Herzlich willkommen im Forum! Deine Situation kommt mir sehr bekannt vor. Wichtig ist, dass man nicht bitter gegen die Menschen wird und sie trotzdem annimmt wie sie sind, auch wenn sie andere Dinge glauben als man selbst. Das heißt nicht, dass man nicht über diese Dinge diskutieren darf (sollte man sogar!), allerdings ist (gerade wenn man mit den reformierten Lehren neu anfängt) es wichtig, dass man in der persönlichen Haltung und im Ton der Diskussion nicht in böse Neigungen fällt. Wenn man die Souveränität Gottes wirklich ernst nimmt, dann gibt es keinen Grund stolz auf irgendwelchen Erkenntniszuwachs zu sein. Man sieht Dinge, die einem ganz klar und offensichtlich sind, anderen aber nicht und da steckt immer die Versuchung mit drin, sich für etwas besseres zu halten. Aber es ist ALLES Gnade.
Ich kenne deine genaue Gemeindesituation ja nicht, aber prinzipiell bin ich davon überzeugt, dass wenn Christenverfolgung ausbricht, es nicht einfach nur um bestimmte Lehrsätze geht (so wichtig sie auch sind), sondern dass der oberste Lehrsatz alle Christen, ob reformiert oder nicht, in die Verfolgung bringt, nämlich das Bekenntnis, dass es in keinem anderen Namen das Heil gibt, als in Jesus Christus und die elementarsten Dinge, die dazu gehören.
Jetzt zum Thema. Gott IST ausschließlich gut.
1. Joh 1,5 "Und dies ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: dass Gott Licht ist, und gar keine Finsternis in ihm ist."
Lk 18,19 "Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott."
Gott ist der Maßstab dafür was gut ist und was nicht, deshalb dürfen wir ihm nie die moralische Verantwortung für Sünde geben. Jakobus stellt auch unmissverständlich dar, dass bspw. unsere Sünde aus unserem bösen Herzen kommt und niemals Gott die Schuld gegeben werden kann, weil Gott absolut gut ist (Jak 1,13-18).
Wenn man also davon spricht, dass Gott die Sünde nicht verursacht, sondern zulässt ist man schonmal auf einem guten Weg. Nun gibt es auch eine zweite Seite. Gott wird uns in der Bibel als der ultimative Herrscher über alle Dinge vorgestellt. Alles was geschieht, geschieht durch den Ratschluss Gottes (Eph 1,11). In diesem Ratschluss sind auch unsere Sünden mit enthalten. Gott ist kein Zuschauer in einer von ihm unabhängigen Welt, sondern diese Welt läuft wie er es will. Hier wird der Unterschied zwischen dem biblischen Gott und einem unpersönlichen Schicksalsglauben sehr deutlich. Schicksal - was auch immer das sein soll - hat einfach alles gleichermaßen festgelegt. Gott können wir diese Art der Vorherbestimmung nicht zuschreiben, weil er (wie oben angedeutet) nicht sündigt. Sein Herz ist durch und durch gut, deshalb kann er einem Menschen bspw. keine bösen Gedanken eingeben, wie wenn er einem Christen gute Gedanken eingibt. Wenn es um Gnade geht, ist Gott auf eine andere Weise involviert, als wenn es um Sünde geht. Gnade ist etwas, was Gott uns direkt eingibt, Sünde ist etwas, was er zulässt und aus uns entspringt, wobei das Zulassen nicht so verstanden werden darf, als ob die Sünde nicht in seinem Plan enthalten wäre, sondern es bezieht sich auf die Art und Weise, wie er den Plan durchführt, nämlich anders als im Bezug zur Gnade. "Zulassen" wurde und wird oft leider so verstanden, dass Gott die Sünde gar nicht in seinem Ratschluss enthalten hatte, sondern durch Hellseherei darüber bescheid weiß und sich entsprechend dazu entscheidet sie zuzulassen. Gegen diese Art von Zulassen hat sich bspw. Calvin gewandt (siehe weiter unten).
Es gibt drei Möglichkeiten, wie man mit der Spannung in diesem Thema umgeht:
1) Man erhebt den freien Willen des Menschen überproportional zur Souveränität Gottes, als ob die Sünde nicht Teil seines Ratschlusses wäre und er sich notgedrungen dem Menschen bzw. Satan anpassen müsste.
2) Man erhebt die Souveränität Gottes überproportional gegenüber die Verantwortung des Menschen und macht Gott zum Urheber der Sünde, was auch keine Option sein darf.
3) Man erinnert sich in Not daran, dass alle Sünde im Ratschluss Gottes eingeschlossen ist und seinen Erwählten zum Besten dient und wenn es ums Ermahnen geht, dann appelliert man an die persönliche Verantwortung des Einzelnen vor Gott. Man lässt dann einfach die klaren biblischen Lehren, so wie sie uns präsentiert werden, spielt keine der beiden gegeneinander aus, sondern verwendet sie für die Zwecke, für die sie uns gegeben wurden und betet Gott für seine Größe und Macht an, die über unseren Verstand hinaus gehen.
Dieses Gleichgewicht findet man auch in den alten Bekenntnissen. Gottes unumschränkte Souveränität und Herrschaft in allen Dingen, aber auch seine absolute moralische Verantwortungslosigkeit für Sünde und die menschliche Verantwortung und Ungerechtigkeit müssen immer gleich hoch gehalten werden.
Wie genau das Böse in Satans Herz gekommen ist kann man nicht wissen, weil die Bibel sich hier in Schweigen hüllt. Wichtig ist, dass wir wissen, dass sein Herz böse ist, gegen Gott und seine Heiligen gerichtet, und auch wenn er stark ist, kann er gegen Gott niemals siegen sondern wird ihn am Ende mit seinen Taten nur noch mehr verherrlichen, weil Gott es zum Guten verwendet hat.
Hier gibt es das baptistische Glaubensbekenntnis von 1689. Das 3. Kapitel beschäftigt sich in kurzer Form mit dem Ratschluss Gottes und formuliert darin die beiden Seiten der Wahrheit ohne die eine Seite gegen die andere auszuspielen. Im letzten Artikel heißt es:
Die Lehre dieses großen Geheimnisses der Erwählung
muss mit besonderer Vorsicht und Sorgfalt behandelt werden,
damit diejenigen, die den in Gottes Wort geoffenbarten Willen
Gottes beachten und ihm gehorchen, im Blick auf die Gewiss-
heit ihrer wirksamen Berufung ihrer ewigen Erwählung gewiss
sein können.18 So soll diese Lehre zum Lob,19 zur Verehrung
und zur Bewunderung Gottes führen sowie zu Demut,20 Fleiß
und reichlichem Trost für alle, die aufrichtig dem Evangelium
gehorchen.21
18. 1Thess 1,4-5; 2Petr 1,10.
19. Eph 1,6; Röm 11,33.
20. Röm 11,5-6.
21. Lk 10,20.
"Vom unfreien Willen" von Luther sollte jeder mal gelesen haben. Über google sollte man den Text recht schnell finden. Ansonsten gibts in der Institutio auch viel zum Thema. Z.B.:
II,4,2
Ganz anders verhält es sich in solchen Fällen mit dem göttlichen Wirken. Um dies deutlicher gewahren zu können, wollen wir die Not ins Auge fassen, die dem heiligen Manne Hiob von Seiten der Chaldäer zustieß. Die Chaldäer erschlugen seine Hirten und raubten ihm mit Gewalt seine Herde. Ihre Übeltat liegt offen zu tage. Aber auch der Satan ist bei diesem Werke nicht müßig, ja von ihm geht nach der Erzählung das alles aus. Hiob selbst aber erkennt darin das Werk des Herrn und sagt, er habe ihm genommen, was doch von den Chaldäern geraubt worden war! Wie sollen wir für die nämliche Tat Gott, den Satan und den Menschen als den Urheber ansehen, ohne den Satan damit zu entschuldigen, daß doch auch Gott beteiligt sei, oder aber Gott zum Urheber des Bösen zu erklären? Das ist leicht, wenn wir zunächst auf die Absicht der Handlung achten und dann auf die Art der Ausführung. Der Ratschluß des Herrn geht darauf hinaus, seinen Knecht durch die Not in der Geduld zu üben. Der Satan bemüht sich, ihn zur Verzweiflung zu bringen. Und die Chaldäer möchten fremdes Gut wider alles Recht vor Gott und Menschen an sich reißen. Eine so große Verschiedenheit der Absichten trägt nun auch tiefe Unterschiede in das Werk selbst hinein. Nicht geringer ist daher auch die Verschiedenheit in der Art der Ausführung. Der Herr liefert seinen Knecht dem Satan aus, daß er ihn plage; er übergibt dem Satan auch die Chaldäer, die er als Diener zu solchem Werk bestimmt hatte, damit er sie dazu treibe. Der Satan dagegen bringt mit seinem giftigen Stachel das böse Wesen der Chaldäer dazu, diese Untat zu vollbringen. Und die Chaldäer rennen wild ins Unrecht hinein, verstricken und beflecken sich an Leib und Seele mit Bosheit. Man kann deshalb recht eigentlich sagen: In den Verworfenen wirkt der Satan; denn in ihnen übt er ja seine Herrschaft, also das Regiment der Bosheit aus. Man kann aber auch sagen: hier handelt Gott; denn der Satan selber ist ja das Werkzeug seines Zorns und wendet sich nach seinem Wink und Befehl bald hierhin, bald dort hin, um seine gerechten Gerichte zu vollstrecken. Dabei sehe ich hier von der all gemeinen Regierung Gottes ab, die alle Geschöpfe hebt und trägt und ihnen Kräfte zum Wirken verleiht. Ich rede nur von der besonderen Wirksam keit, die in jeder einzelnen Tat sich zeigt. Es ist also, wie wir bemerken, gar nicht widersinnig, wenn die gleiche Tat Gott, dem Satan und dem Menschen zugeschrieben wird; aber die Verschiedenheit in Absicht und Ausführung bewirkt doch, daß hier Gottes Gerechtigkeit unbescholten in Ehren bleibt und anderseits die Verworfenheit des Satans und des Menschen sich zu ihrer eigenen Schande kundtut.
II,4,3
Die alten Kirchenlehrer haben in allzu großer Zurückhaltung zuweilen Scheu, in diesem Stück die Wahrheit [dass Gott Menschen verhärtet] schlicht zu bekennen; sie möchten eben nicht der Gottlosigkeit Raum geben, ehrfurchtslos von Gottes Werken zu reden. Diese Bescheidenheit halte ich in allen Ehren; aber ich bin doch der Überzeugung, daß keine Gefahr besteht, wenn wir nur schlicht festhalten, was die Schrift uns sagt. Selbst Augustin ist von jener abergläubischen Furcht zuweilen nicht frei; so sagt er zum Beispiel, Verstockung und Verblendung des Menschen gehörten nicht zum tätigen Wirken Gottes, sondern zu seinem Vorherwissen (Von der Prädestination und der Gnade, 5). Aber derartigen Spitzfindigkeiten widerstehen viele Stellen der Schrift, die zeigen, daß Gott hier anders wirksam ist als bloß mit seinem Vorherwissen! Auch Augustin selber vertritt im fünften Buche der Schrift gegen Julian in langer Ausführung den Satz, die Sünde geschehe nicht nur mit Gottes Zulassung und unter seiner Geduld, sondern unter seiner Machtwirkung, nämlich zur Strafe für die früheren Sünden. Was man dann in gleicher Absicht von der "Zulassung" Gottes redet, ist zu gehaltlos, um bestehen zu können. Denn wir hören doch sehr oft, daß Gott die Verworfenen verblendet und verstockt, daß er ihr Herz wendet, leitet und antreibt — wie ich das oben ausführlicher dargelegt habe. Man wird aber nie klarmachen können, um was es sich da handelt, wenn man seine Zuflucht zu Wörtern wie "Vorherwissen" oder "Zulassung" nimmt. Wir antworten also, daß dies (das Verblenden und Verstocken der Verworfenen) auf zweierlei Weise geschehe. Zunächst: Nimmt Gott sein Licht weg, so bleibt um uns nichts als Finsternis und in uns nur Blindheit! Zieht er seinen Geist zurück, so wird unser Herz hart wie Stein. Hört seine Führung auf, so verwirrt und verirrt es sich. Wenn er also einem Menschen das Vermögen nimmt, zu sehen, zu gehorchen und das Rechte zu tun, so kann man mit Recht sagen, er verblende, er verstockt, er bringe ihn vom rechten Wege ab! Das Zweite kommt dem eigentlichen Sinn der genannten Worte noch näher: Gott lenkt, um seine Gerichte zu vollstrecken, durch den Satan, den Diener seines Zorns, der Verworfenen Ratschlüsse nach seinem Wohlgefallen, erweckt ihre Entschlüsse und bekräftigt sie in der Tat. So berichtet auch Mose, der König Sihon habe das Volk nicht durch sein Land ziehen lassen, weil Gott seinen Geist verhärtet und sein Herz verstockt hatte; dann fügt er als Absicht bei diesem Ratschluß hinzu: "Um ihn in eure Hände zu geben" (Deut. 2,30). Gott wollte ihn also verderben, und deshalb war die Halsstarrigkeit seines Herzens Gottes Vorbereitung zu seinem Untergang.
III,23,8
Hier nimmt man nun seine Zuflucht zu der Unterscheidung zwischen Willen und Zulassung; danach will man erreichen, daß die Gottlosen nur unter Gottes Zulassung, nicht aber nach seinem Willen verlorengehen. Aber was wollen wir sagen: aus welchem anderen Grunde soll er denn etwas zulassen, als - weil er es will? Freilich ist es nicht einmal an sich einzusehen, daß der Mensch sich das Verderben allein unter Gottes Zulassung und ohne seine Anordnung zugezogen habe. Als ob Gott nicht fest beschlossen hätte, in welcher Stellung nach seinem Willen die vornehmste unter seinen Kreaturen sich befinden sollte! Ich trage also keine Bedenken, mit Augustin einfach zu bekennen, daß Gottes Wille die Notwendigkeit der Dinge ist (Von der Genesis IV,15,26), und daß, was er will, notwendig eintreten wird, wie ja auch alles wirklich geschehen wird, was er vorausgesehen hat!
Wenn nun aber die Pelagianer oder die Manichäer oder die Wiedertäufer oder die Epikuräer - denn mit diesen vier Sekten haben wir es bei dieser Erörterung zu tun! - zu ihrer und der Gottlosen Entschuldigung auf die „Notwendigkeit“ verweisen, kraft deren sie durch Gottes Vorbestimmung gezwungen würden, so bringen sie nichts vor, was zu dieser Sache geeignet ist. Denn die Vorbestimmung ist doch nichts anderes als die Austeilung der zwar verborgenen, aber unbeschuldbaren göttlichen Gerechtigkeit. Weil es nun aber sicher ist, daß die, welche zu solchem Geschick (nämlich zum Verderben) vorbestimmt wurden, dessen nicht unwürdig waren, so ergibt sich: es ist ebenso sicher, daß das Verderben, dem sie kraft der Vorbestimmung unterworfen sind, völlig gerecht ist! Außerdem ist ihr Verlorengehen von Gottes Vorbestimmung in der Weise abhängig, daß sich doch die Ursache und Begründung dazu in ihnen selbst finden! Der erste Mensch ist nämlich gefallen, weil Gott es für nützlich hielt; warum er es dafür hielt, ist uns nicht bekannt. Dennoch ist es sicher, daß er es aus keinem anderen Grund getan hat, als weil er sah, daß so die Ehre seines Namens mit Recht verherrlicht würde. Wo du aber Gottes Ehre nennen hörst, da denke auch an seine Gerechtigkeit. Denn das, was Lobpreis verdient, muß gerecht sein! Der Mensch kommt also zu Fall, weil Gottes Vorsehung es so ordnet - aber er fällt durch seine eigene Schuld! Kurz zuvor hatte der Herr kundgetan, alles, was er gemacht hatte, sei „sehr gut“ (Gen. 1,31). Woher kommt denn dem Menschen solche Bosheit, daß er von seinem Gott abfällt? Es sollte niemand meinen, sie stamme aus der Schöpfung; deshalb hatte Gott das, was von ihm selbst ausgegangen war, durch eigenen Lobspruch gutgeheißen. Der Mensch hat also in eigener Bosheit die reine Natur verderbt, die er von dem Herrn empfangen hatte und zog durch seinen Fall auch seine ganze Nachkommenschaft mit sich ins Verderben! Deshalb sollen wir an der verderbten Natur des Menschengeschlechts die offenkundige Ursache der Verdammnis anschauen, die uns naher liegt - statt eine verborgene und tiefst unbegreifliche in Gottes Vorbestimmung zu suchen! Wir wollen es uns auch nicht verdrießen lassen, unseren Verstand Gottes unermeßlicher Weisheit so gar zu unterwerfen, daß er unter ihren vielen Geheimnissen zusammenbricht! Denn gegenüber dem, was zu wissen uns nicht gegeben ist und nicht gebührt, ist Nichtwissen etwas Gelehrtes, Trachten nach Wissen aber eine Art Wahnsinn!