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Theologie des Kreuzes - Theologie der Herrlichkeit

Verfasst: 15.03.2010 17:23
von Jörg
Von Pastor Norbert Giebel las ich folgende Zeilen:

"In der theologischen Diskussion wurde immer wieder unterschieden die „theologia crucis“ und die „theologia gloriae“ – die Theologie des Kreuzes und die Theologie der Herrlichkeit.

Die „theologia gloriae“ – die Theologie der Herrlichkeit könnte man so beschreiben: Der Christ hat einen großen Herrn, und der sorgt für ihn. Wer recht glaubt, dem geht es auch gut. Jesus lässt sich nichts schenken. Krankheiten werden besiegt. Materielle Sorgen haben wiedergeborenen Christen nicht. Die Ehen funktionieren, die Kinder gehorchen, der Job wird immer gesegnet. Böse Mächte fliehen, wenn du nur auf Jesus siehst. Sie tun dir nichts. Lach sie aus. Ängste, Zweifel, Depressionen sie kommen nur aus dem Unglauben. Wen Gottes Geist ergriffen hat, der sündigt nicht mehr.

Die Herrlichkeit Gottes soll schon jetzt an uns sichtbar werden. Biblische Aussagen werden überspitzt und in das Leben jedes einzelnen hineinprojiziert. Leid jeder Art hat in einem solchen Leben nichts zu suchen.

Paulus aber ist krank. Er ist kein starker Redner. Vieles was er sagt, ist nicht leicht verständlich. Paulus ist kein Strahlemann und Wellenreiter. Er nimmt das Leben eher schwer. Er leidet an manchem. Die „theologia crucis“, die „Theologie des Kreuzes“ kann auf der anderen Seite vom Pferd fallen. Paulus aber gilt als ihr edelster Vertreter:

Ja! Christus ist das Licht Gottes! Es gibt nichts Herrlicheres als ihn! Ja! Er hat auch in uns einen hellen Schein gelegt. Seine Liebe, sein Geist wohnt in uns. Aber: Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen. Wir sind sehr wohl noch versuchlich. Wir sündigen noch. Wir können krank bleiben. Gottes Wege sind höher. Manchmal lässt er uns einen Stachel im Fleisch, damit wir demütig bleiben, damit wir immer erinnert werden: Wir brauchen seinen Gnade! Es ist seine Kraft, an der alles liegt.

Die Kernaussage der „theologia crucis“ ist: Wir haben auch Teil am Leiden Christi! So wie Christus kein Übermensch war, so werden wir es auch nicht. So wie Jesus Widerstand ausgehalten hat und ihm Unrecht geschah, so müssen auch wir damit rechnen. Gott wurde ganz Mensch! Und wir bleiben ganz Menschen! – Gerade das ist die Herrlichkeit Gottes, dass er die Niedrigkeit bejaht hat! Nirgendwo ist er so herrlich wie am Kreuz! Wo es am dunkelsten ist, da scheint sein Licht am hellsten!"



Meine Frage ist nun die: Gibt es nur ein entweder/oder? Also: Die Theologie der Herrlichkeit ist falsch, die Theologie des Kreuzes ist richtig! Oder gibt es eine Grauzone?

Ich hörte mal den Vorwurf: "Ihr verherrlicht das Leid und das kommt von den griechischen Philosophen". Über Eure Meinung würde ich mich freuen.

Gruß

Jörg

Re: Theologie des Kreuzes - Theologie der Herrlichkeit

Verfasst: 15.03.2010 18:18
von Leo_Sibbing
$:)

Verfasst: 15.03.2010 19:02
von Joschie
Jörg schreibt
Die „theologia gloriae“ – die Theologie der Herrlichkeit könnte man so beschreiben: Der Christ hat einen großen Herrn, und der sorgt für ihn. Wer recht glaubt, dem geht es auch gut. Jesus lässt sich nichts schenken. Krankheiten werden besiegt. Materielle Sorgen haben wiedergeborenen Christen nicht. Die Ehen funktionieren, die Kinder gehorchen, der Job wird immer gesegnet. Böse Mächte fliehen, wenn du nur auf Jesus siehst. Sie tun dir nichts. Lach sie aus. Ängste, Zweifel, Depressionen sie kommen nur aus dem Unglauben. Wen Gottes Geist ergriffen hat, der sündigt nicht mehr.
Seit wan gibt es die „theologia gloriae“ ??!
Gruß Joschie

Verfasst: 15.03.2010 19:49
von Jörg
Joschie hat geschrieben:
Seit wan gibt es die „theologia gloriae“ ??!
Gruß Joschie
"Die Unterscheidung Theologia crucis - Theologia gloriae ist ein Markstein reformatorischer Theologie. In seiner "Heidelberger Disputation" April 1518 hat Luther mit ihr Wesen und Weg theologischer Erkenntnis aufgezeigt." (Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde)

Verfasst: 15.03.2010 20:16
von Joschie
Danke Jörg
Hier ein Ausschnitt aus der Heidelberger Disputation.Meinst du das :?:
20. Aber der verdient ein rechter Theologe genannt zu werden, der das, was von Gottes Wesen sichtbar und der Welt zugewandt ist, als in Leiden und Kreuz sichtbar gemacht begreift.

Das uns zugewandte, sichtbare Wesen Gottes - d.h. seine Menschlichkeit, Schwachheit, Torheit - ist dem unsichtbaren entgegengesetzt, wie 1.Kor 1,25 von der göttlichen Schwachheit und Torheit sagt. Weil die Menschen nämlich die Erkenntnis Gottes aufgrund seiner Werke missbrauchten, wollte nun Gott aus dem Leiden erkannt werden. Er wollte solche „Weisheit des Unsichtbaren“ durch eine „Weisheit des Sichtbaren“ verwerfen, damit die, die Gott nicht verehrten, wie er in seinen Werken offenbar wird, ihn verehren als den, der in den Leiden verborgen ist (absconditum in passionibus), wie es 1.Kor 1,21 heißt: „Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch törichte Predigt selig zu machen die, die daran glauben.“ So reicht es für niemand aus, Gott in seiner Herrlichkeit und Majestät zu erkennen, wenn er ihn nicht in der Niedrigkeit und Schmach seines Kreuzes erkennt. So „macht er die Weisheit der Weisen zu Schanden“, wie Jesaja weiter sagt: „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott“.

So auch Joh 14,8: Als Philippus in der Art der Theologie der Herrlichkeit sprach „Zeige mir den Vater“, holte Christus ihn gleich zurück und konzentrierte seine Gedanken, die abschweiften, anderswo Gott zu suchen, auf sich zurück und sprach: „Philippus, wer mich sieht, sieht auch meinen Vater“. In Christus dem Gekreuzigten also ist die wahre Theologie und Gotteserkenntnis, wie es auch Joh 14,6 und 10,9 bestätigen: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“; „Ich bin die Tür“ usw.

21.Der Theologe der Herrlichkeit nennt das Schlechte gut und das Gute schlecht. Der Theologe des Kreuzes nennt die Dinge, wie sie wirklich sind.

Das ist klar. Weil er doch Christus nicht kennt, kennt er auch nicht den im Leiden verborgenen Gott. Daher zieht er die Werke dem Leiden, die Herrlichkeit dem Kreuze, die Kraft der Schwachheit, die Weisheit der Torheit und überhaupt das Gute dem Schlechten vor. Das sind die, die der Apostel „Feinde des Kreuzes Christi“ nennt. Jedenfalls hassen sie das Kreuz und die Leiden. Sie lieben aber die Werke und ihren Ruhm, und so nennen sie das Gute des Kreuzes schlecht und das Schädliche des Werkes gut. Gott kann aber nur in Kreuz und Leiden gefunden werden, wie schon gesagt. Darum nennen die Freunde des Kreuzes das Kreuz gut und die Werke schlecht, weil durch das Kreuz die Werke niedergerissen werden und der lieber durch die Werke aufgerichtete „alte Adam“ gekreuzigt wird. Es ist nämlich dem unmöglich, auf Grund seiner „guten Werke“ nicht aufgeblasen zu werden, der vorher nicht durch Leiden und Schaden ganz leer und niedrig geworden ist, bis zu der Erkenntnis, dass man selbst nichts ist und die Werke nicht uns sondern Gott gehören.

22. Jene Weisheit, die Gottes unsichtbares Wesen in den Werken erkennt und schaut, bläht auf, macht blind und verstockt.

Das ist schon gesagt. Denn weil sie das Kreuz nicht kennen und es hassen, müssen sie notwendig das Gegenteil lieben, d.h. Weisheit, Ruhm, Macht u.ä. So werden sie durch solche Liebe noch mehr verblendet und verstockt. Unmöglich ist es nämlich, dass ihre Gier durch Erfüllung der Wünsche gestillt wird; denn wie die Liebe zum Geld im gleichen Maße wie das Geld selbst wächst, so ist es auch mit der Sucht des Menschen nach Wasser. Je mehr er trinkt, um so mehr dürstet ihn, wie der Dichter sagt: „Je mehr sie getränkt werden, um so mehr dürsten sie nach Wasser“, und der Prediger: „Das Auge sieht sich nimmer satt, und das Ohr hört sich nimmer satt.“ So ist es aber bei allen Begierden. Daher wird auch die Wissbegierde durch die Weisheit, die man erlangt, nicht befriedigt, sondern noch mehr entzündet. So wird die Ehrsucht nicht durch Erlangen der Ehre, die Herrschsucht nicht durch Macht und Herrschaft, die Ruhmsucht nicht durch erlangten Ruhm gestillt usw., wie Christus Joh 4,13 bezeichnenderweise sagt: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten.“

Es bleibt also nur ein Heilmittel: heil werden nicht durch Stillen der Begierde, sondern durch Auslöschen. Das heißt, wenn jemand weise werden will, so soll er nicht im Vorgriff, sondern im Rückgriff nach Weisheit trachten und im Verlangen nach „Torheit“ einfältig werden. Ebenso soll, wer reich an Macht und Ruhm und an Lust und an allen Dingen satt werden will, Macht, Ruhm, Lust und Befriedigung in allen Dingen eher fliehen als suchen. Das ist die Weisheit, die der Welt eine Torheit ist.

23. Und „das Gesetz wirkt den Zorn“ Gottes, es tötet, verflucht, klagt an, richtet und verdammt alles, was nicht in Christus ist.

So an die Galater: „Christus hat uns erlöst von dem Fluche des Gesetzes“, und ebendort: „Die mit des Gesetzes Werken umgehen, sind unter dem Fluch“, und Röm 4,15: „Das Gesetz richtet Zorn an“, und Röm 7,10: „Es fand sich, dass das Gebot mir zum Tode gereichte“, und Röm 2,12: „Die unter dem Gesetz gesündigt haben, die werden durch das Gesetz verurteilt werden.“ Wer sich also als ein Weiser und Gelehrter im Gesetz rühmt, der rühmt sich seiner Schande, seines Fluches, des Zornes Gottes, des Todes, wie es Röm 2,23 heißt: „Was rühmst du dich des Gesetzes?“

24. Nun ist wohl jene Weisheit nicht an sich schlecht, und das Gesetz ist nicht zu fliehen; aber der Mensch missbraucht ohne die Theologie des Kreuzes das Beste zum Schlimmsten.

Denn „das Gesetz ist heilig“, und „alle Gabe Gottes ist gut“, „alles Geschaffene ist sehr gut“. Aber wie schon oben gesagt, wer noch nicht erniedrigt und durch Kreuz und Leiden zu einem Nichts gemacht ist, der schreibt Werke und Weisheit sich zu, nicht aber Gott und missbraucht so die Gaben Gottes und besudelt sie.

Wer aber durch Leiden von seinem ichsüchtigen Selbst befreit wurde, der schafft nicht mehr selber, sondern weiß, dass Gott in ihm alles wirkt und schafft. Ob er nun wirkt oder nicht, ist für ihn dasselbe: er rühmt sich nicht, wenn Gott in ihm wirkt, er schämt sich nicht, wenn er es nicht tut; er weiß, es ist ihm genug, wenn er durch das Kreuz leidet und vernichtet wird, damit er um so mehr zum Nichts werde. Das ist, was Christus in Joh 3,7 sagt: „Ihr müsst von neuem geboren werden.“ Um wiedergeboren zu werden, muss man vorher sterben und mit dem Menschensohn erhöht werden: ich sage sterben, d.h. den Tod als gegenwärtig empfinden.
Gruß Joschie

Verfasst: 15.03.2010 20:36
von Jörg
Ja Joschie, um diesen Text geht es! Danke fürs Reinstellen. Und hier noch eine kurze Erklärung aus dem Evangelischen Lexikon für Theologie und Gemeinde:

"Die beiden Theologien sind nicht zwei Stufen eines Systems, die sich ergänzen, sondern müssen streng alternativ gesehen werden. Nicht Ruhm, sondern Kreuz, das ist der unversöhnliche Gegensatz. Darum ist die Alternative auch keine Verengung auf "nur" das Kreuz, als genüge es, nur und immer dieses zu predigen. Es ist auch nicht genug, dass auf (fast) allen Altären/Kirchtürmen das Kreuz steht. Der Gegensatz zu "Kreuz" ist nicht "Auferstehung" oder "Krone", sondern die kaucheesis, das Sich-Rühmen des Menschen. Die Alternative lautet "Straße des Ruhmes oder Kreuzesweg". Das Kreuz ist nicht nur erbaulich zu betrachten. Es ist zu tragen. Das bringt keine Ehre, sondern Schmach. Die Theologia crucis schließt allen Selbstruhm aus (vgl. 1. Kor. 1, 18-20 und Römer 3, 27)."

Lieben Gruß

Jörg