Allversöhnung, Arminianismus, Calvinismus und bibl. Lehre
Verfasst: 03.04.2011 08:29
Ich habe ja jetzt schon mehrmals aus dem Buch von Donald A. Carson "Ach, Herr, wie lange noch?" zitiert.
Der Mann hat sich anscheinend Mühe gegeben Gott und sein Wort verstehen zu wollen.
Eigentlich geht es in diesem Buch um die Frage des Leides, aber er behandelt damit auch Fragen und Themen, die andere Dinge des christlichen Lebens betreffen. Z.B. zeigt er wie man zu falschen Auslegungen der Bibel kommt und einem Text seine eigene Interpretation überstülpen kann.
Dabei nennt er zum einen "Die rücksichtlose Definition", dann zum zweiten "Der Triumph gegenseitiger Vernichtung" und zum dritten "Die zu frühe Schaffung von Rastern"
Der letzte Punkt bedeutet, dass weil wir in unserem Kopf ein Modell oder Raster entworfen haben, werden wir manchmal zu schnell in der Interpretation eines Abschnittes oder Verses. Wir sagen dann dies kann nur so gedeutet werden, weil andere Stellen bereits das gesagt haben.
Er schreibt auf Seite 220-221 folgendes:
"Nehmen wir ein weiteres Beispiel, den Bibelvers 2.Petrus 3,9: " Er übt mit euch Geduld, da er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass jeder zur Buße gelangt."
Es gibt vier mögliche Deutungen des Verses:
1. Gott will, dass jedermann zur Buße gelangt; darum wird zuletzt jedermann gerettet werden, denn niemand kann den Willen Gottes vereiteln.
2. Gott will, dass jedermann zur Buße gelangt, aber er ist - aus welchen Gründen auch immer - nicht imstande, dies zu bewerkstelligen, da einige Menschen offensichtlich nicht gerettet werden.
3. Aus dem Kontext geht hervor, dass das Wort "jeder" im Sinne von "jeder Erwählte" zu ergänzen ist.
4. Hier wird die rettungswillige Haltung Gottes gegenüber der ganzen Welt festgehalten: Er ist der Gott, der will, dass jedermann ohne Ausnahme gerettet werde. Da jedoch die Bibel an anderer Stelle in einem anderen Sinn vom "Willen" oder von den "Wünschen" Gottes spricht, dürfen wir uns nicht auf 2.Petr 3,9 als Beleg für unsere eigene Auffassung von der Erwählung oder der Willensfreiheit berufen.
Ein Allversöhner würde vermutlich die erste Position vorziehen. Indem er sich auf diese und andere Stellen beruft, konstruiert er ein "Raster", und jede Bibelstelle, in der von Menschen die Rede ist, die nicht gerettet werden - und es gibt davon viele - , muss er irgendwie wegerklären. Ein anderer ist der Meinung, die zweite Deutungsmöglichkeit sei richtig. Nach dieser Sichtweise hat Gott alles in seiner Macht Stehende bereits getan. Die Erlösung des Menschen hänge nun voll und ganz von seiner "Willensfreiheit" ab (wobei Willensfreiheit hier im kontrakausalen Sinn aufgefasst wird; s. oben). Das Raster wird konstruiert, und alles, was die Bibel über Erwählung oder Gnadenwahl zu sagen hat, wird herausgefiltert. Das Ergebnis ist, dass Gott keine echte Wahl mehr trifft, sondern bestenfalls im voraus eine Art Genehmigung erteilt. Für die dritte und die vierte Deutungsmöglichkeit könnte man ein ähnliches Vorgehen nachweisen.
Theologen haben seit langem darauf hingewiesen, dass biblische Aussagen über den Willen oder das Wollen Gottes unterschiedlich zu deuten sind. Wenn es heißt, dass Gott etwas will, ist manchmal nicht mehr gemeint als sein decretum absolutum oder Ratschluss, das heißt, sein wirkendes Vollbringen dessen, was sich ereignet. Was Gott im Himmel und auf der Erde will, das trifft ein. Er bewirkt alle Dinge in Übereinstimmung mit dem Ratschluss seines Willens. Andererseits setzt die Bibel den Willen Gottes manchmal mit seinen Wünschen gleich. So ist es der Wille Gottes, dass wir Christen heilig seien (1. Thessalonicher 4,3):
Es bedarf jedoch keiner großartigen Beobachtungsgabe, um feststellen zu können, dass der göttliche Ratschluss, das decretum absolutum, hier nicht gemeint sein kann. An anderer Stelle wiederum ist von der Zulassung Gottes die Rede, so beispielsweise dort, wo Gott dem Satan die Genehmigung erteilt, Hiob zu plagen. In ähnlicher Weise überlässt Gott Sünder ihren eigenen bösen Wegen (Römer 1,24.26.28); und in diesem Sinn ist es gemeint, wenn wir lesen, dass Gott sein Volk nicht gern bzw. nicht "von Herzen" betrübt (Klagelieder 3,33): Er lässt zwar zu, dass es geschieht, aber es entspricht nicht seinem Herzenswunsch. Weil Gott "langsam zum Zorn" und "reich an Erbarmen" ist, lässt er nur widerstrebend sein Volk leiden.
Auf die Gefahr hin, das Ganze zu vereinfachen, möchte ich dennoch folgendes feststellen: Spricht die Bibel vom Willen Gottes im Sinne seiner Allwirksamkeit oder seines Ratschlusses, so werden an der betreffenden Stelle die Transzendenz und das freie Walten Gottes in den Mittelpunkt gerückt; setzt sie jedoch den Willen Gottes mit einem - möglicherweise unerfüllten - Wunsch Gottes gleich, so stehen an dieser Stelle die Personalität Gottes sowie seine Fähigkeit, Wechselbeziehungen einzugehen, im Vordergrund."
Ich finde das Buch genial, weil es ausgewogene Kost ist. Carson hat den goldenen Mittelweg gefunden. Das gefällt mir. Es ist klar, dass der Arminianismus nicht korrekt sein kann, aber auch der Calvinismus, wenn er zum Hypercalvinismus wird, führt zu einem starren System und fehlende Lebendigkeit in der Beziehung mit Gott.
Gruß und gesegneten Sonntag
Samuel
Der Mann hat sich anscheinend Mühe gegeben Gott und sein Wort verstehen zu wollen.
Eigentlich geht es in diesem Buch um die Frage des Leides, aber er behandelt damit auch Fragen und Themen, die andere Dinge des christlichen Lebens betreffen. Z.B. zeigt er wie man zu falschen Auslegungen der Bibel kommt und einem Text seine eigene Interpretation überstülpen kann.
Dabei nennt er zum einen "Die rücksichtlose Definition", dann zum zweiten "Der Triumph gegenseitiger Vernichtung" und zum dritten "Die zu frühe Schaffung von Rastern"
Der letzte Punkt bedeutet, dass weil wir in unserem Kopf ein Modell oder Raster entworfen haben, werden wir manchmal zu schnell in der Interpretation eines Abschnittes oder Verses. Wir sagen dann dies kann nur so gedeutet werden, weil andere Stellen bereits das gesagt haben.
Er schreibt auf Seite 220-221 folgendes:
"Nehmen wir ein weiteres Beispiel, den Bibelvers 2.Petrus 3,9: " Er übt mit euch Geduld, da er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass jeder zur Buße gelangt."
Es gibt vier mögliche Deutungen des Verses:
1. Gott will, dass jedermann zur Buße gelangt; darum wird zuletzt jedermann gerettet werden, denn niemand kann den Willen Gottes vereiteln.
2. Gott will, dass jedermann zur Buße gelangt, aber er ist - aus welchen Gründen auch immer - nicht imstande, dies zu bewerkstelligen, da einige Menschen offensichtlich nicht gerettet werden.
3. Aus dem Kontext geht hervor, dass das Wort "jeder" im Sinne von "jeder Erwählte" zu ergänzen ist.
4. Hier wird die rettungswillige Haltung Gottes gegenüber der ganzen Welt festgehalten: Er ist der Gott, der will, dass jedermann ohne Ausnahme gerettet werde. Da jedoch die Bibel an anderer Stelle in einem anderen Sinn vom "Willen" oder von den "Wünschen" Gottes spricht, dürfen wir uns nicht auf 2.Petr 3,9 als Beleg für unsere eigene Auffassung von der Erwählung oder der Willensfreiheit berufen.
Ein Allversöhner würde vermutlich die erste Position vorziehen. Indem er sich auf diese und andere Stellen beruft, konstruiert er ein "Raster", und jede Bibelstelle, in der von Menschen die Rede ist, die nicht gerettet werden - und es gibt davon viele - , muss er irgendwie wegerklären. Ein anderer ist der Meinung, die zweite Deutungsmöglichkeit sei richtig. Nach dieser Sichtweise hat Gott alles in seiner Macht Stehende bereits getan. Die Erlösung des Menschen hänge nun voll und ganz von seiner "Willensfreiheit" ab (wobei Willensfreiheit hier im kontrakausalen Sinn aufgefasst wird; s. oben). Das Raster wird konstruiert, und alles, was die Bibel über Erwählung oder Gnadenwahl zu sagen hat, wird herausgefiltert. Das Ergebnis ist, dass Gott keine echte Wahl mehr trifft, sondern bestenfalls im voraus eine Art Genehmigung erteilt. Für die dritte und die vierte Deutungsmöglichkeit könnte man ein ähnliches Vorgehen nachweisen.
Theologen haben seit langem darauf hingewiesen, dass biblische Aussagen über den Willen oder das Wollen Gottes unterschiedlich zu deuten sind. Wenn es heißt, dass Gott etwas will, ist manchmal nicht mehr gemeint als sein decretum absolutum oder Ratschluss, das heißt, sein wirkendes Vollbringen dessen, was sich ereignet. Was Gott im Himmel und auf der Erde will, das trifft ein. Er bewirkt alle Dinge in Übereinstimmung mit dem Ratschluss seines Willens. Andererseits setzt die Bibel den Willen Gottes manchmal mit seinen Wünschen gleich. So ist es der Wille Gottes, dass wir Christen heilig seien (1. Thessalonicher 4,3):
Es bedarf jedoch keiner großartigen Beobachtungsgabe, um feststellen zu können, dass der göttliche Ratschluss, das decretum absolutum, hier nicht gemeint sein kann. An anderer Stelle wiederum ist von der Zulassung Gottes die Rede, so beispielsweise dort, wo Gott dem Satan die Genehmigung erteilt, Hiob zu plagen. In ähnlicher Weise überlässt Gott Sünder ihren eigenen bösen Wegen (Römer 1,24.26.28); und in diesem Sinn ist es gemeint, wenn wir lesen, dass Gott sein Volk nicht gern bzw. nicht "von Herzen" betrübt (Klagelieder 3,33): Er lässt zwar zu, dass es geschieht, aber es entspricht nicht seinem Herzenswunsch. Weil Gott "langsam zum Zorn" und "reich an Erbarmen" ist, lässt er nur widerstrebend sein Volk leiden.
Auf die Gefahr hin, das Ganze zu vereinfachen, möchte ich dennoch folgendes feststellen: Spricht die Bibel vom Willen Gottes im Sinne seiner Allwirksamkeit oder seines Ratschlusses, so werden an der betreffenden Stelle die Transzendenz und das freie Walten Gottes in den Mittelpunkt gerückt; setzt sie jedoch den Willen Gottes mit einem - möglicherweise unerfüllten - Wunsch Gottes gleich, so stehen an dieser Stelle die Personalität Gottes sowie seine Fähigkeit, Wechselbeziehungen einzugehen, im Vordergrund."
Ich finde das Buch genial, weil es ausgewogene Kost ist. Carson hat den goldenen Mittelweg gefunden. Das gefällt mir. Es ist klar, dass der Arminianismus nicht korrekt sein kann, aber auch der Calvinismus, wenn er zum Hypercalvinismus wird, führt zu einem starren System und fehlende Lebendigkeit in der Beziehung mit Gott.
Gruß und gesegneten Sonntag
Samuel