Ich war einige Zeit nicht im Forum. Da ich nicht weiß ob du dich zurück gezogen hast oder nicht, setzte ich trotzdem diesen Beitrag von Calvin hier herrein. Ich hoffe das du ihn liest und er dir weiter hilft.
Aber zu unseren Zeiten ist nun ein ebenso gefährliches Ungeheuer aufgetreten, nämlich Michael Servet. Der ersetzt den Sohn Gottes durch ein Gebild, das aus Gottes Wesen, dem Geiste, dem Fleisch und drei ungeschaffenen Elementen zusammengesetzt sein soll! Zunächst stellt er die Behauptung auf, Christus sei nur darum und nur insofern der Sohn Gottes, als er durch den Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria geboren sei. Der Zweck dieses arglistigen Satzes ist der: er will die Unterscheidung der beiden Naturen beiseite schieben, und dann soll Christus irgend etwas sein, das aus Gott und Mensch zusammengemischt, aber weder Gott noch Mensch wäre! Vor allem will er mit seinem ganzen Verfahren auf den Satz hinaus, Gott hätte vor der Offenbarung Christi im Fleische bloß Schattenbilder in sich getragen, und diese Schattenbilder seien erst dann zu Wahrheit und Wirkung gelangt, als jenes „Wort“, das Gott für diese Ehre ausersehen hatte, Gottes Sohn zu sein — anfing!
Nun behaupten wir aber, daß der Mittler, der von der Jungfrau Maria geboren ist, wahrhaftig Gottes Sohn sei. Auch hätte ja der Mensch Christus nicht der Spiegel der unausdenkbaren Gnade Gottes sein können, wenn ihm nicht die Würde eigen gewesen wäre, vermöge deren er der eingeborene Sohn Gottes war und hieß! Aber dabei muß denn doch die in der Kirche übliche Ausdrucksweise unbedingt festgehalten werden: Christus heißt der Sohn Gottes, weil er als das Wort, das vom Vater vor aller Zeit gezeugt ward, in personhafter Einung menschliche Natur angenommen hat. Der Ausdruck „personhafte Einung“ (unio hypostatica) ist von den Alten verwendet worden, weil es sich hier um die Vereinigung der zwei Naturen zu einer Person handelt. Der Begriff ist zur Abwehr der Wahnidee des Nestorius in Gebrauch gekommen: der bildete sich nämlich ein, der Sohn Gottes wohne dergestalt im Fleische, daß er doch nicht selbst Mensch würde. Nun wirft Servet uns vor, wir erdächten uns einen zwiefachen
Sohn Gottes, weil wir sagen, das ewige Wort sei schon der Sohn Gottes gewesen, bevor die Fleischwerdung eintrat — und dabei sagen wir damit doch nur: er ist im Fleische geoffenbart worden! Wenn er bereits Gott war, ehe er Mensch wurde, so wurde er doch mit der Menschwerdung kein neuer Gott! Ebensowenig ist es widersinnig, wenn wir sagen: der Sohn Gottes, der gewiß durch ewige Zeugung bereits der Sohn war, der ist nun im Fleische erschienen! Das zeigen ja auch die Worte des Engels an Maria: „Das Heilige, das von dir geboren wird, wird der Sohn Gottes genannt werden“ (Luk. 1,35). Das bedeutet doch: der Name des Sohnes, der unter dem Gesetz einigermaßen verborgen war, der soll nun hochberühmt und allbekannt werden! Dazu stimmt auch das Wort des Paulus: „Weil wir denn durch Christus Kinder Gottes sind, so rufen wir frei und zuversichtlich: ‚Abba, lieber Vater’“ (Röm. 8,15; dem Sinne nach zitiert). Sind aber nicht auch in alter Zeit die heiligen Väter zu den Kindern Gottes gezählt worden? Ganz gewiß: auf ihr Kindesrecht haben sie sich gestützt, wenn sie Gott als ihren Vater anriefen! Aber seitdem Gottes eingeborener Sohn in die Welt gekommen ist, da ist diese Vatereigenschaft Gottes deutlicher bekannt geworden, und Paulus rechnet das zu den besonderen Vorrechten, die uns Christi Reich bringt! Aber dabei ist freilich festzuhalten: Gott hat sich niemals — Engeln oder Menschen gegenüber! — als Vater erzeigt, als allein im Blick auf seinen eingeborenen Sohn! Insbesondere sind die Menschen, die ja durch ihre eigene Ungerechtigkeit Gott verhaßt sind, nur durch gnädige Annahme Kinder Gottes; denn Christus ist von Natur Gottes Sohn! Hier wendet nun Servet ohne Grund ein, diese gnädige Annahme sei davon abhängig, daß Gott bei sich beschlossen hatte, einen Sohn zu haben; aber es handelt sich hier nicht um die Vorbilder — also etwa um die äußere Darstellung der Versöhnung im Tieropfer! —, sondern um die Sache selber: und da gilt der Satz, daß die Väter nicht tatsächlich Gotteskinder hätten werden können, wenn ihre Annahme in die Kindschaft nicht in ihrem Haupte begründet gewesen wäre; wollte man also dem Haupte absprechen, was doch die Glieder alle besitzen (nämlich wirkliche Kindschaft), so wäre das einfach sinnlos! Ja, ich gehe noch weiter: Die Schrift nennt auch die Engel Gottes Söhne (Ps. 82,6); diese ihre hohe Würde war von der künftigen Erlösung nicht abhängig; und trotzdem mußte ihnen Christus in der Ordnung vorgesetzt sein, um sie in die Gemeinschaft mit dem Vater zu bringen. Ich will das in Kürze wiederholen und auf die Menschen anwenden. Engel und Menschen waren schon in der ursprünglichen Schöpfung dazu geschaffen, daß Gott ihr gemeinsamer Vater sei — denn Paulus hat doch wohl recht, wenn er sagt, Christus sei je und je das Haupt, der „Erstgeborene vor allen Kreaturen“, der Inhaber der Herrschaft über alles gewesen (Kol. 1,15)! Ist das aber wahr, so glaube ich auch mit vollem Recht folgern zu müssen, daß Christus schon vor Erschaffung der Welt Gottes Sohn gewesen ist!
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Hätte — wenn ich mich so ausdrücken soll — die Sohneseigenschaft Christi ihren Anfang erst mit seiner Offenbarung im Fleische gehabt, so müßte sich daraus ergeben, daß er auch hinsichtlich seiner menschlichen Natur (Gottes) Sohn gewesen sei. Servet und andere Schwarmgeister haben nun die Meinung, Christus sei als der im Fleisch Erschienene der Sohn Gottes, weil er ohne das Fleisch diesen Namen gar nicht tragen könnte. Sie sollen mir nun aber sagen, ob er nun nach beiden Naturen und in beider Hinsicht der Sohn sei. Das schwatzen sie tatsächlich — aber Paulus lehrt doch ganz anders! Ich gebe freilich auch meinerseits zu, daß Christus in seiner menschlichen Gestalt Sohn genannt wird; aber das geschieht nicht in dem Sinne, wie die Gläubigen diesen Titel tragen, eben durch Adoption und aus Gnaden, sondern er ist wahrhaft und von Natur der Sohn und darum von einzigartiger Stellung, er ist der einige Sohn, und das hebt ihn über alle anderen hinaus! Gewiß läßt Gott auch uns, die wir zu neuem Leben wiedergeboren sind, den
Namen „Gotteskinder“ zuteil werden, aber wahrer und eingeborener Sohn heißt Christus allein. Er ist aber nur darum in so großer Schar von Brüdern von einzigartiger Würde, weil er von Natur innehat, was wir als Geschenk empfangen!
Diese Ehre aber bezieht sich auf die ganze Person des Mittlers: der, der von der Jungfrau Maria geboren ist, der sich am Kreuze dem Vater zum Opfer hingab, der ist in Wahrheit und im eigentlichen Sinne Gottes Sohn. Er ist es freilich vermöge seiner Gottheit, wie es Paulus deutlich lehrt: „Paulus ... ausgesondert, zu predigen das Evangelium Gottes, welches er zuvor verheißen hat ... von seinem Sohn, der geboren ist von dem Samen Davids nach dem Fleisch, und kräftig erwiesen ein Sohn Gottes ...“ (Röm. 1,1-4; in Auswahl). Er nennt ihn also ausdrücklich „Sohn Davids nach dem Fleisch“ — und erklärt dann noch besonders, er sei „als Sohn Gottes ... erwiesen“. Damit will er doch nur andeuten, daß diese Würde von etwas anderem abhängt als vom Fleische selber! Denn in demselben Sinne, in dem er sagt, Christus habe gelitten „in der Schwachheit“, sei aber auferstanden „aus der Kraft Gottes“ (2. Kor. 13,4; Calvin sagt: „des Geistes“), so macht er auch hier zwischen beiden Naturen einen Unterschied. Wie also Christus — das müssen uns die Gegner gestehen! — von seiner Mutter das bekommt, was ihm das Recht gibt, Davids Sohn zu heißen, so hat er vom Vater jene Würde empfangen, nach der er Gottes Sohn heißt, und diese Würde ist von seiner menschlichen Natur durchaus verschieden.
So gibt ihm die Heilige Schrift einen doppelten Namen: sie nennt ihn bald Gottes, bald des Menschen Sohn. Über die Bezeichnung „Menschensohn“ kann es keinen Streit geben: er heißt nach dem hebräischen Sprachgebrauch „Menschen“sohn, weil er von Adam abstammt. Auf der anderen Seite behaupte ich: er trägt den Titel „Gottes Sohn“ um seiner Gottheit, seines ewigen Wesens willen; denn man muß ja den Ausdruck „Gottes Sohn“ in derselben Weise auf seine Gottheit beziehen, wie wir die Bezeichnung „Menschensohn“ auf seine Menschheit bezogen! Auch müssen wir uns hier noch einmal an die angeführte Stelle aus dem Römerbrief erinnern: da hören wir, daß der, welcher nach dem Fleisch aus dem Samen Davids geboren ward, als Sohn Gottes erwiesen sei nach der Kraft Gottes; das ist aber genau so gemeint, wie wir es sonstwo lesen: „... aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch, welcher ist Gott, hochgelobet in Ewigkeit!“ (Röm. 9,5). An beiden Stellen (Röm. 1 und Röm. 9) wird also zwischen beiden Naturen ein deutlicher Unterschied gemacht. Wie will man aber dann leugnen, daß Christus nach seiner Gottheit Gottes Sohn, nach seiner Menschheit Menschensohn ist?
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Aber unsere Gegner versuchen doch mit großem Geschrei, ihren Irrtum zu verteidigen. Sie weisen nämlich zunächst auf den Satz hin, Gott habe „seines eigenen Sohnes nicht verschonet ...“ (Röm. 8,32). Auch verweisen sie darauf, daß der Engel die Weisung gegeben habe, den vom Weibe Geborenen „Sohn des Höchsten“ zu nennen. Aber damit sie nun über solch haltlosem Einwurf nicht in Hochmut geraten, wollen wir doch ein wenig miteinander überlegen, was denn nun diese Schlußfolgerung taugt. Besteht der Satz zu Recht, daß der Sohn Gottes erst mit der Empfängnis seinen Anfang genommen habe, weil ja der, der empfangen war, „Sohn“ genannt wurde — so ergibt sich weiter: er ist auch erst Wort gewesen, seitdem er im Fleische offenbart ist — wie ja auch Johannes von dem „Wort des Lebens“ redet, das seine „Hände betastet“ haben! (1. Joh. 1,1). Ich erinnere nun aber an das Wort des Propheten: „Und du Bethlehem im Lande Juda, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel Herr sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist!“ (Micha 5,1). Was wollen sie nun zur Auslegung dieser Stelle sagen,
wenn sie bei ihrer obigen Beweisführung bleiben wollen? Ich habe bereits deutlich ausgesprochen, daß wir unsererseits nicht daran denken, dem Nestorius zuzustimmen, der sich einen zwiefachen Christus ersonnen hat. Denn wir lehren, daß uns Christus durch brüderliche Vereinigung mit sich zusammen zu Kindern Gottes macht, weil er ja im Fleische, das er von uns Menschen nahm, doch Gottes eingeborener Sohn war. Deshalb nennt es auch Augustin sehr richtig einen herrlichen Erweis der besonderen Gnade Gottes, daß Christus als Mensch eine Ehre empfangen hat, die er sich eben als Mensch nicht verdienen konnte. Denn Christus wurde bereits seit Mutterleibe auch dem Menschen nach mit der herrlichen Würde geziert, der Sohn Gottes zu sein. Aber trotzdem bedeutet diese Einheit der Person nicht etwa eine Vermischung, die der Gottheit Christi ihr Eigensein entrisse! Denn daß das ewige Wort Gottes einerseits und Christus, nachdem in ihm die beiden Naturen zu einer Person geeint sind, anderseits den Titel „Gottes Sohn“ in verschiedener Beziehung tragen — das ist ebensowenig sinnwidrig wie die Tatsache, daß er bald Gottes, bald des Menschen Sohn heißt, je nach der gerade obwaltenden Beziehung!
Servet bringt noch eine andere Schmähung vor, die uns aber ebenso wenig ausmacht: er sagt, Christus hieße vor seiner Erscheinung im Fleische niemals „Sohn Gottes“, außer in bildlicher Rede. Gewiß, unter dem Gesetz gab es nur dunkle Andeutungen von ihm; aber wir haben ja bereits gezeigt: er war nur deshalb ewiger Gott, weil er das vom ewigen Vater gezeugte Wort war, und dieser Name (Sohn Gottes, ewiger Gott) kommt der Person des Mittlers, die er annahm, nur zu, weil er Gott ist, im Fleische geoffenbart; auch würde Gott nicht von Anbeginn her der Vater heißen, wenn da nicht die gegenseitige Beziehung zu dem Sohn wäre, von dem alle Verwandtschaft und Vaterschaft herkommt im Himmel und auf Erden (Eph. 3,15). Daraus ergibt sich nun sofort, daß er auch schon unter dem Gesetz und den Propheten, als der Name „Gottes Sohn“ in der Gemeinde noch nicht allbekannt war, der Sohn Gottes gewesen ist. Geht der Streit aber einzig um den Namen „Gottes Sohn“, so möchte ich doch auch auf Salomo verweisen: er redet von der unermeßlichen Hoheit Gottes und behauptet dann, der Sohn Gottes sei ebenso unbegreiflich wie Gott selber: „Nenne mir seinen Namen, wenn du kannst, oder nenne mir den Namen seines Sohnes...“ (Spr. 30,4; nicht Luthertext). Ich weiß wohl, daß streitsüchtige Leute dieses Schriftzeugnis nicht ausreichend finden werden; ich will mich auch selbst nicht besonders darauf stützen; aber eins zeigt es doch zur Genüge: die Leute, welche Christus nur insofern für den Sohn Gottes halten wollen, als er Mensch geworden ist, sind boshafte Lästermäuler! Auch haben ja selbst die ältesten kirchlichen Schriftsteller die von uns vertretene Lehre einstimmig völlig klar ausgesprochen; und deshalb ist es lächerlich und unverschämt zugleich, wenn man mir den Irenäus oder den Tertullian entgegenzuhalten wagt, die doch beide klar bezeugen, der, welcher hernach sichtbar im Fleische erschien, sei schon zuvor unsichtbar der Sohn Gottes gewesen.
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Scheußliche Ungeheuerlichkeiten hat also Servet aufeinandergehäuft, und es werden vielleicht nicht alle seine Gesinnungsgenossen alles unterschreiben, was er sagt. Aber wenn man diese Leute, die den Sohn Gottes nur in dem Fleischgewordenen anerkennen wollen, zu genaueren Äußerungen zwingt, so werden sie auch gleich zugestehen, Christus sei der Sohn Gottes nur deshalb, weil er im Leibe der Jungfrau Maria von dem Heiligen Geiste empfangen worden ist. In dieser Weise haben in alter Zeit ja auch die Manichäer behauptet, der Mensch empfange seine Seele dadurch, daß Gott sie auf ihn übergehen ließe: weil sie nämlich lasen, Gott habe dem Adam „einen lebendigen Odem in seine Nase“ gegeben (Gen. 2,7). Den Namen „Sohn“ verstehen sie dann dermaßen genau, daß sie keinerlei Unterscheidung zwischen
den „Naturen“ mehr übriglassen, sondern wirr durcheinander kläffen, der Mensch Christus sei Gottes Sohn, weil er eben nach seiner menschlichen Natur aus Gott geboren sei. So wird denn die ewige Zeugung der Weisheit, von der Salomo redet (Jes. Sir. 24,14), abgelehnt, und die Gottheit des Mittlers wird unbeachtet gelassen — oder an die Stelle des Menschen tritt ein Gespenst!
Es wäre schon der Mühe wert, noch weitere tolle Wahnideen des Servet hier zu widerlegen, mit denen er sich und andere getäuscht hat — gerade dies Beispiel sollte dem frommen Leser eine Warnung sein, sich nicht von der Nüchternheit und Bescheidenheit in der Lehre abbringen zu lassen! Aber ich glaube, daß es doch hier überflüssig wäre, weil ich darüber ein besonderes Buch geschrieben habe. Die Lehre des Servet hat also zum Kernpunkt den Satz: der Sohn Gottes war im Anfang eine Idee, ein Gedanke; und er war schon damals dazu bestimmt, einst ein Mensch zu werden, der nun dem Wesen nach Gottes Ebenbild wäre. Als „Wort“ Gottes erkennt Servet also nur einen äußeren Schein an. Die Zeugung des Sohnes versteht Servet so: Gott habe seit Anbeginn den Willen gezeugt, den Sohn zu zeugen, und dieser Wille habe sich dann auch tatsächlich an der Kreatur selbst erwiesen. Auf diese Weise vermischt Servet Geist und Wort, weil Gott (nach seiner Meinung) das unsichtbare Wort und den Geist in Fleisch und Seele eingesenkt haben soll. So tritt bei ihm denn auch die bildhafte Vorstellung Christi an die Stelle der Zeugung; freilich ist dann nach seiner Meinung dieser Sohn, der dazumal bloß schattenhaft abgebildet war, endlich durch das Wort — das er als „Samen“ wirksam denkt! — gezeugt worden. Daraus folgt dann eigentlich: Schweine und Hunde sind auch Gottes Kinder, weil ja auch sie aus dem ursprünglichen Samen des Wortes Gottes geschaffen sein sollen! Denn er läßt Christus zwar aus drei ungeschaffenen Grundstoffen gebildet sein — was bei ihm soviel heißen will wie: aus Gottes Wesen gezeugt sein — aber Christus ist nur indem Sinne der Erstgeborene vor allen Kreaturen, daß auch etwa den Steinen eine gewisse wesentliche Gottheit eignet — nur eben nach ihrem eigenen Grad! Er will natürlich den Eindruck vermeiden, als streite er nun Christus seine Gottheit ab; deshalb behauptet er, Christi Fleisch sei mit Gott eines Wesens; oder er sagt auch, das Wort sei dadurch Mensch geworden, daß das Fleisch in Gott verwandelt worden sei! Er kann unter seinen Voraussetzungen Christus nur dann für den Sohn Gottes halten, wenn sein Fleisch aus Gottes Wesen herkommt und in göttliches Wesen verwandelt wird — auf diese Weise aber macht er eben die ewige Person des Wortes zunichte und entreißt uns den Davidssohn, der uns als Erlöser verheißen war. Das wiederholt er öfters: der Sohn sei zwar von Gott geboren, nämlich in Gottes Wissen und Erwählung — aber dann sei er endlich Mensch geworden aus jenem Stoff, der im Anfang bei Gott in den drei Elementen sichtbar gewesen, dann in jenem ersten, ursprünglichen Licht der Welt wie auch in der Wolken- und Feuersäule in Erscheinung getreten sei!
Es würde zu weit führen, wenn ich jetzt auch noch zeigen wollte, wie toll er sich zuweilen selbst widerspricht. Jedenfalls mag der Leser aus dieser zusammenfassenden Darstellung entnommen haben, wie über den zweideutigen Schlichen dieses unsauberen Menschen jede Heilshoffnung zugrunde geht. Denn wenn das Fleisch selber die Gottheit ist, so ist es nicht mehr deren Tempel. Auch kann doch keiner unser Erlöser sein als der, der aus Abrahams und Davids Samen kommt und wirklich nach dem Fleisch Mensch geworden ist. Verkehrt ist es deshalb auch, wenn Servet mit solchem Eifer auf das Wort bei Johannes verweist: „Das Wort ward Fleisch ...“; denn dieses Wort, das dem Irrtum des Nestorius so scharf entgegensteht, leistet auf der anderen Seite auch der gottlosen Phantasterei, wie sie Eutyches aufgebracht hat, keinerlei Vorschub: Der Evangelist wollte ja nur die Einheit der Person in den beiden Naturen betonen!