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Lutherische Theologie zur Vorherbestimmung

Verfasst: 22.01.2011 18:37
von Jose
Über die Vorherbestimmung wurde in diesem Forum schon viel diskutiert. Vorhin habe ich einen interessanten Artikel im BROCKHAUS gelesen und würde gerne mehr über die Überzeugung Luthers zu dem Thema Prädestination lesen.
Der südgallische Presbyter Lucidus (gestorben nach 474) und Gottschalk von Orbais entwickelten die augustinische Lehre weiter zu der einer doppelten Prädestination (der Erwählten zum ewigen Leben, der anderen zur Verdammnis). Im Prädestinationsstreit zwischen Gottschalk und seinen Gegnern Hinkmar von Reims sowie Johannes Scotus Eriugena wurde die augustinische Position im Sinne einer einzigen Prädestination, nämlich der zum Heil, präzisiert. Die Reformatoren nahmen den Gedanken einer doppelten Prädestination im Kontext der Verborgenheit Gottes und der Unerforschlichkeit seines Willens erneut auf und modifizierten ihn. Bei J. Calvin und in der reformierten Theologie (modifiziert erst bei K. Barth) wurde die Prädestination zur zentralen Wahrheit, die als unwiderstehlich und teilweise auch als aus dem Lebenserfolg erfahrbar galt. Dazu im Gegensatz betont die lutherische Theologie seit der Konkordienformel (1577) die grundsätzliche Prädestination des Menschen zum Heil.
(c) wissenmedia GmbH, 2010
Wie gesagt, ich würde gerne mehr über die lutherische Theologie zur grundsätzlichen Prädestination zum Heil lesen.

Danke und Gruß,
José

Verfasst: 22.01.2011 18:44
von lutz
Vielleicht ist das etwas dazu:
http://www.irt-ggmbh.de/downloads/vondererwaehlung.pdf

Auf alle Fälle wird hier viel mit Luthers Auffassungen argumentiert.

Lutz

Re: Lutherische Theologie zur Vorherbestimmung

Verfasst: 23.01.2011 13:41
von Jose
Meine Vorstellung ist, dass es vielleicht ein Dokument gibt, wo die »grundsätzliche Prädestination des Menschen zum Heil«, wie sie in der »lutherische Theologie seit der Konkordienformel (1577)« festgehalten sein soll, nachlesbar ist. Würde mich freuen.

Danke für den Link, Lutz. Die Ausarbeitung von Bernhard Kaiser ist sehr interessant und geht auf verschiedene Themen ein. Ein Abschnitt auf Seite 16 war für mich besonders hilfreich.
Aus allem, was ich bisher gesagt habe, geht hervor, daß das logische Problem nicht darin liegt, daß die Schrift Gottes Vorherbestimmung in Spannung zur menschlichen Verantwortung lehrt, sondern daß die eigentliche Problematik die ist, wie ein und derselbe Gott sagen kann, er wolle nicht, daß der Sünder verlorengehe, und zugleich einen Menschen dazu bestimmen kann, ein Gefäß zu unehrenhaftem Gebrauch zu sein. Luther hat diese Problematik gesehen und deswegen in seiner Schrift vom unfreien Willen zwischen dem verborgenen und dem offenbaren Gott unterschieden. Der verborgene Gott erwählt und verwirft und kann nur gefürchtet werden. Der offenbare Gott aber ist der, an den wir uns halten sollen. Darüber hinausgehende Spekulationen sind uns nicht gestattet. Diese Unterscheidung ist eine Krücke für das Denken, die uns hilft, an Gott nicht irre zu werden. Doch sie löst das logische Problem nicht. Hier zeigt sich, daß wir Gott mit den Gesetzen unserer Logik nicht einfangen können. Er bleibt dem Menschen gegenüber frei. Das entspricht seiner Gottheit und Schöpfermacht.
http://www.irt-ggmbh.de/downloads/vondererwaehlung.pdf, Seite 16
In den hilfreichen Einblendungen aus der Kirchengeschichte, in der Ausarbeitung, wird einem auch bewusst, worüber z.T. diskutiert wurde. Würde man sich an Gottes Wort halten, hätte z.B. der Humanismus keine Chance, denn der Mensch ist nicht gut. Was mir aber immer wieder auffällt ist, dass gegensätzliche Meinungen oftmals Extreme sind, daher kann niemand wirklich die Wahrheit für sich beanspruchen.

Ein Wort aus dem Alten Testament ist mir seit langem zur Richtschnur geworden: "Das Verborgene steht bei dem HERRN, unserm Gott; aber das Offenbare gilt uns und unsern Kindern für ewig, damit wir alle Worte dieses Gesetzes tun" 5. Mose 29,28. Dies Wort ermahnt mich, das was ich aus der Schrift als Gotteserwartung an Seine Kinder erkenne, zu tun mit Seiner Hilfe. Aber das, was verborgen ist, nicht zur Richtschnur meines Handelns zu machen, denn im Verborgenen Gottes gibt es zu viel Raum für Spekulationen.

José

Re: Lutherische Theologie zur Vorherbestimmung

Verfasst: 23.01.2011 23:01
von lutz
Jose hat geschrieben:Meine Vorstellung ist, dass es vielleicht ein Dokument gibt, wo die »grundsätzliche Prädestination des Menschen zum Heil«, wie sie in der »lutherische Theologie seit der Konkordienformel (1577)« festgehalten sein soll, nachlesbar ist.
und
würde gerne mehr über die Überzeugung Luthers zu dem Thema Prädestination lesen.
Das ist nicht ohne Probleme, Jose, was ist "lutherisch"? und woran will man dies nach Luthers Tod und bei weiterer Entwicklung noch festmachen?
Selbst "kurze" Zeit nach Luthers Tod - gab es "Nachfolger Luthers", die Calvin (der Luther hoch schätzte) nur als "Affen Luthers" bezeichnete.

Das ist zwar nicht befriedigend, aber vielleicht findest du unter diesem alten Thema hier, das ein oder andere Stichwort um weiter zu recherchieren.


http://www.betanien.de/forum/viewtopic.php?t=698

Lutz

PS: Und ich möchte dich natürlich wieder darauf hinweisen, dass dieser Teil deines Artikels:
Bei J. Calvin und in der reformierten Theologie (modifiziert erst bei K. Barth) wurde die Prädestination zur zentralen Wahrheit, die als unwiderstehlich und teilweise auch als aus dem Lebenserfolg erfahrbar galt.
wohl einer historischen Recherche nicht stand hält.
s. a. hier: http://www.betanien.de/forum/viewtopic.php?t=1190

Konkordienformel (1577)

Verfasst: 10.04.2011 19:53
von Jose
Im BROCKHAUS hatte ich ja die Aussage gelesen:
Dazu im Gegensatz betont die lutherische Theologie seit der Konkordienformel (1577) die grundsätzliche Prädestination des Menschen zum Heil.
Daher suchte ich nach dieser Konkordienformel (1577).

Hier ein Auszug (Quelle: http://www.apostolic.de/20_credo/021_konkordien.shtml):
Affirmativa
Reine wahrhaftige Lehre von diesem Artikel
  • 1. Anfänglich ist der Unterschied zwischen der praescientie et praedentinatione, das ist zwischen der Vorsehung und ewigen Wahl Gottes, mit Fleiß zu merken.
  • 2. Denn die Vorsehung Gottes ist anders nichts, denn daß Gott alle Ding weiß, ehe sie geschehen, wie geschrieben stehet: Gott im Himmel kann verborgen Ding offenbaren; der hat dem König Nebucadnezar angezeiget, was in künftigen Zeiten geschehen soll.
  • 3. Diese Vorsehung gehet zugleich über die Frommen und Bösen, ist aber keine Ursach des Bösen, weder der Sünden, daß man unrecht thue, (welche ursprünglich aus dem Teufel und des Menschen bösen verkehrten Willen herkömmt) noch ihres Verderbens, daran sie selbst schuldig, sondern ordnet allein dasselbig und steckt ihm ein Ziel, wie lang es währen, und alles, unangesehen daß es an ihm selbst böse, seinen Auserwählten zu ihrem Heil dienen solle.
  • 4. Die Prädestination aber oder ewige Wahl Gottes gehet allein über die Frommen, wolgefälligen Kinder gottes, die eine Ursach ist ihrer Seligkeit, welche er auch schaffet, und was zur selbigen gehöret, verordnet, darauf unser Seligkeit so steif gegründet, daß sie die Pforten der Hölle nicht überwältigen können.
  • 5. Solche ist nicht in dem heimlichen Rath Gottes zu erfroschen, sondern in dem Wort zu suchen, da sie auch geoffenbaret worden ist.
  • 6. Das Wort Gottes aber führet uns zu Christo, der das Buch des Lebens ist, in welchem alle die geschrieben und erwählet seind, welche da ewig selig werden sollen, wie geschrieben stehet: Er hat uns durch denselben (Christum) erwählet, ehe der Welt Grund geleget war.
  • 7. Dieser Christus rufet zu ihm alle Sünder und verheißet ihnen Erquickung, und ist ihme Ernst, daß alle Menschen zu ihm kommen und ihnen helfen laßen sollen, denen er sich im Wort anbeut und will, daß man es höre, und nicht die Ohren verstopfen oder das Werk verachten soll; verheißt darzu die Kraft und Wirkung des heiligen Geistes, göttlichen Beistand zur Beständigkeit und ewiger Seligkeit.
  • 8. Derhalben wir von solcher unser Wahl zum ewigen Leben weder aus der Vernunft noch aus dem Gesetz Gottes urtheilen sollen, welche uns entweder in ein wild, wüst, epikurisch Leben, oder in Verzweifelung führen, und schädliche Gedanken in den Herzen der Menschen erwecken, daß sie bei sich selbst gedenken, auch solcher Gedanken sich nicht recht erwehren können, so lange sie ihrer Vernunft folgen: Hat mich Gott erwählet zur Seligkeit, so kann ich nicht verdammet werden, ich thue, was ich wölle; und widerum: Bin ich nicht erwählet zum ewigen Leben, so hilfts nichts, was ich Gutes thue, es ist doch alles umsunst.
  • 9. Sondern es muß allein aus dem heiligen Evangelio von Christo gelernet werden, in welchem klar bezeuget wird, wie Gott alles unter den Unglauben beschloßen, auf daß er sich aller erbarme, und nicht will, daß jemand verloren werde, sondern sich jedermann zur Buße bekehre, und an den Herrn Christum glaube.
  • 10. Wer nun sich also mit dem geoffenbarten Willen Gottes bekümmert, und der Ordnung nachgehet, welche S. Paulus in der Epistel an die Römer gehalten, derr zuvor die Menschen zur Buße, Erkenntnis der Sünden, zum Glauben an Christum, zum göttlichen Gehorsam weiset, ehe er vom Geheimnis der ewigen Wahl Gottes redet, dem sit solche Lehre nützlich und tröstlich.
  • 11. Daß aber viel berufen und wenig auserwählet sind, hat es nicht diese Meinung, als wölle Gott nicht jedermann selig machen, sondern die Ursach ist, daß sie Gottes Wort entweder gar nicht hören, sondern muthwillig verachten, die Ohren und ihr Herz verstecken, und also dem heiligen Geist den ordentlichen Weg verstellen, daß er sein Werk in ihnen nicht haben kann, oder do sie es gehöret haben, wiederum in Wind schlahen und nicht achten, daran nicht Gott oder seine Wahl, sondern ihre Bosheit schuldig ist.
  • 12. Und so fern soll sich ein Christ des Artikels von der ewigen Wahl Gottes annehmen, wie sich im Wort Gottes geoffenbaret, welches uns Christum als das Buch des Lebens vorhält, daß er uns durch die Preddigt des heiligen Evangelii aufschleußt und offenbaret, wie geschrieben stehet: Welche er erwählet hat, die hat er auch berufen, in dem wir die ewige Wahl des Vaters suchen sollen, der in seinem ewigen göttlichen Rath beschloßen, daß er außerhalb denen, so seinen Sohn Christum erkennen und wahrhaftig an ihn gläuben, niemand wolle selig machen, und sich anderer Gedanken entschlahen, welche nicht aus Gott, sondern aus Eingeben des bösen Feindes herfließen, dadurch er sich unterstehet und den herrlichen Trost zu schwächen oder gar zu nehmen, den wir in dieser heilsamen Lehre haben: daß wir wißen, wie wir aus lauterer Gnade ohne allen unsern Verdienst in Christo zum ewigen Leben erwählet sein, und daß uns niemand aus seiner Hand reißen könne; wie er dann solche gnädige Erwählung nicht allein mit bloßen Worten zusaget, sondern auch mit dem Eide betheuret und mit den heiligen Sacramenten versiegelt hat, deren wir uns in unsern höchsten Anfechtungen erinnern und trösten, und damit die feurigen Pfeile des Teufels auslöschen können.
  • 13. Darneben sollen wir uns zum höchsten befleißigen nach dem Willen Gottes zu leben, und unsern Beruf, wie S. Paulus vermahnet, feste zu machen, und sonderlich an das geoffenbarte Wort uns halten; das kann und wird uns nicht fehlen.
  • 14. Durch diese kurze Erklärung der ewigen Wahl Gottes wird Gott seine Ehre ganz und völlig gegeben, daß er allein aus lauter Barmherzigkeit ohne allen unsern Verdienst uns selig mache nach dem Vorsatz seines Willens; darneben auch niemands einige Ursach zur Kleinmüthigkeit oder rohem, wildem Leben gegeben.
Es gibt Themen in der Schrift, die sich uns nicht einfach erschließen. Man erkennt auch in diesen Worten, wie sehr um die rechte Erkenntnis gerungen wurde.

José

Verfasst: 10.04.2011 20:14
von Gast
Danke José,

ich mag zwar diese alte Schreibweise überhaupt nicht, da sie mir etwas schwer verständlich ist, doch das was ich verstanden habe, war interessant. Ich bin ja inzwischen auch an Paulus Schreibstil gewöhnt, jedoch wäre ich glücklicher gewesen, hätte dieser großartige Apostel Christi manches ein wenig einfacher und klar verständlicher geschrieben.

Gruß und Segen
Samuel