Freier Wille und Verantwortung des Menschen
Verfasst: 13.04.2011 00:07
Ich weiß nicht, ob das Thema "Freier Wille" bereits behandelt wurde. Ansonsten würde ich das gerne in diesem Thread tun.
Wir sind uns, die wir Christen sind, alle einig, dass der Mensch verantwortlich für sein Handeln ist. Wenn ein Mensch in Sünde und Unglauben verharrt, wird er dafür gerichtet werden. Es wird eine gerechte Verurteilung sein. Nun sagen die calvinistisch-orientierten Christen, wie wohl alle Christen, dass der Mensch verantwortlich für sein Handeln ist. Aber, und hier stimmen sie nicht mit den Arminianern überein, obwohl der Mensch verantwortlich ist für seinen Unglauben, so hat er aber auch gar nicht die Fähigkeit von seinen Sünden und seinem Unglauben umzukehren. Sie lehnen es ab, dass ein Mensch einen "freien Willen" hat, durch den er sich gegen Sünde und für den Glauben an Jesus entscheiden könnte. Der Mensch ist nicht nur ein wenig unfähig, sondern völlig unfähig. Man kann das ganze auch als "Total Depravity" oder "völlige Verdorbenheit" bezeichnen, wie das TULIP so schön darstellt. Das Ruf des Heiligen Geistes und das Ziehen des Vaters allein sind es, die einen Sünder dazubringen Buße zu tun und an Jesus zu Glauben.
John MacArthur ist meiner Meinung nach kein Calvinist, aber er hat ungefähr hier eine sehr ähnliche Position.
In seiner Studienbibel kommentiert er Joh 6,44 folgendermaßen:
6,44 ihn … zieht. Vgl. V. 65. Verbindet man die Aussagen in V. 37a und V. 44, so weisen sie darauf hin, dass das göttliche Ziehen, von dem Jesus spricht, nicht auf das reduziert werden kann, was Theologen als »vorlaufender Gnade« bezeichnen. Damit ist gemeint, dass die Befugnis, zu Christus zu kommen, angeblich der ganzen Menschheit erteilt wurde, was folglich jeden befähigt, das Evangelium einzig und allein aus eigenem Willen anzunehmen oder abzulehnen. Die Schrift zeigt auf, dass der Mensch keinen »freien Willen« besitzt, da er unter die Sünde versklavt ist (totale Verderbtheit) und nicht glauben kann, ohne dass Gott ihn dazu befähigt (Röm 3,1-19; Eph 2,1-3; 2Kor 4,4; 2Tim 1,9). Während »jeder« zum Vater kommen kann, werden nur jene wirklich zu ihm kommen, denen der Vater die Fähigkeit zum Wollen gegeben hat. Das Ziehen hier ist für jene auserwählend wirksam (es erzeugt den Wunsch), die Gott in seiner Souveränität zur Errettung auserwählt hat, d.h. diejenigen, die Gott erwählt hat, werden glauben, weil der souveräne Gott dies von aller Ewigkeit her beschlossen hat (Eph 1,9-11).
"Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag."
Neulich las ich in dem interessanten Link von Benny von Irenäus Äußerungen gegen die Irrlehrer, dass Irenäus an den "freien Willen" glaubte.
Ich erlaube mir mal den etwas längeren Abschnitt des 37.Kapitels "Vom freien Willen des Menschen" zu zitieren:
37. Kapitel: Vom freien Willen des Menschen
1.
Jenes Wort: „Wie oft wollte ich versammeln deine Söhne, und du hast nicht gewollt“, weist auf das alte Gesetz von der Freiheit des Menschen hin. Denn frei hat ihn Gott im Anfang erschaffen, mit eigener Macht wie mit eigener Seele, sodaß er mit freiem Willen ohne Zwang von Seiten Gottes Gottes Einsicht folgen sollte. Denn bei Gott ist kein Zwang; gute Erkenntnis aber ist bei ihm immerzu, und deswegen gibt er auch allen guten Rat. Er legte aber in den Menschen wie in die Engel die Gewalt zu wählen, denn auch die Engel sind mit Vernunft begabt, damit die, welche ihm gehorchen würden, mit Recht das Gute besäßen, von Gott verliehen, aber von ihnen bewahrt. Die aber ihm nicht gehorchten, die werden gerechterweise nicht bei dem Guten gefunden und empfangen die verdiente Strafe. Gab ihnen doch Gott in seiner Güte das Gute; sie aber bewahrten es nicht sorgfältig, noch erachteten sie es als wertvoll, sondern verachteten die überaus große Güte. Die also das Gute fortwerfen und es gleichsam ausspeien, die werden alle verdientermaßen dem gerechten Gerichte Gottes verfallen, wie der Apostel Paulus im Römerbriefe mit den Worten bezeugt: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und Langmut, ohne zu wissen, daß die Güte Gottes zur Buße dich hinführt? Aber gemäß deiner Härte und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir den Zorn Gottes auf an dem Tage des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes. Ehre aber und Ruhm jedem, der Gutes tut“ . Gott also gab das Gute, wie auch der Apostel in diesem Briefe bezeugt, und die es tun, die werden Ehre und Ruhm erlangen, da sie das Gute getan haben, wo sie es auch nicht tun konnten; die es aber nicht tun, die werden das gerechte Gericht Gottes erdulden, weil sie das Gute nicht getan haben, wo sie es doch tun konnten.
2.
Wären von Natur die einen gut, die anderen schlecht geworden, dann wären die Guten nicht lobenswert, da sie ja so gemacht worden sind, noch jene tadelnswert, da von ihnen das Gleiche gilt. Da aber alle von der gleichen Natur und imstande sind, das Gutes sowohl an sich zu ziehen und zu tun, als auch von sich zu stoßen und nicht zu tun, so werden mit Recht bei verständigen Menschen, also vielmehr noch bei Gott, die einen gelobt und empfangen das ihrer guten Wahl und Ausdauer gebührende Zeugnis; die anderen aber werden getadelt und empfangen die gebührende Strafe, weil sie das Schöne und Gute von sich gewiesen haben. Und deshalb ermahnten auch die Propheten die Menschen, gerecht zu handeln und das Gute zu tun, wie wir vielfach gezeigt haben, weil dies in unserer Kraft steht, und weil wir durch vielfache Nachlässigkeit vergeßlich geworden sind und uns die Erkenntnis des Rechten fehlt, die uns der gute Gott durch die Propheten geben wollte.
3.
Deshalb sagte auch der Herr: „Es leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater verherrlichen, der im Himmel ist . Habet acht auf euch, daß nicht vielleicht eure Herzen beschwert werden in Rausch und Trunkenheit und weltlichen Sorgen“ . Und: „Eure Lenden seien umgürtet und eure Lampen brennend, und ihr ähnlich den Leuten, die ihren Herrn erwarten, wann er zurückkommt von der Hochzeit, damit, wann er kommt und klopft, sie ihm öffnen. Glücklich jener Knecht, den sein Herr, wann er kommt, so tun findet“ . Und andererseits: „Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt und nicht tut, wird viele Streiche bekommen“ . Und: „Was sagt ihr zu mir: „Herr, Herr, und tut nicht, was ich sage?“ Und abermals: „Wenn aber der Knecht in seinem Herzen spricht: Es zögert mein Herr, und anfängt, seine Mitknechte zu schlagen, und zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, so wird sein Herr an dem Tage kommen, wo er nicht hofft, und er wird ihn absondern und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben“ . All dies beweist, daß der Mensch frei und selbständig ist, und Gott uns mit seinem Rate nur leitet, indem er uns zum Gehorsam ermahnt und vom Unglauben hinwegführt, nicht aber mit Gewalt uns zwingt.
4.
Wenn also jemand dem Evangelium nicht folgen will, so steht es ihm frei, aber es nützt ihm nicht. Der Mensch kann sich für den Ungehorsam gegen Gott entscheiden und für den Verlust des Guten, zieht sich aber dadurch einen gewaltigen Nachteil und Schaden zu. Darum sagt Paulus: „Alles steht mir frei, aber nicht alles bringt Nutzen“ . „Alles ist erlaubt“, weist hin auf die Freiheit des Menschen, die keinem Zwange Gottes unterliegt, „es nützt aber nichts“, warnt uns, die „Freiheit zum Deckmantel der Bosheit zu mißbrauchen“ , was nichts nützt. Und wiederum sagt er: „Redet Wahrheit ein jeder mit seinem Nächsten“ . Und: „Kein, böses Wort gehe aus eurem Munde hervor, nichts Schändliches oder eitles Gerede oder Schlüpfriges, was zur Sache nicht gehört, sondern vielmehr Danksagung“ . Und: „Ihr waret nämlich einst Finsternis, nun aber Licht im Herrn, als Söhne des Lichtes wandelt ehrbar, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Schlafkammern und Lüsten, nicht in Zorn und Neid . Und dies waren einige aus euch, aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt im Namen unseres Herrn“ . Läge es also nicht in unserer Hand, dies zu tun oder nicht zu tun, welchen Grund hätte dann der Apostel und noch viel mehr der Herr selbst gehabt, uns den Rat zu geben, daß wir einiges tun, von anderem aber uns enthalten sollen? Weil jedoch der Mensch von Anfang an einen freien Willen hat, wie Gott einen freien Willen hat, nach dessen Ebenbild er erschaffen worden ist, so gibt er ihm immer den Rat, das Gute festzuhalten, welches im Gehorsam gegen Gott vollendet wird.
5.
Aber nicht nur in den Werken, sondern sogar im Glauben hat Gott die Freiheit und Selbstentscheidung des Menschen beachtet, indem er spricht: „Nach deinem Glauben möge dir geschehen“ , womit gesagt ist, daß der Glaube ebenso Eigentum des Menschen ist wie sein freier Wille. Und abermals heißt es: „Alles ist möglich dem, der da glaubt“ , und: „Gehe, wie du geglaubt hast, soll dir geschehen!“ Alle derartigen Stellen lehren, daß der Glaube von der freien Zustimmung des Menschen abhängt. Deswegen hat auch „der, welcher ihm glaubt, das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der hat nicht das ewige Leben, sondern der Zorn Gottes wird über ihm bleiben“ . In dem Sinne also erklärt der Herr das Gute für sein Eigentum und beläßt dem Menschen den freien Willen und die Selbstentscheidung, wenn er zu Jerusalem spricht: „Wie oft wollte ich deine Söhne versammeln, wie die Henne ihre Küchlein unter den Flügeln, und du hast nicht gewollt. Deshalb wird euch euer Haus öde gelassen werden“ .
6.
Die aber die gegenteilige Ansicht vertreten, stellen sich den Herrn als zu schwach vor, so daß er das nicht durchsetzen konnte, was er wollte, oder als einen, der die Natur der von ihnen sogenannten Choiker nicht kannte, da diese ja seine Unsterblichkeit nicht annehmen konnten. Aber dann hätte er weder die Engel so schaffen dürfen, daß sie sündigen konnten, noch solche Menschen, die sogleich gegen ihn undankbar wurden. Wurden diese doch mit Verstand, Unterscheidungs- und Urteilskraft begabt und waren keineswegs wie die unverständigen und leblosen Geschöpfe, die nach eigenem Willen nichts tun können, sondern mit Zwang und Notwendigkeit zum Guten gezogen werden, so daß in ihnen ein Sinn und eine Sitte ist, so daß sie, unveränderlich und urteilslos, nichts anders sein können als das, wozu sie erschaffen wurden. Dann aber wäre ihnen das Gute nicht angenehm, noch wertvoll die Gemeinschaft mit Gott, noch das Gute sehr begehrenswert, wenn es ihnen ohne eigene Tätigkeit, Sorge und Eifer zufallen, sowie ohne eigenes Zutun und mühelos verliehen würde. Dann hätten auch die Guten nichts zu bedeuten, weil sie mehr von Natur als aus eigenem Willen so geworden wären und das Gute von selbst, aber nicht aus eigener Wahl hätten, und folglich würden sie auch nicht einmal einsehen, wie schön das Gute ist, noch könnten sie es genießen; denn nur das kann man als ein Gut genießen, was man als ein Gut kennt. Welchen Ruhm aber würden sie haben, wenn sie sich darum nicht bemüht haben, und welche Krone sollte ihnen werden, wenn sie sie nicht wie die Sieger im Kampfe erlangt haben?
7.
Deswegen spricht der Herr von einem gewaltsamen Himmelreiche. „Die Gewalt anwenden“, sagt er, „reißen es an sich“ , d. h. die mit Gewalt und Kampf beständig wachen, reißen es an sich. Und deswegen sagt auch Paulus im Korintherbriefe: „Wisset ihr nicht, daß die, welche in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, daß aber nur einer den Preis erhält? So laufet, daß ihr ihn erlanget. Jeder aber, der da kämpft, ist in allem enthaltsam, jene, damit sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. Ich aber laufe so, nicht auf ein Ungewisses; ich kämpfe so, nicht als ob ich die Luft schlage, sondern ich züchtige meinen Körper und bringe ihn in Knechtschaft, damit ich nicht vielleicht, andern predigend, selbst verworfen werde“ . Als guter Streiter also ermahnt er uns zum Kampfe um die Unvergänglichkeit, damit wir gekrönt werden und die Krone als wertvoll schätzen, da sie nur durch Kampf erworben wird und nicht von selbst uns zufällt. Und je mehr sie uns durch Kampf zuteil wird, um so wertvoller ist sie; je wertvoller aber sie uns ist, um so mehr sollen wir sie immer lieben. Auf verschiedene Weise lieben wir das, was uns von selbst kommt, und das, was mit vieler Sorgfalt erst errungen wird. Weil es aber bei uns stand, Gott mehr zu lieben, hat uns der Herr gelehrt und der Apostel gezeigt, dies mit Anstrengung zu finden. Ferner würden wir auch das Gute nicht merken, wenn wir es nicht üben würden. Wäre doch auch das Sehen uns nicht so begehrenswert, wenn wir nicht wüßten, was für ein Übel es ist, nicht zu sehen. Die Gesundheit wird erst durch die Kenntnis des Krankseins wertvoll, das Licht durch den Vergleich mit der Finsternis, das Leben durch den Vergleich mit dem Tod. So ist auch das Himmelreich wertvoller, wenn man das irdische Reich kennen gelernt hat. Je wertvoller aber etwas für uns ist, um so mehr lieben wir es, und je mehr wir es lieben, um so ruhmreicher werden wir bei Gott sein. Für uns also hat der Herr alles so eingerichtet, damit wir, in allem unterrichtet, in Zukunft in allem vorsichtig seien und in aller Liebe zu ihm verharren, durch unsere Vernunft belehrt, Gott zu lieben. Denn Gott war großmütig bei dem Falle des Menschen, der Mensch aber sollte dadurch belehrt werden, wie der Prophet sagt: „Bessern soll dich dein Abfall“ . Denn alles hat Gott zur Vollendung des Menschen bestimmt und zur Durchführung und Offenbarung der Heilsordnung. So soll seine Güte sich zeigen, die Gerechtigkeit sich vollenden, die Kirche dem Bilde seines Sohnes angepaßt und der Mensch endlich einmal reif werden, indem er auf solchem Wege heranreift zur Anschauung und zum Besitz Gottes.
Nun habe ich also diese beiden Positionen in der Christenheit. Beide Positionen sind gut begründet und doch muss man sich entscheiden, welcher man glaubt. Selbst diejenigen, die an einen freien Willen glauben, werden sicherlich durch den Heiligen Geist wiedergeboren sein und auch diejenigen welche nur die Pflicht des Geschöpfes sehen das Evangelium anzunehmen, aber auch dessen Unfähigkeit, werden durch ihren Glauben an Jesus vor dem künftigen Zorn gerettet.
Wie findet ihr die Argumentation von Irenäus? Weiß jemand, ob seine Position damals von seinem Umfeld akzeptiert wurde?
Grüße und Segen
Samuel
Wir sind uns, die wir Christen sind, alle einig, dass der Mensch verantwortlich für sein Handeln ist. Wenn ein Mensch in Sünde und Unglauben verharrt, wird er dafür gerichtet werden. Es wird eine gerechte Verurteilung sein. Nun sagen die calvinistisch-orientierten Christen, wie wohl alle Christen, dass der Mensch verantwortlich für sein Handeln ist. Aber, und hier stimmen sie nicht mit den Arminianern überein, obwohl der Mensch verantwortlich ist für seinen Unglauben, so hat er aber auch gar nicht die Fähigkeit von seinen Sünden und seinem Unglauben umzukehren. Sie lehnen es ab, dass ein Mensch einen "freien Willen" hat, durch den er sich gegen Sünde und für den Glauben an Jesus entscheiden könnte. Der Mensch ist nicht nur ein wenig unfähig, sondern völlig unfähig. Man kann das ganze auch als "Total Depravity" oder "völlige Verdorbenheit" bezeichnen, wie das TULIP so schön darstellt. Das Ruf des Heiligen Geistes und das Ziehen des Vaters allein sind es, die einen Sünder dazubringen Buße zu tun und an Jesus zu Glauben.
John MacArthur ist meiner Meinung nach kein Calvinist, aber er hat ungefähr hier eine sehr ähnliche Position.
In seiner Studienbibel kommentiert er Joh 6,44 folgendermaßen:
6,44 ihn … zieht. Vgl. V. 65. Verbindet man die Aussagen in V. 37a und V. 44, so weisen sie darauf hin, dass das göttliche Ziehen, von dem Jesus spricht, nicht auf das reduziert werden kann, was Theologen als »vorlaufender Gnade« bezeichnen. Damit ist gemeint, dass die Befugnis, zu Christus zu kommen, angeblich der ganzen Menschheit erteilt wurde, was folglich jeden befähigt, das Evangelium einzig und allein aus eigenem Willen anzunehmen oder abzulehnen. Die Schrift zeigt auf, dass der Mensch keinen »freien Willen« besitzt, da er unter die Sünde versklavt ist (totale Verderbtheit) und nicht glauben kann, ohne dass Gott ihn dazu befähigt (Röm 3,1-19; Eph 2,1-3; 2Kor 4,4; 2Tim 1,9). Während »jeder« zum Vater kommen kann, werden nur jene wirklich zu ihm kommen, denen der Vater die Fähigkeit zum Wollen gegeben hat. Das Ziehen hier ist für jene auserwählend wirksam (es erzeugt den Wunsch), die Gott in seiner Souveränität zur Errettung auserwählt hat, d.h. diejenigen, die Gott erwählt hat, werden glauben, weil der souveräne Gott dies von aller Ewigkeit her beschlossen hat (Eph 1,9-11).
"Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag."
Neulich las ich in dem interessanten Link von Benny von Irenäus Äußerungen gegen die Irrlehrer, dass Irenäus an den "freien Willen" glaubte.
Ich erlaube mir mal den etwas längeren Abschnitt des 37.Kapitels "Vom freien Willen des Menschen" zu zitieren:
37. Kapitel: Vom freien Willen des Menschen
1.
Jenes Wort: „Wie oft wollte ich versammeln deine Söhne, und du hast nicht gewollt“, weist auf das alte Gesetz von der Freiheit des Menschen hin. Denn frei hat ihn Gott im Anfang erschaffen, mit eigener Macht wie mit eigener Seele, sodaß er mit freiem Willen ohne Zwang von Seiten Gottes Gottes Einsicht folgen sollte. Denn bei Gott ist kein Zwang; gute Erkenntnis aber ist bei ihm immerzu, und deswegen gibt er auch allen guten Rat. Er legte aber in den Menschen wie in die Engel die Gewalt zu wählen, denn auch die Engel sind mit Vernunft begabt, damit die, welche ihm gehorchen würden, mit Recht das Gute besäßen, von Gott verliehen, aber von ihnen bewahrt. Die aber ihm nicht gehorchten, die werden gerechterweise nicht bei dem Guten gefunden und empfangen die verdiente Strafe. Gab ihnen doch Gott in seiner Güte das Gute; sie aber bewahrten es nicht sorgfältig, noch erachteten sie es als wertvoll, sondern verachteten die überaus große Güte. Die also das Gute fortwerfen und es gleichsam ausspeien, die werden alle verdientermaßen dem gerechten Gerichte Gottes verfallen, wie der Apostel Paulus im Römerbriefe mit den Worten bezeugt: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte und Geduld und Langmut, ohne zu wissen, daß die Güte Gottes zur Buße dich hinführt? Aber gemäß deiner Härte und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir den Zorn Gottes auf an dem Tage des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes. Ehre aber und Ruhm jedem, der Gutes tut“ . Gott also gab das Gute, wie auch der Apostel in diesem Briefe bezeugt, und die es tun, die werden Ehre und Ruhm erlangen, da sie das Gute getan haben, wo sie es auch nicht tun konnten; die es aber nicht tun, die werden das gerechte Gericht Gottes erdulden, weil sie das Gute nicht getan haben, wo sie es doch tun konnten.
2.
Wären von Natur die einen gut, die anderen schlecht geworden, dann wären die Guten nicht lobenswert, da sie ja so gemacht worden sind, noch jene tadelnswert, da von ihnen das Gleiche gilt. Da aber alle von der gleichen Natur und imstande sind, das Gutes sowohl an sich zu ziehen und zu tun, als auch von sich zu stoßen und nicht zu tun, so werden mit Recht bei verständigen Menschen, also vielmehr noch bei Gott, die einen gelobt und empfangen das ihrer guten Wahl und Ausdauer gebührende Zeugnis; die anderen aber werden getadelt und empfangen die gebührende Strafe, weil sie das Schöne und Gute von sich gewiesen haben. Und deshalb ermahnten auch die Propheten die Menschen, gerecht zu handeln und das Gute zu tun, wie wir vielfach gezeigt haben, weil dies in unserer Kraft steht, und weil wir durch vielfache Nachlässigkeit vergeßlich geworden sind und uns die Erkenntnis des Rechten fehlt, die uns der gute Gott durch die Propheten geben wollte.
3.
Deshalb sagte auch der Herr: „Es leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater verherrlichen, der im Himmel ist . Habet acht auf euch, daß nicht vielleicht eure Herzen beschwert werden in Rausch und Trunkenheit und weltlichen Sorgen“ . Und: „Eure Lenden seien umgürtet und eure Lampen brennend, und ihr ähnlich den Leuten, die ihren Herrn erwarten, wann er zurückkommt von der Hochzeit, damit, wann er kommt und klopft, sie ihm öffnen. Glücklich jener Knecht, den sein Herr, wann er kommt, so tun findet“ . Und andererseits: „Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt und nicht tut, wird viele Streiche bekommen“ . Und: „Was sagt ihr zu mir: „Herr, Herr, und tut nicht, was ich sage?“ Und abermals: „Wenn aber der Knecht in seinem Herzen spricht: Es zögert mein Herr, und anfängt, seine Mitknechte zu schlagen, und zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, so wird sein Herr an dem Tage kommen, wo er nicht hofft, und er wird ihn absondern und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben“ . All dies beweist, daß der Mensch frei und selbständig ist, und Gott uns mit seinem Rate nur leitet, indem er uns zum Gehorsam ermahnt und vom Unglauben hinwegführt, nicht aber mit Gewalt uns zwingt.
4.
Wenn also jemand dem Evangelium nicht folgen will, so steht es ihm frei, aber es nützt ihm nicht. Der Mensch kann sich für den Ungehorsam gegen Gott entscheiden und für den Verlust des Guten, zieht sich aber dadurch einen gewaltigen Nachteil und Schaden zu. Darum sagt Paulus: „Alles steht mir frei, aber nicht alles bringt Nutzen“ . „Alles ist erlaubt“, weist hin auf die Freiheit des Menschen, die keinem Zwange Gottes unterliegt, „es nützt aber nichts“, warnt uns, die „Freiheit zum Deckmantel der Bosheit zu mißbrauchen“ , was nichts nützt. Und wiederum sagt er: „Redet Wahrheit ein jeder mit seinem Nächsten“ . Und: „Kein, böses Wort gehe aus eurem Munde hervor, nichts Schändliches oder eitles Gerede oder Schlüpfriges, was zur Sache nicht gehört, sondern vielmehr Danksagung“ . Und: „Ihr waret nämlich einst Finsternis, nun aber Licht im Herrn, als Söhne des Lichtes wandelt ehrbar, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Schlafkammern und Lüsten, nicht in Zorn und Neid . Und dies waren einige aus euch, aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt im Namen unseres Herrn“ . Läge es also nicht in unserer Hand, dies zu tun oder nicht zu tun, welchen Grund hätte dann der Apostel und noch viel mehr der Herr selbst gehabt, uns den Rat zu geben, daß wir einiges tun, von anderem aber uns enthalten sollen? Weil jedoch der Mensch von Anfang an einen freien Willen hat, wie Gott einen freien Willen hat, nach dessen Ebenbild er erschaffen worden ist, so gibt er ihm immer den Rat, das Gute festzuhalten, welches im Gehorsam gegen Gott vollendet wird.
5.
Aber nicht nur in den Werken, sondern sogar im Glauben hat Gott die Freiheit und Selbstentscheidung des Menschen beachtet, indem er spricht: „Nach deinem Glauben möge dir geschehen“ , womit gesagt ist, daß der Glaube ebenso Eigentum des Menschen ist wie sein freier Wille. Und abermals heißt es: „Alles ist möglich dem, der da glaubt“ , und: „Gehe, wie du geglaubt hast, soll dir geschehen!“ Alle derartigen Stellen lehren, daß der Glaube von der freien Zustimmung des Menschen abhängt. Deswegen hat auch „der, welcher ihm glaubt, das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der hat nicht das ewige Leben, sondern der Zorn Gottes wird über ihm bleiben“ . In dem Sinne also erklärt der Herr das Gute für sein Eigentum und beläßt dem Menschen den freien Willen und die Selbstentscheidung, wenn er zu Jerusalem spricht: „Wie oft wollte ich deine Söhne versammeln, wie die Henne ihre Küchlein unter den Flügeln, und du hast nicht gewollt. Deshalb wird euch euer Haus öde gelassen werden“ .
6.
Die aber die gegenteilige Ansicht vertreten, stellen sich den Herrn als zu schwach vor, so daß er das nicht durchsetzen konnte, was er wollte, oder als einen, der die Natur der von ihnen sogenannten Choiker nicht kannte, da diese ja seine Unsterblichkeit nicht annehmen konnten. Aber dann hätte er weder die Engel so schaffen dürfen, daß sie sündigen konnten, noch solche Menschen, die sogleich gegen ihn undankbar wurden. Wurden diese doch mit Verstand, Unterscheidungs- und Urteilskraft begabt und waren keineswegs wie die unverständigen und leblosen Geschöpfe, die nach eigenem Willen nichts tun können, sondern mit Zwang und Notwendigkeit zum Guten gezogen werden, so daß in ihnen ein Sinn und eine Sitte ist, so daß sie, unveränderlich und urteilslos, nichts anders sein können als das, wozu sie erschaffen wurden. Dann aber wäre ihnen das Gute nicht angenehm, noch wertvoll die Gemeinschaft mit Gott, noch das Gute sehr begehrenswert, wenn es ihnen ohne eigene Tätigkeit, Sorge und Eifer zufallen, sowie ohne eigenes Zutun und mühelos verliehen würde. Dann hätten auch die Guten nichts zu bedeuten, weil sie mehr von Natur als aus eigenem Willen so geworden wären und das Gute von selbst, aber nicht aus eigener Wahl hätten, und folglich würden sie auch nicht einmal einsehen, wie schön das Gute ist, noch könnten sie es genießen; denn nur das kann man als ein Gut genießen, was man als ein Gut kennt. Welchen Ruhm aber würden sie haben, wenn sie sich darum nicht bemüht haben, und welche Krone sollte ihnen werden, wenn sie sie nicht wie die Sieger im Kampfe erlangt haben?
7.
Deswegen spricht der Herr von einem gewaltsamen Himmelreiche. „Die Gewalt anwenden“, sagt er, „reißen es an sich“ , d. h. die mit Gewalt und Kampf beständig wachen, reißen es an sich. Und deswegen sagt auch Paulus im Korintherbriefe: „Wisset ihr nicht, daß die, welche in der Rennbahn laufen, zwar alle laufen, daß aber nur einer den Preis erhält? So laufet, daß ihr ihn erlanget. Jeder aber, der da kämpft, ist in allem enthaltsam, jene, damit sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche. Ich aber laufe so, nicht auf ein Ungewisses; ich kämpfe so, nicht als ob ich die Luft schlage, sondern ich züchtige meinen Körper und bringe ihn in Knechtschaft, damit ich nicht vielleicht, andern predigend, selbst verworfen werde“ . Als guter Streiter also ermahnt er uns zum Kampfe um die Unvergänglichkeit, damit wir gekrönt werden und die Krone als wertvoll schätzen, da sie nur durch Kampf erworben wird und nicht von selbst uns zufällt. Und je mehr sie uns durch Kampf zuteil wird, um so wertvoller ist sie; je wertvoller aber sie uns ist, um so mehr sollen wir sie immer lieben. Auf verschiedene Weise lieben wir das, was uns von selbst kommt, und das, was mit vieler Sorgfalt erst errungen wird. Weil es aber bei uns stand, Gott mehr zu lieben, hat uns der Herr gelehrt und der Apostel gezeigt, dies mit Anstrengung zu finden. Ferner würden wir auch das Gute nicht merken, wenn wir es nicht üben würden. Wäre doch auch das Sehen uns nicht so begehrenswert, wenn wir nicht wüßten, was für ein Übel es ist, nicht zu sehen. Die Gesundheit wird erst durch die Kenntnis des Krankseins wertvoll, das Licht durch den Vergleich mit der Finsternis, das Leben durch den Vergleich mit dem Tod. So ist auch das Himmelreich wertvoller, wenn man das irdische Reich kennen gelernt hat. Je wertvoller aber etwas für uns ist, um so mehr lieben wir es, und je mehr wir es lieben, um so ruhmreicher werden wir bei Gott sein. Für uns also hat der Herr alles so eingerichtet, damit wir, in allem unterrichtet, in Zukunft in allem vorsichtig seien und in aller Liebe zu ihm verharren, durch unsere Vernunft belehrt, Gott zu lieben. Denn Gott war großmütig bei dem Falle des Menschen, der Mensch aber sollte dadurch belehrt werden, wie der Prophet sagt: „Bessern soll dich dein Abfall“ . Denn alles hat Gott zur Vollendung des Menschen bestimmt und zur Durchführung und Offenbarung der Heilsordnung. So soll seine Güte sich zeigen, die Gerechtigkeit sich vollenden, die Kirche dem Bilde seines Sohnes angepaßt und der Mensch endlich einmal reif werden, indem er auf solchem Wege heranreift zur Anschauung und zum Besitz Gottes.
Nun habe ich also diese beiden Positionen in der Christenheit. Beide Positionen sind gut begründet und doch muss man sich entscheiden, welcher man glaubt. Selbst diejenigen, die an einen freien Willen glauben, werden sicherlich durch den Heiligen Geist wiedergeboren sein und auch diejenigen welche nur die Pflicht des Geschöpfes sehen das Evangelium anzunehmen, aber auch dessen Unfähigkeit, werden durch ihren Glauben an Jesus vor dem künftigen Zorn gerettet.
Wie findet ihr die Argumentation von Irenäus? Weiß jemand, ob seine Position damals von seinem Umfeld akzeptiert wurde?
Grüße und Segen
Samuel