Beitragvon Jörg » 17.05.2010 05:00
Eine gute Erklärung zum Thema “Zorn” finde ich in folgenden Text:
“Um das, was Paulus hier sagt, in seiner ganzen Bedeutung zu begreifen, müssen wir wissen, was Zorn ist. Für Zorn gibt es drei griechische Wörter, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Das erste Wort ist “parorgismos”. Dieses Wort wird in der Epheserstelle (6,4) verwendet. Es bedeutet “gärende Feindschaft” und bezieht sich auf einen Zorn, der unterdrückt werden muß. Leider sind viele Christen der Meinung, Zorn müßte hinuntergeschluckt werden - ihn einfach verdrängen, damit er nicht gesehen werden kann. In unserem Text wird deutlich, dass das nicht gut ist.
Das zweite Wort ist “thymos”. Dieses Wort ist im Galaterbrief (5, 20) zu finden und wird mit “Jähzorn” übersetzt oder mit “Zorn, der zum Ausbruch kommt”. Dieser Zorn entsteht, wenn man sich allein von seinem Egoismus leiten läßt. Wenn Sie versuchen, Ihre Bedürfnisse zu erfüllen und Ihr Leben, Ihr Wertgefühl und das Gefühl des Angenommenseins von Menschen und materiellen Dingen erwarten anstatt vom Heiligen Geist, dann müssen Sie mit Enttäuschungen fertigwerden, was durchaus zu Wutausbrüchen führen kann. Der Grund dafür ist, dass Menschen und materieller Besitz uns falsche Versprechungen machen, aber nicht halten, was sie versprechen.
Das dritte Wort ist “orgä”. Dieses Wort ist im Epheserbrief, Kapitel 4, Vers 26 zu finden: “Laßt euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen…” (Dieses Wort wird auch in Kapitel 5, Vers 6 verwendet.) Bemerkenswert ist zuerst einmal, dass diese Art von Zorn zu empfinden nicht schon automatisch Sünde bedeutet. “Orgä” kommt dem “Empfinden von Zorn” am nächsten. Diese Art von Zorn ist nicht gut oder schlecht. Sie ist einfach nur ein Signal, dass etwas, das uns sehr wichtig ist, beschädigt oder bedroht worden ist. Wie wir dem Vers entnehmen können, ist allein unsere Reaktion auf unseren Zorn wichtig.
Mit anderen Worten, Sie können an Ihrer Reaktion erkennen, ob Ihnen etwas wichtig ist oder nicht. Wenn Sie zornig werden, weil jemand Ihren Wagen zerkratzt hat, dann zeigt das, wie wichtig Ihnen Ihr Wagen ist. Wenn Sie wütend werden, weil jemand Sie beleidigt, wird deutlich, dass Ihr Ruf Ihnen wichtig ist. Wenn Sie zornig werden, weil Menschen andere ungerecht behandeln, dann zeigt das, welch großen Wert Sie auf Gerechtigkeit legen. Wenn es Ihnen wichtig ist, den Menschen im Reich Gottes zu dienen und Sie zusehen müssen, wie führende Männer ihre Autorität mißbrauchen, um sich selbst zu dienen, werden Sie zornig werden.
Was bedeutet es dann aber, zornig zu sein und nicht zu sündigen? Es muß möglich sein, sonst würde die Anweisung des Paulus keinen Sinn machen. Wieder einmal müssen wir uns den Kontext ansehen. Paulus sagt: “Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden. Laßt euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen. Gebt dem Teufel keinen Raum” (Eph 4, 25-27). Ich glaube, Paulus will uns hiermit sagen, dass wir, wenn wir zornig auf einen Menschen sind, zu ihm hingehen und mit ihm sprechen sollen.
Folglich ist es Sünde, wenn man zornig auf einen Menschen ist und, statt mit ihm, mit anderen darüber spricht. Auf jemanden wütend zu sein und Gerüchte zu verbreiten, in einer Unterhaltung negative Andeutungen zu machen oder andere zu beleidigen, das ist zornig sein und sündigen.
Der Text zeigt sogar, dass zornig sein und es einfach dabei zu belassen - “die Sonne über seinem Zorn untergehen zu lassen” - auch Sünde ist. Verdrängte Wut kann sich zu “parogismos” oder “thymos” auswachsen, und keins von beiden ist gut. Wenn Sie sich über jemand geärgert haben, gilt: Sprechen Sie mit dem Betreffenden!
Es gibt Christen, die der Überzeugung sind, nur eine Art von Zorn sei gerechtfertigt: die “gerechte Empörung” oder der “heilige Zorn”. Dies sind keine biblischen Ausdrücke. Ich denke, diese Begriffe sind von Menschen geschaffen worden, die “zu geistlich” sind, um normalen, menschlichen Zorn zu empfinden, und die andere dazu bringen wollen, ihren Zorn zu verbergen, als ob dies besonders geistlich wäre. So etwas führt dazu, dass die Menschen sich verstellen.”
(aus “Familien - von Gott getragen”, Seite 87f von Jeff van Vonderen, Projetion J, Hervorhebungen von mir)
Gruß, Jörg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)