Buße und Bekehrung

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

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Ralf_Wtal
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Begriffsverwirrung

Beitrag von Ralf_Wtal »

Hallo Mephiboscheth,

es ist leider so, daß die Begriffe mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden, sonst hätten wir hier keine Diskussion. Nur Umkehr haben wir hier als Prozess beschrieben. Heilsgeschichtliche Werke Christi sind einmalig. Ich bin kein Freund des Synergismus. Die Auffassung: "Wir, ICH und Christus haben entschieden ..." teile ich nicht, deshalb rede ich von der pietistischen Trilogie. Es geht auch ganz anders:

Gott erwählt durch die Gnade souverän und schenkt Glaube, Heiligung, Wiedergeburt und den Heiligen Geist. Das ist Grundvoraussetzung für Bekehrung. Bekehrung ist die Frucht des Verdienstes Christi.

Im Pietismus ist Bekehrung eine Leistung des Menschen, auf die Gott reagieren muß. Christus wird zum Steigbügelhalter, damit der Mensch auf das fromme hohe Roß steigen kann, was er dann Wiedergeburt nennt. Er bewirkt also seine eigene Wiedergeburt. Was dann als Heiligung bezeichnet wird, läßt mich dann geradewegs erschaudern.

Ralf

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Jörg hat geschrieben:"Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab..." (Lukas 18, 14)

"Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein." (Lukas 23, 42-43)

Frage an Eugen und Matthias: War denn - im Gegensatz zu (nach Eurer Meinung) Petrus - der Zöllner und der Schächer bekehrt?
Schade eigentlich, daß man auf eine ehrlich gestellte Frage keine Antwort bekommt. $:( So bleibt leider eine Auseinandersetzung auf halber Strecke hängen. Warum war mir diese Frage so wichtig? Da wurde einfach behauptet, Petrus konnte noch nicht bekehrt sein, weil der Heilige Geist noch nicht in seinem Herzen wohnte. Das heißt also, vor Pfingsten gab es noch keine Bekehrungen. Diese Behauptung habe ich mit dem Hinweis auf Ninive versucht zu widerlegen, da Gott eindeutig diese Bekehrung als echt anerkannte und das Gericht von ihnen aus Gnade und Barmherzigkeit abwandte. Und wie ist es bei dem Zöllner und dem Schächer? Bei dem Zöllner könnte man noch sagen, daß es sich um ein Gleichnis handelt; aber der Schächer bekehrte sich doch eindeutig zu Jesus. Darum ist der Schächer ein weiterer Beweis, daß es vor Pfingsten echte Bekehrungen gab!

Es fiel das Wort Begriffsverwirrung. Ja, ich glaube da ist was dran - und zwar dann, wenn man Bekehrung mit Heiligung verwechselt. Hier gilt das Wort des Pietisten Wilhelm Busch: "Man ringt als Kind Gottes um Heiligung und nicht wie ein Draußenstehender, der sich mit der Heiligung erst den Eingang erzwingen will." Und ich füge noch ein Wort des Pietisten Ludwig Hofacker hinzu: "Weg mit den Lumpen der eigenen Gerechtigkeit und des eigenen Eifers und des Frommsein-Wollens; heraus aus diesem Lumpenzeug und als Sünder in die freie Gnade hinein....Ich halte mich an den, der die Gottlosen gerecht macht, die Schwerverbrecher, die Lumpen, die Mörder, die Lästerer und dergleichen. Lieber Freund, mit denen will ich auch selig werden!....Ich will als ein armer Sünder selig werden! Als ein Schächer, dem die blutigen Wunden des Sohnes Gottes die Bahn gebrochen haben." Vielleicht habe ich damit ein wenig die Ehre der Pietisten gerettet. $:)

Einen sonnigen Tag

wünscht Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Gast

Beitrag von Gast »

Hi Jörg,
ich habe schon bei B. Kaiser bemerkt, daß der (Neo)Pietismus nicht gut wegkommt. So, als würden sie ein Gegenstück zu solus christus bilden. Vielleicht gibt es eine gewisse Bandbreite an pietistischen Strömungen (von denen einige tatsächlich zur "Werksgerechtigkeit" neigen), doch dazu kenne ich die Schriften der "Väter" zu wenig. Mir war das, was ich von Hofacker, Bengel, Busch und auch noch Lebenden Pietisten wie O. Schaude und R. Scheffbuch las sehr zum Segen. Da ist mir nichts von "Werkerei" aufgefallen.
M.

NB: glaubst Du, daß die Wiedergeburt erst mit dem Empfang des hl. Geistes stattfindet? Sind Bekehrung und Wiedergeburt dasselbe, wurde der Schächer am Kreuz also wiedergeboren und empfing den hl. Geist? Oder wurde er anders "errettet"? Das sind die Fragen, die mit meiner bereits gestellten Frage zusammenhängen, ob die Menschen vor Pfingsten irgendwie "anders" errettet wurden als danach.

Ralf_Wtal
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Pietismus

Beitrag von Ralf_Wtal »

Hallo zusammen,

ich habe meine Kritik am Pietismus natürlich sehr spitz formuliert. Es ist nicht richtig, alle über einen Kamm zu scheren und die Gewissen können wir auch nicht prüfen. Der Herr kennt die Sein sind ... (2.Tim2,20). Ich persönlich habe keine guten Erfahrungen mit leider vorhandenen Fehlentwicklungen gemacht und manche leidvolle Erfahrung hinter mir.

Zur Frage des Unterschieds der Bekehrung im AT und NT:

Seit 1. Mose 3,15 ist von dem Samen des Weibes die Rede. Der Glaube an einen Erlöser ist bereits der Eva bekannt. Die ganze Prophetie des AT zeugt von Christus (Joh. 5,39) Die Alten haben sich auf Hoffnung des kommenden Érlösers bekehrt. Das bezeugt Petrus in seiner Pfingstrede mit dem Zitat aus Psalm 16 (Apg. 2,25f.) Die Zeremomien des Alten Bundes weisen deutlich auf den Mittler und Erlöser.

Wiedergeburt und Bekehrung sind nicht dasselbe. Ich selber setze Wiedergeburt in Verbindung mit der Auferstehung (1. Petr.1,3 - der uns wiedergeboren hat durch die Auferstehung Jesu Christi). Außerhalb Christi haben wir nichts in uns selber. Durch Christus und in Christus ist das Geheimnis des Glaubens (Kol. 3,3). Ich sehe keinen Grund darin, dass den Alten dieses Geheimnis nicht offenbar war. Deshalb haben sie sich immer wieder zum Herrn bekehrt, um Anteil zu haben am Erbe Christi (siehe Abraham - die Verheißung des Samens (Gal. 3,16))

Ralf

Jörg
Moderator
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Beitrag von Jörg »

Mephiboscheth hat geschrieben: NB: glaubst Du, daß die Wiedergeburt erst mit dem Empfang des hl. Geistes stattfindet? Sind Bekehrung und Wiedergeburt dasselbe, wurde der Schächer am Kreuz also wiedergeboren und empfing den hl. Geist? Oder wurde er anders "errettet"? Das sind die Fragen, die mit meiner bereits gestellten Frage zusammenhängen, ob die Menschen vor Pfingsten irgendwie "anders" errettet wurden als danach.
Hallo M., zunächst einmal etwas Grundsätzliches zum Thema Bekehrung von Martyn Lloyd-Jones (das fettgedruckte eine Antwort auf einige Deiner Fragen): "Was meinen wir mit der Bekehrung? Sie ist die erste Äußerung der neuen Natur, die von alten Lebensformen ablässt und ein neues Leben beginnt. Sie ist die erste Tat der wiedergeborenen Seele, die sich von etwas weg und zu etwas hin bewegt. Der Ausdruck als solcher legt das schon nahe: Die Bekehrung meint eine Umkehr von einer Sache zu einer anderen. Der Ausdruck wird in der Heiligen Schrift nicht sehr häufig gebraucht, aber die Wahrheit, die dieses Wort bezeichnet und repräsentiert, kommt ständig vor.

Sie werden entdecken, dass der Ausdruck selbst in der Bibel manchmal in einem allgemeineren Sinn für jedwede Umkehr gebraucht wird. Er wird zum Beispiel sogar für einen Gläubigen gebraucht. Bei einem Anlass tadelte unser Herr Petrus und sagte: "Wenn du dich dereinst bekehrst, so stärke deine Brüder" (Lukas 22,32). Er meinte: Wenn du zurückkommen wirst, wenn du umgekehrt sein wirst. Hier bezieht sich das Wort nicht auf Petrus ursprünglichen Eingang ins christliche Leben, denn er war bereits eingegangen; er würde jedoch rückfällig werden, er würde vom Weg abkommen und dann zurückkommen. Das wird als Bekehrung beschrieben, aber bei der Betrachtung biblischer Lehren tun wir gut daran, das Wort "Bekehrung" auf den Sinn zu begrenzen, den es normalerweise erhält, wenn wir miteinander über diese Dinge sprechen. "Bekehrung" ist mithin der Anfangschritt in der bewussten Geschichte der Seele in ihrer Beziehung zu Gott; sie ist die erste Ausübung, die erste Manifestation des neuen Lebens, das in der Wiedergeburt empfangen worden ist

......Die nächste Frage ist daher: Wie findet Bekehrung statt? Was ist das ausführende Organ in der Bekehrung? Und die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Sie ist zuallererst und in erster Linie das Werk des Heiligen Geistes, und der Heilige Geist wirkt sie durch die wirksame Berufung. Wir haben jene Lehre betrachtet, und auf diese Weise findet der Prozess der Bekehrung statt. Die Berufung wird wirksam, und das führt zum nächsten Schritt - zu dem, was Sie und ich tun. Sie bemerken, dass wir dies zum ersten Mal erwähnen, aber in jede Definition der Bekehrung muss man sowohl die menschliche als auch die göttliche Aktivität einbeziehen. Die Berufung wird wirksam, und weil sie wirksam wird, reagieren wir darauf. Das ist Bekehrung! Sie hat zwei Seiten: den Ruf - die Antwort. Wir haben gesehen, wie all dies möglich wird, aber wenn wir uns mit der Bekehrung beschäftigen, müssen wir notwendigerweise in gleichem Maße die Aktivität des Menschen betonen. In der Wiedergeburt und in der Einung mit Christus sind wir zwar völlig passiv und spielen darin überhaupt keine Rolle - beide sind gänzlich das Werk des Geistes Gottes im Herzen-, doch bei der Bekehrung handeln wir: Wir bewegen uns; wir werden berufen, und wir tun es." (aus M. Lloyd-Jones, Gott der Heilige Geist, S. 148f, 3L Verlag)

Ja, ich glaube, daß der Schächer am Kreuz wiedergeboren wurde, weil nach Johannes 3, 3 niemand ins Reich Gottes kommt ohne wiedergeboren zu sein.

Was ist mit den Menschen, die vor Christus gelebt haben? Ich frage mich, welche Rolle spielen Verse wie 1. Petrus 3, 19: "In ihm ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis" oder 1. Petrus 4, 6: "Denn dazu ist auch den Toten das Evangelium verkündigt, daß sie zwar nach Menschenweise gerichtet werden im Fleisch, aber nach Gottes Weise das Leben haben im Geist."

Sehr wichtig in diesem Zusammenhang finde ich aber Hebräer 11 (der Glaubensweg im alten Bund). "Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen" (V.39)

Eins ist jedenfalls für mich sicher: kein Mensch ist vor Gott gerecht aufgrund seiner Werke. Jeder Mensch, der jemals gelebt hat, hat nur eine Hoffnung: "Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn"

Grüße, Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

amann
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Re: Demütigung

Beitrag von amann »

Ralf_Wtal hat geschrieben:...
Bekehrung ist immer Wirkung Gottes, ein Auftun der Augen und Ohren des Herzens, ein ständiger Prozess, denn wie schnell sind wir in Gefahr, vom Wege abzukommen. Das ist verletzend, wenn Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis zur ständigen Umkehr und Versöhnung mit Gott aufrufen. Ohne Demütigung (Buße ist der tief empfundene Schmerz und die Dankbarkeit dafür, daß sich mir Gott zuwendet, um zu korrigieren) wird die Forderung von JOM KIPPUR (im Gesetz Mose regelmäßig) nicht erfüllt (3. Mose 3, 29 – Heb. 10,29)

Ralf
vielen Dank!

Lieber Ralf,

das ist mal eine sehr gute Erklärung von Buße und Bekehrung

:lol:
Glaube Nur !
lg Andreas !

Ralf_Wtal
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Buße

Beitrag von Ralf_Wtal »

Lieber amann,
Buße ist der tief empfundene Schmerz ...
Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine ... Ich tat dir kund meine Sünde ... Du bist ein Bergungsort für mich; ... (Psalm 32,3.5.8 EÜ)

... und er ging hinaus und weinte bitterlich (Matth. 26,75)

Ihr habt noch nicht, wider die Sünde ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden ... (Heb.12,4f)

Wenn Christus Anfänger und Vollender des Glaubens ist (Heb. 12,2), dann können wir lange darüber diskutieren, wie der Anfang (allgemein als Bekehrung bezeichnet) theologisch richtig beschrieben wird (Jörg hat das hier gut gelöst !): Wir dürfen aber da nicht stehen bleiben. Ich habe mich länger mit den heiligen jüdischen Festen (4. Mose 28.29) beschäftigt und mir ist dabei deutlich geworden, was Paulus mit Röm. 3,1 (Was ist nun der Vorteil des Juden?) meint. Der Jude hatte den Sinn des großen Versöhnungstages jährlich vor Augen. (Er wusste, was gefordert war). Sind wir uns eigentlich bewusst, daß wir täglich darin leben dürfen, denn Christus ist Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks (Psalm 110,4). Ist uns eigentlich bewusst, was dieses Amt bedeutet. Das ist ein Artikel wert. Sollte es uns nicht ein Bedürfnis sein, den alten und neuen Bund zu harmonisieren. Wachstum geschieht in Demut und Umkehr (Erneuerung unseres Sinnes). Heilig sind wir im Werk Christi, durch Christus und in Christus, Gott naht sich uns nur durch sein Opfer (Lamm Gottes).

Ralf

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