität Jesus erbaut sich auf „Geschriebenem“, und so überhaupt die ganze alttestamentliche Beweisfüh-rung. Gewiß ist in dem Leben der Psalmisten und Propheten Göttliches und Menschliches in lebendigster, unerforschlichster Wechselwirkung – jedoch im Moment des Niederschreibens rekapituliert der heilige Geist im Geiste des Schriftstellers alle jene Momente und gibt ihnen ihre letzte Abrundung. Es ist kein Wort aus ihrem Geist hervorgegangen – daß es schriftlich fixiert werde – um welches der heilige Geist nicht wüsste. Πᾶσα γραφή θεόπνευστος sagt Paulus – es heißt nicht πᾶς προφήτης θεόπνευστος. Die Theopneustie deckt sich nicht mit der Person des Propheten oder Apostels; es gab für sie Momente, wo sie nicht unter diesem Einfluß des Geistes standen – für die heilige Schrift jedoch kennt Paulus keinen solchen Moment. Das Werk ist hier mehr als der Künstler; im Werke hat der Werkmeister sich selbst übertroffen. Die heiligen Männer Gottes haben wirklich dafür gelebt, um ihre Prophetien nicht bloß hervorzubringen, sondern auch sie zu schreiben – und dies ihr Werk ist unvergessen und dauert ewiglich, wenn ihr Bild auch etwa in Vergessenheit geraten. Diese Propheten leuchten, wie die Sterne am Himmel – durch ihre Schriften. So hoch wir die erste Empfängnis der Offenbarungen im Herzen der Propheten stellen, so göttlich uns die mündliche prophetische Predigt erscheint, so selbstgewiss ein Petrus sich ausdrückt über seine persönlichen Erfahrungen – noch gewisser und zuverlässiger ist ihm selbst und daher auch uns das (geschriebene) prophetische Wort. „Wir haben als etwas Festeres das prophetische Wort, und ihr tut wohl, dass ihr darauf achtet“, heißt es 2.Petr 1,19; fester ist es, als alle himmlische Stimmen, zuverlässiger für uns, als alles, was seiner Entstehung im Leben der Propheten oder Apostel vorausging. Denn was dem Niederschreiben vorausging – das war ja vielfach erst noch im Werden begriffenes Wort Gottes. Es ist der Wellenschlag des Gemütslebens, der in den Psalmen nachzittert; im Leben der Jünger Jesus ringen Zuversicht und Zagen um die Herrschaft über die Seelen der Jünger. Röm 7,7 ff. redet der Apostel aus seiner eigensten schmerzlichen Erfahrung heraus; im Buche Hiob sind die Reden der Freunde von Gott getadelt, obwohl von Paulus (1.Kor 3,19) als heiliges Schriftwort behandelt. Kurz wir befinden uns, bevor die heilige Schrift niedergeschrieben wird und so der Prozeß zum Stillstand kommt, mitten im Werden, und ohne menschliches Gestalten und Ringen kommen wir hier weder in der Poesie noch Prophetie der Bibel zu Rande! Aber dies alles wird anders, sobald als der heilige Geist durch seine erwählten Werkzeuge gleichsam die letzte Hand an die mündliche Überlieferung legt und den Prozess des Werdens zum Stillstand bringt. Von da an handelt es sich um Produkte, die zwar im Leben geworden und von Gottes Geist inspiriert wurden (vgl. „nabi“ und 2.Petr 1,21), die als Quellen sich vorfanden oder mühsam gesammelt worden (Lk 1,1-4) – jetzt aber als Material für die schriftliche Aufzeichnung da liegen und auch fertig werden sollen zur Auferbauung und Zurichtung der Heiligen.
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.4

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.4


Und gleichwie Gott Bezaleel (2.Mose 31,2) berufen und ihn mit seinem Geiste erfüllte, auf dass er die Hütte und alles, was dazu gehörte, mache aus gegebenem Material also verhält es sich auch hier. Der heilige Geist gab den Betreffenden alles nötige Material, gab ihnen den Impuls zum Schreiben, und es ging sicherlich kein Wort aus ihrer Feder, um das der heilige Geist nicht gewusst hätte. Solcher Beistand des heiligen Geistes degradierte diese Autoren gewiss nicht (255) und ob sie es nun wussten oder nicht wussten, dass sie für die Nachwelt schrieben – genug, wenn nur der heilige Geist es wusste und ihre ἱερὰ γράμματα demzufolge θεόπνευστα waren und imstande, andre zur Seligkeit zu unterweisen (2. Tim. 3,15 f.). Das die betreffenden Schreiber es absichtlich darauf angelegt, heilige kanonische Schriften zu verfassen, ist nicht anzunehmen (Mose etwa ausgenommen); genug aber, dass der heilige Geist sie dazu benutzte und ans Werk setzte. Gottes Gedanken sind höher denn der Menschen Gedanken (Jes 55,9). Der Zweck des heiligen Geistes ging aber dahin: eine Schrift herzustellen, die nicht gebrochen werden konnte (Joh 10,35) – Schriften, welche nach 2.Tim 3,15ff. zur Seligkeit unterwiesen und in jeder Beziehung darreichten, was zur Leitung und Erziehung eines Menschen Gottes gehört. Das Verhältnis nun, welches zwischen dem heiligen Geist und dem Geist der Schriftsteller obwaltete, können wir nicht nachkonstruieren. Gleichwie der heilige Geist aber mit unserem Geiste zeugt (Röm 8,16), wie er ferner den Jüngern Jesus bei ihrer Verantwortung vor den Richtern nach Form und Inhalt stets das Angemessene zu reden gibt (Mt 10,19.20) – ebenso wirkt er hier beim Schreiben mit und lenkt ihnen selbst das Auge bei ihrem Quellenstudium, ja gibt ihnen ganz ausdrücklich die zu schreibenden Worte in den Sinn, so dass wirklich eine inspiratio verbalis mit unseren alten Theologen (256) zu behaupten ist. Jedoch konstruieren können wir das Verhältnis des heiligen Geistes zum Geist der Schriftsteller so wenig, wie wir sein Verhältnis zu den geschaffenen Dingen überhaupt auf eine Formel bringen können. – Als das Besondere des Schriftwortes, des Wortes Christi oder der Apostel und Propheten, ist dies zu behaupten, daß es wie ein vom heiligen Geist, als dem großen Künstler, gewirktes Werk mitten hineingestellt ist in diese Welt des Irrtums und der Lüge. Und wo es nun mit gleichartigen, vom heiligen Geist in der Wiedergeburt erleuchteten Persönlichkeiten zusammentrifft, da kann dieses Schriftwort seines Eindrucks auf solche nicht verfehlen.
zu.255. Rothes Sorge deswegen ist ungerechtfertigt; vgl. „Zur Dogmatik“ S.133ff.
zu.256. Vgl. Schmidt, Dogmatik der luth. Kirche, S. 26 und Heppe, Die Dogmatik der ref. Kirche, S. 18 Anmerkgung.
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.5

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.5

Dahin weisen Jesus Worte: Wer aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme, oder: Wer aus Gott ist, hört Gottes Worte (Joh 18,37; 8,47; vgl. das mehrfache „aus der Wahrheit sein“ in den Johannes-Briefen). Und nur unter den so gegebenen Umständen, nur da, wo Gleiches sich zum Gleichen gesellt, wirkt das Schriftwort, was es wirken soll ; den anderen bleibt es Buchstabe, ja ein Buchstabe, welcher tötet (257) . Und nur diesen durch den heiligen Geist lebendig Gemachten gelten jene Zusicherungen Jesus, dass das Wort sie reinige, erleuchte und durch die ihnen vermittelte Wahrheit frei mache (Joh 15,3; 8,32). Für sie ist das Wort der Same, der auf den Acker gebracht wird und dort anschlägt (Mt 18,13). Dieses Wort bringt für sie eine Krisis, der sie sich nicht entziehen (Joh 3,21); diese sind es, die das Zeugnis des Sohnes aufnehmen und bestätigen, dass Gott wahrhaftig ist (Joh 3,33). Für sie allein gilt, dass das Bleiben im Worte das Bleiben in Jesus vermittelt (Joh 6,44.45; 14,23; 15,7.10). Und so beurteilt Paulus seine Predigt als eine zwiespältige nach ihren Wirkungen. Etlichen sei sie ein Geruch des Lebens zum Leben etlichen ein Geruch des Todes zum Tode (2.Kor 2,16). Es könnte sich nun fragen: ob jene Schriftstellen, welche die Inspiration den heiligen Schriften beilegen, also besonders 2.Tim 3,16, in gleicher Weise von dem Neuen wie von dem Alten Testament gelten. Dass sie vom letzteren gelten, steht nicht zu bezweifeln. Timotheus z.B. kannte von Jugend auf keine anderen heiligen Schriften. Wenn aber Paulus ebendaselbst fortfährt: Jede Schrift, von Gott eingegeben, (258 ) ist auch nützlich etc., so stellt er damit ein Prinzip auf, das auch dem Neuen Testament zugute kommt. Bei den Worten: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung auf dem Weg der Gerechtigkeit“ kann es dem Apostel nicht in den Sinn kommen, die unter dem Anhauch des heiligen Geistes, nach Jesus Verheißung, wirkenden Apostel und Jünger Jesus von dieser prinzipiell wichtigen Aussage aus-zunehmen. Die Jünger Jesu hatten ja die Verheißung des Vaters in Jerusalem zu erwarten (Apg 1,4). Sie stehen in erster Linie, wenn es sich handelt um die deutliche Wiedergabe der Offenbarung Jesu Christi; sie sind die zuvor-erwählten Zeugen Jesu (Lk 24,48; Apg 1,8.22; 2,32; 5,32; 10,39.41; 13,31) und verkündigen, was sie gesehen, und gehört und mit ihren Händen betastet (1.Joh 1,1.3). In keinem Falle können also sie im Nachteil sein, wo es sich um die Inspiration handelt und hinter Mose und den Propheten zurückstehen.
zu.257. 2. Kor. 2,15.16 ist dasselbe Gotteswort (bei Mose) bald ein tötendes, bald ein lebendig machendes, je nachdem die Leser σωζόμενοι (zu Rettende) oder ἀπολλύμενοι (Verlorengehende) sind.
zu.258. So fassen es richtig mit den älteren Auslegern jetzt Tholuck und Huther u.a.IV.
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.6

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.6

Ja, die Verheißung Christi, dass er den heiligen Geist seinen Jüngern senden wolle, scheint zunächst jedes Maß und Ziel für die neutestamentliche Schriftstellerei abzuweisen. Es werden alle von Gott gelehrt sein (Joh 6,45), sagt der Herr. (Hebr 8,11.) Die Schriften eines Lukas, der übrigen Evangelisten und die Briefe des Paulus machen zwar durchaus einen schlichten Eindruck; ohne Selbstüberhebung schreiben sie, wie zunächst auch jetzt ein guter Hirte schreiben würde. Dennoch aber bricht die Selbstgewissheit (Plerophorie) wiederholt bei ihnen durch und weist uns auf ein höheres Mandat hin, welches sie eben ausschließlich hatten – auch für die schriftliche Fortpflanzung des Wortes Gottes. Johannes sagt gegen das Ende seines Evangeliums: Dieses ist geschrieben, das ihr glaubt, daß Jesus sei der Gesalbte, der Sohn Gottes, und dass, die da glauben, Leben hätten in seinem Namen. Joh 20,21 Das gleiche Hochgefühl strahlt aus Paulus Worten, z.B. Apg 20,20.21 (vgl. Kap 4,20; 1.Joh 1,1ff.) Gal 1,8; 6,16; Eph 3,3.4; Kol 4,16; 2.Thess 2,15; 1.Tim 1,13; 2,2; 2.Tim 3,14; 1.Kor 2,12.13. Auch Lukas (1,1-4) ist sich bewusst, dass er dem Theophilus durch seine Zusammenstellung der evangelischen Begebenheiten festen Boden für seine Überzeugungen verschaffe. Und Petrus im 2. Briefe 3,16 steht nicht an, den Schriften des Paulus dieselbe Glaubwürdigkeit beizumessen, wie den Schriften Moses und der Propheten. Der Hebräerbrief (2,1) empfiehlt den Lesern Aufmerksamkeit auf das Gehörte, damit sie nicht abseits vorbeigleiten möchten; und Kap 2,3 warnt er vor Gleichgültigkeit gegen das jetzt verkündigte Heil, welches, durch den Herrn anfänglich verkündigt, von den Ohrenzeugen mit Kraft uns überliefert worden. In solchem Tone der Selbstgewissheit haben nach diesen niemals wieder Lehrer der Kirche gesprochen. Wir hören aus ihrem Munde jene zu uns sprechen, von denen der Herr gesagt: Wer euch hört, der hört mich (Lk10,16). Fürwahr, sie allein hatten die höhere Berufung, also zu predigen und zu schreiben. Nachdem aber einmal jene von Gott bestimmte Zahl von Schriftdenkmälern vorhanden war – deren Zahl wir eben nur aus dem endlichen Abschluss des Kanons kennen-lernen, hat der heilige Geist gleichfalls für die Aufbewahrung gesorgt. Er hat durch das Mittel der der Sache selbst noch näherstehenden ersten Gemeinden Jesu Christi das Fremde abgestoßen und das durch ihn Gewirkte vor aller Nachstellung des zänkischen Volkes bewahrt. In dieser Weise hatte der Geist Gottes schon in der Zeit vor Christus die Kanonbildung überwacht und das Gold von den Schlacken geschieden. Die berufenen Hände, in denen dieses Geschäft der Kanonbildung lag, lassen sich für das A.T. noch deutlich nachweisen (Esra und Nehemia; s. 2.Makk 2,13; 4. Esra Kap 14, vgl. Josephus c. Apionem I,8. (259)
zu.259 Bleek in der Einleitung S. 664f, und Grimm zu 2.Makk 2,13 finden diese Beteiligung beider an der Bildung des Kanons sehr glaublich. Neuerdings hat Dr. Schiffer, Das Buch Kohelet, aus den talmudischen Quellen gegen Grätz die Aufnahme auch der Hagiographen in den Kanon lange vor der Makkabäerzeit – seitens der Männer der Großen Synagoge – erwiesen. S. 77
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.7

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.7

Mit diesem Kanon hat Gott die Pflanzung der Kirche seines Sohnes bewirkt; Jesus Christus hat diesen alttestamentlichen Kanon anerkannt, und ohne solche feste Basis lässt sich die Existenz des neuen Gebäudes, welches darauf erbaut ist, der neutestamentliche Kanon, gar nicht begreifen, vgl. Eph 2,20. Wenn wir nun auch der Gemeinde Jesus Christi keine Gesetze einer wissenschaftlichen, historischen Kritik zumuten – so wissen wir gleichwohl aus Apg 17,11, dass diese Gemeinde die Predigt des Paulus an der authentischen Büchersammlung Moses und der Propheten prüfte. Sie hatten etwas Festes, woran sie das Neue legten und sonach anerkannten. Der heilige Geist führte sie zu einer feststehenden Büchersammlung, und aus dem Vergleiche des Neuen mit dem Alten erhielt auch das Neue seine Bewährung, und über diesem fortgesetzten Prüfen wuchs ungesucht eine Sammlung heiliger Bücher heran, welche zuletzt als neutestamentlicher Kanon dem alten an die Seite gestellt zu werden sich geeignet erwies. Viel Zeit war dabei nicht zu verlieren. Die berufenen Hände, in welche allein jene Prüfung niedergelegt werden konnte, fielen gar bald hinweg. Die Apostel und ihre Gehilfen starben. An ihre Stelle trat alsbald nach dem Absterben der Apostel die Macht der Gewohnheit. Die Arbeit der folgenden christlichen Generationen beschränkte sich darauf zu konservieren, was die fromme Vorzeit ihnen hinterlassen. Je treuer sie das taten, um so besser. Es tritt uns die merkwürdige Erscheinung bei dieser Sammlung des Kanons entgegen, dass wo alle Bedingungen vorhanden waren, um einen neutestamentlichen Kanon zu legalisieren, kein solcher geschaffen wurde. Man begnügte sich mit dem alttestamentlichen Kanon und noch etwa 2.Jahrhunderte lang behielt derselbe einen gewissen Vorrang vor dem neutestamentlichen Kanon. Als sodann im zweiten Jahrhundert die Gegner (Marcion und die Gnostiker) zur Entschiedenheit in Sachen des Kanon drängen, da sind jene „berufenen“ Hände längst in Staub zerfallen, aber was sie einst so fest umklammert hielten.es findet sich zufolge Gottes providenzieller Leitung ohne viel Suchen und unversehrt in der Kirche vor. Man hatte nur, was auf Grund der Überlieferung der Alten seit lange für authentisch und apostolisch galt, sowie auch was im gottesdienstlichen Gebrauch stand, aufzunehmen. Es lag einem gleichsam vor den Füßen, es war unmöglich geworden, nicht das Richtige zu treffen.Die Auswahl wurde überdies der Kirche (d.h. zunächst dem kleinasiatischen und römischen Teile derselben) dadurch erleichtert, dass alles Nicht-authentisch-kirchliche durch häretische Theologumena entstellt und sich durch seine profane Verständlichkeit verriet (worauf A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, S. 279 mit Recht aufmerksam macht). Jede folgende Generation hat nun freilich die Überzeugung von der Kanonizität der heiligen Schriften zu reproduzieren. Der Weg dazu liegt offen da. Die Urkirche hatte im nüchternen Glauben jene Früchte eingeheimst, die ihr in Gestalt von heiligen Büchern von Gottes wegen zufielen. Sie machte kein Geheimnis aus ihrer Prüfungsmethode; (260) große Kunst ist dabei nicht zur Anwendung gebracht, kein Apostelkonzil hat den neutestamentlichen Kanon aufgestellt.
zu.260 Tertullian, De praescriptione adversus haereticos, Kap 14 ist Zeuge dafür, daß die apostolischen Autographe der Briefe noch zu seiner Zeit in den betreffenden Gemeinden bewahrt wurden. Selbst das zeitweilige Schwanken betreffs der Grenzen des Kanons ist aber besser, als eine eisige Übereinstimmung von Anfang an. De praescriptione haereticorum Kap 36: Percurre eccl. apostol. apud quas ipsae anthenticae literae eorum recitantur, sonantes vocem et repraesentantes faciem unius cuiusque. Vgl. dazu adv. Marcion. IV, 5.
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.8

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.8

Und so wird denn freilich dieser Kanon niemals das Zeichen verleugnen dürfen, unter dem er geboren wurde es ist dies der Glaube. Der Kanon der heiligen Schrift hat seine Autorität gerade nur für den Glauben, wie er denn anfänglich aus dem prüfenden Glauben der Urgemeinde geboren worden ist. Etwas Festeres sich wünschen zu wollen, wodurch der ausschließende Wert der kanonischen Bücher vor allen übrigen begründet würde, ist ein gänzlich unberechtigter Wunsch. Die römisch-katholische Kirche hat zwar die Anmaßung, dass der Nachwelt durch ihre guten Dienste der Kanon überliefert worden sei. Wir verzichten jedoch auf solche Dienste, denn erstlich hatte dazu die Kirche im römisch-katholischen Sinn keineswegs, sondern nur der heilige Geist ein Mandat – er wird euch in die ganze Wahrheit leiten (Joh 16,13). Zu diesen „euch“ gehört jede christliche Generation, das „heilige christliche Volk“ aller Zeiten. Und zweitens müssten wir alsdann die ganze mündliche Tradition jener Kirche mit in Kauf nehmen und den Lügen zu glauben uns zwingen. Es bleibt also dabei: wer Christ sein will, hat ein Recht sich über den Kanon der heiligen Schriften, seinen Umfang und seine Berechtigung selbst ein Urteil zu bilden. Der heilige Geist wird euch in die ganze Wahrheit leiten (Joh 16,13). Die heiligen kanonischen Schriften haben nun aber eine vollkommene Suffizienz, um für die Lehre aller Zeiten Norm und Korrektiv zu sein. (261) Vieles konnten die Jünger zur Zeit, da Jesus unter ihnen wandelte, nicht tragen (Joh 16,12) – der heilige Geist sollte sie daher an alles erinnern, was Jesus ihnen gesagt (Joh 14,26). Würde nun dieser heilige Geist Jesu Verheißung Lügen gestraft haben? Sollte er sie wirklich nicht an alles erinnert haben? Einer bloßen Erinnerung bedurfte es; es bedurfte nicht einmal neuer Erfindungen und Traditionen. Denn die heilige Schrift hat sich das Zeugnis ihrer vollständigen Suffizienz, und zwar zu verschiedenen Zeiten, selber ausgestellt; Ps 19,8: Das Gesetz des Herrn ist vollkommen, d.h. die ganze im Pentateuch vorliegende Offenbarung ist vollständig. Ebenso urteilt an vielen Stellen Ps 119; Ps 12,7. In 5.Mose 4,2; 12,32 wird verboten, etwas hinzu oder davon zu tun (vgl. Offb 22,18). Paulus verheißt denen, die seiner Lehre folgen, Heil und Erbarmen (Gal 6,16). Die Kirche ist erbaut auf dem Fundament der Apostel und Propheten (262) (Eph 2,20). Endlich 2.Tim 3,15-17. Wir finden an letzterer Stelle ein ganzes Arsenal, woraus die Suffizienz der von Gottes Geist inspirierten Schriften zu erweisen ist. Sie können erstlich den Menschen klug machen oder unterweisen zur Seligkeit, worüber hinaus es nichts gibt; und zwar geschieht dies durch den Glauben an Christus Jesus. Zweitens haben die heiligen Schriften den ausgedehntesten theoretischen und praktischen Nutzen (διδασκαλία, ἔλεγχος, ἐπανόρθωσις, παιδείαἡ ἐν δικαιοσύνῃ wird ihnen beigemessen). Drittens aber stellen sie den Menschen Gottes völlig in Stand, dass er zugerüstet sei zu jeglichem guten Werk. Wir müssen auf Grund aller hier angeführten Stellen sagen: daß die Suffizienz der heiligen Schrift sogar nicht erst sich auf die Zeit des Abschlusses des gesamten Kanons des Alten und Neuen Testaments bezieht, denn solchen gab es zur Zeit, als Paulus an Timotheus schrieb noch nicht. Vielmehr gibt es eine intensive Suffizienz, d.h. eine solche,die sich auf das Substanzielle der Offenbarung bezieht und diese ist von der heiligen Schrift für alle Perioden, die das Gottesvolk durchlebt, zu prädizieren. Von dieser intensiven Suffizienz ist dann die extensive zu unterscheiden, welche erst im Gesamtumfang der kanonischen Schriften Alten und Neuen Testamentes zutage tritt.Würde nämlich in einer dieser Perioden die Suffizienz der heiligen Schrift geleugnet, so würde man Gottes Weisheit, Güte und Allmacht in Frage stellen. Seine Weisheit, weil er es nicht verstanden, seine Kinder zu allen Zeiten zur Seligkeit zu unterrichten; seine Güte, weil er ihnen zeitweilig einen Stein statt des Brotes gegeben; endlich seine Allmacht, weil er die Mittel nicht gehabt, um allen alles zu werden.
zu.261. Vgl. Hieronymus, Comm. in Mt 1.4, Kap 23,35.36: Hoc quia de Scripturis non habet autoritatem, eadem facilitate contemnitur, qua probatur.
zu.262. Die heilige Schrift wird von Augustin als einzige absolute Norm, durch die die Kirche erst ihre Autorität hat, bezeichnet in der Schrift contra Cresconium Grammaticum lib.I, Kap 33: Quoniam sancta Scriptura fallere non potest etc. Vgl. Ep. LXXXII, §. 3 und De natura et gratia Kap LXI
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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.9

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§ 69. Die Lehre vom Worte Gottes Teil.9

Unzertrennlich mit der Suffizienz verbunden ist endlich auch die Deutlichkeit (perspicuitas) der heiligen Schrift. Das Prädikat der Deutlichkeit legt die heilige Schrift wiederholt sich selber bei; vgl. Ps 119,105; 2.Petr1,19; Eph 6,17; Hebr 4,12; vgl. Apg 17,11. Dieses Prädikat setzt vor allem voraus, dass die heilige Schrift nicht erst der Beihilfe der Kirche bedarf, um verstanden zu werden. Calvin bewies bereits dem Pighius,(263) dass auch die alten Kirchenväter die Schrift obenan gestellt und nur den Häretikern gegenüber sich zuweilen auf die apostolische Tradition berufen hätten was übrigens bei Irenäus und Tertullian zulässiger gewesen, weil sie den Quellen noch näher gestanden. Aber frühzeitig schon begann man sich in dem Wahne zu wiegen, es sei einer irgendwo vorhandenen „Kirche“ einem sichtbaren Institut von Gott überlassen, als Wächter der Wahrheit auf-zutreten. Schon Augustin hatte zweifelsohne den Glauben an solche Autorität der Kirche, oder an die Infallibilität derselben (264) und die römisch-katholische Kirche lehrte dann zuletzt die Infallibilität des Papstes. Erst die Reformation besann sich auf das Rechte und kehrte auf die seit der Apostel Zeit verlassenen Pfade zurück. Es ist und bleibt aber freilich eine axiomatische Forderung: dass die christliche Gemeinde, zu der in Wahrheit aber nur die vom heiligen Geist geleiteten Menschen gehören (vgl. 1.Kor 2,14), der rechte Ausleger und Richter in Glaubenssachen sei und nicht irren könne. Greifbar erfüllen wird sich solches nie, und das Ideal wird nie Wirklichkeit. Mit den Augen sehen, mit den Händen tasten werden wir den ganzen Umfang der Wahrheit in der Kirche (d.h. also abgeleiteter Weise) nie – es gibt kein menschliches Gefäß, in das wir den Schriftinhalt überleiten könnten; keine sedes secundaria veritatis neben der primaria in der heiligen Schrift. Wenn wir also auf adäquate Erkenntnis des gesamten Schriftinhalts hiernieden innerhalb einer sichtbaren Gemeinschaft verzichten müssen, so ist die Möglichkeit der Erkenntnis alles desjenigen, das zur Seligkeit vonnöten ist für die geistlichen Menschen, doch durch verschiedene Garantien sicher gestellt. Und zwar erstens durch die erleuchtende Wirksamkeit des heiligen Geistes, nur daß sich diese nicht auf einen Brennpunkt (z.B. eine Kirche) dauernd so vereinigt, daß sie von da aus nun auch in die Herzen der Gläubigen sich reflektieren würde. Eine zweite Ga-rantie, welche uns die Erkenntnis alles dessen, was für die Seligkeit nötig ist, sichert, besteht darin: daß die Schrift sich selbst auslegt (vgl. 1. Helv. Art. 2) und durchaus die allgemeinen Auslegungsprinzipien aller Geistesprodukte nicht nur erträgt,sondern auch fordert (vgl. 2. Helv. Art. 2). Dieser Satz ist immer freilich unter der Einschränkung zu verstehen, dass Gleiches von Gleichem erkannt wird, und also der Ausleger mit geistlichem Auge alles beurteilt. Der geistliche (Mensch) richtet alles, er selbst aber wird von niemand gerichtet (ergründet) 1.Kor 2,15. Und mit einer Kühnheit ohnegleichen stellt der Apostel zum Schluss die Frage: Wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer hat ihn unterwiesen? Wir aber haben Christi Sinn! In der Unerforschlichkeit des Sinnes ähnelt der „Geistliche“ Christus – er selbst richtet alles ihn richten, tut niemand. Es spiegelt sich im Geiste des Auslegers der herrliche Inhalt der heiligen Schrift, und sie tut dies immer und immer wieder, von einer Generation zur anderen, abereine definitive, absolut vollkommene Zusammenfassung aller dieser Strahlen zu einem bleibenden Strahlenbündel in menschlich anschaulicher Form oder nach Weise eines bleibenden Organs (etwa auch in kirchlichen Bekenntnissen) gibt es nicht. Fahren wir nunmehr fort, in der heiligen Schrift zu forschen und wenden wir uns zunächst zur Berufung, dem ersten Werke, das der heilige Geist durch das Wort in uns treibt.
zu.263. Opp. omnia, Baod VI, S. 269.275; hier sagt Calvin dem Pighius: Irenaeus urget: quod fidei unitatem, in scripturis fundatam, colerent ecclesiae omnes, ab apostolis edoctae et constitutae. Sed illud semper nihilominus retinet: scripturam perfectae et absolutae sapientiae scholam esse. Tertullian verfährt ebenso. Auch die Synode von Nicäa wurde aufgefordert: ex scriptis divinitus inspiratis quaestionom quaeramus solutionem. Und demgemäß handelten die Väter; Augustin besonders. Kein Satz steht in der Dogmengeschichte so fest, als dieser.
zu.264. Vgl. Reuter, Augustinische Studien, in Briegers Zeitschrift für Kirchengeschichte VIII, S, 183.§ 70. Die Berufung (Glaube, Reue)
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

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Joschie
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§ 70. Die Berufung (Glaube, Reue)

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§ 70. Die Berufung (Glaube, Reue)

Was zunächst die Heilsordnung betrifft, welche der heilige Geist bei seiner Tätigkeit einhält, so zerfällt dieselbe in vier Teile (nach Röm 8,29.30):
1. In den göttlichen Vorsatz, wonach Gott die von ihm Zuvorerkannten zur Herrlichkeit seines Sohnes bestimmt;
2. in Berufung;
3. in Rechtfertigung;
4. in Verherrlichung.

Diese vierteilige Heilsordnung ist wiederholt mit einer goldenen Kette verglichen (z.B. von Olevian (265), an der ein Ring mit Notwendigkeit an dem anderen hängt: so dass, wer den einen besitzt, mit Notwendigkeit auch die übrigen besitzt. Wir dürfen in der Tat mit unsren alten Lehrern von einem nexus inseparabilis inter electionem et gloriam reden. Ausgegangen wird vom Trost im Kreuz (V.28). „Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen“. Dafür gibt es einen doppelten Grund.

1. Weil Gottes Vorsatz schon vorlängst diesen Gott Liebenden die Soh-nesherrlichkeit bestimmt hat, und Christus nur gleichsam darauf wartet,
dass sie vollendet werden, V.29.

2. Weil die Realisierung dieses Vorsatzes immerdar in vollem Zuge und eigentlich von vornherein schon eine abgemachte Sache ist, V.30. Es gibt also einen doppelten Grund für des Christen Zuversicht im Kreuz.

1. Sind die zuvor von Gott Versehenen auch von Gott verordnet, dass sie gleich sein sollen dem Ebenbilde seines Sohnes.

2. Sie sind (wirksam) berufen, gerechtfertigt und verherrlicht. Zu jenem transzendenten Akt des göttlichen Ratschlusses, dem Akt der göttlichen Erwählung, werden wir aber erst aufsteigen, wenn wir den Heilsweg auf Erden durchmessen haben. Dieser Teil der goldenen Kette geht uns zunächst an – von ihm aus empfängt erst der verborgene Vorsatz Licht (s. § 74). Wir müssen warten, bis diese Lehre als ein notwendiges Postulat an- derer Lehren, vor allem der Rechtfertigungslehre, sich uns aufdrängt; nur dann wird sie begreiflicher, und werden ihre für den Verstand vorhandenen Härten erträglicher werden, wenn wir erfahren, dass ohne sie die teuersten Schriftwahrheiten, vor allem die Rechtfertigung allein aus dem Glauben, hinfällig würden. Auch der Apostel Paulus behandelt diese Lehre nicht an- ders als in tröstlicher Weise. Er kommt, wie schon bemerkt, in Röm.8,29 auf diese Lehre als auf den letzten Ankergrund der Hoffnung, den das allen Wogen preisgegebene Fahrzeug unseres inneren Menschen besitzt, zu re-den. Und so verfährt auch Calvin III,21.

Als das erste Stück der Heilsordnung, sofern sich dieselbe auf Erden vollzieht, steht die Berufung nach Röm 8,30 da.
zu.265. Olevianus und Ursinus, von Sudhoff, S. 588ff
Zuletzt geändert von Joschie am 25.11.2015 21:41, insgesamt 1-mal geändert.
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§ 70. Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.1

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§ 70. Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.1

Der Berufende ist Gott – der Gerufene der Mensch – das Mittel, durch das der Mensch berufen wird, ist der heilige Geist und das Wort Gottes (2.Thess 2,13.14). Der Zweck der Berufung endlich ist nach 2.Thess 2,14 die Erwerbung der Herrlichkeit, deren Urheber Jesus Christus ist. Über den Zeitpunkt, wann Gott in solcher kräftigen Weise beruft, ist gar nichts bestimmt; Zeit und Stunde, wann Gott dieses erste Stück der Heilsordnung in Wirksamkeit treten lässt, hat Gott sich vorbehalten; das ist sein Souveränitätsrecht. Bald ruft er den einen als Kind, Ps 22,11; ja schon als Embryo, Jer 1,5; den anderen als Jüngling; oder er ruft auch erst den völlig Erwachsenen, ja endlich auch den in articulo mortis Befindlichen, wofür der Schächer am Kreuze ein leuchtendes Beispiel ist, der in der letzten Stunde berufen ward. In jener wichtigen Parabel von den Arbeitern am Markte Mt.20,1ff. wurden etliche in der elften Stunde berufen, stehen aber darum in keinem Stück hinter den andern zurück.Auch die Art und Weise, wie Gott den Menschen beruft, ist eine überaus mannigfaltige: bald geschieht es in gewaltiger Weise, unter heftigen Gemütsbewegungen, wie bei Paulus – bald in sehr drastischer Weise, wie bei Samuel, 1.Sam 3,1-8. bald so, dass die Versetzung aus dem Tode in das Leben in wenig wahrnehmbarer Weise vor sich geht, wie bei Daniel: Dan 1,17. Der eine trägt den Ruf Gottes als einen unvergänglichen Samen von Anfang seines Lebens an in sich, Ps 22,10.11; Jer 1,5; der andere geht lange in den schwersten Sünden, ja in Gottvergessenheit dahin, z.B. 1.Kor 6,11. Ein anderer endlich hat Eifer, aber mit Unverstand – wie Paulus, Phil 3,6. Alles hängt hier nämlich von dem Zwecke ab, den Gott mit diesem oder jenem erreichen will. Auch die verschiedenen Zeiten und Stunden im Reiche Gottes bringen eine verschiedenartige Berufung mit sich.
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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.2

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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.2

Propheten und Reformatoren wurden anders berufen als einfache Christen. Von allen miteinander gilt nun aber zur Zeit, als der Ruf Gottes an sie gelangte, das Wort: „der natürliche Mensch versteht nichts von den Dingen Gottes“ 1.Kor 2,14; sie waren tot in Sünden, Kinder des Zorns von Natur, nach Eph 2,1.3; Kol 2,13; sie müssen wiedergeboren werden, um in das Reich Gottes einzugehen, Joh 3,5.6. Gleichwohl ist dieser ganze vorige Zustand der Berufenen nicht mit der Lutherischen Konkordienformel (S. 662) dem Verhalten eines Steines oder Klotzes zu vergleichen. Vielmehr wissen wir aus der Anthropologie (S. 44), das in allen Menschen eine Erkenntnis davon, dass Gott ist und dass er als Vergelter und Richter zu fürchten sei, vorliegt. Zwei Momente aber, Unklarheit und Furcht, charakterisieren die Stellung des Unwiedergebornen zu Gott. Um sichere Tritte zu machen, dazu fehlt ihm erstlich die volle Kenntnis des göttlichen Willens; und wenn das Gewissen in einzelnen Fällen gebietend oder tadelnd auftritt, so fehlt doch die Konsequenz und Beharrung im Tun des Willens Gottes, von der Röm.2,7 redet. Denn das Gewissen ist ein irrendes, eine Taste, die sehr oft den Dienst versagt. Zweitens tritt die Furcht hemmend dazwischen. Wenn der natürliche Mensch auch sporadisch, was das Gesetz fordert, verrichtet, so geschieht es doch nicht im rechten Sinn, aus wahrer Liebe zu Gott, aus der rechten geistlichen Erkenntnis seines Gesetzes, sondern aus Furcht (vgl. pneu/ma doulei,aj Röm 8,15) oder aus Lohnsucht; kurz es stammt nicht aus Glauben und ist folglich nach Röm 14.23 Sünde. Jene natürliche Gotteserkenntnis verhilft dem Menschen also nicht zur beseligenden Gemeinschaft mit Gott, sondern stellt ihn nur so hin, daß er ohne Entschuldigung sei, und dass er nicht als unvernünftige Kreatur seinem Verderben entgegenrenne, sondern als mit Vernunft begabter, für sein Tun verantwortlicher Mensch. Röm 1,18-20ff.; 2,1-16.
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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.3

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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.3

An diesen status quo des Menschen knüpft nun der heilige Geist mit seiner berufenden Wirksamkeit an. Die Schrift sagt Hebr. 11,6: „Wer zu Gott hinzunahen will, der muss glauben, dass Gott ist und dass er den ihn Suchenden ein Vergelter sein werde“. Von dem Sein Gottes und seinem Charakter als des Vergeltenden hat zwar, wie bemerkt wurde, in seiner Weise auch der Unwiedergeborne eine Vorstellung – aber er hält beides sozusagen in einer toten Hand. Was hier in Hebr 11,6 Glaube heißt, ist dort ein angebornes Wissen, „notitia Dei innata“; was hier Glaube an Gott den Vergelter heißt, hat dort den Charakter der Furcht vor Gott und eine schreckliche Form; es wird vermittelt durch die Erfahrung des bösen Gewissens und stachelt den Menschen, durch gute Werke vor Gott ein Verdienst sich zu verschaffen, oder Gott gänzlich zu fliehen. Es ist beim Nichtwiedergeborenen alle Erkenntnis aphoristisch und ganz individuell gefärbt, ohne die wahrhaftige Erkenntnis, dass wir nicht das kleinste Gebot Gottes nach dem geistlichen Verständnis zu halten fähig sind. Da kommt nun der heilige Geist und wirkt durch irgend ein Wort der Schrift und durch vorbereitende Führungen und Lebensschicksale zuerst den wahren Glauben in Gott: nämlich die zuversichtliche Gewissheit, die heilsame Überzeugung davon: dass Gott lebt. Zweitens wirkt der Geist die heilsame Überzeugung davon, dass Gott ein Vergelter ist, und sich also die Mühe lohnt, Gott zu suchen als die einzige Quelle alles Guten und des Heiles; – ein Beispiel, wie Gott lohnt, ist nach dem Kontext Henoch, Hebr 11,5; vgl. Ps 73,1. Der heilige Geist macht da also zunächst die tote Hand, mit der der Mensch zuvor die Kenntnis Gottes umschlossen hielt, durch schöpferische Einwirkung lebendig. Der Mensch umfaßss mit allen Kräften seiner Seele die Tatsache, dass Gott ist, und dass er eben laut seiner Verheißungen ein Vergelter für die ihn im Glauben Suchenden ist. Dies ist nun etwas ganz anderes, als jenes tote Wissen um das Dasein Gottes. Dies ist kein opinari, sondern ein cum fiducia apprehendere, eine Überzeugung von Gottes leben- digem Sein, eine Überzeugung, die uns in die Gemeinschaft mit Gott zu versetzen dient. Es ist der Glaube nach Hebr 11,6. Was ist nun Glaube ? Der Ausdruck Glaube kommt in verschiedenem Sinn vor in der heiligen Schrift. „Glaube“ steht zuweilen für die evangelische Lehre selber, Gal 1,23; 1.Tim 1,19; dies ist die sogenannte fides, quae creditur. Zuweilen steht „Glauben“ auch für das bloße öffentliche Bekennen der Glaubenswahrheiten. Röm 1,8; 1.Thess 1,8; Apg 14,22 ; Jak 2,14.17.20.26. Dann steht es auch von einer bestimmten Art der Zuver-sicht, z.B. von der Zuversicht, vermöge welcher der Mensch Wunder ver-richten kann, 1.Kor 13,2 vgl. mit Mt 7,22.23. Zuweilen bezeichnet „Glauben“ auch nur die theoretische oder dogmatische Bestimmung, Apg 26,27; Joh 12,42; Jak 2,19. Endlich wird das Wort „Glaube“ da angewen- det, wo derselbe eine Wirkung des heiligen Geistes und die Gabe der wirk- samen Berufung ist. Dieser Glaube, oder fides, qua creditur, wird bald als von Christus, bald als von der Gnade, bald als von Gott gewirkt dargestellt.
Apg 3,16; 18,27; Eph 2,8; Phil 1,29; 2.Thess 2,13.
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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.4

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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.4

Den rechten Gehalt des Wortes „Glauben“ lernen wir kennen aus dem Hebräischen, besonders 1.Mose 15,6; (266) Hab 2,4. Hier bedeutet das dem πιστεύειν,ein entsprechende Wort (heëmin): Etwas für sich fest sein lassen, es fest erachten: so das man sich darauf stützen und davontragen lassen kann; die Präposition ~ב,. , mit der das hebr. Verbum verbunden wird, führt die Person oder Sache ein, an welcher man glaubend haftet oder festhält. „Emûnah“ ist dann das Verhalten des also Glaubenden; die fiducia, die sich verläßt auf Gott und sein Wort. Demnach bezeichnet dieses Wort „Glauben“ ein festes Vertrauen auf etwas setzen, und es liegt darin die volle Zuversicht, mit der man sich vertrauend dem betreffenden Objekt hingibt. So ist denn dieser Glaube nicht ein bloßer assensus, sondern fiducia oder acquiescentia. – Tief führt uns auch in das Wesen des Glaubens die Hebr. 11,1 gegebene Definition ein. (267) Hiernach vermittelt der Glaube in unserem Innern ein wesenhaftes Vorhanden- oder Gegebensein der Dinge, die wir hoffend umfassen, und er äußert sich in einem zuversichtlichen Aufweisen von Dingen, die zwar in unsrem Innern leben, aber sonst nicht gesehen werden. Also wiewohl die göttlichen Zusagen, welche die für uns geschehene Genugtuung und andere Güter zum Gegenstand haben, uns auf Unsichtbares weisen, wiewohl die Erfüllung der göttlichen Verheißungen durch Christus, insbesondere die Verheißung des ewigen Lebens und der Auferstehung, auf etwas Zukünftiges sich beziehen, so sind sie doch gegenwärtig in uns; nämlich durch das sie verkündigende Wort und den heiligen Geist, und so weist der Glaubende beständig das Unsichtbare auf, als ob es gesehen würde. Glaube wird also nach Hebr. 11,1 dadurch hervorgerufen, dass die Gottesverheissungen in unseren Herzen leben, und wir sie aufweisen und an ihnen trotz alles Widerstandes und aller Zweifel des eigenen Innern festhalten, als sähen wir sie.(268)Auf das griechische πίσιτς ist erst von dem hebräischen Grundwort aus ein neues Licht gefallen, wodurch auch dieses Wort eine Wiedergeburt erlebte. Wichtig sind besonders noch die griechischen Präpositionen, durch welche die Beziehung des Glaubenden auf sein Objekt ausgedrückt wird, nämlich ἐπί, εἰς, ἐν. Wenn es da z. B. heißt πιστεύειν ἐπ᾽ αὐτῷ (z. B. Röm. 10,11; 1. Petr. 2,6) so ist Christus als das Fundament vorgestellt, auf dem der Glaube ruht. Wenn es heißt ἐπ᾽ αὐτόν, so ist Christus gedacht als der Gegenstand, nach welchem der Glaube sich ausstreckt, Apg. 9,42; 11,17; Röm. 4,5 ff. Heißt es πιστεύειν εἰς αὐτόν, so bezeichnet dies gleichfalls die Richtung, aber so, dass der Glaube sich in sein Objekt versenkt und sich eintaucht in dasselbe, Joh. 3,36; Apg. 10,43; 19,4; Röm. 10,14. Wo es heißt πίσιτς ἐν Χριστῷ, da ist Christus als das Objekt vorgestellt, das der Glaube als sein Element, in dem er lebt, besitzt, so Gal.3,26; Eph. 1,15; Kol. 1,4. Nach Maßgabe dieses griechischen Sprachgebrauches hat nun der deutsche Ausdruck „glauben an Gott, an Christus“ gar keine Berechtigung; derselbe besagt im Grunde nicht mehr als: credere Deum esse; man müsste, um der Tiefe der Schriftaussagen gerecht zu werden, wenigstens „in Gott glauben“ sagen, (269)beziehungsweise „auf Gott vertrauen“, oder wenn ἐν vorkommt, müsste man dies umschreiben: glauben, so dass man sich dabei in Christus Jesus als seinem geistigen Elemente befindet. Denn dieser Glaube ist nie ein totes Wissen, sondern nach dem hebräischen Grundwort ein festes sich Verlassen und lebendiges Vertrauen auf Gott und seine großen Taten zu unserer Erlösung.
zu.266. Vgl. Delitzsch, Kommentar zu 1.Mose z. d. St.
zu.267. lm Griech. bedeutet πιστεύειν – vertrauen; πίστις bedeutet auch Kredit.IV.
zu.268. Vgl. dazu Calvin III, 2,36,.37 und oben S. 25.
zu.269. So heißt es auch in den Rezensionen des Apostolikum, wie sie im Heid. Katechismus und sonst stehen. Auch das alte Holländische machte diesen Unterschied. Man sagte „an Gott und in Gott“ glauben, bemerkt Grimm, Wörterb, I, S. 285
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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.5

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Die Berufung (Glaube, Reue) Teil.5

Dieser Glaube hat nun ein doppeltes Moment an sich.

1. das Moment der gewissen Erkenntnis,

2. das Moment des liebenden Vertrauens. Beide Momente stehen im Gegensatz zu jenen zwei anderen Merkmalen, die dem Unwiedergeborenen in seiner Stellung zu Gott eigentümlich sind:

1. dem Merkmale der Unklarheit der natürlichen Gotteserkenntnis und

2. der Furcht.

Gewisse Erkenntnis Gottes ist es also erstlich, womit der heilige Geist den von ihm Berufenen erfüllt; (270) und zwar soll derselbe Gott erkennen, wie er ist, auf Grund des geoffenbarten Wortes; nicht soll er sich ferner begnügen mit einer unklaren Erkenntnis: dass er ist. Diese Erkenntnis ist keine philosophische, sondern eine mit geistlichen Größen rechnende, die aber weit realer sind, als alle sichtbaren Dinge. Denn was ist lebendiger als Gott? Die Erkenntnis, von der hier die Rede ist, ist eine von Gott und den göttlichen Dingen herfliesend aber eben darum über alle menschliche Erkenntnis erhabene. Eph 3,18.19. Auf die Erkenntnis, als ein durchaus nötiges Requisit für den Christen weisen die verschiedensten Schriftsstellen hin. Lk 8,10; Joh 6,69; Eph 3,19; 1.Kor 1,5; 2.Kor 4,6; Gal 4,9; 1.Tim 2,4; 2.Thess 1,8; Kol 1,9.10; 2,2.3; 3,10; 2.Tim 2,25 u.a.m. Überall rühmt die Schrift die gnw/sij und evpi,gnwsij. Durch die Erkenntnis, welche die durch den heiligen Geist erleuchtete Vernunft in sich aufnimmt, wird man Gottes mehr und mehr teilhaftig. Gott will – wie jedes persönliche Wesen– zunächst aus dem Umgang erkannt sein, um sodann von uns geliebt zu werden. Die Erkenntnis des lebendigen Gottes bleibt nicht ohne Rückwirkung auf unser Gefühl; auf die Aufnahme der göttlichen Dinge durch die erleuchtete Vernunft folgt der Genuss und die innerliche Besiegelung im Herzen; wo dann in der Seele empfunden wird, wie freundlich der Herr ist. Es erfolgt nun, was Paulus in Röm 5,5 sagt: das die Liebe Gottes, d.h. die Gott uns beweist in Christus, ausgegossen wird in unsere Herzen durch den uns gegebenen heiligen Geist. Wir lieben Gott, der uns zuerst geliebt. Wenn nun der Glaubende Gott erkannt hat, dass er ist; wenn er erkannt hat, dass er nichts anderes ist, denn eitel, unaussprechliche Liebe, und sonach erfahren, dass ihn allein zu suchen und sowohl in Liebe als in Ehrfurcht (271) sich ihm anzuvertrauen, es sich verlohnt, dann wird der Berufene entweder plötzlich oder auch allmählich dessen inne: dass er Gott nicht dient, wie er soll, ja vielmehr, daß ein unendlicher Abstand ihn trennt von dem heiligen Gott, den er aber doch schon liebt. Den Abstand aber von Gott lernt der Mensch kennen aus dem Gesetze Gottes und zwar desse secundus usus, dem usus legis elenchticus. Das Gesetz hat einen zweiten usus, den usus in justificandis (vgl. Luther,Schmalk. Art. S. 327), dann aber freilich auch in iustificatis, oder den usus elenchticus, wonach es also den Menschen tadelt und von seinen Sünden überführt. Es ist dies jener usus legis, ubi lex ostendit peccatum et operatur poenitentiam. Das Gesetz zeigt uns, was Gott von uns verlangt, und siehe da, wir stehen unendlich dahinter zurück.
zu.270. Vgl. dazu Calvin, Inst. III,2, § 24-28, und gegen diejenigen, welche diese Gewissheit anzweifelten: § 88-40.
zu.271. Daß beides Hand in Hand gehen muss, bemerkten wir schon S. 97, und dasselbe zeigt Calvin, Inst. III,2,26.27.
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