Johannes Calvin und die Geistesgaben

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

Moderatoren: Der Pilgrim, Anton, Peter01

Watson
Beiträge: 16
Registriert: 05.07.2011 19:46

Johannes Calvin und die Geistesgaben

Beitrag von Watson »

Nachtrag:Dieser Bereich wurde abgetrennt von "Die Relevanz der Geistesgaben in der Kirchengeschichte" Joschie.Mod
Johannes Calvin - Institutio christianae religionis III,20,33
"Und endlich: auch zum Einzelgebet ist die Zunge nicht erforderlich, es sei denn, dass die innere Empfindung von sich aus nicht stark genug ist, um sich recht aufzumuntern, oder aber, dass die Wucht solchen inneren Drangs auch ganz von selbst die Zunge in Bewegung setzt! Denn es geschehen zwar zuweilen die besten Gebete ohne die Zunge, aber in Wirklichkeit kommt es doch oft dazu, dass durch einen heftigen Ausbruch der inneren Bewegung nun auch die Zunge Worte auslöst und die anderen Glieder in heftige Gebärden verfallen, und zwar, ohne dass man dabei nach außen etwas scheinen will! Daher kommt auch das unbestimmte Murmeln der Hanna (1. Sam. 1,13), und etwas Ähnliches erfahren alle Heiligen ständig an sich selbst, indem sie nämlich unwillkürlich abgebrochene und abgehackte Worte entschlüpfen lassen."
... las ich gerade heute.

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5910
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

Beitrag von Joschie »

Hallo Watson!
Der von dir genannte Text stammt aus dem BuchIII der "Institutio", dieses ist überschrieben mit "Empfang der Gnade Jesu Christi und ihre Wirkungen"
Das Kapitel 20 hat die Überschrift "Gebet"
Der ganze Abschitt von III,20,33 lautet so.
III,Daraus ergibt sich auch deutlich, daß man die öffentlichen Gebete nicht etwa bei den Lateinern in griechischer und bei den Franzosen und Engländern in lateinischer Sprache halten darf - wie das bis heute durchweg im Schwange ging! -, sondern daß sie in der Volkssprache abgefaßt sein müssen, die allgemein von der ganzen Versammlung verstanden werden kann. Denn diese Gebete sollen zur Erbauung der ganzen Kirche geschehen; ihr kann aber aus einem unverständlichen Klang keinerlei Frucht erwachsen! Wer aber weder auf die Liebe, noch auf das menschliche Empfinden Rücksicht nimmt, der sollte sich wenigstens einigermaßen vom Ansehen des Paulus bewegen lassen, dessen Worte durchaus eindeutig sind: „Wenn du aber segnest im Geist, wie soll der, so an des Laien Statt steht, Amen sagen auf deine Danksagung, sintemal er nicht weiß, was du sagst? Du danksagest wohl sein; aber der andere wird nicht davon gebessert!“ (1. Kor. 14,16f.). Wer kann sich doch genugsam über den zügellosen Mutwillen der Papisten verwundern, die sich trotz dieses offenen Widerspruchs des Apostels nicht scheuen, die wortreichsten Gebete in einer fremden Sprache widerhallen zu lassen, Gebete, von denen sie selbst zuweilen nicht eine einzige Silbe begreifen und auch nicht wollen, daß andere sie verstehen?
Uns dagegen gibt Paulus eine andere Weisung; er spricht: „Wie soll es aber denn sein? Ich will beten mit dem Geist und will beten auch im Sinn; ich will Psalmen singen im Geist und will auch Psalmen singen mit dem Sinn!“ (1. Kor. 14,15). Unter „Geist“ versteht er hier die besondere Gabe der Zungenrede; einige, denen sie zuteil geworden war, mißbrauchten sie nämlich, indem sie sie vom „Sinn“, das heißt: vom Verständnis, abtrennten. Wir müssen aber allgemein urteilen, daß die Zunge ohne das Herz bei öffentlichem wie bei privatem Gebet Gott in jeder Hinsicht nur höchst mißfällig sein kann. Außerdem - so müssen wir weiter sagen - soll unser Sinn von einer derartigen Inbrunst der Betrachtung entflammt sein, daßer damit weit über alles hinausdringt, was die Zunge mit ihrer Kundmachung zum Ausdruck bringen kann.
Und endlich: auch zum Einzelgebet ist die Zunge nicht erforderlich, es sei denn, daß die innere Empfindung von sich aus nicht stark genug ist, um sich recht aufzumuntern, oder aber, daß die Wucht solchen inneren Drangs auch ganz von selbst die Zunge in Bewegung setzt! Denn es geschehen zwar zuweilen die besten Gebete ohne die Zunge, aber in Wirklichkeit kommt es doch oft dazu, daß durch einen heftigen Ausbruch der inneren Bewegung nun auch die Zunge Worte auslöst und die anderen Glieder in heftige Gebärden verfallen, und zwar, ohne daß man dabei nach außen etwas scheinen will! Daher kommt auch das unbestimmte Murmeln der Hanna (1. Sam. 1,13), und etwas Ähnliches erfahren alle Heiligen ständig an sich selbst, indem sie nämlich unwillkürlich abgebrochene und abgehackte Worte entschlüpfen lassen.
Die körperlichen Gebärden aber, die man gewöhnlich beim Gebet beobachtet, wie z.B. das Beugen der Knie und das Entblößen des Hauptes, sind Übungen, durch die wir uns zu größerer Ehrerbietung gegen Gott zu erheben bemühen.
Was wolltest du uns mit deinem Beitrag genau sagen?
Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Watson
Beiträge: 16
Registriert: 05.07.2011 19:46

Beitrag von Watson »

Hallo Joschi,

der von mir zitierte Passus aus III,20,33 hat mich überrascht, weil ich dachte, dass Calvin die Zungenrede ablehnt. Die Ausnahme leitet er mit "es sei denn" ein. Aus "durch einen heftigen Ausbruch der inneren Bewegung nun auch die Zunge Worte auslöst und die anderen Glieder in heftige Gebärden verfallen" schließe ich, dass Calvin Zeuge solcher Gebärden wurde. Ich habe auch so etwas gesehen. Die Feststellung "Ähnliches erfahren alle Heiligen ständig an sich selbst, indem sie nämlich unwillkürlich abgebrochene und abgehackte Worte entschlüpfen lassen." halte ich für falsch, oder ich bin kein Heiliger, da ich Ähnliches nicht ständig an mir erfahre.

Mein Beitrag wird selbstverständlich nicht dem Thema "Relevanz der Geistesgaben in der Kirchengeschichte" bzw. "Aussagen der Kirchenväter zu den Geistesgaben" gerecht. III,20,33 belegt nur einen Aspekt. Calvin hat das Thema woanders ausführlich behandelt.

Gruß Jo

lutz
Beiträge: 1022
Registriert: 02.12.2005 21:37
Kontaktdaten:

Beitrag von lutz »

Watson hat geschrieben:
der von mir zitierte Passus aus III,20,33 hat mich überrascht, weil ich dachte, dass Calvin die Zungenrede ablehnt. Die Ausnahme leitet er mit "es sei denn" ein. Aus "durch einen heftigen Ausbruch der inneren Bewegung nun auch die Zunge Worte auslöst und die anderen Glieder in heftige Gebärden verfallen" schließe ich, dass Calvin Zeuge solcher Gebärden wurde. Ich habe auch so etwas gesehen. Die Feststellung "Ähnliches erfahren alle Heiligen ständig an sich selbst, indem sie nämlich unwillkürlich abgebrochene und abgehackte Worte entschlüpfen lassen." halte ich für falsch, oder ich bin kein Heiliger, da ich Ähnliches nicht ständig an mir erfahre.
Calvin negiert die Sprachenrede, die im Neuen Testament bezeugt wird keineswegs – wie auch, denke nur mal an die Apostelgeschichte.
http://glaubensstimme.de/doku.php?id=au ... :kapitel_2

Zungenrede heute kann doch im allgemeinen Sprachgebrauch eine Lautäußerung sein, die unverständlich ist, sowohl dem Hörer wie auch dem, der diese Äußerungen tätigt.
Mit Verstand hat diese doch wenig zu tun. Es wird behauptet, diese Lautäußerungen entspringen direkt einer göttlichen Quelle. Das Ganze wird als Zeichen für wahrhaft Gläubige angesehen und mitunter auch gefordert als Beweis sozusagen …

Damit hat Calvin mit Sicherheit nichts zu tun.
Was er in diesem kleinen Zitat zum Ausdruck bringen möchte, ist doch eher so:
Mitunter sind Gläubige so aufgewühlt (innerlich), dass sie wohl mit dem Verstand erfassen – aber in der „Aufregung“ kommen dann nur „bruchstückhafte“, „unverständliche“ Laute heraus. Der Beter aber weiß, was er tut und worum es geht. Manchmal kann der Beter das Ganze nicht in Sprache fassen, weil er nicht weiß, wie er die Worte recht wählen soll … Dann entschlüpfen statt ganzer Sätze einzelne Wörter oder Wortgruppen, dies kann beim Zuhörer schon eigenartig rüberkommen. …

Also ich würde an Situationen denken, in denen der Gläubige innerlich sehr aufgewühlt ist, z. B. bei sehr großer Sorge im Krankheitsfall. Auf dem öffentlichen Weg zum Krankenhaus kann es durchaus passieren, dass ihm dann unwillkürlich laut das ein oder andere „entschlüpft“ zur Überraschung der Anderen. Gleiches kann man sich in einem stillen „Kirchenraum“ vorstellen.
Das Ganze kann natürlich auch in übergroßer Freude, z. B. bei der gesunden Geburt eines Kindes, geschehen.
Zur Alltagserfahrung würde ich es hingegen nicht rechnen wollen. Was Calvin mit „erfahren Heilige ständig an sich selbst“ hier meint, ist mir unklar. Es kann aber auch sein, dass die Übersetzung von „ständig“ hier missverständlich ist. Die deutsche Institutio ist ja eine Übersetzung.
(Wenn Calvin hier von einer dauernden Erfahrung der Heiligen ausgehen würde, dann hätte er selbst bspw. in seinen Predigten ständig mit „massenhaften“ lauten Zwischenrufen rechnen und diese als normal bewerten müssen, so etwas ist mir nicht bekannt.)

Lutz

PS: Hier mal einen Auszug aus Calvins Auslegung zum Korintherbrief:
(Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift in deutscher Übersetzung, 12. Band, Neukirchen)
1. Kor. 14, 14
…Dabei erhebt sich freilich eine Frage: soll man wirklich glauben, dass der Geist den Leuten eine fremde Sprache eingab, die sie selbst nicht verstanden? dass jemand, dessen Muttersprache lateinisch war, z. B. plötzlich griechisch redete, ohne seine eigenen Worte zu verstehen, - so etwa, wie Papageien, Elstern und Raben menschliche Worte aussprechen lernen? Dies wird schwerlich der Fall gewesen sein; vielmehr setzt Paulus nur einmal diese Möglichkeit, um zu zeigen, wie es sich ausnimmt, wenn man Worte und Sinn voneinander trennt. …

lutz
Beiträge: 1022
Registriert: 02.12.2005 21:37
Kontaktdaten:

Beitrag von lutz »

Und endlich: auch zum Einzelgebet ist die Zunge nicht erforderlich, es sei denn, daß die innere Empfindung von sich aus nicht stark genug ist, um sich recht aufzumuntern, oder aber, daß die Wucht solchen inneren Drangs auch ganz von selbst die Zunge in Bewegung setzt!
Auf dieses „es sei denn“ möchte ich noch kurz eingehen:
Calvin sagt in diesem Satz: Die Zunge ist nicht erforderlich für ein Einzelgebet.

Dann kommt er auf zwei Fälle zu sprechen.

Der eine Fall:
Der Beter hat keine innere Empfindung, die stark genug ist, um sich aufzumuntern.
Ich schließe daraus, in diesem Falle sollte der Beter eben gerade seine Zunge gebrauchen, dann wohl mit dem Ziel: „sich recht aufzumuntern“. Gut, man kann das jetzt vielleicht mit „Konzentration“ gleichsetzen oder „Aufwachen“ oder „sei nicht so gleichgültig“. Hier ist lautes Beten angebracht.

Der andere Fall:
Die Wucht eines inneren Dranges (ich erinnere an Krankheit aber auch an übergroße Freude, siehe voriger Beitrag) setzt die Zunge „ganz von selbst“ also unwillkürlich in Bewegung. In diesem Fall betet der Beter „bruchstückhaft“ laut ohne es eigentlich zu wollen.
In dem Falle würde man aber auch nicht von "erforderlich" sprechen, sondern von "es passiert einfach".


Lutz

FrankS
Beiträge: 63
Registriert: 21.03.2011 06:39

Beitrag von FrankS »

lutz hat geschrieben:PS: Hier mal einen Auszug aus Calvins Auslegung zum Korintherbrief:
(Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift in deutscher Übersetzung, 12. Band, Neukirchen)
1. Kor. 14, 14
…Dabei erhebt sich freilich eine Frage: soll man wirklich glauben, dass der Geist den Leuten eine fremde Sprache eingab, die sie selbst nicht verstanden? dass jemand, dessen Muttersprache lateinisch war, z. B. plötzlich griechisch redete, ohne seine eigenen Worte zu verstehen, - so etwa, wie Papageien, Elstern und Raben menschliche Worte aussprechen lernen? Dies wird schwerlich der Fall gewesen sein; vielmehr setzt Paulus nur einmal diese Möglichkeit, um zu zeigen, wie es sich ausnimmt, wenn man Worte und Sinn voneinander trennt. …


Wie steht es dann wohl mit Apg. 2,1-13?:
Und als der Tag des Pfingstfestes erfüllt war, waren sie alle an einem Ort beisammen. 2 Und plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, als führe ein gewaltiger Wind daher, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden Einzelnen von ihnen. 4 Und sie wurden alle mit Heiligem Geist erfüllt und fingen an in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. 5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer, von jeder Nation unter dem Himmel. 6 Als aber dieses Geräusch entstand, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt, weil jeder Einzelne sie in seiner eigenen Mundart reden hörte. 7 Sie entsetzten sich aber alle und wunderten sich und sagten: Siehe, sind nicht alle diese, die da reden, Galiläer? 8 Und wie hören wir sie, ein jeder in unserer eigenen Mundart, in der wir geboren sind: 9 Parther und Meder und Elamiter und die Bewohner von Mesopotamien und von Judäa und Kappadozien, Pontus und Asien 10 und Phrygien und Pamphylien, Ägypten und den Gegenden von Libyen gegen Kyrene hin und die hier weilenden Römer, sowohl Juden als auch Proselyten, 11 Kreter und Araber - wie hören wir sie von den großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden? 12 Sie entsetzten sich aber alle und waren in Verlegenheit und sagten einer zum anderen: Was mag dies wohl sein? 13 Andere aber sagten spottend: Sie sind voll süßen Weines.
(rev. Elberfelder)

Haben die Apostel die Sprachen die sie sprachen denn alle selber verstanden?

Gruß, Frank

lutz
Beiträge: 1022
Registriert: 02.12.2005 21:37
Kontaktdaten:

Beitrag von lutz »

Wie Calvin diese Stelle in Apostelgeschichte auslegt, kannst du dem Link in meinem Beitrag aus www.glaubensstimme.de entnehmen.

Lutz

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5910
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

Beitrag von Joschie »

Ich hatte den ganzen Text vom Abschnitt III, 20,33 nicht ohne Grund rein gestellt!Es geht J.Calvin nicht primär um die Geistesgabe des Sprachenreden sondern um das Gebet. Im Besonderen, das zu der Zeit, die öffentliche Gebete in der katholischen Kirche alle in lateinischer Sprache gesprochen wurden, die vom Volk nicht verstanden wurden, seine Kritik daran begründet er auch mit 1.Kor.14.
III,Daraus ergibt sich auch deutlich, daß man die öffentlichen Gebete nicht etwa bei den Lateinern in griechischer und bei den Franzosen und Engländern in lateinischer Sprache halten darf - wie das bis heute durchweg im Schwange ging! -, sondern daß sie in der Volkssprache abgefaßt sein müssen, die allgemein von der ganzen Versammlung verstanden werden kann. Denn diese Gebete sollen zur Erbauung der ganzen Kirche geschehen; ihr kann aber aus einem unverständlichen Klang keinerlei Frucht erwachsen! Wer aber weder auf die Liebe, noch auf das menschliche Empfinden Rücksicht nimmt, der sollte sich wenigstens einigermaßen vom Ansehen des Paulus bewegen lassen, dessen Worte durchaus eindeutig sind: Wenn du aber segnest im Geist, wie soll der, so an des Laien Statt steht, Amen sagen auf deine Danksagung, sintemal er nicht weiß, was du sagst? Du danksagest wohl sein; aber der andere wird nicht davon gebessert!“ (1. Kor. 14,16f.). Wer kann sich doch genugsam über den zügellosen Mutwillen der Papisten verwundern, die sich trotz dieses offenen Widerspruchs des Apostels nicht scheuen, die wortreichsten Gebete in einer fremden Sprache widerhallen zu lassen, Gebete, von denen sie selbst zuweilen nicht eine einzige Silbe begreifen und auch nicht wollen, daß andere sie verstehen?
Uns dagegen gibt Paulus eine andere Weisung; er spricht: „Wie soll es aber denn sein? Ich will beten mit dem Geist und will beten auch im Sinn; ich will Psalmen singen im Geist und will auch Psalmen singen mit dem Sinn!“ (1. Kor. 14,15).
Unter „Geist“ versteht er hier die besondere Gabe der Zungenrede; einige, denen sie zuteil geworden war, mißbrauchten sie nämlich, indem sie sie vom „Sinn“, das heißt: vom Verständnis, abtrennten. Wir müssen aber allgemein urteilen, daß die Zunge ohne das Herz bei öffentlichem wie bei privatem Gebet Gott in jeder Hinsicht nur höchst mißfällig sein kann. Außerdem - so müssen wir weiter sagen - soll unser Sinn von einer derartigen Inbrunst der Betrachtung entflammt sein, daßer damit weit über alles hinausdringt, was die Zunge mit ihrer Kundmachung zum Ausdruck bringen kann
Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

FrankS
Beiträge: 63
Registriert: 21.03.2011 06:39

Beitrag von FrankS »

lutz hat geschrieben:Wie Calvin diese Stelle in Apostelgeschichte auslegt, kannst du dem Link in meinem Beitrag aus www.glaubensstimme.de entnehmen.

Lutz
Das ist richtig. Calvin geht davon aus, dass die Apostel die Sprache die sie sprachen verstanden haben. Allerdings verlangt Paulus im bei den Korinthern später, dass in deren Gottesdienst immer eine Auslegung dabei sein muss. Daher bin ich verwirrt von der Frage, ob man seine eigene Zungenrede selber versteht.

FrankS

lutz
Beiträge: 1022
Registriert: 02.12.2005 21:37
Kontaktdaten:

Beitrag von lutz »

Muss die Forderung eines Paulus nach Auslegung bedeuten, dass der, der in einer ihm eigentlich fremden Sprache spricht, seine eigene Rede nicht versteht?

Muss nicht sein.

Nach Calvin eher so:

(Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift in deutscher Übersetzung, 12. Band, Neukirchen)

1. Kor. 14, 14
… Dabei redet der gegenwärtige Satz nicht von der Erbauung der Gemeinde, sondern von dem Gebet des einzelnen für sich. Wenn mein Gebet sich in fremden, mir unverständlichen Worten bewegen würde, die der Geist mir gibt, so würde nur dieser göttliche Geist beten, mein eigner Sinn aber könnte inzwischen an allerlei anderes denken und würde jedenfalls von dem Gebet keinen Nutzen ziehen. Hieraus soll der Leser dann erst im Stillen die Folgerung ziehen: was soll also ein derartig unverständliches Reden der Gemeinde helfen? – Übrigens wollen wir die Beobachtung nicht unterlassen, wie scharf Paulus ein gedankenloses Gebet verurteilt. Wer betet, soll vor Gott seine Gedanken und Bedürfnisse ausschütten. Im Geist und in der Wahrheit will Gott angebetet sein. Nichts aber kann damit entschiedener streiten, als eine Bewegung der Lippen, die nicht zugleich eine Bewegung des Herzens ist. Und nun denke man an die Gebetspraxis und Gebetsanleitung der Römischen!

1. Kor. 14, 16
…Nun sagt Paulus: Wenn du im öffentlichen Gebet dich einer fremden Sprache bedienst, welche die Laien d. h. das gewöhnliche Volk, zu dem du redest, nicht verstehen, so kann niemand deinem Gebete folgen: es hört also auf, ein öffentliches, gemeinsames Bitt- oder Dankgebet zu sein; keiner kann deiner Bitte oder deinem Psalm sein Amen hinzufügen, um zu zeigen, dass er dich verstanden hat. Was hier Paulus ausdrücklich verwirft, hat aber die römische Kirche hartnäckig als eine Ordnung ihres Gottesdienstes beibehalten!

1. Kor. 14, 27
“So jemand mit Zungen redet“ usw.
Damit wird Ordnung und Maß geschaffen: nur zwei, höchstens drei sollen nacheinander mit Zungen reden, und zwar nur dann, wenn jemand zugegen ist, der es auslegt; andernfalls hat das Reden in fremden Sprachen als nutzlos zu unterbleiben. …
Und die Beigabe der Auslegung muss ein rein fruchtloses Schaugepränge unmöglich machen. Sieht sich dann jemand auf diese Weise verhindert, seine Sprachengabe in der Gemeindeversammlung zu zeigen, der „rede ihm selber und Gott“, d. h. er freue sich seiner Gabe im eigenen Gemüte und sage Gott dafür Dank, aber er gebrauche sie nur für sich selbst.


Nach diesen drei Zitaten würde ich sagen, dass derjenige, der in einer fremden Sprache spricht, seine eigene Rede versteht – ja verstehen muss.
Bei Calvin wäre auch nicht einfach nur an eine wortgetreue Übersetzung zu denken, sondern:
1. Kor. 14, 5
“Ich wollte, dass ihr alle mit Zungen reden könntet.“
…Dabei mögen wir uns einprägen, dass Gott vergebliche Gaben überhaupt nicht austeilt. Auch die „Sprachen“ hatten irgendeinen Nutzen. Sie empfangen hier vom heiligen Geiste ein hohes Lob: dienten sie doch dazu, das Evangelium allen Völkern zu predigen*). Dass aber in der Gemeinde das Weissagen eifriger gepflegt werden solle, als das hier nutzlose Zungenreden, - dabei bleibt der Apostel.
„Es sei denn, dass er` s auch auslege.“
Eine zugefügte Auslegung verwandelt ja das Zungenreden in Weissagung. Damit findet dann die Gemeinde die Erbauung, auf welche dem Apostel alles ankommt.

(*) Anmerkung des Herausgebers: „Hier wird es vollends deutlich, dass Calvin unter dem „Zungenreden“ ein Reden in fremden Sprachen versteht, also eine Art Fortsetzung des Pfingstwunders. Neuerdings ist diese Auffassung allgemein aufgegeben: man denkt mehr an ein enthusiastisches, berauschendes Reden oder Stammeln, von welchem sich freilich eine genauere Vorstellung nicht geben lässt.)

1. Kor. 14, 13
“Darum wer mit Zungen redet“ usw.
Würde jemand sagen, dass die Sprachengabe doch nicht ganz vergeblich sein könne, und dass man doch nicht unterdrücken dürfe, was irgendwie zur Ehre Gottes dienen kann, - so hat der Apostel eine Antwort schon bereit: möge sich der Zungenredner von Gott auch die Gabe der Auslegung erbitten! So lange ihm aber diese Gabe noch fehlt, unterlasse er die nutzlose Prahlerei.


Nach diesen Zitaten wäre es für Calvin auch ausgeschlossen, dass jemand, der in fremden Sprachen spricht, etwas auslegen soll, was er selbst nicht verstanden hat. Sprachenrede und Auslegung gehören zusammen und Beides muss dazu verstanden werden.

Lutz

FrankS
Beiträge: 63
Registriert: 21.03.2011 06:39

Beitrag von FrankS »

Danke Lutz.

Da Zungenreden ohne Auslegung zu unterlassen hat (1Kor 14,27), scheint es durchaus möglich zu sein in Zungen zu sprechen / beten, ohne es selber zu verstehen. Oder bezieht sich die Auslegung nur auf die Bedeutung einer Zungenrede, nicht aber auf die Übersetzung selbst?

Frank

lutz
Beiträge: 1022
Registriert: 02.12.2005 21:37
Kontaktdaten:

Beitrag von lutz »

Also nach Calvins Auslegung von 1. Kor. 14, 14 gehe ich nicht davon aus, dass Calvin so etwas mit der Schrift für möglich hielt.

Die Praxis kennt Calvin durchaus, nämlich die der "Römischen" - er brandmarkt diese aber. Dort wurden ja lateinische Gebete auswendig gelernt und gesprochen, obwohl der Beter kein Wort davon verstand, wenn ich mich jetzt nicht total vertue.

Lutz

Benutzeravatar
Joschie
Moderator
Beiträge: 5910
Registriert: 28.02.2007 20:18
Wohnort: Hamburg

Beitrag von Joschie »

lutz hat geschrieben:Die Praxis kennt Calvin durchaus, nämlich die der "Römischen" - er brandmarkt diese aber. Dort wurden ja lateinische Gebete auswendig gelernt und gesprochen, obwohl der Beter kein Wort davon verstand, wenn ich mich jetzt nicht total vertue.
Die Ausbildung der katholischen Priester zurzeit von J.Calvin stand nicht immer zum Besten, dieses Problem hatte die katholische Kirche schon sehr lange besonders bedingt durch Simonie (Ämterkauf) und das dadurch selbst kleinste Ämter vergeben worden.Die Ausbildung und Eignung spielten keine Rolle bei der Vergabe von Priesterstellen, sondern oft nur Beziehungen zu den Mächtigen Kirchen und Landesherrn.Was aber J.Calvin besonders anprangert, ist das dem Volk die lateinischen Gebete nichts nütze, dass sie ja nicht verstehen konnte.
Bis zur Liturgiereform 1970 unter Paul VI. war Latein die offizielle Sprache der Heiligen Messe und ist dies (laut Sacrosanctum Concilium) offiziell noch heute, wobei andere Sprachen jedoch gleichfalls erlaubt sind.
Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31

Jose
Beiträge: 978
Registriert: 29.05.2010 19:23

Re: Zungenrede und Auslegung

Beitrag von Jose »

FrankS hat geschrieben:Da Zungenreden ohne Auslegung zu unterlassen hat (1Kor 14,27), scheint es durchaus möglich zu sein in Zungen zu sprechen / beten, ohne es selber zu verstehen. Oder bezieht sich die Auslegung nur auf die Bedeutung einer Zungenrede, nicht aber auf die Übersetzung selbst?
Mit Verweis auf die bereits zitierte Bibelstelle: "Darum, wer in einer Sprache redet, bete, dass er es auch auslege!" 1. Kor 14,13, möchte ich darauf hinweisen, dass sowohl das Beten in Zungen als auch die Auslegung, Gaben Gottes sind.

Im Korintherbrief Kapitel 12, wo von den verschiedenen Geistesgaben die Rede ist, lesen wir im Zusammenhang damit wie der Herr die Gaben gibt: "Denn dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben; einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist; einem anderen aber Glauben in demselben Geist; einem anderen aber Gnadengaben der Heilungen in dem einen Geist; einem anderen aber Wunderwirkungen; einem anderen aber Weissagung, einem anderen aber Unterscheidungen der Geister; einem anderen verschiedene Arten von Sprachen; einem anderen aber Auslegung der Sprachen" 1. Kor. 12,8-10. Es handelt sich hier also um Gaben Gottes.

So habe ich es auch von einem Bruder vernommen, der die Gabe der Zungerede und der Auslegung hatte, dass er weder sein Gebet noch die Auslegung verstehen würde und nur durch andere erfahren würde, was der Herr durch ihn der Gemeinde gesagt hatte.

José

FrankS
Beiträge: 63
Registriert: 21.03.2011 06:39

Re: Zungenrede und Auslegung

Beitrag von FrankS »

Jose hat geschrieben:So habe ich es auch von einem Bruder vernommen, der die Gabe der Zungerede und der Auslegung hatte, dass er weder sein Gebet noch die Auslegung verstehen würde und nur durch andere erfahren würde, was der Herr durch ihn der Gemeinde gesagt hatte.
Hallo Jose!

Er versteht die Zungenrede nicht, ok soweit bin ich bei Dir. Das er die Auslegung der Rede auch nicht verstehe halte ich ... na sagen wir für kontraproduktiv. Was hilft eine Auslegung, wenn man sie nicht versteht? Er braucht eine Auslegung für seine Auslegung? Wenn ich die Schrift richtig deute, so ist eine auslegungsbedürftige Zungenrede nur mit Auslegung sinnvoll für die Gemeinde. Von einer auslegungsbedürftigen Auslegung schreibt uns da aber niemand.

Nochmal zur Frage, ob biblische Zungenrede und Auslegung immer bei ein und derselben Person liegen müssen:
Nach Paulus ist es durchaus möglich eine Sprachenrede zu haben, ohne es auslegen zu können. Daher ist es auch ein Gebetsanliegen, eine Auslegung parat zu haben (1Kor 14,13). Um die Gemeindeordnung aufrecht zu erhalten, begrenzt Pauls die Anzahl der Sprachenreden auf einige wenige (1 Kor 14,27). Da es möglich ist eine Sprachenrede aber keinen Ausleger zur Verfügung zu haben, soll in diesem Falle keine Sprachenrede in der Gemeinde durchgeführt werden (1Kor 14,28).

lg,
Frank

(Bibelstellen nachgeschlagen in: Rev. Elberfelder)

Gesperrt