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Gesetzlichkeit versus Freiheit des Fleisches

Verfasst: 21.06.2011 19:21
von Joschie
Hallo Ihr!
Ich habe den Eindruck das sich zurzeit die Nachrichten über die Aufgabe von biblischen Grundlehren und ethischen Normen häufen.Der klassisch Antinomismus, hat, als Aussage das für einen Christen das alttestamentarische Gesetz keine Gültigkeit mehr hat.Einige neue Bewegungen gehen weiter für sie gibt es keine Feststehenden biblischen Lehren und auch dadurch keine ethischen Normen mehr.Diese Dinge sind relativ leicht erkennbar und werden zu Recht benannt.Die Medaille hat auch eine zweite Seite, die selten so meine Wahrnehmung benannt wird.Das ist die Gesetzlichkeit, die es in vielen Gemeinden gibt in versteckter oder offener Form.Spricht man jemand in der Gemeinde darauf an bekommt sehr oft die Antwort wir die Gemeinde sind nicht gesetzlich aber die anderen sind es, so habe ich es oft erlebt.Die lehrmäßige Ausrichtung der Gemeinde spielt da keine Rolle.Es wird da ein ungeheuer großer Druck auf die Geschwister aufgebaut, woran viele zerbrechen!Ich fand den folgenden Beitrag zu diesem Thema sehr gut.

:arrow: Gesetzlichkeit versus Freiheit des Fleisches

:arrow: Die feine Linie zwischen Gesetzlichkeit und Fleischlichkeit




Es gibt zwei Extreme, in die die Heiligen in ihrer Nachfolge fallen können: Gesetzlichkeit oder Freiheit des Fleisches. Beide Extreme versetzen unserem Zeugnis und unserer Gemeinschaft mit Jesus den Todesstoß.

Es scheint, als ob die Mehrzahl der Gemeinden an dem einen oder anderen Extrem angesiedelt ist. Das eine ist eine Reaktion – oder sollte ich sagen Überreaktion – auf das andere. Es ist ein schmaler Grat, den man gehen muss, will man die Balance zwischen beiden Extremen halten.

In den 1970er/1980er Jahren wurde eine Bewegung populär, die als Jüngerschaftsbewegung (discipleship movement) bekannt wurde. Diejenigen, die den Irrtum in ihr erkannten, bezeichneten sie zu Recht als Shepherding-Bewegung (shepherding: Schafe-Hüten). Überall entstanden solche Gruppen, die von starken Leitern geführt wurden, die ihre Mitglieder unterdrückten, indem sie die Unterordnung der Schafe unter die Kontrolle ihrer Hirten und deren Ältesten forderten.

Zu den Gruppierungen, die diese drückende, gesetzliche Herrschaft über Menschen praktizierten, gehörten The Walk, The Church of Bible Understanding,The Boston Church of Christ und Faith Tabernacle, um einige zu nennen [in Deutschland hielt dies Gedankengut vor allem in charismatischen Kreisen Einzug]. Die Ursprünge dieser Bewegung liegen bei den „Florida Five,“ denen Derek Prince, Bob Mumford, Don Basham, Charles Simpson und Ern Baxter angehörten. Mumford und Baxter entschuldigten sich Jahre später für ihre Aktivitäten, aber der Preis, den viele dafür zahlten, war äußerst hoch [Derek Prince entschuldigte sich ebenfalls und distanzierte sich von dieser Lehre, Anmerk. des Übersetzers].

Das Buch Shepherds & Sheep: A Biblical View of Leading & Following (brit. Ausgabe: Freedom and Discipleship) erschien im Jahre 1983, um die Irrtümer der Shepherding-Bewegung aufzuzeigen und die Heiligen mit einer biblischen Sichtweise von Leiterschaft auszurüsten. Das Buch, das von Jerram Barrs, einem Absolventen des Covenant Theological Seminary und Co-Direktor der L’Abri Fellowship in England, geschrieben wurde, bleibt bis heute eines der besten Quellen, um gesetzliche Leiter zu konfrontieren.

Barrs definiert auf Seite 21 Gesetzlichkeit als „die Errichtung einer rigiden Liste, was Evangelikale tun und nicht tun dürfen. Auf der einen Seite sind die Dinge, die man nicht tun darf: man darf nicht trinken, rauchen, tanzen, ins Kino gehen, Karten spielen… Auf der anderen Seite sind die Dinge, die man tun muss: man muss gewisse Kleidung tragen, gewisse Versammlungen besuchen, nach außen den Eindruck von Geistlichkeit erwecken. Das Problem damit ist, dass wir verwirrt werden, was Spiritualität angeht: es könnte der Eindruck bei uns entstehen, dass wir wahrhaft geistlich sind, wenn wir diese Regeln einhalten. Das jedoch ist genau der Fehler, den die Pharisäer machten.“

Die Shepherding-Bewegung ging sogar noch weiter. Einige Shepherding-Gruppen schrieben den Leuten vor, wen sie heiraten mussten, wann sie fasten sollten, dass sie den Kontakt zu ungläubigen Familienmitgliedern abbrechen mussten, dass sie sich nicht versichern durften (weil dies ein Zeichen mangelnden Glaubens sei) und dass sie keine Medikamente einnehmen sollten. Den Laien sagte man, sie bräuchten einen geistlichen „Schutz“ – einen Ältesten, dem sie sich bei allen größeren Entscheidungen ihres Lebens unterordneten.

Als Antwort auf derartig gesetzliche Extreme wurde die Freiheit des Fleisches populär. Auch bekannt als „billige Gnade“ besagt diese Vorstellung, dass es keine Verdammnis für die gibt, die in Christus Jesus sind. Es spielt keine Rolle, wie du lebst, solange du nur an Jesus glaubst. Der Vers, in welchem es heißt „alle Dinge sind erlaubt,“ wurde umgedeutet zu „sündige um so mehr, damit die Gnade überfließe.“

Alle, die die Freiheit des Fleisches lieben, hören die Lehren von Personen wie Robert Schuller gerne, der das „Evangelium des Selbstwertes“ populär machte; dieses lehrt, dass wir nicht mehr gegen die Sünde predigen sollten, sondern den Selbstwert des Menschen aufbauen müssen. Wenn man in der Crystal Cathedral [Megagemeinde von Robert Schuller] das Lied Amazing Grace (Überwältigende Gnade) sang, ersetzte man das Wort „elender Wurm“ (wretch) durch „Seele“ (soul), um niemandem ein Anstoß zu sein.

Joel Osteen ist der Pastor der größten Gemeinde in den USA, weil das Wort „Sünde“ in seinem Wortschatz nicht vorkommt. Er unterweist Sünder und Heilige gleichermaßen darin, wie man Prinzipien manipuliert, um der Beste zu sein und seinen Traum zu verwirklichen, eine bessere Person zu werden.

Traurigerweise herrscht die Vorstellung der Freiheit des Fleisches in der heutigen Gemeinde vor. Toleranz der Sünde und ein sündhafter Lebensstil wird als etwas betrachtet, das die Gnade Gottes aufzeigt. Diejenigen, die Gehorsam gegenüber Christus predigen, werden fälschlicherweise als „gesetzlich“ abgetan.

Ein Beispiel: In einer Gemeinde, die ich besuchte, saß ich bei einem gemeinsamen Essen neben einer jungen Frau, die ich viele Male gesehen hatte, aber der ich noch nie persönlich begegnet war. Sie begann über unseren Pastor zu schimpfen. Sie ärgerte sich über ihn, weil er sich weigerte, die Hochzeitszeremonie für sie zu halten, da sie einen Ungläubigen heiraten wollte, mit dem sie zusammenlebte und von dem sie ein Kind erwartete. Ich ergriff natürlich Partei für den Pastor, was ihr sehr missfiel. Aber ich fragte mich, was sie in unserer Gemeinde wollte, da sie in offener Sünde lebte.

Die Bibel sagt uns, dass wir keine „Gemeinschaft mit Unzüchtigen pflegen sollen“ (1Kor 5,9). Und wir sollen solche Leute aus der Gemeinde ausschließen, um ihnen Raum für die Buße zu geben. „Denn wir empfehlen uns nicht nochmals selbst euch gegenüber, sondern wir geben euch Gelegenheit, euch unsertwegen zu rühmen, damit ihr es denen entgegenhalten könnt, die sich des Äußeren rühmen, aber nicht des Herzens. Denn wenn wir je außer uns waren, so waren wir es für Gott; wenn wir besonnen sind, so sind wir es für euch.“ (2Kor 5,12-13).

Derartige Ermahnungen stoßen heute auf taube Ohren, da die Böcke heute auf den meisten Kanzeln in den USA am Ruder sind. Die populärsten Lehrer sind diejenigen, die Sünde absichtlich übersehen und das Thema der Sünde in ihren Botschaften gewiss nicht anschneiden. Die Tage der Heiligungsprediger scheinen vorüber zu sein, jetzt, da der letzte aus dieser Zunft, David Wilkerson, in die Herrlichkeit eingegangen ist.

Wir müssen die rechte Balance in unseren Gemeinden finden, so dass wir weder in das Extrem der Gesetzlichkeit noch in das Extrem der Freiheit des Fleisches fallen. Wir müssen gegenseitige Verantwortung üben, uns einander unsere Fehler bekennen, einander die Lasten tragen und uns nicht über den anderen erheben. Wir brauchen Botschaften, die uns ermutigen, Christus zu gehorchen und Sünde abzulegen, während wir gleichzeitig nicht auf Botschaften hören, die unsere Freiheit in Christus zerstört, damit wir Entscheidungen in unserem Leben unter der Führung des Geistes treffen.
Wandle auf dem schmalen Grat!

Autor des Beitrages: Jackie Alnor
Quelle: hier

Mich würde interessieren wie ist eure Meinung und Erfahrung zu diesem Thema :!: :?:

Text zum klassischen Antinomismos
Gruß Joschie

Verfasst: 22.06.2011 17:46
von Der Pilgrim
Sehr wichtiges und interessantes Thema, das du hier anführst. Auch der Text gefällt mir gut.
Mich würde interessieren wie ist eure Meinung und Erfahrung zu diesem Thema?
Meine Meinung deckt sich eigentlich sehr gut mit den Aussagen dieses Textes: Vor beiden Extremen sollte man sich hüten. Aber während es ein leichtes ist, diese Position so zu bekunden, so ist es natürlich viel schwerer diese Position praktisch zu leben.
Was Erfahrungen angeht, habe ich sicher sehr viele damit gemacht. Gerade unmittelbar nach der Bekehrung wurde ich von anderen mit Vorschriften konfrontiert, was ich zu tun und zu lassen habe, und was ich aus meinem Leben grundsätzlich verbannen soll. Diese "Bombardierung" mit Ermahnungen, die oft wie Vorwürfe anmuteten, führte natürlich letztendlich zur Verzweiflung und hat mir vergleichsweise wenig geholfen.
Aus diesem Grund bin ich sehr vorsichtig im Gespräch mit neuen Glaubensgeschwistern, wenn es um solche Dinge geht, und so wichtig brüderliche Ermahnungen zweifelsohne sind, so erinnere ich mich eben doch an diese kontraproduktiven Erfahrungen. Bei mir waren es nicht die zahlreichen Ermahnungen und Drohungen, die mich zur Besserung geführt haben, sondern die Schrift, die ich ab meiner Bekehrung intensiver zu lesen begann.
Wenn ich beim Bibellesen auf einen Vers stoße, der vor etwas warnt oder ich das Gefühl habe, dass eine gewisse Tätigkeit meine Beziehung zu Gott stört, versuche ich, an diesem Punkt an mir zu arbeiten und Gottes Gnade hat es ermöglicht, dass ich bisher tatsächlich viele Dinge aus meinem Leben verbannen konnte (Und ich bete darum, dass sie dies auch weiterhin tun wird).
Aber es gab auch solche Dinge, die man mir verbieten wollte, die sich nicht mit dem Zeugnis der Schrift zu decken scheinen. Noch häufiger ist aber das Phänomen zu beobachten, dass versucht wird, aus Einzelaussagen ganze Regelkataloge abzuleiten. Hierdrin sehe ich auf jeden Fall eine große Gefahr. Das beginnt dann, wenn festgelegt wird, welche Instrumente ein Christ spielen darf und sogar was für Klänge er damit erzeugen darf, wie kurz die Ärmel von einem T-Shirt sein dürfen, wieviel Zentimeter Haarlänge für ein Mann oder eine Frau angemessen ist, ob man Tee oder Kaffee trinken darf etc... (Das klingt teilweise lächerlich, aber ich bin wirklich schon in Situationen gekommen, in denen über solche Sachen diskutiert wurde). All das sind Dinge, über die wir nichts in der Bibel lesen, und wer nun beginnt, hier angeblich allgemeinverbindliche Vorschriften festzulegen, begeht nach meinem Verständnis einen Fehler. Solche menschlichen Vorschriften führen zu Streitigkeiten, wirken abschreckend - und, was noch viel schlimmer ist - mit ihnen versucht der Mensch ein Gesetz neben dem Gesetz Gottes zu errichten.

Ich persönlich halte es so: Wenn ich mit Geschwistern zusammen bin, von denen ich weiß, dass sie von einer bestimmten Verhaltensweise verschreckt oder provoziert werden könnten (ich aber diese Verhaltensweise auf Grundlage meines Schriftverständnisses für unverfänglich halte) und ich sie bislang noch in keinem Gespräch von meinem Verständnis überzeugen konnte, so versuche ich natürlich, Rücksicht auf sie zu nehmen und auf diese Verhaltensweise zu verzichten. (Röm 14,20-23 => Das ist in diesem Kontext meiner Meinung nach eine sehr wichtige Stelle, über die es sich gewiss auch zu diskutieren lohnt).