Manfred hat geschrieben:Wenn auch das Wort "Schwärmer" nicht in der Bibel vorkommt, so drückt es aus, dass, wenn Menschen an etwas glauben, das nicht aktuell ist, so nennt man sie Schwärmer.
Dieses ist eine interessante Definierung des Begriffs Schwärmer von Dir Manfred, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Zuerst stellt sich mir die Frage wer legt fest, was aktuell ist und was nicht aktuell ist und was verstehst du unter den sehr schwammigen Begriff "aktuell" konkret?
Ja, den Ausdruck »Schwärmerei« suchen wir im Neuen Testament vergeblich. Wohl aber lesen wir wiederholt die Mahnung zur Nüchternheit. Dazu kommt die oft empfohlene »Besonnenheit« -ein etwas schillernder Begriff. Es ist die Übersetzung des griechischen Wortes »sophrosyne« oder »sophronismos«. Die Übersetzung ist nicht einfach und darum bei den Übersetzern verschieden. Das Wort muß aus dem Zusammenhang verstanden werden. Es kann heißen: Besonnenheit, Maßhalten, Enthaltsamkeit, Zucht, Selbstüberwindung, Verständigkeit. Wir sehen, das Wort hat einen weiten Radius. Es wird wohl vor Überschwenglichkeit und vielleicht auch vor Schwärmerei warnen.(Quelle:Hans Brandenburg)
Beim Betrachten der Kirchengeschichte sind mir einige übereinstimmende Sachverhalte, wenn auch in verschiedenen Ausprägungen bei dem hier genannten Beispiele von Schwärmerei aufgefallen. Diese sind die Trennung von Wort und Geist durch die Geringschätzung der Bibel=äußeren Wortes (papierenen Papst) und im Gegensatz dazu das die Überbetonung des inneren Wortes, das zur Norm erhobenen wird. Dazu kommt noch eine sehr starke Innerlichkeit, Geringschätzung bis Ablehnung von Kirchengeschichte und das sie als die einzigste wahre und reine Gemeinde sehen.
Hier einige Beispiele:
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Gnostizismus kommt vom griechischen Begriff "gnosis": Erkenntnis. Dazu
In 1.Tim. 6,20. "Bewahre, was dir anvertraut ist, und meide das ungeistliche lose Geschwätz und das Gezänk der fälschlich so genannten Erkenntnis (gnosis)"
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Der Montanismus war eine christliche prophetische Bewegung seit etwa 160 n.Chr. in Kleinasien. Die Mitglieder glaubten, Offenbarungen des Heiligen Geistes zu besitzen, die ihrem Gründer Montanus angesichts des nahen Weltendes eingegeben worden seien. Ihre strenge Ethik war auf eine Erneuerung und Vervollkommnung der kirchlichen Lebensordnung (Martyrium, Ehe, Fasten, Buße). Montanus erhob den Anspruch, das eschatologische Sprachrohr des Parakleten zu sein, der bereits im Evangelium nach Johannes (14,16) erwähnt wird. Er verkündete das nahe Ende des gegenwärtigen Zeitalters.
Aussprüche von Montanus:
1. Siehe, der Mensch ist wie eine Lyra, und ich fliege hinzu wie ein Plektron. Der Mensch schläft, und ich wecke (ihn). Siehe, es ist der Herr, der die Herzen der Menschen erregt und den Menschen ein neues Herz gibt. (Epiph., Pan. 48,4,1) - 2. Weder ein Engel noch ein Sendbote, sondern ich, der Herr, Gott der Vater ist gekommen. (Epiph., Pan. 48,11,9) - 3. Ich bin der Herr, Gott, der Allmächtige, wohnend in einem Menschen. (Epiph., Pan. 48,11,1) - 4. Warum nennst du den über einen Menschen (Hinausragenden) gerettet? Wird doch der Gerechte hundertfach mehr leuchten als die Sonne, die Kleinen aber unter euch, die gerettet werden, hundertfach mehr als der Mond.(Epiph., Pan. 48,10,3)
Von Maximilla:
5. Hört nicht auf mich, sondern hört auf Christus. (Epiph., Pan. 48,12,4) - 6. Der Herr hat mich gesandt als Anhänger, Enthüller und Deuter dieser Mühsal, dieses Bundes und dieser Verheißung, der, willens oder nicht, gezwungen ist, die Erkenntnis Gottes wahrzunehmen. (Epiph., Pan. 48,13,1) - 7. Ich werde verfolgt wie ein Wolf von den Schafen fort. Ich bin kein Wolf. Ich bin Wort und Geist und Kraft. (Orbanus bei Eus., Kirchengeschichte 5,16,17) - 8. Nach mir wird kein Prophet mehr sein, sondern die Vollendung. (Epiph., Pan. 48,2,4)
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Bei der Auseinandersetzung von Martin Luther mit Kaspar Schwenckfeld 1490-1561 ging es nicht an erster Stelle um das Tauf und Abendmahlsverständnis. Es ging an erster Stelle um die Bedeutung des inspirierten Wort Gottes.Schwenckfeld schreibt: "Wer nur das äußere Wort Schrift gelesen und gehört hat und nicht das innere Wort hat das Evangelium Christi nicht gehört, das Evangelium der Gnade, und hat es nicht empfangen und begriffen". Ja, er geht im Kampf gegen tote Orthodoxie vermeidet er in der Regel den Begriff "Wort Gottes" für die Schrift, und wird nicht müde zu wiederholen, dass das "ewige Wort" ohne Mittel geht und gar nicht an das "äußere Wort" gebunden ist. Statt "Geist" sagt Schwenkfeld zuweilen auch das innere Wort. Die Aussagen laufen auf eine Abwertung des inspirierten Wort Gotte hinaus, das einzige Fundament christlichen Glauben (Eph2.20).Es ist ein Verdienst von M.Luther (bei all seinen Schwächen) das, das er diese ersten Anläufe eines Neo-Mystizismus und Schwärmertums erkannt und abgewehrt hat.
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Hans Denck 1495 -1527 war ein bayerisch-schweizerischer Theologe und Reformator innerhalb der evangelischen Täuferbewegung.
Für Hans Denck ist das lebendige innerliche Wort Gottes wichtiger als der Buchstabe der Schrift. Die Bibel erkennt er als Menschenwerk, die einzelnen Bücher als unterschiedliche Zeugnisse der einen Wahrheit. Als Quelle aller wahren religiösen Erkenntnis gilt ihm im Gegensatz zu Martin Luther nicht die Heilige Schrift, sondern der Geist, der dem Menschen innewohnt und von innen zu ihm spricht. Jesus Christus ist die Verkörperung des vollkommenen Menschen, der nie mit Gott uneins geworden ist, weil er stets seinen Willen getan hat. Seine Funktion ist die eines Vorbildes. Sein Tod am Kreuz zur Erlösung der Sünder, wie es Luther lehrt, dagegen ist in Dencks Weltbild im Prinzip nicht notwendig, denn Gott als die vollkommene Liebe lässt alle selig werden
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Sebastian Franck 1499-1542 Er studierte in Ingolstadt und Heidelberg Theologie und wurde anschließend katholischer Priester im Bistum Augsburg. Unter dem Einfluss von Luthers Lehren trat er zum Protestantismus über. Ab dem Jahr 1526 wirkte er als lutherischer Pfarrer in Büchenbach bei Nürnberg und von 1527 bis 1528 als Pfarrer in Gustenfelden bei Schwabach. 1528 entwickelte er die eigene Ideen eines dogmenfreien Christentums des Herzens. Franke war der Überzeugung, das Religion und Theologie nicht auf " äußere Autoritäten" wie das Papsttumoder die Bibel("papierener Tiger",sondern allein auf die eigene "Erfahrung" zu gründen sei. 1528 legte er sein Amt nieder, weil Luther nicht seinem religiösen Subjektivismus teilte und an der Autorität der Bibel festhielt. Bei Sebastian Franck gab es die vollende Einheit von mystische Subjektivismus und Spiritualismus.
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Thomas Müntzer 1489-1525. Müntzers Theologie vereinigt auf mystischem Boden spiritualistische, täuferische, apokalyptische und sozialrevolutionäre Elemente zu einer Einheit.
Müntzers Bibelverständnis: Die Bibel legt primär Zeugnis ab von den Erfahrungen, die erleuchtete seelen im Umgang mit dem lebendigen Gott gewonnen haben. Sie ist Einladung, für ähnliche Erfahrungen offen zu werden, und gleichzeitig Maßstab, an der eigene Erfahrungen zu messen sind. Die Bibel ist nur das verbum externum (äußerliches Wort), das das verbum internum (innerliches Wort) braucht, um im Menschen anzukommen. Das verbum internum bedarf jedoch nicht unbedingt des äußeren Wortes der Bibel, um Glauben zu erzeugen. Vor allem an dieser Stelle erfolgte der Bruch mit Luther.Nicht die Schriftgelehrten und – wie Müntzer wörtlich sagt – ihr Bücherwissen, sondern die Visionäre sind die wahrhaftigen Interpreten des Alten und Neuen Testaments. Erst der gottesfürchtige Seher kennt Gottes aktuellen Willen für die Gegenwart. Nur er hat das Recht der Verkündigung des Wortes Gottes.
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George Fox 1624-1691 Begründer der Quäker („Religiöse Gesellschaft der Freunde“).1647 begann Fox, seine Lehre vom „inneren Licht" zu verkünden. Nicht mehr das inspirierten Wort Gottessoll die Grundlage und Richtschnur des Glaubens sein, sondern die Einsprache des "Geistes bekommt den Vorrang! George Fox behauptete, in jedem Menschen wohne ein "inneres Licht", durch welches er göttliche Offenbarungen erhalten könne. Dementsprechend sind die Versammlungen der Quäker von der Erwartung des Redens Gottes – etwa verbunden mit körperlichen Manifestationen wie Zittern – geprägt. Durch ihre Lehren befinden sich die Quäker in der Nähe der Mystik und des Enthusiasmus.
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Gottfried Arnold (1666 - 1714) war ein deutscher pietistischer Theologe. 1698 veröffentlichte Arnold unter dem Titel Göttliche Liebes-Funken 169 Gedichte und Lieder. Von mystischer Frömmigkeit getragen, fordern diese Gedichte zur Abkehr von der Welt und zum Hören auf das innere Gotteswort auf, das zur geistlichen Wiedergeburt und zum Durchdrungenwerden durch Gott führe
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Johann Michael Hahn (1758 - 1819) In mehreren „Zentralschauen“, spirituellen visionären Erlebnissen, von denen er das erste im Alter von zwanzig Jahren hatte, wurden die Grundlagen seiner Theologie gelegt. Michael Hahn vertrat die Lehre von der apokatastasis panton, in Württemberg allgemein „Wiederbringung aller Dinge“ genannt. Danach dauern die Höllenstrafen für die Verdammten zwar lange, aber nicht unendlich an.
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Charles G. Finney 1792-1875. "Es ist das einer der größten und beklagenswertestens Mißstände heutzutage. Selbst bei aufrichtig frommen Pfarrern ist das Christentum in vielen Fällen so oberflächlich, dass sie die wirklich geistlich gesinnten Glieder ihrer Gemeinden nicht verstehen können. Ihre Predigten entsprechen ihren Bedürfnissen nicht und geben ihnen daher auch nicht die richtige Nahrung. Sie stimmen nicht mit den von ihnen gemachten Erfahrungen überein. Die betreffenden Geistlichen sind selbst nicht tief genug gegründet, um dem Schaden der ihnen anvertrauten Seelen auf den Grund zu gehen und die Gemeinde erwecken zu können.“ aus Charles G. Finney: Erweckung. Gottes Verheißung und unsere Verantwortung. Finney verabschiedet sich in seiner Theologie nicht nur von "Sola Scriptura" sondern auch von "Sola Gratia" in dem er meinte Erweckung sei jeder Zeit machbar.
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Wort-des-Glaubens-Bewegung. Die Wort-des-Glaubens Bewegung unterscheidet zwischen zwei Arten von Lehre: Logos und Rhema: Logos ist die vernünftige Rede, das geschriebene Wort der Bibel, theologische Reflexion und Lehre. Rhema hingegen ist das Wort Gottes, das sich „ereignet“. Es bezeichnet einen bestimmten ekstatischen Zustand, in dem einem das Wort Gottes bewusst wird. Man erfährt biblische Wahrheiten existentiell, spürt, wie sie für das eigene Leben Bedeutung haben. Dies ist der Zustand, der eigentlich dem Glauben (wie oben definiert) vorausgeht. Recht plötzlich erhält man einen tieferen oder gar korrigierten Einblick in biblische Zusammenhänge, und es steigt der Mut in einem auf, diese auf sein Leben zu beziehen.Kernpunkt der Theologie der Wort-des-Glaubens-Bewegung ist Kapitel 11 EU des Hebräer-Briefes aus dem Neuen Testament. Darin wird Glaube als etwas definiert, das den empirischen Bereich übersteigt. Festhalten an biblischen Verheißungen trotz gegenteiliger Erfahrungen ist für die Wort-des-Glaubens Lehre zentral. Man bleibt also in einem Zustand der Erwartung und der Gespanntheit auf die Dinge, die Gott einem verheißen hat. Wichtig dafür ist auch die Lehre, dass der gläubige Christ, insofern er an der Erlösungstat Jesu festhält, bereits vollkommen ist. Es liegt also dieser Theologie grundlegend eine Spaltung der Wirklichkeit in unsichtbare Realität und sichtbare, noch nicht verwirklichte Realität zugrunde. Gott hat sich laut Glaubensbewegung festgelegt, immer gemäß den biblischen Verheißungen und Prinzipien (ein beliebtes Wort in der Bewegung) zu handeln. Glauben hat jetzt damit zu tun, diese Prinzipien auf sein Leben anzuwenden.Der Glaubensbegriff hat also weniger die Dimension der Gottesbeziehung und mehr den Charakter von Inanspruchnahme bestimmter Verheißungen. Deswegen ist eine häufige Redewendung in diesen Kreisen, dass man „für etwas“ glaubt, also „Glauben hat“, bestimmte Dinge zu erlangen.
Fazit: Wort und Geist können nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern "Gott gibt seinen Geist nicht anders als so, dass das äußere Wort vorangeht; also nicht unmittelbar, >ohn Mittel<, sondern mittelbar" (P. Althaus, Die Theologie Martin Luthers, 1980, 43). Wäre der Geist nicht mehr an das äußere Bibelwort gebunden, dann wäre der Willkür, der Uneindeutigkeit und damit der Heillosigkeit Tür und Tor geöffnet. Gott aber "will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1. Tim 2.4) – und das kann nur ermöglicht werden, wenn die Offenbarung Gottes innerlich klar und eindeutig ist. Mit Martin Luther sprechen wir deshalb von einer "litera spiritualis", einem geisthaltigen Wort und einem wortgebundenen Geist (WA 7,647ff.). Eine "direkte Offenbarung", ein Sprechen des Geistes Gottes unter Umgehung des äußeren Bibelwortes, ist somit mit dem biblischen Schriftverständnis unvereinbar.
Dieses sind nur einige Beispiele aus der Kirchengeschichte. Viele der hier genannten Personen haben zu Recht Missstände der Kirchen in ihrer Zeit angesprochen und bemängelt. Das Tragische daran ist, dass sie subjektive Eindrücke und Erfahrungen gegen das Fundament= sola scriptura eingetauscht haben und so der Mystik und den Spiritualismus Tür und Tor geöffnet haben.Sollte ich in der kirchengeschichtlichen Darstellung Sachverhalte falsch dargelegt haben, bitte ich euch mich zu berichtigen.
Gruß Joschie
Das Pferd wird gerüstet für den Tag des Kampfes, aber der Sieg kommt von dem HERRN. Spr. 21,31