Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon
Moderatoren: Der Pilgrim, Anton, Peter01
Psalm 123
Erläuterungen und Kernworte
Wie die Augen der Magd. Nicht nur die Männer dürfen auf Gottes Macht trauen, sondern auch die Frauen, die gebrechlicheren und schwächeren Gefäße. Und die Frauen dürfen nicht nur es Gott klagen, wo ihnen Unbill widerfährt, auch nicht nur Gott ihre Sünde reuig bekennen, sondern auch ihre Zuversicht auf Gott setzen. Darum wird auch bei der Aufzählung von Glaubenshelden und der Schilderung der Wolke von Zeugen Hebr. 11 nicht nur der Glaube von Männern durch den Geist Gottes aufgezeichnet und empfohlen, sondern desgleichen der Glaube von Frauen, wie der Sara, der Mutter des Mose, der Rahab und anderen. Alexander Henderson † 1646.
Mit einer Bewegung der Hand können wir fordern, bitten, versprechen, herbeirufen, verabschieden, drohen, das Mitleid anflehen, eine Bitte verweigern, ein Anerbieten abschlagen, fragen, antworten, rechnen, bekennen, der Furcht, der Scham, Zweifeln Ausdruck geben, unterweisen, befehlen, vereinigen, trennen, ermutigen, schwören, bezeugen, anklagen, verurteilen, freisprechen, bewundern, beleidigen, verachten, zum Kampfe herausfordern, schmeicheln, Beifall bezeigen, segnen, demütigen, lächerlich machen, versöhnen, loben, empfehlen, uns beklagen, jemand erquicken, ergötzen, betrüben, beunruhigen, entmutigen, erstaunen, erschrecken, einen Ausruf darstellen, Schweigen gebieten, bejahen, verneinen, ja man möchte fast fragen: was können wir nicht mit einer Bewegung der Hand kundgeben? Michael de Montaigne † 1592.
V. 3. Uns, wir. Beachten wir, dass der gottselige Sänger nicht nur für sich und die Schmach, die er zu tragen hat, Gottes Mitleid und Gnade erfleht, sondern dass ihm die allgemein auf den Gottesfürchtigen und treuen Glauben Haltenden ruhende Verachtung das Herz so beschwert. Es besteht unter den Gottseligen nicht nur eine Gemeinsamkeit im Tragen des Kreuzes, sondern auch ein Einklang der Gemüter in den Seufzern und der Anrufung der göttlichen Gnade. Wolfg. Musculus † 1563.
V. 3.4. Wir sind satt genug von Verachtung. (Wörtl.) Die Weltmenschen schauen auf die Pilgrime, die zu Gottes Heiligtum wallen, und ihre ganze Religion mit verächtlichem Lächeln hernieder, und wundern sich, dass es Leute gibt, die, während das gegenwärtige Leben doch Anforderungen genug an einen stellt, schwachköpfig genug sind, sich um einen unsichtbaren Gott und eine unbekannte Ewigkeit zu kümmern. Das ist für die Gottseligen keine leichte Prüfung. Sie müssen den Spott der Sicheren, der Sorglosen tragen. Diejenigen ihrer Nachbarn und Mitmenschen, denen es äußerlich wohl geht, erklären, dass sie gefunden haben, die Welt lohne allen, die ihrer Gaben würdig sind, freigebig. Armut und Kummer schreiben sie einzig dem Verhalten der Frommen zu, das es nicht anders verdiene. "Lasst sie sich mehr anstrengen", rufen sie gefühllos; "sie sollen lieber in der Welt vorwärtszukommen suchen, statt zu beten, so wird es ihnen bald ebenso gut gehen wie uns", und solche Worte harter, mitleidloser Unwissenheit sind wie Gift für die wunden, blutenden Herzen. Dann aber leiden die Gottseligen auch unter der Hoffärtigen Verachtung, unter denen, die ihrer stolzen Verachtung dadurch Ausdruck geben, dass sie mit höhnenden Worten über die Frommen herfallen und sie durch herben Tadel um ihren Frieden zu bringen und von der Frömmigkeit abzuziehen suchen. Noch immer haben die, welche Zion lieben, schweigende Verachtung, offene Missdeutungen und feindselige Angriffe zu erdulden. Ihr Glaube, ihr einziger Trost, wird verlacht, die Ruhe, die sie so sehnlich begehren, ihnen verweigert. Aber Gott ist ihre Zuflucht bei allen diesen Anfeindungen. Robert Nisbet 1863.
Diese zweite Strophe nimmt das "Begnade uns" wie im Echo auf. Sie beginnt mit einem Kyrie eleison, welches in staffelförmig anschwellender Weise begründet wird. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Satt genug (V. 3), reichlich satt (V. 4). Spott und Verachtung drücken offenbar schon lange auf das Volk, so dass also der Glaube schwer geprüft ist. Umso beachtenswerter ist, dass der Sprache des Psalms jede Spur von Ungeduld fehlt. J. J. St. Perowne 1868.
Homiletische Winke
V. 1-4.
Wir achten 1) auf das Gebet demütiger Abhängigkeit, V. 2; 2) auf das Gebet gläubiger Aneignung: zu dir, V. 1; 3) auf den Geist des Gehorsams: wie die Augen der Knechte usw.; 4) auf die Geduld der Heiligen: bis er uns gnädig werde. Robert Nisbet 1863.
Wir sehen hier 1) Leute, die Augen haben. a) Augen, die vertrauensvoll, betend, sinnend aufwärts zu Gott gerichtet sind, in Ehrfurcht, Achtsamkeit, Gehorsam; b) einwärts, woraus die Bitte um Gnade folgt. 2) Leute, die keine Augen haben. Sie haben a) keinen Blick für die Vortrefflichkeit der Gottseligen, b) keinen Blick für ihre eigene Gefahr; c) keine Demut vor Gott (Stolze); d) keine in Hoffnung, Gebet, gläubiger Erwartung erhobenen Augen.
V. 1.
Das Auge des Glaubens. 1) Es muss erhoben werden. 2) Es sieht am besten über sich. 3) Es hat stets etwas, wozu es aufschauen kann. 4) So lasst uns denn aufschauen und somit unsere Augen davon abhalten, zu viel einwärts und rückwärts zu schauen.
1) Die Sprache der Anbetung: der du im Himmel thronest. 2) Die Sprache des Bekenntnisses a) des Mangels, b) der Hilflosigkeit. 3) Die Sprache des Flehens: zu dir usw. 4) Die Sprache der Erwartung, siehe V. 2. George Rogers 1890.
V. 2.
mit Ps. 121,4. Zwei Siehe. 1) Gottes aufmerksam auf uns gerichtetes Auge. 2) Unser aufmerksam auf Gott gerichtetes Auge.
Des HERRN leitende Hand. Sie winkt uns 1) herzuzutreten, 2) hier- oder dorthin zu gehen, 3) still zu bleiben, wo wir sind. George Rogers 1890.
Bilder aus dem Alltagsleben, oder was wir von Knechten und ihren Herren, Mägden und ihren Herrinnen lernen können.
V. 3a.
Sei uns gnädig: 1) als wertlose Litanei des Sündendieners, 2) als ernstes Flehen des Gottseligen.
V. 3b.
Die Verachtung, mit der die Welt die Frommen behandelt. Wie häufig sie ist, was ihr Grund ist, wie schwer sie zu tragen ist, und welchen Trost die Frommen dabeihaben.
V. 3.4.
I. Die Veranlassung des Gebetes: die Verachtung der Menschen. Diese ist oft etwas vom Schwersten, das die Gottseligen zu tragen haben. 1) Sie ist sehr unvernünftig. Warum verspottet man Leute, weil sie dem folgen, was nach ihrer Gewissensüberzeugung recht ist? 2) Sie ist unverdient. Wahre Frömmigkeit tut niemand Schaden, sondern sucht aller Wohl. 3) Sie ist gottlos. Wer die Frommen schmäht, weil sie Gottes Volk sind, schmäht Gott selbst. II. Der Inhalt des Gebets. 1) Die Beter flehen hier nicht, dass Gott ihnen vor ihren Feinden Recht schaffe, was ja wohl berechtigt wäre, sondern flehen um Gnade. 2) Die Begründung: Denn wir sind usw. Die Schmähungen der Gottlosen sind für die Gottseligen eine Ermutigung, auf besondere Hilfe von Gott zu harren. Die an den Weiden hangende Harfe lässt ihre lieblichsten Töne erklingen. Gerade wo sie von Menschenhand am wenigsten berührt wird, spielt darauf desto freier der Geist Gottes. Georg Rogers1890.
Wie die Augen der Magd. Nicht nur die Männer dürfen auf Gottes Macht trauen, sondern auch die Frauen, die gebrechlicheren und schwächeren Gefäße. Und die Frauen dürfen nicht nur es Gott klagen, wo ihnen Unbill widerfährt, auch nicht nur Gott ihre Sünde reuig bekennen, sondern auch ihre Zuversicht auf Gott setzen. Darum wird auch bei der Aufzählung von Glaubenshelden und der Schilderung der Wolke von Zeugen Hebr. 11 nicht nur der Glaube von Männern durch den Geist Gottes aufgezeichnet und empfohlen, sondern desgleichen der Glaube von Frauen, wie der Sara, der Mutter des Mose, der Rahab und anderen. Alexander Henderson † 1646.
Mit einer Bewegung der Hand können wir fordern, bitten, versprechen, herbeirufen, verabschieden, drohen, das Mitleid anflehen, eine Bitte verweigern, ein Anerbieten abschlagen, fragen, antworten, rechnen, bekennen, der Furcht, der Scham, Zweifeln Ausdruck geben, unterweisen, befehlen, vereinigen, trennen, ermutigen, schwören, bezeugen, anklagen, verurteilen, freisprechen, bewundern, beleidigen, verachten, zum Kampfe herausfordern, schmeicheln, Beifall bezeigen, segnen, demütigen, lächerlich machen, versöhnen, loben, empfehlen, uns beklagen, jemand erquicken, ergötzen, betrüben, beunruhigen, entmutigen, erstaunen, erschrecken, einen Ausruf darstellen, Schweigen gebieten, bejahen, verneinen, ja man möchte fast fragen: was können wir nicht mit einer Bewegung der Hand kundgeben? Michael de Montaigne † 1592.
V. 3. Uns, wir. Beachten wir, dass der gottselige Sänger nicht nur für sich und die Schmach, die er zu tragen hat, Gottes Mitleid und Gnade erfleht, sondern dass ihm die allgemein auf den Gottesfürchtigen und treuen Glauben Haltenden ruhende Verachtung das Herz so beschwert. Es besteht unter den Gottseligen nicht nur eine Gemeinsamkeit im Tragen des Kreuzes, sondern auch ein Einklang der Gemüter in den Seufzern und der Anrufung der göttlichen Gnade. Wolfg. Musculus † 1563.
V. 3.4. Wir sind satt genug von Verachtung. (Wörtl.) Die Weltmenschen schauen auf die Pilgrime, die zu Gottes Heiligtum wallen, und ihre ganze Religion mit verächtlichem Lächeln hernieder, und wundern sich, dass es Leute gibt, die, während das gegenwärtige Leben doch Anforderungen genug an einen stellt, schwachköpfig genug sind, sich um einen unsichtbaren Gott und eine unbekannte Ewigkeit zu kümmern. Das ist für die Gottseligen keine leichte Prüfung. Sie müssen den Spott der Sicheren, der Sorglosen tragen. Diejenigen ihrer Nachbarn und Mitmenschen, denen es äußerlich wohl geht, erklären, dass sie gefunden haben, die Welt lohne allen, die ihrer Gaben würdig sind, freigebig. Armut und Kummer schreiben sie einzig dem Verhalten der Frommen zu, das es nicht anders verdiene. "Lasst sie sich mehr anstrengen", rufen sie gefühllos; "sie sollen lieber in der Welt vorwärtszukommen suchen, statt zu beten, so wird es ihnen bald ebenso gut gehen wie uns", und solche Worte harter, mitleidloser Unwissenheit sind wie Gift für die wunden, blutenden Herzen. Dann aber leiden die Gottseligen auch unter der Hoffärtigen Verachtung, unter denen, die ihrer stolzen Verachtung dadurch Ausdruck geben, dass sie mit höhnenden Worten über die Frommen herfallen und sie durch herben Tadel um ihren Frieden zu bringen und von der Frömmigkeit abzuziehen suchen. Noch immer haben die, welche Zion lieben, schweigende Verachtung, offene Missdeutungen und feindselige Angriffe zu erdulden. Ihr Glaube, ihr einziger Trost, wird verlacht, die Ruhe, die sie so sehnlich begehren, ihnen verweigert. Aber Gott ist ihre Zuflucht bei allen diesen Anfeindungen. Robert Nisbet 1863.
Diese zweite Strophe nimmt das "Begnade uns" wie im Echo auf. Sie beginnt mit einem Kyrie eleison, welches in staffelförmig anschwellender Weise begründet wird. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Satt genug (V. 3), reichlich satt (V. 4). Spott und Verachtung drücken offenbar schon lange auf das Volk, so dass also der Glaube schwer geprüft ist. Umso beachtenswerter ist, dass der Sprache des Psalms jede Spur von Ungeduld fehlt. J. J. St. Perowne 1868.
Homiletische Winke
V. 1-4.
Wir achten 1) auf das Gebet demütiger Abhängigkeit, V. 2; 2) auf das Gebet gläubiger Aneignung: zu dir, V. 1; 3) auf den Geist des Gehorsams: wie die Augen der Knechte usw.; 4) auf die Geduld der Heiligen: bis er uns gnädig werde. Robert Nisbet 1863.
Wir sehen hier 1) Leute, die Augen haben. a) Augen, die vertrauensvoll, betend, sinnend aufwärts zu Gott gerichtet sind, in Ehrfurcht, Achtsamkeit, Gehorsam; b) einwärts, woraus die Bitte um Gnade folgt. 2) Leute, die keine Augen haben. Sie haben a) keinen Blick für die Vortrefflichkeit der Gottseligen, b) keinen Blick für ihre eigene Gefahr; c) keine Demut vor Gott (Stolze); d) keine in Hoffnung, Gebet, gläubiger Erwartung erhobenen Augen.
V. 1.
Das Auge des Glaubens. 1) Es muss erhoben werden. 2) Es sieht am besten über sich. 3) Es hat stets etwas, wozu es aufschauen kann. 4) So lasst uns denn aufschauen und somit unsere Augen davon abhalten, zu viel einwärts und rückwärts zu schauen.
1) Die Sprache der Anbetung: der du im Himmel thronest. 2) Die Sprache des Bekenntnisses a) des Mangels, b) der Hilflosigkeit. 3) Die Sprache des Flehens: zu dir usw. 4) Die Sprache der Erwartung, siehe V. 2. George Rogers 1890.
V. 2.
mit Ps. 121,4. Zwei Siehe. 1) Gottes aufmerksam auf uns gerichtetes Auge. 2) Unser aufmerksam auf Gott gerichtetes Auge.
Des HERRN leitende Hand. Sie winkt uns 1) herzuzutreten, 2) hier- oder dorthin zu gehen, 3) still zu bleiben, wo wir sind. George Rogers 1890.
Bilder aus dem Alltagsleben, oder was wir von Knechten und ihren Herren, Mägden und ihren Herrinnen lernen können.
V. 3a.
Sei uns gnädig: 1) als wertlose Litanei des Sündendieners, 2) als ernstes Flehen des Gottseligen.
V. 3b.
Die Verachtung, mit der die Welt die Frommen behandelt. Wie häufig sie ist, was ihr Grund ist, wie schwer sie zu tragen ist, und welchen Trost die Frommen dabeihaben.
V. 3.4.
I. Die Veranlassung des Gebetes: die Verachtung der Menschen. Diese ist oft etwas vom Schwersten, das die Gottseligen zu tragen haben. 1) Sie ist sehr unvernünftig. Warum verspottet man Leute, weil sie dem folgen, was nach ihrer Gewissensüberzeugung recht ist? 2) Sie ist unverdient. Wahre Frömmigkeit tut niemand Schaden, sondern sucht aller Wohl. 3) Sie ist gottlos. Wer die Frommen schmäht, weil sie Gottes Volk sind, schmäht Gott selbst. II. Der Inhalt des Gebets. 1) Die Beter flehen hier nicht, dass Gott ihnen vor ihren Feinden Recht schaffe, was ja wohl berechtigt wäre, sondern flehen um Gnade. 2) Die Begründung: Denn wir sind usw. Die Schmähungen der Gottlosen sind für die Gottseligen eine Ermutigung, auf besondere Hilfe von Gott zu harren. Die an den Weiden hangende Harfe lässt ihre lieblichsten Töne erklingen. Gerade wo sie von Menschenhand am wenigsten berührt wird, spielt darauf desto freier der Geist Gottes. Georg Rogers1890.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 124
PSALM 124 (Auslegung & Kommentar)
Überschrift
Ein Lied Davids im höhern Chor. Die Sprachgelehrten halten dieser Überschrift entgegen, dies kleine Lied weise mancherlei sprachliche Neubildungen und Zierformen auf, die der davidischen Zeit unbekannt gewesen seien. Dem mag so sein; doch haben die Herren Gelehrten so manches äußerst Fragliche behauptet, dass wir ihren Erklärungen gegenüber Vorsicht anzuwenden wohl berechtigt sind. Unbestreitbar ist, dass der Psalm in seinem ganzen Ton und so manchen seiner Bilder den davidischen sehr ähnlich ist.
Einteilung
Der kurze Psalm enthält ein Bekenntnis der in herrlicher Errettung erfahrenen Gnade, V. 1-5, sodann einen anbetenden Lobpreis Jehovahs, V. 6.7, und zum Schluss eine Erklärung des Vertrauens auf den HERRN im Blick auf gegenwärtige und künftige Prüfungen. Mögen unsere Erfahrungen uns zu dem gleichen seligen Schlusse führen, den die Gläubigen der alten Zeit aus ihren Erlebnissen gezogen haben, und mögen auch wir durch solch heiliges Vertrauen auf unseren Gott von allem Vertrauen auf Menschen erlöst werden.
Auslegung
1.
Wo der HERR nicht bei uns wäre,
so sage Israel,
2.
wo der HERR nicht bei uns wäre,
wenn die Menschen sich wider uns setzen,
3.
so verschlängen sie uns lebendig,
wenn ihr Zorn wider uns ergrimmte,
4.
so ersäufte uns Wasser,
Ströme gingen über unsre Seele;
5.
es gingen Wasser
allzu hoch über unsre Seele.
1. Wo der HERR nicht bei uns (für uns, auf unserer Seite, vergl. 1. Mose 31,42) gewesen1wäre, so sage Israel. Meist übersetzt man: Wäre es nicht Jehovah gewesen, der für uns war usw. Jehovah, der Hohe und Herrliche, ward unser Verbündeter; er stellte sich auf unsere Seite und machte unsere Sache zu der seinen. Wenn er nicht unser Beschützer gewesen wäre, wo wären wir? Nur seine Macht und Weisheit konnten uns beschirmen vor der List und Bosheit unserer Widersacher; darum spreche sein ganzes Volk das auch aus und gebe ihm dadurch öffentlich die Ehre für seine Güte, der es einzig seine Erhaltung verdankt. Da haben wir zwei Wenn (in V. 1 und V. 2), und doch ist kein Wenn in der Sache selbst, denn die Voraussetzung wird mit Nachdruck als nicht erfüllt hingestellt. Und sie wird nie eintreten, solange Jehovah Jehovah ist. Der HERR war auf unserer Seite, er ist noch unser Verteidiger und wird auch ferner schützend über uns walten, ja nun und immerdar. Lasst uns mit heiliger Zuversicht über diese herrliche Tatsache frohlocken! Wir sind mit dem Bezeigen unseres Dankes viel zu langsam; darum die Aufforderung: So sage Israel. Klagen und Seufzer entfahren unseren Lippen leicht, dazu braucht uns niemand erst aufzufordern; aber das Danken bedarf des Ansporns, und es ist gut, wenn ein Freund, dem das Herz warm ist, uns mahnt, dem, was wir fühlen, auch geziemenden Ausdruck zu geben. Ja, stellen wir uns nur recht lebhaft vor, was mit uns geschehen wäre, wenn der HERR uns hätte fahren lassen, und blicken wir dann darauf, was wirklich geschehen ist, weil er sich an uns so treu erwiesen hat. Sehen wir da nicht eine Fülle von solchem vor uns, das uns zu einem begeisterten Liede anregen kann? O lasst uns dem HERRN singen!
2. Wo der HERR nicht bei uns gewesen wäre, als die Menschen sich wider uns setzten. Als alle sich verbanden, als das ganze Menschengeschlecht darauf versessen schien, das Haus Israel zu vertilgen, wie hätte es uns ergehen müssen, wenn unser Bundesgott nicht dazwischengetreten wäre? Als sie sich gegenseitig aufhetzten und sich zusammenrotteten, um uns in unserer Ruhe und Sicherheit anzugreifen, was hätten wir tun sollen, als sie sich also erhoben, wenn der HERR sich nicht auch erhoben hätte? Niemand war uns nahe, der uns hätte helfen können oder wollen; aber die erhobene Hand des HERRN genügte, um die Seinen gegen alle die verbündeten Heere der Feinde zu schützen. Darüber ist kein Zweifel, wer uns befreit hat. Wir können unsere Errettung nicht irgendwelcher Ursache zweiten Grades zuschreiben, denn nichts Geringeres als die Allmacht und Allweisheit selbst vermochte sie zustande zu bringen. Wir sprechen jedem, der irgendein Verdienst in dieser Hinsicht in Anspruch nehmen möchte, das Recht dazu ab, und bekennen mit Freuden als unsere einzige Hilfe, dass der HERR auf unserer Seite stand.
3. So hätten sie uns lebendig verschlungen, da ihr Zorn über uns ergrimmte. Sie waren so gierig, uns zu vernichten, dass sie uns mit einem Bissen hinuntergeschnappt, uns lebendig mit Haut und Haaren in einem Nu verschlungen hätten, wenn sie nur hätten an uns kommen können. Die Wut der Feinde des Volkes Gottes kennt keine Mäßigung; nur die gänzliche Ausrottung der Auserwählten kann ihr Genüge tun. Ihr Ingrimm ist wie ein Feuer, das in voller Lohe ist und so mächtig brennt, dass nichts es zu löschen vermag, bis es alles Brennbare verschlungen hat. Der Hass und Zorn des Menschenherzens flammt nie heftiger auf, als wenn er sich gegen das Volk Gottes richtet. Funken werden zu Feuergarben und der Ofen wird siebenmal heißer gemacht denn sonst, wenn Gottes Auserkorene in die feurige Glut geworfen werden sollen (Dan. 3,19). Die grausame Welt würde es mit dem göttlichen Samen ganz und gar aus machen, wenn der Ewige nicht ihr in den Weg träte. Wenn der HERR auf den Plan tritt, dann können auch die blutdürstigsten Rachen die Beute nicht verschlingen, die alles verzehrenden Flammen nicht vernichten. Ja freilich, wenn Jehovah nicht wäre, wenn unsere Hilfe von den Geschöpfen kommen müsste, so gäbe es für uns kein Entrinnen, auch wenn die ganze Kreatur uns helfen wollte; einzig weil der HERR lebt, ist sein Volk noch am Leben.
4. So hätte uns (das) Wasser ersäuft. Unaufhaltsam anschwellend gleich dem Nil, würde die Flut der Feindschaft uns bald über das Haupt gegangen sein. Über die mächtige Wasserwüste würden wir angsterfüllt unsere Blicke haben schweifen lassen, aber vergeblich hätten wir nach Rettung ausgeschaut. Wir hätten nicht sagen können: Von Wogen umschlungen, doch nicht verschlungen! Nein, wir würden von der Flut unwiderstehlich fortgeschwemmt worden und in die Tiefe gesunken sein, um nie wieder emporzutauchen. Ströme wären über unsre Seele gegangen. Der reißende Sturzbach würde all unsere Hoffnung, ja unser Leben selbst begraben haben. Wir haben in unserem Vers nacheinander zwei Bilder, erst die unaufhaltsam steigende Flut, dann den vom Regen oder der Schneeschmelze hoch angeschwollenen, wild dahinstürzenden Gießbach. Wer vermöchte diesen beiden allgewaltigen Mächten zu widerstehen? Alles wird von ihnen mit unbezwinglicher Gewalt, sei es überschwemmt, sei es weggeschwemmt. Wenn die Feindschaft der Welt einmal durchbrechen darf, so ist sie wie ein Bergsee, der seine natürlichen Dämme zerreißt und sich nun in tosendem, immer höher schwellendem Strom rasenden Laufs in das blühende Tal ergießt und alles mit sich fortreißt, nichts schonend, nichts als eine Wüste hinter sich lassend. Und wenn sich die großen Wasserfluten der Verfolgung und Trübsal daherwälzen, wer anders kann da helfen als Jehovah? Wäre er nicht unser Retter gewesen, wo wären wir zur heutigen Stunde? Auch wir haben Zeiten erlebt, wo die verbündeten Mächte der Erde und der Hölle es mit uns wahrlich ein Ende gemacht hätten, wenn die allmächtige Gnade nicht ins Mittel getreten wäre und uns befreit hätte.
5. So wären über uns dahingegangen die hoch trotzenden Wasser. (Wörtl.) Der Dichter stellt die Wasser als stolz dar, und in der Tat, welch ein Bild des trotzenden Übermutes sind die Wogen, wenn sie die schützenden Planken des Schiffes überspringen und die gebrechliche Barke jeden Augenblick in die Tiefe zu versenken drohen. Die Feindschaft der Menschen verschärft sich häufig noch zu hochmütigem und übermütigem Spott, der alle unsere Bemühungen, ein gottseliges Leben zu führen und Gottes Wahrheit zu vertreten, als bloßen Fanatismus oder aus der Unwissenheit geborenen Eigensinn verlacht. Bei allen Verfolgungen der Gemeinde Gottes hat sich verächtlicher Hohn und grausamer Spott zu der rohen Bedrückung und Vergewaltigung gesellt, und das ist in der Tat fast mehr, als ein Mensch ertragen kann. Wenn Gott nicht bei uns gewesen wäre, so hätten unsere hochmütigen, uns aus tiefster Seele verachtenden Widersacher uns gar zunichte gemacht und wären über uns hergestürzt, wie ein Bergstrom einen Abhang hinabstürzt, alles vor sich hertreibend. Nicht nur all unser Hab und Gut jeder Art hätte man uns entrissen, sondern auch unser Mut, unsere Hoffnung würde uns bei dem ungestümen Angriff genommen und unter den Beschimpfungen unserer Gegner begraben worden sein. Lasst uns hier einen Augenblick innehalten, und da wir nun deutlich sehen, was unser Los hätte sein können, die bewahrende Macht anbeten, die uns mitten in den Fluten erhielt, ja uns den Kopf über Wasser hielt, dass wir nicht versanken.
Fußnote
1. Wir fassen die Aussagen als Rückblick auf die Vergangenheit und ändern dementsprechend die Übers. Luthers durchweg
Überschrift
Ein Lied Davids im höhern Chor. Die Sprachgelehrten halten dieser Überschrift entgegen, dies kleine Lied weise mancherlei sprachliche Neubildungen und Zierformen auf, die der davidischen Zeit unbekannt gewesen seien. Dem mag so sein; doch haben die Herren Gelehrten so manches äußerst Fragliche behauptet, dass wir ihren Erklärungen gegenüber Vorsicht anzuwenden wohl berechtigt sind. Unbestreitbar ist, dass der Psalm in seinem ganzen Ton und so manchen seiner Bilder den davidischen sehr ähnlich ist.
Einteilung
Der kurze Psalm enthält ein Bekenntnis der in herrlicher Errettung erfahrenen Gnade, V. 1-5, sodann einen anbetenden Lobpreis Jehovahs, V. 6.7, und zum Schluss eine Erklärung des Vertrauens auf den HERRN im Blick auf gegenwärtige und künftige Prüfungen. Mögen unsere Erfahrungen uns zu dem gleichen seligen Schlusse führen, den die Gläubigen der alten Zeit aus ihren Erlebnissen gezogen haben, und mögen auch wir durch solch heiliges Vertrauen auf unseren Gott von allem Vertrauen auf Menschen erlöst werden.
Auslegung
1.
Wo der HERR nicht bei uns wäre,
so sage Israel,
2.
wo der HERR nicht bei uns wäre,
wenn die Menschen sich wider uns setzen,
3.
so verschlängen sie uns lebendig,
wenn ihr Zorn wider uns ergrimmte,
4.
so ersäufte uns Wasser,
Ströme gingen über unsre Seele;
5.
es gingen Wasser
allzu hoch über unsre Seele.
1. Wo der HERR nicht bei uns (für uns, auf unserer Seite, vergl. 1. Mose 31,42) gewesen1wäre, so sage Israel. Meist übersetzt man: Wäre es nicht Jehovah gewesen, der für uns war usw. Jehovah, der Hohe und Herrliche, ward unser Verbündeter; er stellte sich auf unsere Seite und machte unsere Sache zu der seinen. Wenn er nicht unser Beschützer gewesen wäre, wo wären wir? Nur seine Macht und Weisheit konnten uns beschirmen vor der List und Bosheit unserer Widersacher; darum spreche sein ganzes Volk das auch aus und gebe ihm dadurch öffentlich die Ehre für seine Güte, der es einzig seine Erhaltung verdankt. Da haben wir zwei Wenn (in V. 1 und V. 2), und doch ist kein Wenn in der Sache selbst, denn die Voraussetzung wird mit Nachdruck als nicht erfüllt hingestellt. Und sie wird nie eintreten, solange Jehovah Jehovah ist. Der HERR war auf unserer Seite, er ist noch unser Verteidiger und wird auch ferner schützend über uns walten, ja nun und immerdar. Lasst uns mit heiliger Zuversicht über diese herrliche Tatsache frohlocken! Wir sind mit dem Bezeigen unseres Dankes viel zu langsam; darum die Aufforderung: So sage Israel. Klagen und Seufzer entfahren unseren Lippen leicht, dazu braucht uns niemand erst aufzufordern; aber das Danken bedarf des Ansporns, und es ist gut, wenn ein Freund, dem das Herz warm ist, uns mahnt, dem, was wir fühlen, auch geziemenden Ausdruck zu geben. Ja, stellen wir uns nur recht lebhaft vor, was mit uns geschehen wäre, wenn der HERR uns hätte fahren lassen, und blicken wir dann darauf, was wirklich geschehen ist, weil er sich an uns so treu erwiesen hat. Sehen wir da nicht eine Fülle von solchem vor uns, das uns zu einem begeisterten Liede anregen kann? O lasst uns dem HERRN singen!
2. Wo der HERR nicht bei uns gewesen wäre, als die Menschen sich wider uns setzten. Als alle sich verbanden, als das ganze Menschengeschlecht darauf versessen schien, das Haus Israel zu vertilgen, wie hätte es uns ergehen müssen, wenn unser Bundesgott nicht dazwischengetreten wäre? Als sie sich gegenseitig aufhetzten und sich zusammenrotteten, um uns in unserer Ruhe und Sicherheit anzugreifen, was hätten wir tun sollen, als sie sich also erhoben, wenn der HERR sich nicht auch erhoben hätte? Niemand war uns nahe, der uns hätte helfen können oder wollen; aber die erhobene Hand des HERRN genügte, um die Seinen gegen alle die verbündeten Heere der Feinde zu schützen. Darüber ist kein Zweifel, wer uns befreit hat. Wir können unsere Errettung nicht irgendwelcher Ursache zweiten Grades zuschreiben, denn nichts Geringeres als die Allmacht und Allweisheit selbst vermochte sie zustande zu bringen. Wir sprechen jedem, der irgendein Verdienst in dieser Hinsicht in Anspruch nehmen möchte, das Recht dazu ab, und bekennen mit Freuden als unsere einzige Hilfe, dass der HERR auf unserer Seite stand.
3. So hätten sie uns lebendig verschlungen, da ihr Zorn über uns ergrimmte. Sie waren so gierig, uns zu vernichten, dass sie uns mit einem Bissen hinuntergeschnappt, uns lebendig mit Haut und Haaren in einem Nu verschlungen hätten, wenn sie nur hätten an uns kommen können. Die Wut der Feinde des Volkes Gottes kennt keine Mäßigung; nur die gänzliche Ausrottung der Auserwählten kann ihr Genüge tun. Ihr Ingrimm ist wie ein Feuer, das in voller Lohe ist und so mächtig brennt, dass nichts es zu löschen vermag, bis es alles Brennbare verschlungen hat. Der Hass und Zorn des Menschenherzens flammt nie heftiger auf, als wenn er sich gegen das Volk Gottes richtet. Funken werden zu Feuergarben und der Ofen wird siebenmal heißer gemacht denn sonst, wenn Gottes Auserkorene in die feurige Glut geworfen werden sollen (Dan. 3,19). Die grausame Welt würde es mit dem göttlichen Samen ganz und gar aus machen, wenn der Ewige nicht ihr in den Weg träte. Wenn der HERR auf den Plan tritt, dann können auch die blutdürstigsten Rachen die Beute nicht verschlingen, die alles verzehrenden Flammen nicht vernichten. Ja freilich, wenn Jehovah nicht wäre, wenn unsere Hilfe von den Geschöpfen kommen müsste, so gäbe es für uns kein Entrinnen, auch wenn die ganze Kreatur uns helfen wollte; einzig weil der HERR lebt, ist sein Volk noch am Leben.
4. So hätte uns (das) Wasser ersäuft. Unaufhaltsam anschwellend gleich dem Nil, würde die Flut der Feindschaft uns bald über das Haupt gegangen sein. Über die mächtige Wasserwüste würden wir angsterfüllt unsere Blicke haben schweifen lassen, aber vergeblich hätten wir nach Rettung ausgeschaut. Wir hätten nicht sagen können: Von Wogen umschlungen, doch nicht verschlungen! Nein, wir würden von der Flut unwiderstehlich fortgeschwemmt worden und in die Tiefe gesunken sein, um nie wieder emporzutauchen. Ströme wären über unsre Seele gegangen. Der reißende Sturzbach würde all unsere Hoffnung, ja unser Leben selbst begraben haben. Wir haben in unserem Vers nacheinander zwei Bilder, erst die unaufhaltsam steigende Flut, dann den vom Regen oder der Schneeschmelze hoch angeschwollenen, wild dahinstürzenden Gießbach. Wer vermöchte diesen beiden allgewaltigen Mächten zu widerstehen? Alles wird von ihnen mit unbezwinglicher Gewalt, sei es überschwemmt, sei es weggeschwemmt. Wenn die Feindschaft der Welt einmal durchbrechen darf, so ist sie wie ein Bergsee, der seine natürlichen Dämme zerreißt und sich nun in tosendem, immer höher schwellendem Strom rasenden Laufs in das blühende Tal ergießt und alles mit sich fortreißt, nichts schonend, nichts als eine Wüste hinter sich lassend. Und wenn sich die großen Wasserfluten der Verfolgung und Trübsal daherwälzen, wer anders kann da helfen als Jehovah? Wäre er nicht unser Retter gewesen, wo wären wir zur heutigen Stunde? Auch wir haben Zeiten erlebt, wo die verbündeten Mächte der Erde und der Hölle es mit uns wahrlich ein Ende gemacht hätten, wenn die allmächtige Gnade nicht ins Mittel getreten wäre und uns befreit hätte.
5. So wären über uns dahingegangen die hoch trotzenden Wasser. (Wörtl.) Der Dichter stellt die Wasser als stolz dar, und in der Tat, welch ein Bild des trotzenden Übermutes sind die Wogen, wenn sie die schützenden Planken des Schiffes überspringen und die gebrechliche Barke jeden Augenblick in die Tiefe zu versenken drohen. Die Feindschaft der Menschen verschärft sich häufig noch zu hochmütigem und übermütigem Spott, der alle unsere Bemühungen, ein gottseliges Leben zu führen und Gottes Wahrheit zu vertreten, als bloßen Fanatismus oder aus der Unwissenheit geborenen Eigensinn verlacht. Bei allen Verfolgungen der Gemeinde Gottes hat sich verächtlicher Hohn und grausamer Spott zu der rohen Bedrückung und Vergewaltigung gesellt, und das ist in der Tat fast mehr, als ein Mensch ertragen kann. Wenn Gott nicht bei uns gewesen wäre, so hätten unsere hochmütigen, uns aus tiefster Seele verachtenden Widersacher uns gar zunichte gemacht und wären über uns hergestürzt, wie ein Bergstrom einen Abhang hinabstürzt, alles vor sich hertreibend. Nicht nur all unser Hab und Gut jeder Art hätte man uns entrissen, sondern auch unser Mut, unsere Hoffnung würde uns bei dem ungestümen Angriff genommen und unter den Beschimpfungen unserer Gegner begraben worden sein. Lasst uns hier einen Augenblick innehalten, und da wir nun deutlich sehen, was unser Los hätte sein können, die bewahrende Macht anbeten, die uns mitten in den Fluten erhielt, ja uns den Kopf über Wasser hielt, dass wir nicht versanken.
Fußnote
1. Wir fassen die Aussagen als Rückblick auf die Vergangenheit und ändern dementsprechend die Übers. Luthers durchweg
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 124
6.
Gelobt sei der HERR, dass er uns nicht gibt
zum Raub in ihre Zähne!
7.
Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel
dem Stricke des Voglers;
der Strick ist zerrissen,
und wir sind los.
6. Gelobt sei der HERR, dass er uns nicht gab zum Raub in ihre Zähne. Der Dichter verlässt das Bild der tosenden Flut und vergleicht die Feinde Israels jetzt mit wilden Tieren. Gleich solchen sind sie bereit, mit scharfen Zähnen den Frommen zu zermalmen, den sie schon als ihre Beute betrachten. Herzlich wird der HERR dafür gepriesen, dass er es nicht zuließ, dass seine Knechte in Stücke zerrissen und verschlungen wurden, als sie sich schon in dem Rachen der vor Wut rasenden Feinde befanden. Darin liegt die so tröstliche Wahrheit, dass niemand uns schaden kann, bis der HERR es erlaubt; wir können auch den grimmigsten Widersachern nicht zur Beute fallen, es sei denn, dass der HERR uns ihnen preisgebe, und das wird unser liebender Herr niemals tun. Bisher hat er noch jedem Feind die Erlaubnis verweigert, uns zu verderben; gelobt sei sein Name! Je stärker die Gefahr, desto mächtiger auch die Gnade, die nicht zulässt, dass die Seele darin umkomme. Gott sei ewig gepriesen, dass er uns vor dem Unheil bewahrte, dass er der Wut der Feinde Halt gebot und die Seinen errettete. Der Vers redet wie die vorhergehenden dem Wortlaut nach nur von solchem, was nicht geschehen, was durch Gottes Gnade verhütet worden ist; aber in dieser Rettung sind die kostbarsten Segnungen eingeschlossen. Derselbe, der uns niemals unseren Feinden hingeben wird, hat uns seinen eingeborenen Sohn und mit ihm die Fülle des Heils gegeben.
7. Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Strick des Voglers. Unsere Seele gleicht einem Vogel in mancher Hinsicht; in dem vorliegenden Fall aber liegt der Vergleichungspunkt in der Schwäche und Torheit und der Leichtigkeit, mit der daher die Vögel in die Schlinge gelockt werden. Die Vogelsteller haben gar mancherlei Weisen, wie sie die Vöglein fangen, und der Satan ist desgleichen in vielerlei Kunstgriffen bewandert, um Seelen zu betören. Die einen lassen sich durch schlechte Gesellschaft anlocken, andere werden durch ihre Vorliebe für Leckerbissen geködert; der Hunger treibt viele in die Schlingen, und andere Scharen werden durch Furcht veranlasst, in das verderbliche Netz zu fliegen. Die Vogler kennen ihre Vögel und wissen, wie sie sie kriegen können; die Vögel hingegen sehen das Netz nicht, so dass sie es meiden könnten, und haben nicht die Kraft, es zu zerreißen, dass sie ihm zu entrinnen vermöchten. Das Vöglein kann sich glücklich schätzen, dem ein Befreier kommt, der stark und mächtig ist und gerade im Augenblick der Gefahr zu Hilfe eilt; noch glücklicher aber ist die Seele, über der der HERR Tag und Nacht wacht, um ihre Füße aus dem Netz zu ziehen. Welche Freude klingt uns doch aus dem Gesang entgegen: Unsre Seele ist entronnen! Wie fröhlich singt das befreite Vögelein, während es sich auf zum Himmel schwingt, und immer höher steigt es, und immer jubelnder klingt sein Lied.
O Gott sei Dank, auch unser viele können dieses Jubellied anstimmen! Unsre Seele ist entronnen. Entronnen aus der Sklaverei, in der wir geboren waren; entronnen der Schuld der Sünde, ihrer Erniedrigung, ihren Fesseln der Gewohnheit, ihrer grausamen Herrschaft, entronnen dem eitlen Trug und der Zaubermacht Satans, entronnen dem zeitlichen und ewigen Verderben. Wahrlich, ist das nicht Wonne, was wir erlebt haben? Welch ein Wunder der Gnade ist es! Welch wunderbares Entrinnen, dass wir, die wir so leicht zu verführen sind, dennoch nicht durch des schrecklichen Vogelstellers Hand umgebracht wurden. Gott hat es nicht zugelassen; er hat das Gebet erhört, das er uns selber beten lehrte, er hat uns erlöst von dem Bösen. Der Strick ist zerrissen, und wir sind los. O selige Freiheit! Der Jubelgesang ist der Wiederholung wert; es ist gut, bei einer so herrlichen Tatsache zu verweilen.
Der Strick, das Netz, darin man uns fangen will, kann sehr verschiedenartig sein: diese oder jene Irrlehre, Hochmut, böse Lust oder eine Versuchung, sich leidenschaftlich in die Politik zu stürzen, oder aber dass wir Versuchungen ausgesetzt werden, sei es zur Verzweiflung, sei es zur Vermessenheit. Doch, wie immer das Netz heiße, das uns besonders gefährlich wird, welch eine Gnade, wenn es vor unseren Augen zerrissen daliegt, so dass es keine Macht mehr hat, uns gefangen zu halten. Solange wir in der Schlinge sind, sehen wir freilich die Gnade nicht, sind wohl gar so töricht, es zu beklagen, wenn der satanische Zauber zerrissen wird; die Dankbarkeit kommt erst, wenn wir uns gerettet sehen und erkennen, welch schrecklichem Schicksal wir entronnen und durch wessen Hand wir in Freiheit gesetzt sind. Dann singen wir dem HERRN mit Herz und Mund, und Himmel und Erde hallen wider von unserem Jubellied: Der Strick ist zerrissen, und wir sind los! Wir wurden wohl schwer angefochten, aber nicht überwunden, wir wurden unterdrückt, aber wir sind nicht umgekommen, wir kamen wohl in bange Verlegenheit, aber nicht in ewige Verzweiflung, waren oft in Todesnöten, und siehe, wir leben; gepriesen sei der HERR!
Dieses Lied hätte sich trefflich geeignet als Danklied des ganzen englischen Volkes zu der Zeit der spanischen Armada, des deutschen Volkes in den Freiheitskriegen, der Gemeinde des Herrn in den Zeiten der Inquisition und ähnlicher Verfolgungen, und es passt ebenso für den einzelnen Gläubigen, wenn er mächtigen Versuchungen und Gefahren entronnen ist.
8.
Unsre Hilfe steht im Namen des HERRN,
der Himmel und Erde gemacht hat.
8. Unsre Hilfe, unsere Hoffnung für die Zukunft, unsre Zuflucht in allen gegenwärtigen wie noch kommenden Trübsalen, steht im Namen des HERRN. Jehovahs Name, sein geoffenbartes Wesen, ist der feste Grund unserer Zuversicht, seine Person ist der Quell unserer Kraft. Der Himmel und Erde gemacht hat. Unser Schöpfer ist unser Erhalter. Er ist unermesslich groß in seinem Schöpfungswerk, er schuf nicht nur einige kleine Dinge, sondern alle Himmel und das ganze Erdenrund sind das Werk seiner Hände. Wenn wir ihn als den Schöpfer anbeten, so nehme dadurch auch unser Vertrauen zu ihm zu als unserem Beschützer und Tröster und Helfer in jeder Not. Hat er alles das, was wir sehen, erschaffen, sollte er uns dann nicht auch bewahren können vor den Gefahren und Übeln, die wir nicht zu sehen vermögen? Gelobt sei sein Name, er, der uns gebildet hat, wird auch über uns wachen; ja er hat es getan, hat uns in dem Augenblick der höchsten Gefahr Hilfe gebracht. Er ist uns Hilfe und Schild, er allein. Er wird bis ans Ende jeden Strick zerreißen. Er hat den Himmel für uns bereitet und wird uns für den Himmel zu bewahren wissen; er hat die Erde gemacht und wird uns hienieden zu Hilfe kommen, bis die Stunde unseres Abscheidens vorhanden ist. Jedes der Werke seiner Hand predigt uns sowohl von unserer Pflicht, ihm allein zu vertrauen, als von der Seligkeit, die darin liegt. Die ganze Schöpfung ruft uns zu: Verlasset euch auf den HERRN ewiglich; denn Gott der HERR ist ein Fels ewiglich (Jes. 26,4). So tröstet euch nun mit diesen Worten untereinander (1. Thess. 4,18).
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 124
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Gerade weil der Psalm keine zeitgeschichtlichen Einzelheiten anführt, sondern in lebhaften, aber allgemein passenden Bildern die Errettung des Volkes Gottes besingt, ist er so trefflich geeignet als Jubellied der Erlösten aller Zeiten und Zonen. Noch immer ist die Gemeinde des HERRN von grimmigen Feinden umringt und wird sie nur durch Gottes Macht erhalten, darum veraltet dieser Lobgesang nie. Wo ist ein Land, da man diese Töne freudigen Dankes nicht gehört hätte! Er ist gesungen worden am Jordan und am Nil, am Euphrat und Tigris, an der Tiber wie am Rhein, an der Themse und dem Forth, am Ganges und Indus, am Mississippi und Irawadi, und wird noch auf jeder Insel und in jedem Lande unseres Erdballs erklingen. Das große Jubeljahr der Erlösten des HERRN muss kommen, wo alle Nationen ihrem Erlöser jauchzen mit Psalmen und Lobgesängen. N. Mac-Michael 1860.
Im Jahre 1852 wurde dieser Psalm bei einer denkwürdigen Gelegenheit in Edinburgh gesungen. Ein Prediger des Evangeliums, John Durie, war eben aus dem Gefängnis freigekommen und wurde am Eingang der Stadt von zweihundert seiner Freunde bewillkommt. Die ihn geleitende Menge wuchs immer mehr an, bis ihrer wohl zweitausend waren, die, als sie die lange Hauptstraße hinanzogen, diesen Psalm anstimmten, und zwar vierstimmig, nach der allen wohlbekannten Melodie. Feierlich klang der Psalm, die Sänger wurden selber tief davon ergriffen, und die Bewegung pflanzte sich auch auf die Zuhörer weiter; ja man sagt von einem der eifrigsten Verfolger, dass er von diesem Anblick und dem Gesange mehr in Unruhe versetzt worden sei als von irgendetwas, das er je in Schottland erlebt habe. Andrew Alexander Bonar 1859.
V. 1. Gott der Vater (Röm. 8,31.33), der Sohn (V. 34), der Heilige Geist (V. 27) sind für uns. Was würde sonst aus uns werden! John Gill † 1771.
V. 1.2. Der Psalm ist ein Echo des Gesanges, der an dem Gestade des Schilfmeeres war gesungen worden (2. Mose 15), und wir hören in ihm schon Töne aus dem neuen Liede am gläsernen Meer (Off. 15,3 f.). Der Preis und Dank erschallen Jehovah, dem Offenbarungsgott, dem Schöpfer, dem allmächtigen Beschützer (1. Mose 17,1), dem Bundesgott, dem Erlöser. Es ist Israel, das auserwählte Volk des HERRN, Gottes Kleinod (Mal. 3,17), hingegen das odium generis humani (der Gegenstand des Abscheues und Hasses der ganzen Menschheit, wie schon die Rabbinen sagen), gegen das der Mensch (nicht Einzelne, sondern die Menschheit insgesamt) sich erhebt, um es zu vernichten. Israel ist es aber auch, Gottes auserkorenes Bundesvolk, das sich in der vollen Seligkeit persönlicher Zueignung seines Gottes freut und singt: Wenn der HERR nicht unser wäre, nicht auf unserer Seite stände! Darin bestand Israels Sicherheit, sein Segensstand und seine Freude. Und das alles gilt nun von dem Volk des Neuen Bundes im vollsten Maße. So ist der Psalm typisch-prophetisch. Edw. Th. Gibson † 1880.
V. 1.7.8. Folgende drei Stücke will ich im Herzen bewahren, o HERR: Der HERR war mit uns, das gilt für die Vergangenheit. Der Strick ist zerrissen, das gilt für die Gegenwart. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, das gilt für die Zukunft. Ich will und kann nicht mutlos werden, weder in dem Kampf mit dem Satan noch bei der Bosheit der Welt, noch bei all dem, was aus meinem argen Herzen aufsteigt, solange ich mich an diese dreifältige Schnur halten kann oder vielmehr von ihr gehalten werde. Alfred Edersheim 1877.
Woran mag das doch liegen, mag jemand fragen, dass die Frommen nicht unterzukriegen und auszurotten sind, sondern immer wieder über Wasser kommen, ja sogar ihre Feinde besiegen? Lehrt doch die Erfahrung, dass sie so viel geringer an Zahl sind als die Gottlosen, dass ihnen die weltlichen Machtmittel nicht zur Verfügung stehen, dass sie einfältige Leute sind, denen die Klugheit und List der Gottlosen abgeht, und dass sie auch an scharfer Achtsamkeit hinter ihren Gegnern zurückstehen? Die Antwort gibt uns der Prophet Jesaja Kap. 8,10 in den kurzen Worten: Hier ist Immanuel, d. i. Gott mit uns! Das ist das Geheimnis. Er ist stärker, weiser, wachsamer als alle, und ihm gelingt alles, was er unternimmt. Wo diese vier Stücke sich bei einem Feldherrn beisammen finden, da ist der Sieg gewiss. Thomas Stint 1621.
V. 3-5. Die Feinde werden zuerst mit einem Meerungetüm verglichen, vergl. V. 6; Jer. 51,34. Dies Bild führt dann V. 4 das zweite von dem überflutenden und alles mit sich fortreißenden Wasser herbei, vergl. Ps. 18,17; 69,3.16; Jes. 8,8. Mit dem Strom, V. 4b, ist der vom geschmolzenen Schnee angefüllte, alles mit sich fortreißende Gießbach gemeint. Dem Wasser wird V. 5 Übermut zugeschrieben, wie Hiob 38,11 Stolz; hier besonders passend, weil Personen damit gemeint sind. Prof. Friedr. Bäthgen 1904.
V. 4.5. So ersäufte uns Wasser usw. Dies ist ein gemein, aber dennoch ein sehr sein und deutlich Gleichnis. Es ist gar ein gräulich Ding um ein Feuer, wenn es überhandnimmt; aber dennoch ist es viel erschrecklicher anzusehen, wenn irgendein Wasser ausreißet und mit Gewalt ausläuft, welches mit keinem Schutz kann aufgehalten werden. Gleichwie nun ein Wasser, sagt er, mit großer Ungestümigkeit dahergehet und alles ausreißt und zunichte machet: also kann auch das Wüten derjenigen, die da der christlichen Kirche feind sind, mit keiner menschlichen Macht gestillet und aufgehalten werden. Müssen derohalben lernen, Gottes Hilfe und Beistand gebrauchen. Denn was ist die christliche Kirche anders als ein kleines Schifflein, das an das Ufer gebunden ist und zuletzt durch einen Sturm abgerissen und weggeführt wird? Was ist sie anders als ein Sträuchlein, das am Ufer stehet und ohne alles Widerstreben durch die Ergießung und Flut des Wassers ausgerissen wird? So ist auch das Volk Israel zur Zeit des David gegen die andern Völker zu rechnen gewesen. Also ist noch jetzt die christliche Kirche, so man ihre Feinde ansiehet. Also sein wir noch alle miteinander, wenn wir die Gewalt des bösen Geistes bedenken; wir sind als eine Staude, die ungefähr daher wächset und nicht fest an dem Ufer stehet; er aber ist gleichwie die Elbe, wenn sie sich ergießt und mit großer Ungestümigkeit alles zerstreuet. Wir sind nicht anders als ein dürres Blatt, das da nicht fest an dem Baume hänget; er ist wie der Nordwind, der mit großer Gewalt die Bäume aus der Erden reißet und dahinwirft. Wie mögen wir uns denn mit unseren Kräften erhalten und schützen? Müssen derohalben mit unserm Glauben das Wort ergreifen lernen; denn unser Sieg ist nichts anders als der Glaube (1. Joh. 5,4). Martin Luther 1531.
V. 6.7. Wiederum zwei Bilder, zu zeigen, wie augenscheinlich der Untergang nahe war und unfehlbar eingetreten wäre ohne Gottes Eingreifen. Das erste Bild ist das eines wilden Tieres. Das Bild berührt sich mit dem in V. 3 gebrauchten; doch ist die Dringlichkeit der Gefahr hier noch stärker geschildert. Das Raubtier lauerte nicht nur, es war nicht nur bereit, sich auf eine Beute zu stürzen, sondern es hatte sie schon gepackt, das Lamm war schon zwischen seinen Zähnen. Welch anschauliche Schilderung! Noch ein Augenblick, so ist alle Hilfe vergeblich. Aber Jehovah erscheint, er geht auf die wütende Bestie zu und nimmt ihr das zitternde Opfer aus dem blutgierigen Rachen. Die Gefahr ist ungeheuer groß; aber dem HERRN ist nichts zu schwer. Vergl. Ps. 57,5; 22,2; 56,4; 57,4. Das zweite Bild ist das eines Voglers. Der Vogelsteller hat die Schlinge oder das Netz in der geschicktesten Weise hergerichtet. Das Vöglein geht hinein, keine Gefahr ahnend; das Netz schließt sich über ihm, und im selben Augenblick hat es seine Freiheit verloren. Da liegt es, das arme Vögelein, das Herzchen schlägt ihm ungestüm, und vergeblich flattert es gegen das Netz. Es ist ganz in der Gewalt des Voglers, entfliehen ist unmöglich. Aber wieder erscheint der HERR, und seine Gegenwart bedeutet Rettung. Er tritt an das Netz, hebt es auf, zerreißt es, und der Vogel fliegt aus, schwingt sich auf einen benachbarten Baum und singt zwischen den Zweigen. "Denn er errettet dich vom Strick des Jägers". (Ps. 91,3.) Ja, Gott rettet die Seinen ebenso von den Listen und Ränken seiner Feinde wie von der rohen Gewalt. N. Mac-Michael 1860.
Zum ganzen Psalm. Gerade weil der Psalm keine zeitgeschichtlichen Einzelheiten anführt, sondern in lebhaften, aber allgemein passenden Bildern die Errettung des Volkes Gottes besingt, ist er so trefflich geeignet als Jubellied der Erlösten aller Zeiten und Zonen. Noch immer ist die Gemeinde des HERRN von grimmigen Feinden umringt und wird sie nur durch Gottes Macht erhalten, darum veraltet dieser Lobgesang nie. Wo ist ein Land, da man diese Töne freudigen Dankes nicht gehört hätte! Er ist gesungen worden am Jordan und am Nil, am Euphrat und Tigris, an der Tiber wie am Rhein, an der Themse und dem Forth, am Ganges und Indus, am Mississippi und Irawadi, und wird noch auf jeder Insel und in jedem Lande unseres Erdballs erklingen. Das große Jubeljahr der Erlösten des HERRN muss kommen, wo alle Nationen ihrem Erlöser jauchzen mit Psalmen und Lobgesängen. N. Mac-Michael 1860.
Im Jahre 1852 wurde dieser Psalm bei einer denkwürdigen Gelegenheit in Edinburgh gesungen. Ein Prediger des Evangeliums, John Durie, war eben aus dem Gefängnis freigekommen und wurde am Eingang der Stadt von zweihundert seiner Freunde bewillkommt. Die ihn geleitende Menge wuchs immer mehr an, bis ihrer wohl zweitausend waren, die, als sie die lange Hauptstraße hinanzogen, diesen Psalm anstimmten, und zwar vierstimmig, nach der allen wohlbekannten Melodie. Feierlich klang der Psalm, die Sänger wurden selber tief davon ergriffen, und die Bewegung pflanzte sich auch auf die Zuhörer weiter; ja man sagt von einem der eifrigsten Verfolger, dass er von diesem Anblick und dem Gesange mehr in Unruhe versetzt worden sei als von irgendetwas, das er je in Schottland erlebt habe. Andrew Alexander Bonar 1859.
V. 1. Gott der Vater (Röm. 8,31.33), der Sohn (V. 34), der Heilige Geist (V. 27) sind für uns. Was würde sonst aus uns werden! John Gill † 1771.
V. 1.2. Der Psalm ist ein Echo des Gesanges, der an dem Gestade des Schilfmeeres war gesungen worden (2. Mose 15), und wir hören in ihm schon Töne aus dem neuen Liede am gläsernen Meer (Off. 15,3 f.). Der Preis und Dank erschallen Jehovah, dem Offenbarungsgott, dem Schöpfer, dem allmächtigen Beschützer (1. Mose 17,1), dem Bundesgott, dem Erlöser. Es ist Israel, das auserwählte Volk des HERRN, Gottes Kleinod (Mal. 3,17), hingegen das odium generis humani (der Gegenstand des Abscheues und Hasses der ganzen Menschheit, wie schon die Rabbinen sagen), gegen das der Mensch (nicht Einzelne, sondern die Menschheit insgesamt) sich erhebt, um es zu vernichten. Israel ist es aber auch, Gottes auserkorenes Bundesvolk, das sich in der vollen Seligkeit persönlicher Zueignung seines Gottes freut und singt: Wenn der HERR nicht unser wäre, nicht auf unserer Seite stände! Darin bestand Israels Sicherheit, sein Segensstand und seine Freude. Und das alles gilt nun von dem Volk des Neuen Bundes im vollsten Maße. So ist der Psalm typisch-prophetisch. Edw. Th. Gibson † 1880.
V. 1.7.8. Folgende drei Stücke will ich im Herzen bewahren, o HERR: Der HERR war mit uns, das gilt für die Vergangenheit. Der Strick ist zerrissen, das gilt für die Gegenwart. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, das gilt für die Zukunft. Ich will und kann nicht mutlos werden, weder in dem Kampf mit dem Satan noch bei der Bosheit der Welt, noch bei all dem, was aus meinem argen Herzen aufsteigt, solange ich mich an diese dreifältige Schnur halten kann oder vielmehr von ihr gehalten werde. Alfred Edersheim 1877.
Woran mag das doch liegen, mag jemand fragen, dass die Frommen nicht unterzukriegen und auszurotten sind, sondern immer wieder über Wasser kommen, ja sogar ihre Feinde besiegen? Lehrt doch die Erfahrung, dass sie so viel geringer an Zahl sind als die Gottlosen, dass ihnen die weltlichen Machtmittel nicht zur Verfügung stehen, dass sie einfältige Leute sind, denen die Klugheit und List der Gottlosen abgeht, und dass sie auch an scharfer Achtsamkeit hinter ihren Gegnern zurückstehen? Die Antwort gibt uns der Prophet Jesaja Kap. 8,10 in den kurzen Worten: Hier ist Immanuel, d. i. Gott mit uns! Das ist das Geheimnis. Er ist stärker, weiser, wachsamer als alle, und ihm gelingt alles, was er unternimmt. Wo diese vier Stücke sich bei einem Feldherrn beisammen finden, da ist der Sieg gewiss. Thomas Stint 1621.
V. 3-5. Die Feinde werden zuerst mit einem Meerungetüm verglichen, vergl. V. 6; Jer. 51,34. Dies Bild führt dann V. 4 das zweite von dem überflutenden und alles mit sich fortreißenden Wasser herbei, vergl. Ps. 18,17; 69,3.16; Jes. 8,8. Mit dem Strom, V. 4b, ist der vom geschmolzenen Schnee angefüllte, alles mit sich fortreißende Gießbach gemeint. Dem Wasser wird V. 5 Übermut zugeschrieben, wie Hiob 38,11 Stolz; hier besonders passend, weil Personen damit gemeint sind. Prof. Friedr. Bäthgen 1904.
V. 4.5. So ersäufte uns Wasser usw. Dies ist ein gemein, aber dennoch ein sehr sein und deutlich Gleichnis. Es ist gar ein gräulich Ding um ein Feuer, wenn es überhandnimmt; aber dennoch ist es viel erschrecklicher anzusehen, wenn irgendein Wasser ausreißet und mit Gewalt ausläuft, welches mit keinem Schutz kann aufgehalten werden. Gleichwie nun ein Wasser, sagt er, mit großer Ungestümigkeit dahergehet und alles ausreißt und zunichte machet: also kann auch das Wüten derjenigen, die da der christlichen Kirche feind sind, mit keiner menschlichen Macht gestillet und aufgehalten werden. Müssen derohalben lernen, Gottes Hilfe und Beistand gebrauchen. Denn was ist die christliche Kirche anders als ein kleines Schifflein, das an das Ufer gebunden ist und zuletzt durch einen Sturm abgerissen und weggeführt wird? Was ist sie anders als ein Sträuchlein, das am Ufer stehet und ohne alles Widerstreben durch die Ergießung und Flut des Wassers ausgerissen wird? So ist auch das Volk Israel zur Zeit des David gegen die andern Völker zu rechnen gewesen. Also ist noch jetzt die christliche Kirche, so man ihre Feinde ansiehet. Also sein wir noch alle miteinander, wenn wir die Gewalt des bösen Geistes bedenken; wir sind als eine Staude, die ungefähr daher wächset und nicht fest an dem Ufer stehet; er aber ist gleichwie die Elbe, wenn sie sich ergießt und mit großer Ungestümigkeit alles zerstreuet. Wir sind nicht anders als ein dürres Blatt, das da nicht fest an dem Baume hänget; er ist wie der Nordwind, der mit großer Gewalt die Bäume aus der Erden reißet und dahinwirft. Wie mögen wir uns denn mit unseren Kräften erhalten und schützen? Müssen derohalben mit unserm Glauben das Wort ergreifen lernen; denn unser Sieg ist nichts anders als der Glaube (1. Joh. 5,4). Martin Luther 1531.
V. 6.7. Wiederum zwei Bilder, zu zeigen, wie augenscheinlich der Untergang nahe war und unfehlbar eingetreten wäre ohne Gottes Eingreifen. Das erste Bild ist das eines wilden Tieres. Das Bild berührt sich mit dem in V. 3 gebrauchten; doch ist die Dringlichkeit der Gefahr hier noch stärker geschildert. Das Raubtier lauerte nicht nur, es war nicht nur bereit, sich auf eine Beute zu stürzen, sondern es hatte sie schon gepackt, das Lamm war schon zwischen seinen Zähnen. Welch anschauliche Schilderung! Noch ein Augenblick, so ist alle Hilfe vergeblich. Aber Jehovah erscheint, er geht auf die wütende Bestie zu und nimmt ihr das zitternde Opfer aus dem blutgierigen Rachen. Die Gefahr ist ungeheuer groß; aber dem HERRN ist nichts zu schwer. Vergl. Ps. 57,5; 22,2; 56,4; 57,4. Das zweite Bild ist das eines Voglers. Der Vogelsteller hat die Schlinge oder das Netz in der geschicktesten Weise hergerichtet. Das Vöglein geht hinein, keine Gefahr ahnend; das Netz schließt sich über ihm, und im selben Augenblick hat es seine Freiheit verloren. Da liegt es, das arme Vögelein, das Herzchen schlägt ihm ungestüm, und vergeblich flattert es gegen das Netz. Es ist ganz in der Gewalt des Voglers, entfliehen ist unmöglich. Aber wieder erscheint der HERR, und seine Gegenwart bedeutet Rettung. Er tritt an das Netz, hebt es auf, zerreißt es, und der Vogel fliegt aus, schwingt sich auf einen benachbarten Baum und singt zwischen den Zweigen. "Denn er errettet dich vom Strick des Jägers". (Ps. 91,3.) Ja, Gott rettet die Seinen ebenso von den Listen und Ränken seiner Feinde wie von der rohen Gewalt. N. Mac-Michael 1860.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 124
Erläuterungen und Kernworte
V. 7. xpIa (Luther: Strick) ist das Klappnetz, zwei vierseitige Rahmen, wie Buchdeckel verbunden, jeder mit bauschigem Netz bespannt. Daraus erklärt sich der Ausdruck ist zerrissen, eigentlich zerbrach, der sich auf den hölzernen Rahmen bezieht. Da in solchem Netz mehrere Vögel zugleich gefangen werden, und da im Psalm die Gemeinde redet, so ist "Vogel" kollektivisch zu verstehen (wie 8,9): Unser Leben entkam wie Vögel dem Netz der Vogler; das Netz zerriss, und wir sind frei. Prof. Frieder. Bäthgen 1904.
Ich bin ganz gewiss, dass es nicht einen Tag in unserem Leben gibt, da der Satan nicht unserer Seele das eine oder andere Netz stellt. Diese sind umso gefährlicher, als man sie nicht sieht; und selbst wenn man etwas davon wahrnimmt, achtet man es vielleicht doch nicht. Und auch dessen bin ich gewiss, dass wenn irgendjemand am Abend mit einem Gott und Menschen gegenüber reinen Gewissen in seine stille Kammer einkehren kann, das nicht irgendwie seiner eigenen Kraft oder seinem Verdienst zuzuschreiben ist; nein wahrlich, wenn der HERR nicht sein Beschützer gewesen wäre, so würde er den Zähnen des Löwen zur Beute geworden sein, ja er hätte sich selbst in den Rachen der Schlange gestürzt. Ich glaube, es gibt selbst unter den auserlesenen Heiligen wenige, die nicht zur einen oder andern Zeit sehr lebhaft die Erfahrung unseres Verses erlebt haben. In schwerer Prüfungszeit, da der Satan all seine List und Bosheit gegen sie losließ, da er Einflüsterung auf Einflüsterung, Versuchung auf Versuchung bei ihnen folgen ließ, wie er es bei Hiob tat, und sie ganz daran waren, zu verzagen und dem Verderben zu verfallen - da auf einmal, als sie vielleicht gar nichts mehr zu hoffen wagten, da musste der Satan weichen, geschlagen und zu Schanden gemacht mit allen seinen Anschlägen. Das Netz war zerrissen, und der Vogel war frei und konnte sich jubelnd in die Lüfte erheben. Ja, verlassen wir uns darauf, unsre beste, unsre einzige Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. Barton Bouchier † 1865.
Vielerlei Schlingen drohen der Seele. Eine der schlimmsten Gefahren, gegen die Gottes Volk besonders auf der Hut sein muss, ist die Verweltlichung, die der Tod aller geistlichen Gesinnung und Empfindung ist. Ferner werden wir umgarnt von den feinen Banden der Selbstsucht, die die Liebe und das herzliche Erbarmen, den Edelmut und Wohltätigkeitssinn in uns ersticken. Drittens sucht uns der Unglaube zu umstricken, der unser Gebetsleben, die freimütige Zuversicht und die freudige Arbeit im Reiche Gottes lahmzulegen bestrebt ist. Das sind keine eingebildeten Gefahren; wir erfahren sie im täglichen Leben, sie drohen uns allerorten, und oft müssen wir die Verwüstungen beklagen, die sie in unserem Herzen anrichten. George Barlow 1879.
Wir werden in unserem Leben immer den Schlingen Satans ausgesetzt sein und sind gleich den leicht betörten Vögeln jeden Augenblick in Gefahr, hingerafft zu werden; aber wenn der Satan unser am sichersten zu sein wähnt, wird das Netz zerrissen, und wir sind los. Wie bezeugt das doch auch namentlich die Erfahrung vieler innerlich bedrängten, von Schwermut hart angefochtenen Seelen. Wenn sie in der äußersten Verzweiflung sind, schon im Begriff zu verderben, ja wenn ihr geistliches Leben in den letzten Zügen zu liegen scheint, dann kommt in der höchsten Not auf einmal der süße Trost des Heiligen Geistes und richtet sie wieder auf. Ja, wo die Not am größten, da ist Gott mit seiner Hilfe am nächsten. Ps. 94,17. Und ferner lasst mich Folgendes zum Trost für die schwachen Gewissen sagen. Der Satan beunruhigt viele mit großer List, indem er ihnen weismacht, sie seien, weil noch fleischliche Verderbtheit in ihnen ist, noch in seiner Gewalt, gehörten gar nicht Christo an. Damit spielt er den Betrüger; er versucht uns da durch irrige Anwendung der Lehre von der völligen Heiligung. Diesen Maßstab sollte man an die Glieder Christi anlegen, die der triumphierenden Gemeinde im Himmel angehören, nicht an die, die noch auf Erden streiten. Dass in mir noch Sünde ist, kann nicht beweisen, dass ich deshalb nicht in Christo bin, sonst hätte Christus überhaupt keine Glieder auf Erden; vielmehr beweist die neue Gesinnung in mir, die von der Natur nie hätte hervorgebracht werden können, sondern das Werk der Gnade ist, unzweifelhaft, dass ich in Christo Jesu bin. Thomas Stint 1621.
V. 8. Unsre Hilfe steht usw. Die schönste Frucht, die aus der Erfahrung der Vergangenheit erwachsen kann, ist, dass wir im Blick auf die Zukunft Gott durch Vertrauen ehren, wie es hier geschieht. David Dickson † 1662.
Also setzt er allhier wider die große Gefahr und Anfechtung Gott den Allmächtigen, und verschlinget zugleich in einem Atem alle Bosheit der ganzen Welt und der Hölle, gleichwie ein großes Feuer ein kleines Tröpflein Wassers verzehret. Martin Luther 1531.
Homiletische Winke
V. 1.
Wer ist er, der für uns war? Warum war er auf unserer Seite? Wie hat er das bewiesen? Wozu verpflichtet uns dies?
V. 1-3.
Betrachten wir diese Vers in dem Lichte 1) des Lebens des Stammvaters Jakob, 2) der Geschichte des Volkes Israel, 3) der Erlebnisse der Gemeinde des Herrn, und 4) unserer eigenen Lebenserfahrungen.
V. 1-5.
1) Was hätte sich zutragen können? 2) Warum hat es sich nicht zugetragen?
I. Was wäre aus dem Volke Gottes geworden, wenn der HERR nicht mit ihm gewesen wäre? 1) Wenn es seinen Feinden preisgegeben worden wäre (V. 2.3), dem Pharao und seinem Heer zur Zeit Moses, den Kanaanitern zur Zeit Josuas, den Midianitern zur Zeit Gideons, den Assyrern zur Zeit Hiskias: "so hätten sie uns verschlungen lebendig usw." 2) Wenn es sich selber überlassen worden wäre: "so wäre der Strom über unsre Seele gegangen" (V. 4.5). II. Wie steht es aber mit dem Volke Gottes, da der HERR mit ihm ist? 1) Alle Anschläge der Feinde werden zunichte. 2) Die Traurigkeit verwandelt sich in Freude. 3) Die inneren und äußeren Nöte dienen ihm zum Besten. George Rogers 1890.
V. 2.3.
1) Uns lebendig zu verschlingen, das ist der Wunsch unserer grimmigen Feinde. 2) Uns lebendig zu erhalten, das ist das Werk unseres treuen Gottes.
V. 4.5.
Wassergefahr. Manche gute Gedanken lassen sich der Ähnlichkeit unserer Trübsale mit Wasserfluten und Sturzbächen entnehmen.
V. 6.
1) Das Lamm. 2) Der Löwe. 3) Der Retter.
1) Wie gerne würden die Feinde uns zerreißen und verschlingen. 2) Sie können es nicht ohne Gottes Zulassung. 3) Gott sei gelobt, dass er ihnen nicht gestattet, uns zu verletzen.
I. Der böse Wille der Menschen gegen die Gerechten. Er ist darauf gerichtet, 1) sie zum Raube zu machen, 2) sie zu vertilgen. II. Der gute Wille Gottes. 1) Allerdings können die Gottseligen bis zu einem gewissen Maße und für eine Weile der Gewalt der Bösen anheimgegeben werden. 2) Aber Gottes Liebe verbürgt, dass sie ihr nicht ganz und für immer preisgegeben werden. George Rogers 1890.
V. 7.
I. Die Seele umgarnt. 1) Durch wen? Durch die Vogelsteller, nämlich durch böse Menschen und durch den Satan. 2) Wie? Durch mannigfaltige Versuchungen, zu Stolz, Eitelkeit, Trunksucht, Fleischeslust, oder Abfall zu Irrlehren usw., je nach den Neigungen, Anlagen und Gewohnheiten des Einzelnen. II. Die Seele entronnen. Der Strick ist zerrissen, nicht durch unsere Kraft, sondern durch die Hand des HERRN. George Rogers 1890.
1) Das Vöglein. 2) Die Schlinge. 3) Der Fang. 4) Die Befreiung.
V. 8.
Der Schöpfer unser Helfer. Mannigfacher reicher Trost ist aus Gottes Eigenschaft als Schöpfer im Blick auf unsere Nöte zu entnehmen.
I. Der Helfer: Der HERR, der Himmel und Erde gemacht hat, der also in seinen Werken so reiche Beweise davon gegeben hat, was er vermag. II. Wem geholfen wird. 1) Die Hilfe ist uns verheißen in seinem Namen; 2) wir suchen sie in seinem Namen, denn dadurch wird sie unser. George Rogers1890.
I. Wir haben eine Hilfe. Wir erfahren sie als bekümmerte Sünder, als schwache Schüler, als zagende Jünger, als unerfahrene Wanderer, als wenig taugliche Arbeiter. II. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN: in seinen Vollkommenheiten (4. Mose 6,27), in seiner Offenbarung im Evangelium (Apg. 9,15), in seiner Kraft und der Vollmacht, die er uns gegeben (Apg. 3,6) usw. III. Darum stehen wir fest und unbeweglich und nehmen immer zu in dem Werk des Herrn (1. Kor. 15,58). William Jackson 1882.
V. 7. xpIa (Luther: Strick) ist das Klappnetz, zwei vierseitige Rahmen, wie Buchdeckel verbunden, jeder mit bauschigem Netz bespannt. Daraus erklärt sich der Ausdruck ist zerrissen, eigentlich zerbrach, der sich auf den hölzernen Rahmen bezieht. Da in solchem Netz mehrere Vögel zugleich gefangen werden, und da im Psalm die Gemeinde redet, so ist "Vogel" kollektivisch zu verstehen (wie 8,9): Unser Leben entkam wie Vögel dem Netz der Vogler; das Netz zerriss, und wir sind frei. Prof. Frieder. Bäthgen 1904.
Ich bin ganz gewiss, dass es nicht einen Tag in unserem Leben gibt, da der Satan nicht unserer Seele das eine oder andere Netz stellt. Diese sind umso gefährlicher, als man sie nicht sieht; und selbst wenn man etwas davon wahrnimmt, achtet man es vielleicht doch nicht. Und auch dessen bin ich gewiss, dass wenn irgendjemand am Abend mit einem Gott und Menschen gegenüber reinen Gewissen in seine stille Kammer einkehren kann, das nicht irgendwie seiner eigenen Kraft oder seinem Verdienst zuzuschreiben ist; nein wahrlich, wenn der HERR nicht sein Beschützer gewesen wäre, so würde er den Zähnen des Löwen zur Beute geworden sein, ja er hätte sich selbst in den Rachen der Schlange gestürzt. Ich glaube, es gibt selbst unter den auserlesenen Heiligen wenige, die nicht zur einen oder andern Zeit sehr lebhaft die Erfahrung unseres Verses erlebt haben. In schwerer Prüfungszeit, da der Satan all seine List und Bosheit gegen sie losließ, da er Einflüsterung auf Einflüsterung, Versuchung auf Versuchung bei ihnen folgen ließ, wie er es bei Hiob tat, und sie ganz daran waren, zu verzagen und dem Verderben zu verfallen - da auf einmal, als sie vielleicht gar nichts mehr zu hoffen wagten, da musste der Satan weichen, geschlagen und zu Schanden gemacht mit allen seinen Anschlägen. Das Netz war zerrissen, und der Vogel war frei und konnte sich jubelnd in die Lüfte erheben. Ja, verlassen wir uns darauf, unsre beste, unsre einzige Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. Barton Bouchier † 1865.
Vielerlei Schlingen drohen der Seele. Eine der schlimmsten Gefahren, gegen die Gottes Volk besonders auf der Hut sein muss, ist die Verweltlichung, die der Tod aller geistlichen Gesinnung und Empfindung ist. Ferner werden wir umgarnt von den feinen Banden der Selbstsucht, die die Liebe und das herzliche Erbarmen, den Edelmut und Wohltätigkeitssinn in uns ersticken. Drittens sucht uns der Unglaube zu umstricken, der unser Gebetsleben, die freimütige Zuversicht und die freudige Arbeit im Reiche Gottes lahmzulegen bestrebt ist. Das sind keine eingebildeten Gefahren; wir erfahren sie im täglichen Leben, sie drohen uns allerorten, und oft müssen wir die Verwüstungen beklagen, die sie in unserem Herzen anrichten. George Barlow 1879.
Wir werden in unserem Leben immer den Schlingen Satans ausgesetzt sein und sind gleich den leicht betörten Vögeln jeden Augenblick in Gefahr, hingerafft zu werden; aber wenn der Satan unser am sichersten zu sein wähnt, wird das Netz zerrissen, und wir sind los. Wie bezeugt das doch auch namentlich die Erfahrung vieler innerlich bedrängten, von Schwermut hart angefochtenen Seelen. Wenn sie in der äußersten Verzweiflung sind, schon im Begriff zu verderben, ja wenn ihr geistliches Leben in den letzten Zügen zu liegen scheint, dann kommt in der höchsten Not auf einmal der süße Trost des Heiligen Geistes und richtet sie wieder auf. Ja, wo die Not am größten, da ist Gott mit seiner Hilfe am nächsten. Ps. 94,17. Und ferner lasst mich Folgendes zum Trost für die schwachen Gewissen sagen. Der Satan beunruhigt viele mit großer List, indem er ihnen weismacht, sie seien, weil noch fleischliche Verderbtheit in ihnen ist, noch in seiner Gewalt, gehörten gar nicht Christo an. Damit spielt er den Betrüger; er versucht uns da durch irrige Anwendung der Lehre von der völligen Heiligung. Diesen Maßstab sollte man an die Glieder Christi anlegen, die der triumphierenden Gemeinde im Himmel angehören, nicht an die, die noch auf Erden streiten. Dass in mir noch Sünde ist, kann nicht beweisen, dass ich deshalb nicht in Christo bin, sonst hätte Christus überhaupt keine Glieder auf Erden; vielmehr beweist die neue Gesinnung in mir, die von der Natur nie hätte hervorgebracht werden können, sondern das Werk der Gnade ist, unzweifelhaft, dass ich in Christo Jesu bin. Thomas Stint 1621.
V. 8. Unsre Hilfe steht usw. Die schönste Frucht, die aus der Erfahrung der Vergangenheit erwachsen kann, ist, dass wir im Blick auf die Zukunft Gott durch Vertrauen ehren, wie es hier geschieht. David Dickson † 1662.
Also setzt er allhier wider die große Gefahr und Anfechtung Gott den Allmächtigen, und verschlinget zugleich in einem Atem alle Bosheit der ganzen Welt und der Hölle, gleichwie ein großes Feuer ein kleines Tröpflein Wassers verzehret. Martin Luther 1531.
Homiletische Winke
V. 1.
Wer ist er, der für uns war? Warum war er auf unserer Seite? Wie hat er das bewiesen? Wozu verpflichtet uns dies?
V. 1-3.
Betrachten wir diese Vers in dem Lichte 1) des Lebens des Stammvaters Jakob, 2) der Geschichte des Volkes Israel, 3) der Erlebnisse der Gemeinde des Herrn, und 4) unserer eigenen Lebenserfahrungen.
V. 1-5.
1) Was hätte sich zutragen können? 2) Warum hat es sich nicht zugetragen?
I. Was wäre aus dem Volke Gottes geworden, wenn der HERR nicht mit ihm gewesen wäre? 1) Wenn es seinen Feinden preisgegeben worden wäre (V. 2.3), dem Pharao und seinem Heer zur Zeit Moses, den Kanaanitern zur Zeit Josuas, den Midianitern zur Zeit Gideons, den Assyrern zur Zeit Hiskias: "so hätten sie uns verschlungen lebendig usw." 2) Wenn es sich selber überlassen worden wäre: "so wäre der Strom über unsre Seele gegangen" (V. 4.5). II. Wie steht es aber mit dem Volke Gottes, da der HERR mit ihm ist? 1) Alle Anschläge der Feinde werden zunichte. 2) Die Traurigkeit verwandelt sich in Freude. 3) Die inneren und äußeren Nöte dienen ihm zum Besten. George Rogers 1890.
V. 2.3.
1) Uns lebendig zu verschlingen, das ist der Wunsch unserer grimmigen Feinde. 2) Uns lebendig zu erhalten, das ist das Werk unseres treuen Gottes.
V. 4.5.
Wassergefahr. Manche gute Gedanken lassen sich der Ähnlichkeit unserer Trübsale mit Wasserfluten und Sturzbächen entnehmen.
V. 6.
1) Das Lamm. 2) Der Löwe. 3) Der Retter.
1) Wie gerne würden die Feinde uns zerreißen und verschlingen. 2) Sie können es nicht ohne Gottes Zulassung. 3) Gott sei gelobt, dass er ihnen nicht gestattet, uns zu verletzen.
I. Der böse Wille der Menschen gegen die Gerechten. Er ist darauf gerichtet, 1) sie zum Raube zu machen, 2) sie zu vertilgen. II. Der gute Wille Gottes. 1) Allerdings können die Gottseligen bis zu einem gewissen Maße und für eine Weile der Gewalt der Bösen anheimgegeben werden. 2) Aber Gottes Liebe verbürgt, dass sie ihr nicht ganz und für immer preisgegeben werden. George Rogers 1890.
V. 7.
I. Die Seele umgarnt. 1) Durch wen? Durch die Vogelsteller, nämlich durch böse Menschen und durch den Satan. 2) Wie? Durch mannigfaltige Versuchungen, zu Stolz, Eitelkeit, Trunksucht, Fleischeslust, oder Abfall zu Irrlehren usw., je nach den Neigungen, Anlagen und Gewohnheiten des Einzelnen. II. Die Seele entronnen. Der Strick ist zerrissen, nicht durch unsere Kraft, sondern durch die Hand des HERRN. George Rogers 1890.
1) Das Vöglein. 2) Die Schlinge. 3) Der Fang. 4) Die Befreiung.
V. 8.
Der Schöpfer unser Helfer. Mannigfacher reicher Trost ist aus Gottes Eigenschaft als Schöpfer im Blick auf unsere Nöte zu entnehmen.
I. Der Helfer: Der HERR, der Himmel und Erde gemacht hat, der also in seinen Werken so reiche Beweise davon gegeben hat, was er vermag. II. Wem geholfen wird. 1) Die Hilfe ist uns verheißen in seinem Namen; 2) wir suchen sie in seinem Namen, denn dadurch wird sie unser. George Rogers1890.
I. Wir haben eine Hilfe. Wir erfahren sie als bekümmerte Sünder, als schwache Schüler, als zagende Jünger, als unerfahrene Wanderer, als wenig taugliche Arbeiter. II. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN: in seinen Vollkommenheiten (4. Mose 6,27), in seiner Offenbarung im Evangelium (Apg. 9,15), in seiner Kraft und der Vollmacht, die er uns gegeben (Apg. 3,6) usw. III. Darum stehen wir fest und unbeweglich und nehmen immer zu in dem Werk des Herrn (1. Kor. 15,58). William Jackson 1882.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 125
PSALM 125 (Auslegung & Kommentar)
Überschrift
Ein Wallfahrtslied. Eine neue Höhe wird erklommen, eine weitere Station der Wallfahrt erreicht. Im Inhalt ist jedenfalls eine Steigerung deutlich wahrnehmbar, denn volle Gewissheit im Blick auf die Zukunft ist eine höhere Stufe des Glaubens, als wenn man rückwärts schauend das bisherige Entrinnen dem HERRN zuschreibt. Der Glaube hat Jehovah gepriesen für erfahrene Errettungen, und nun erhebt er sich zu zuversichtlicher Freude über die gegenwärtige und zukünftige Sicherheit derer, die auf den HERRN trauen. Hatten die Festpilger den vorigen Psalm bei dem Eintritt in die Tore Jerusalems gesungen, so können wir uns denken, dass sie diesen etwa angestimmt haben mögen, wenn sie die Stadtmauern umschritten.
Einteilung
Wir finden in dem Psalm zunächst ein Lied heiligen Vertrauens (V. 1.2), dann eine Verheißung (V. 3), der ein Gebet (V. 4) und eine Warnung (V. 5) folgen.
Auslegung
1.
Die auf den HERRN hoffen,
die werden nicht fallen, sondern ewig bleiben
wie der Berg Zion.
2.
Um Jerusalem her sind Berge,
und der HERR ist um sein Volk her
von nun an bis in Ewigkeit.
3.
Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben
über dem Häuflein der Gerechten,
auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken
zur Ungerechtigkeit.
4.
HERR, tue wohl den guten
und frommen Herzen!
5.
Die aber abweichen auf ihre krummen Wege,
wird der HERR wegtreiben mit den Übeltätern.
Friede sei über Israel!
1. Die auf den HERRN vertrauen, sind wie der Berg Zion. (Wörtl.) Der Nachdruck liegt nicht so sehr auf dem Glauben an sich, sondern auf dem Gegenstand des Vertrauens, welcher ist Jehovah, der HERR. Welch ein Vorrecht, sich auf den Ewigen gründen zu dürfen! Und welche Herablassung von dem Allerhabenen, dass er die Zuversicht seines Volkes wird! Auf irgendetwas anderes trauen ist nichtiger Wahn, und je unbedingter solch übel angebrachtes Vertrauen ist, desto schwerer muss die darauffolgende Enttäuschung sein; aber auf den lebendigen Gott hoffen ist wahrhaft gesunder Menschenverstand, für den es keinerlei Entschuldigung bedarf, da der Erfolg seine beste Rechtfertigung ist. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum wir auf Jehovah nicht trauen sollten, vielmehr sprechen alle nur denkbaren Gründe für dieses Vertrauen; aber auch abgesehen von allen Gründen des Denkens wird der Ausgang es erweisen, wie klug solche Zuversicht war. Der Glaube hat nicht nur gelegentlich und zufällig Erfolge zu verzeichnen, und seine gesegneten Erfahrungen werden nicht einigen, sondern allen, die wirklich auf den HERRN vertrauen, zuteil. Solche werden sich so fest, so unwandelbar und unerschütterlich erweisen wie der Berg Zion, auf dem David wohnte und die Bundeslade ihre Stätte hatte. Wer vermöchte den Berg Zion zu bewegen? Der bloße Gedanke wäre unsinnig.
Der Zion war das Bild ewiger Beständigkeit, dieser Berg, der nicht wankt, der ewig steht (wörtl.), sich weder neigt, noch hin- und herbewegt, sondern unerschütterlich bleibt, weil Jehovah ihn gegründet und zur Stätte seiner Offenbarung auserkoren hat. Gerade so genießt der Mann, der auf den HERRN vertraut, eine Ruhe und Unerschütterlichkeit, wie sie fester nicht gedacht werden kann; und dies aus gutem Grunde, denn seine Hoffnung ist gewiss, und ob seiner Zuversicht kann er nie und nimmer zu Schanden werden. Wie Jehovah als König thront in Ewigkeit (Ps. 29,10), so vermag auch seine Kinder nichts von ihrem festen Sitz des Friedens zu vertreiben, wenn ihr Vertrauen auf den HERRN fest ist. Das ist unser Teil und soll es sein; wir sind, sind gewesen und werden sein so unerschütterlich wie der Berg Gottes. Der Zion kann nicht bewegt werden und bewegt sich nicht; so kann auch Gottes Volk weder durch von außen anstürmende Gewalt noch durch eigne Schwäche zum Wanken und Stürzen gebracht werden, solange es auf den HERRN vertraut. Der Glaube an Gott ist eine festigende, stetig machende Kraft. Er, der die Berge festsetzt in seiner Kraft (Ps. 65,7), macht durch eben dieselbe Macht auch die Herzen derer beständig, die auf ihn hoffen. Diese Unerschütterlichkeit wird ewig währen; wir dürfen demnach versichert sein, dass kein Glaubender jemals umkommen wird, weder im Leben noch im Sterben, weder in der Zeit noch in der Ewigkeit. Wir trauen auf einen ewigen Gott, darum ist auch unsere Sicherheit ewig.
2. Um Jerusalem her sind Berge, und der HERR ist um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit. Wie der Zionsberg dem Psalmdichter das Bild der Beständigkeit der Gläubigen ist, so dienen die Jerusalem umringenden Berge ihm als Sinnbild der alles umgebenden Gegenwart des HERRN. Die Berge bilden zwar um die Heilige Stadt nicht eine geschlossene Ringmauer, sind aber doch gleich Wachposten aufgestellt, die ihre Tore beschirmen. Gott schließt sein Volk nicht in Wälle und Bollwerke ein, so dass die Gottesstadt ein Gefängnis würde; wohl aber ordnet er die Veranstaltungen seiner Vorsehung so, dass seine Heiligen so sicher sind, als wenn sie hinter den stärksten Festungsmauern wohnten. Welch herrliche zwiefache Sicherheit wird uns in den beiden Versen vorgeführt. Erstens werden wir innerlich fest gegründet und sodann auch gegen die Gefahren von außen geschirmt, wir werden zu unerschütterlicher Ruhe gebracht und zugleich mit Wachen umgeben, einem Berge an Festigkeit gleich gemacht und dann beschützt wie von Bergen. Und dies ist nicht schöne Dichtung, sondern Wirklichkeit; auch handelt es ich hier nicht um Vorrechte, die nur eine Zeit lang gewährt werden, sondern es wird ewig so sein. Schreibe welches Datum du willst - der HERR umgibt sein Volk von nun an; und schaue soweit du magst in die Zukunft, der Schutz erstreckt sich bis in Ewigkeit. Beachten wir: es wird nicht gesagt, dass Jehovahs Macht oder Weisheit die Gläubigen schirme, sondern er selbst ist um sie her; sie haben seine eigene Person zu ihrem Schutze, seine Gottheit als ihren Wächter. Wir werden hier gelehrt, dass des HERRN Volk diejenigen sind, die auf ihn vertrauen, denn so werden die, welche im zweiten Vers Gottes Volk genannt werden, im ersten Vers beschrieben. Die Linie des Glaubens ist auch die Linie der Gnade; diejenigen, die dem HERRN glauben, sind vom HERRN erwählt. Die beiden Verse miteinander beweisen die ewige Bewahrung der Heiligen; sie bleiben, wo Gott sie hingestellt hat, und Gott bewahrt sie immerdar vor allem Übel. Es würde schwierig sein, sich eine größere Sicherheit vorzustellen, als hier gewährleistet ist.
3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben über dem Häuflein (Grundtext: dem Lose) der Gerechten. Gottes Volk darf nicht wähnen, dass es deshalb, weil der HERR es umgibt, von Anfechtung verschont bleiben werde; nein, es kann die Gewalt und Verfolgungswut der widergöttlichen Welt schwer genug zu fühlen bekommen. Isaak hatte selbst in Abrahams Hause unter Ismaels Spott zu leiden. Assyrien streckte sein Zepter sogar über Zion aus. Verworfene Menschen sind oft im Besitz der Macht und schwingen den Herrscherstab, und dann ist es fast sicher, dass sie diesen mit ganzer Wucht auf das Volk der Gläubigen niederfallen lassen werden, so dass die Gottseligen aufschreien wegen ihrer Unterdrücker. Ägyptens Zepter lastete schwer auf Israel, aber es kam dennoch die Zeit, da es zerbrochen ward. Gott hat für die Leiden seiner Kinder eine Grenze bestimmt; der Stab der Zwingherrschaft mag über sie kommen, aber er wird nicht über ihnen bleiben. Die Gerechten haben ein Los, ein ihnen vom HERRN bestimmtes gutes Teil, das nicht von ihnen genommen werden soll; denn Gott hat ihnen aus königlicher Gnade darauf ein unantastbares Recht gegeben. Die Heiligen haben ewige Dauer, nicht aber ihre Trübsale. Unser Vers gibt allen Gerechten, die sich in der Gewalt der Gottlosen befinden, treffliche Gründe, auf die sie sich in ihren Gebeten stützen können.
Auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Schwere Bedrückung ist ganz dazu angetan, auch die Besten in übereilte Taten hineinzutreiben, um sich dadurch zu befreien oder Rache zu üben. Wenn die Folter zu lange dauert, so kann auch der geduldig Leidende schließlich wankend werden; darum setzt der HERR der Tyrannei der Bösen eine Schranke. Er verordnete, dass ein Israelit, welcher gerichtliche Züchtigung verdient hatte, nicht ins Maßlose geschlagen werde; vierzig Streiche waren die bestimmte Grenze. Umso mehr dürfen wir erwarten, dass er den Leiden der Unschuldigen ein Maß setzen und nicht gestatten wird, dass sie zum Äußersten getrieben werden. Besonders wird er auch in Bezug auf die Zeit die Herrschaft der Verfolger beschränken, denn die lange Dauer verleiht der Bedrückung vermehrte Kraft und macht sie unerträglich; daher hat unser Heiland selbst von der Trübsal der letzten Zeit gesagt: Wo diese Tage nicht würden verkürzt, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt (Mt. 24,22).
Wir entnehmen dem Psalmvers, dass auch gerechte Menschen in Gefahr sind, in schlimmen Zeiten zu sündigen, und dass es nicht der Wille des HERRN ist, dass sie dem Druck der Zeitumstände nachgeben, um dem Leiden zu entgehen. Wenn die Gottlosen obenauf sind, geht ihre Gewalt und ihr böser Einfluss darauf aus, die Gerechten zu Abwegen zu verführen; aber die Frommen dürfen sich daraus nicht eine Entschuldigung machen, um sich dem Zwange zu fügen, sondern müssen mit ganzer Kraft dem Bösen widerstehen, bis es dem HERRN gefällt, der Gewalttätigkeit des Widersachers Halt zu gebieten und seinen Kindern Ruhe zu verschaffen. Das verheißt der HERR hier zur rechten Stunde zu tun.
Überschrift
Ein Wallfahrtslied. Eine neue Höhe wird erklommen, eine weitere Station der Wallfahrt erreicht. Im Inhalt ist jedenfalls eine Steigerung deutlich wahrnehmbar, denn volle Gewissheit im Blick auf die Zukunft ist eine höhere Stufe des Glaubens, als wenn man rückwärts schauend das bisherige Entrinnen dem HERRN zuschreibt. Der Glaube hat Jehovah gepriesen für erfahrene Errettungen, und nun erhebt er sich zu zuversichtlicher Freude über die gegenwärtige und zukünftige Sicherheit derer, die auf den HERRN trauen. Hatten die Festpilger den vorigen Psalm bei dem Eintritt in die Tore Jerusalems gesungen, so können wir uns denken, dass sie diesen etwa angestimmt haben mögen, wenn sie die Stadtmauern umschritten.
Einteilung
Wir finden in dem Psalm zunächst ein Lied heiligen Vertrauens (V. 1.2), dann eine Verheißung (V. 3), der ein Gebet (V. 4) und eine Warnung (V. 5) folgen.
Auslegung
1.
Die auf den HERRN hoffen,
die werden nicht fallen, sondern ewig bleiben
wie der Berg Zion.
2.
Um Jerusalem her sind Berge,
und der HERR ist um sein Volk her
von nun an bis in Ewigkeit.
3.
Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben
über dem Häuflein der Gerechten,
auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken
zur Ungerechtigkeit.
4.
HERR, tue wohl den guten
und frommen Herzen!
5.
Die aber abweichen auf ihre krummen Wege,
wird der HERR wegtreiben mit den Übeltätern.
Friede sei über Israel!
1. Die auf den HERRN vertrauen, sind wie der Berg Zion. (Wörtl.) Der Nachdruck liegt nicht so sehr auf dem Glauben an sich, sondern auf dem Gegenstand des Vertrauens, welcher ist Jehovah, der HERR. Welch ein Vorrecht, sich auf den Ewigen gründen zu dürfen! Und welche Herablassung von dem Allerhabenen, dass er die Zuversicht seines Volkes wird! Auf irgendetwas anderes trauen ist nichtiger Wahn, und je unbedingter solch übel angebrachtes Vertrauen ist, desto schwerer muss die darauffolgende Enttäuschung sein; aber auf den lebendigen Gott hoffen ist wahrhaft gesunder Menschenverstand, für den es keinerlei Entschuldigung bedarf, da der Erfolg seine beste Rechtfertigung ist. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum wir auf Jehovah nicht trauen sollten, vielmehr sprechen alle nur denkbaren Gründe für dieses Vertrauen; aber auch abgesehen von allen Gründen des Denkens wird der Ausgang es erweisen, wie klug solche Zuversicht war. Der Glaube hat nicht nur gelegentlich und zufällig Erfolge zu verzeichnen, und seine gesegneten Erfahrungen werden nicht einigen, sondern allen, die wirklich auf den HERRN vertrauen, zuteil. Solche werden sich so fest, so unwandelbar und unerschütterlich erweisen wie der Berg Zion, auf dem David wohnte und die Bundeslade ihre Stätte hatte. Wer vermöchte den Berg Zion zu bewegen? Der bloße Gedanke wäre unsinnig.
Der Zion war das Bild ewiger Beständigkeit, dieser Berg, der nicht wankt, der ewig steht (wörtl.), sich weder neigt, noch hin- und herbewegt, sondern unerschütterlich bleibt, weil Jehovah ihn gegründet und zur Stätte seiner Offenbarung auserkoren hat. Gerade so genießt der Mann, der auf den HERRN vertraut, eine Ruhe und Unerschütterlichkeit, wie sie fester nicht gedacht werden kann; und dies aus gutem Grunde, denn seine Hoffnung ist gewiss, und ob seiner Zuversicht kann er nie und nimmer zu Schanden werden. Wie Jehovah als König thront in Ewigkeit (Ps. 29,10), so vermag auch seine Kinder nichts von ihrem festen Sitz des Friedens zu vertreiben, wenn ihr Vertrauen auf den HERRN fest ist. Das ist unser Teil und soll es sein; wir sind, sind gewesen und werden sein so unerschütterlich wie der Berg Gottes. Der Zion kann nicht bewegt werden und bewegt sich nicht; so kann auch Gottes Volk weder durch von außen anstürmende Gewalt noch durch eigne Schwäche zum Wanken und Stürzen gebracht werden, solange es auf den HERRN vertraut. Der Glaube an Gott ist eine festigende, stetig machende Kraft. Er, der die Berge festsetzt in seiner Kraft (Ps. 65,7), macht durch eben dieselbe Macht auch die Herzen derer beständig, die auf ihn hoffen. Diese Unerschütterlichkeit wird ewig währen; wir dürfen demnach versichert sein, dass kein Glaubender jemals umkommen wird, weder im Leben noch im Sterben, weder in der Zeit noch in der Ewigkeit. Wir trauen auf einen ewigen Gott, darum ist auch unsere Sicherheit ewig.
2. Um Jerusalem her sind Berge, und der HERR ist um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit. Wie der Zionsberg dem Psalmdichter das Bild der Beständigkeit der Gläubigen ist, so dienen die Jerusalem umringenden Berge ihm als Sinnbild der alles umgebenden Gegenwart des HERRN. Die Berge bilden zwar um die Heilige Stadt nicht eine geschlossene Ringmauer, sind aber doch gleich Wachposten aufgestellt, die ihre Tore beschirmen. Gott schließt sein Volk nicht in Wälle und Bollwerke ein, so dass die Gottesstadt ein Gefängnis würde; wohl aber ordnet er die Veranstaltungen seiner Vorsehung so, dass seine Heiligen so sicher sind, als wenn sie hinter den stärksten Festungsmauern wohnten. Welch herrliche zwiefache Sicherheit wird uns in den beiden Versen vorgeführt. Erstens werden wir innerlich fest gegründet und sodann auch gegen die Gefahren von außen geschirmt, wir werden zu unerschütterlicher Ruhe gebracht und zugleich mit Wachen umgeben, einem Berge an Festigkeit gleich gemacht und dann beschützt wie von Bergen. Und dies ist nicht schöne Dichtung, sondern Wirklichkeit; auch handelt es ich hier nicht um Vorrechte, die nur eine Zeit lang gewährt werden, sondern es wird ewig so sein. Schreibe welches Datum du willst - der HERR umgibt sein Volk von nun an; und schaue soweit du magst in die Zukunft, der Schutz erstreckt sich bis in Ewigkeit. Beachten wir: es wird nicht gesagt, dass Jehovahs Macht oder Weisheit die Gläubigen schirme, sondern er selbst ist um sie her; sie haben seine eigene Person zu ihrem Schutze, seine Gottheit als ihren Wächter. Wir werden hier gelehrt, dass des HERRN Volk diejenigen sind, die auf ihn vertrauen, denn so werden die, welche im zweiten Vers Gottes Volk genannt werden, im ersten Vers beschrieben. Die Linie des Glaubens ist auch die Linie der Gnade; diejenigen, die dem HERRN glauben, sind vom HERRN erwählt. Die beiden Verse miteinander beweisen die ewige Bewahrung der Heiligen; sie bleiben, wo Gott sie hingestellt hat, und Gott bewahrt sie immerdar vor allem Übel. Es würde schwierig sein, sich eine größere Sicherheit vorzustellen, als hier gewährleistet ist.
3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben über dem Häuflein (Grundtext: dem Lose) der Gerechten. Gottes Volk darf nicht wähnen, dass es deshalb, weil der HERR es umgibt, von Anfechtung verschont bleiben werde; nein, es kann die Gewalt und Verfolgungswut der widergöttlichen Welt schwer genug zu fühlen bekommen. Isaak hatte selbst in Abrahams Hause unter Ismaels Spott zu leiden. Assyrien streckte sein Zepter sogar über Zion aus. Verworfene Menschen sind oft im Besitz der Macht und schwingen den Herrscherstab, und dann ist es fast sicher, dass sie diesen mit ganzer Wucht auf das Volk der Gläubigen niederfallen lassen werden, so dass die Gottseligen aufschreien wegen ihrer Unterdrücker. Ägyptens Zepter lastete schwer auf Israel, aber es kam dennoch die Zeit, da es zerbrochen ward. Gott hat für die Leiden seiner Kinder eine Grenze bestimmt; der Stab der Zwingherrschaft mag über sie kommen, aber er wird nicht über ihnen bleiben. Die Gerechten haben ein Los, ein ihnen vom HERRN bestimmtes gutes Teil, das nicht von ihnen genommen werden soll; denn Gott hat ihnen aus königlicher Gnade darauf ein unantastbares Recht gegeben. Die Heiligen haben ewige Dauer, nicht aber ihre Trübsale. Unser Vers gibt allen Gerechten, die sich in der Gewalt der Gottlosen befinden, treffliche Gründe, auf die sie sich in ihren Gebeten stützen können.
Auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Schwere Bedrückung ist ganz dazu angetan, auch die Besten in übereilte Taten hineinzutreiben, um sich dadurch zu befreien oder Rache zu üben. Wenn die Folter zu lange dauert, so kann auch der geduldig Leidende schließlich wankend werden; darum setzt der HERR der Tyrannei der Bösen eine Schranke. Er verordnete, dass ein Israelit, welcher gerichtliche Züchtigung verdient hatte, nicht ins Maßlose geschlagen werde; vierzig Streiche waren die bestimmte Grenze. Umso mehr dürfen wir erwarten, dass er den Leiden der Unschuldigen ein Maß setzen und nicht gestatten wird, dass sie zum Äußersten getrieben werden. Besonders wird er auch in Bezug auf die Zeit die Herrschaft der Verfolger beschränken, denn die lange Dauer verleiht der Bedrückung vermehrte Kraft und macht sie unerträglich; daher hat unser Heiland selbst von der Trübsal der letzten Zeit gesagt: Wo diese Tage nicht würden verkürzt, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt (Mt. 24,22).
Wir entnehmen dem Psalmvers, dass auch gerechte Menschen in Gefahr sind, in schlimmen Zeiten zu sündigen, und dass es nicht der Wille des HERRN ist, dass sie dem Druck der Zeitumstände nachgeben, um dem Leiden zu entgehen. Wenn die Gottlosen obenauf sind, geht ihre Gewalt und ihr böser Einfluss darauf aus, die Gerechten zu Abwegen zu verführen; aber die Frommen dürfen sich daraus nicht eine Entschuldigung machen, um sich dem Zwange zu fügen, sondern müssen mit ganzer Kraft dem Bösen widerstehen, bis es dem HERRN gefällt, der Gewalttätigkeit des Widersachers Halt zu gebieten und seinen Kindern Ruhe zu verschaffen. Das verheißt der HERR hier zur rechten Stunde zu tun.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 125
4. HERR, tue Gutes den Guten und denen, die in ihrem Herzen redlich gesinnt sind.(Wörtl.) Um überhaupt gut zu sein, muss man im Herzen gut sein. Wer auf den HERRN traut, der ist gut; denn der Glaube ist die Wurzel der wahren Gerechtigkeit und ein Kennzeichen der redlichen Gesinnung. Der echte Glaube an Gott ist eine gute, aufrichtige Sache, und sein Einfluss macht den ganzen Menschen gut und aufrichtig. Solchen wird der HERR Gutes tun; die Bitte des Verses ist nicht der Form, aber der Kraft nach eine Verheißung; denn was der HERR uns durch seinen Geist ins Herz gibt zu bitten, das verheißt er uns eben damit auch. Der Ewige wird seinem Volke das Übel wegnehmen und es dafür an allem Guten reich machen. Wenn der eiserne Stecken der Gottlosen zerbrochen ist, wird sein Stab und Stecken uns trösten. Mittlerweile gebührt es uns, zu beten, dass es wohl gehe allen Redlichen unter den Menschen. Gott segne sie und tue ihnen Gutes auf allerlei Weise. Wir wünschen Gutes allen, die das Gute tun. Die Unlauteren sind uns eine solche Plage, dass wir Ströme des Segens auf alle redlichen Herzen herabflehen möchten.
5. Die aber abweichen auf ihre krümmen Wege, wird der HERR wegtreiben mit den Übeltätern. Zweierlei Menschenkinder finden sich stets, Aufrichtige, die im Grund ihres Herzens gerade sind, und solche, die krumme Pfade wandeln. Ach, es gibt aber auch solche, die von der einen zur andern Klasse übergehen, jedoch nicht durch eine heilsame Bekehrung, so dass sie sich von den gewundenen Pfaden der Lüge auf die gerade Bahn der Wahrheit wendeten, sondern durch unheilvolles Abweichen von der Straße der Redlichkeit und Heiligkeit auf die Abwege der Gottlosigkeit. Solche Abtrünnige hat es zu allen Zeiten gegeben, und David bekam von ihnen genug; einen Saul, einen Ahitophel und andere konnte er nie vergessen. Wie traurig ist es doch, wenn man sehen muss, wie Menschen, die einst auf dem rechten Wege wandelten, davon abweichen. Beachten wir die Entwicklung, welche die Unlauteren nehmen: erst schauen sie nach krummen Wegen aus, dann erwählen sie sie und machen sie zu ihren eigenen krummen Wegen und weichen auf sie ab. Sie haben nicht die Absicht, ganz zurück ins Verderben zu gehen, sie wollen nur einen Umweg machen und wieder auf die rechte Straße einbiegen. Der gerade Weg wird ihnen nach und nach etwas zu steil, darum gehen sie ein wenig darum herum auf Wegen, die doch, wie sie meinen, so ungefähr, wenn auch nicht ganz genau, am rechten Ende auskommen werden.
Leute, die so handeln, sind weder redlich im Herzen noch gut, noch hoffen sie auf den HERRN; darum wird der HERR auch ganz anders mit ihnen verfahren als mit denen, die er als die Seinen kennt. Wenn der Tag der Urteilsvollstreckung kommt, dann werden diese Heuchler und Zeitdiener, die den Mantel nach dem Winde hängen, zu demselben Richtplatz hinausgeschleppt werden wie die offenbaren Übeltäter. Alle Sünde wird eines Tages aus dem Weltall ausgestoßen werden, gerade wie die Verbrecher, die zum Tode verurteilt sind, aus der Stadt hinausgeführt werden; dann werden die heimlichen Verräter sich mit den offenen Empörern ausgestoßen finden. Gottes Wahrheit wird ihre verborgenen Pläne aufdecken und ans Tageslicht bringen, und zur Überraschung vieler werden sie mit denen in gleiche Linie gestellt werden, die öffentlich ohne Scheu Frevel verübt haben.
Friede sei über Israel! Gerade die Vollstreckung des Gerichtes an den Betrügern wird mit dazu dienen, dem wahren Israel Ruhe zu geben. Wenn Gott die Untreuen schlagen wird, wird nicht ein Streich die Treuen treffen. Die Erwählten des HERRN werden nicht nur gleich Salem sein (vergl. V. 1), sondern sie sollen auch salom, Frieden, haben. Einem Helden gleich hat Jakob-Israel mit Gott gerungen und war überlegen, darum braucht er keinen Menschen zu scheuen; sein Ringen ist vorbei, der Friedenssegen ist über ihn gesprochen. Wer mit Gott Frieden hat, der kann in allen Beziehungen Frieden genießen. Verbinden wir den ersten und den letzten Vers: Israel traut auf den HERRN (V. 1), und Israel hat Frieden (V. 5).
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Wir behaupten zwar nicht bestimmt, dass David diesen Psalm geschrieben habe, aber es dünkt uns wahrscheinlich, und wir meinen, für diese Vermutung ebenso viel Grund zu haben, wie andere für ihre Ansicht, dass der Psalm in der Zeit nach der Gefangenschaft geschrieben sei. Es spricht manches dafür, dass all die Wallfahrtslieder von einem Manne verfasst oder wenigstens zusammengetragen seien; etliche derselben stammen jedenfalls nach der Überschrift, an der wir festhalten, von David, und es liegt kein zwingender Grund vor, die übrigen ihm abzusprechen. C. H. Spurgeon 1890.
Dieser kleine Psalm kann in die Worte des Propheten zusammengefasst werden: Prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben; denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen. Weh aber den Gottlosen; denn sie haben es übel, und es wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen (Jes. 3,10.11). So werden uns in den Psalmen oft Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, wie in dem Gesetz und den Propheten. Matthew Henry † 1714.
V. 1. Die auf den HERRN hoffen usw. Auf diesen Lehrer (den Psalmdichter) sollst du fleißig Achtung geben, der kein Werk gebietet, wie im Papsttum die Möncherei, Wallfahrt, Fasten und andere närrische Gottesdienste in Gefahr den Leuten sind vorgebildet worden, sondern der die Leute stracks zu Gott und zu dem ersten Gebot führt und leitet und klar heraus saget, dass Gott vertrauen und auf ihn hoffen die höchste Seligkeit sei, dass er den größten Gefallen an diesem Dienste habe. Denn dies ist Gottes Eigenschaft, dass er alles aus nichts schaffe. Darum schaffet er aus dem Tode das Leben und in der Finsternis das Licht. Eben dasselbige glaubt der Glaube aus seiner Natur und eigentlichen Eigenschaft. Wenn nun Gott einen solchen Menschen findet, der nach seiner Natur geartet ist, das ist, der in Gefährlichkeit Hilfe, in dem Tode das Leben glaubt, desgleichen in Armut Reichtum, in Sünden Gerechtigkeit, und das alleine von wegen Gottes Barmherzigkeit oder des Herrn Christus, einem solchen Menschen kann Gott nicht feind sein, ihn auch nicht verlassen; denn er ist ein wahrhaftiger Knecht und Diener Gottes, sintemal er allein auf Gottes Barmherzigkeit vertrauet. Dieser Dienst gefället Gott sehr wohl; denn er hat Lust, aus nichts etwas zu schaffen. Martin Luther 1533.
Sind wie der Berg Zion. (Wörtl.) Etliche Leute sind gleich dem allezeit beweglichen, trüglichen Quicksand, vergl. Mt. 7,26. Manche gleichen dem ungestümen Meere, das nicht stille sein kann, Jes. 57,20; Jak. 1,6. Manche wieder gleichen dem unbeständigen, ewig wechselnden Winde, Eph. 4,14. Die Gläubigen aber sind wie ein Berg, stark, fest und unbeweglich und sicher. Zu jeder Seele, die auf ihn traut, spricht der Herr: Du bist Petrus. W. Page 1883.
Wie der Berg Zion, der nicht wankt. Leutnant Conder sagt von Maudslays wichtigen Erforschungen: "Sie sind besonders wertvoll, da sie zeigen, dass wir, so stark das Mauerwerk auch zerstört und vernichtet sein mag, doch die Hoffnung nicht aufgeben dürfen, Spuren des alten Festungsgürtels in den Felsen, die unzerstörbar sind, aufzufinden". Das ist sehr richtig; denn der Mensch kann wohl zerstören, was der Mensch gemacht hat, die ewigen Hügel aber spotten seiner Wut. Wie kraftvoll und erhaben ist demnach das im Psalm gebrauchte Bild der Sicherheit der Gläubigen! James Neil 1882.
Ist es nicht seltsam, dass die gottlosen und götzendienerischen Mächte sich noch nicht zusammengetan, den Berg Zion abgetragen und ins Meer geworfen haben, um auf diese Weise eine Verheißung zu vernichten, über die Gottes Volk frohlockt? Bis ihr den Berg Zion ins Mittelmeer werfen könnt, wird die Kirche Christi bestehen und gedeihen; hört das, ihr Anhänger Mohammeds, die ihr nach dem Blut der Christen dürstet! Adam Clarke † 1832
V. 2. Um Jerusalem her sind Berge. Die Lage Jerusalems entspricht nicht ganz dem Bilde, das sich mit europäischen Landschaftsbildern vertraute Reisende etwa nach diesen Worten vorstellen. Jerusalem ist nicht eng von Bergen eingeschlossen, außer auf der Ostseite, wo man allerdings sagen kann, es sei von dem Ölberg und dessen nach Nordosten und Südwesten sich erstreckenden Ausläufern umgeben. Wer jedoch Jerusalem gegen Westen, Norden oder Süden betrachtet, der sieht die Stadt stets auf einer die umliegenden Hügel überragenden Höhe liegen, und ihre Türme und Mauern ragen frei in den Horizont hinaus, nicht gegen einen hohen Hintergrund, wie so manche Städte und Dörfer in unseren Bergtälern und Kesseln. Auch ist die Hochfläche, auf der die Stadt liegt, nicht von einem fortlaufenden, wenn auch entfernteren Ring von Bergen umgeben, wie z. B. Athen oder Innsbruck. Die Hügel in der Umgebung von Jerusalem sind von ungleicher Größe und erheben sich nur an wenigen Punkten, wie bei Nebi-Samwil, zu irgendwelcher beträchtlichen Höhe. Selbst der Ölberg ragt nur 180 Fuß über den Zion empor. Dennoch wirken sie als Schutz; sie müssen überstiegen werden, ehe der Pilger Jerusalem schauen, der Feind die Heilige Stadt angreifen kann; und die ferne Bergreihe Moabs erscheint stets als eine Mauer gegen alle, die vom fernen Osten her gegen die Stadt vordringen möchten. A. P. Stanley † 1832.
5. Die aber abweichen auf ihre krümmen Wege, wird der HERR wegtreiben mit den Übeltätern. Zweierlei Menschenkinder finden sich stets, Aufrichtige, die im Grund ihres Herzens gerade sind, und solche, die krumme Pfade wandeln. Ach, es gibt aber auch solche, die von der einen zur andern Klasse übergehen, jedoch nicht durch eine heilsame Bekehrung, so dass sie sich von den gewundenen Pfaden der Lüge auf die gerade Bahn der Wahrheit wendeten, sondern durch unheilvolles Abweichen von der Straße der Redlichkeit und Heiligkeit auf die Abwege der Gottlosigkeit. Solche Abtrünnige hat es zu allen Zeiten gegeben, und David bekam von ihnen genug; einen Saul, einen Ahitophel und andere konnte er nie vergessen. Wie traurig ist es doch, wenn man sehen muss, wie Menschen, die einst auf dem rechten Wege wandelten, davon abweichen. Beachten wir die Entwicklung, welche die Unlauteren nehmen: erst schauen sie nach krummen Wegen aus, dann erwählen sie sie und machen sie zu ihren eigenen krummen Wegen und weichen auf sie ab. Sie haben nicht die Absicht, ganz zurück ins Verderben zu gehen, sie wollen nur einen Umweg machen und wieder auf die rechte Straße einbiegen. Der gerade Weg wird ihnen nach und nach etwas zu steil, darum gehen sie ein wenig darum herum auf Wegen, die doch, wie sie meinen, so ungefähr, wenn auch nicht ganz genau, am rechten Ende auskommen werden.
Leute, die so handeln, sind weder redlich im Herzen noch gut, noch hoffen sie auf den HERRN; darum wird der HERR auch ganz anders mit ihnen verfahren als mit denen, die er als die Seinen kennt. Wenn der Tag der Urteilsvollstreckung kommt, dann werden diese Heuchler und Zeitdiener, die den Mantel nach dem Winde hängen, zu demselben Richtplatz hinausgeschleppt werden wie die offenbaren Übeltäter. Alle Sünde wird eines Tages aus dem Weltall ausgestoßen werden, gerade wie die Verbrecher, die zum Tode verurteilt sind, aus der Stadt hinausgeführt werden; dann werden die heimlichen Verräter sich mit den offenen Empörern ausgestoßen finden. Gottes Wahrheit wird ihre verborgenen Pläne aufdecken und ans Tageslicht bringen, und zur Überraschung vieler werden sie mit denen in gleiche Linie gestellt werden, die öffentlich ohne Scheu Frevel verübt haben.
Friede sei über Israel! Gerade die Vollstreckung des Gerichtes an den Betrügern wird mit dazu dienen, dem wahren Israel Ruhe zu geben. Wenn Gott die Untreuen schlagen wird, wird nicht ein Streich die Treuen treffen. Die Erwählten des HERRN werden nicht nur gleich Salem sein (vergl. V. 1), sondern sie sollen auch salom, Frieden, haben. Einem Helden gleich hat Jakob-Israel mit Gott gerungen und war überlegen, darum braucht er keinen Menschen zu scheuen; sein Ringen ist vorbei, der Friedenssegen ist über ihn gesprochen. Wer mit Gott Frieden hat, der kann in allen Beziehungen Frieden genießen. Verbinden wir den ersten und den letzten Vers: Israel traut auf den HERRN (V. 1), und Israel hat Frieden (V. 5).
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Wir behaupten zwar nicht bestimmt, dass David diesen Psalm geschrieben habe, aber es dünkt uns wahrscheinlich, und wir meinen, für diese Vermutung ebenso viel Grund zu haben, wie andere für ihre Ansicht, dass der Psalm in der Zeit nach der Gefangenschaft geschrieben sei. Es spricht manches dafür, dass all die Wallfahrtslieder von einem Manne verfasst oder wenigstens zusammengetragen seien; etliche derselben stammen jedenfalls nach der Überschrift, an der wir festhalten, von David, und es liegt kein zwingender Grund vor, die übrigen ihm abzusprechen. C. H. Spurgeon 1890.
Dieser kleine Psalm kann in die Worte des Propheten zusammengefasst werden: Prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben; denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen. Weh aber den Gottlosen; denn sie haben es übel, und es wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen (Jes. 3,10.11). So werden uns in den Psalmen oft Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, wie in dem Gesetz und den Propheten. Matthew Henry † 1714.
V. 1. Die auf den HERRN hoffen usw. Auf diesen Lehrer (den Psalmdichter) sollst du fleißig Achtung geben, der kein Werk gebietet, wie im Papsttum die Möncherei, Wallfahrt, Fasten und andere närrische Gottesdienste in Gefahr den Leuten sind vorgebildet worden, sondern der die Leute stracks zu Gott und zu dem ersten Gebot führt und leitet und klar heraus saget, dass Gott vertrauen und auf ihn hoffen die höchste Seligkeit sei, dass er den größten Gefallen an diesem Dienste habe. Denn dies ist Gottes Eigenschaft, dass er alles aus nichts schaffe. Darum schaffet er aus dem Tode das Leben und in der Finsternis das Licht. Eben dasselbige glaubt der Glaube aus seiner Natur und eigentlichen Eigenschaft. Wenn nun Gott einen solchen Menschen findet, der nach seiner Natur geartet ist, das ist, der in Gefährlichkeit Hilfe, in dem Tode das Leben glaubt, desgleichen in Armut Reichtum, in Sünden Gerechtigkeit, und das alleine von wegen Gottes Barmherzigkeit oder des Herrn Christus, einem solchen Menschen kann Gott nicht feind sein, ihn auch nicht verlassen; denn er ist ein wahrhaftiger Knecht und Diener Gottes, sintemal er allein auf Gottes Barmherzigkeit vertrauet. Dieser Dienst gefället Gott sehr wohl; denn er hat Lust, aus nichts etwas zu schaffen. Martin Luther 1533.
Sind wie der Berg Zion. (Wörtl.) Etliche Leute sind gleich dem allezeit beweglichen, trüglichen Quicksand, vergl. Mt. 7,26. Manche gleichen dem ungestümen Meere, das nicht stille sein kann, Jes. 57,20; Jak. 1,6. Manche wieder gleichen dem unbeständigen, ewig wechselnden Winde, Eph. 4,14. Die Gläubigen aber sind wie ein Berg, stark, fest und unbeweglich und sicher. Zu jeder Seele, die auf ihn traut, spricht der Herr: Du bist Petrus. W. Page 1883.
Wie der Berg Zion, der nicht wankt. Leutnant Conder sagt von Maudslays wichtigen Erforschungen: "Sie sind besonders wertvoll, da sie zeigen, dass wir, so stark das Mauerwerk auch zerstört und vernichtet sein mag, doch die Hoffnung nicht aufgeben dürfen, Spuren des alten Festungsgürtels in den Felsen, die unzerstörbar sind, aufzufinden". Das ist sehr richtig; denn der Mensch kann wohl zerstören, was der Mensch gemacht hat, die ewigen Hügel aber spotten seiner Wut. Wie kraftvoll und erhaben ist demnach das im Psalm gebrauchte Bild der Sicherheit der Gläubigen! James Neil 1882.
Ist es nicht seltsam, dass die gottlosen und götzendienerischen Mächte sich noch nicht zusammengetan, den Berg Zion abgetragen und ins Meer geworfen haben, um auf diese Weise eine Verheißung zu vernichten, über die Gottes Volk frohlockt? Bis ihr den Berg Zion ins Mittelmeer werfen könnt, wird die Kirche Christi bestehen und gedeihen; hört das, ihr Anhänger Mohammeds, die ihr nach dem Blut der Christen dürstet! Adam Clarke † 1832
V. 2. Um Jerusalem her sind Berge. Die Lage Jerusalems entspricht nicht ganz dem Bilde, das sich mit europäischen Landschaftsbildern vertraute Reisende etwa nach diesen Worten vorstellen. Jerusalem ist nicht eng von Bergen eingeschlossen, außer auf der Ostseite, wo man allerdings sagen kann, es sei von dem Ölberg und dessen nach Nordosten und Südwesten sich erstreckenden Ausläufern umgeben. Wer jedoch Jerusalem gegen Westen, Norden oder Süden betrachtet, der sieht die Stadt stets auf einer die umliegenden Hügel überragenden Höhe liegen, und ihre Türme und Mauern ragen frei in den Horizont hinaus, nicht gegen einen hohen Hintergrund, wie so manche Städte und Dörfer in unseren Bergtälern und Kesseln. Auch ist die Hochfläche, auf der die Stadt liegt, nicht von einem fortlaufenden, wenn auch entfernteren Ring von Bergen umgeben, wie z. B. Athen oder Innsbruck. Die Hügel in der Umgebung von Jerusalem sind von ungleicher Größe und erheben sich nur an wenigen Punkten, wie bei Nebi-Samwil, zu irgendwelcher beträchtlichen Höhe. Selbst der Ölberg ragt nur 180 Fuß über den Zion empor. Dennoch wirken sie als Schutz; sie müssen überstiegen werden, ehe der Pilger Jerusalem schauen, der Feind die Heilige Stadt angreifen kann; und die ferne Bergreihe Moabs erscheint stets als eine Mauer gegen alle, die vom fernen Osten her gegen die Stadt vordringen möchten. A. P. Stanley † 1832.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 125
Erläuterungen und Kernworte
V. 2. Jerusalem liegt in dem Mittelpunkt eines Berglandes, dessen Täler rund umher in allen Richtungen ein ganzes Netz gezogen haben von tiefen Schluchten, deren senkrechte Wände miteinander eine sehr wirksame Schutzwehr bilden. W. M. Thomson 1881.
Es ist nicht genug, dass wir durch die feurige Mauern, d. i. der Engel Schutz und Scharwache beschützet werden; denn der HERR selbst will unsere Mauer sein, dass wir von dem HERRN umringet und verteidiget werden. Über uns ist der Himmel, von allen Seiten ist der HERR unsere Mauer, unter uns haben wir einen starken Boden, darauf wir stehen, sind also rings umher umzäunet. Wenn nun gleich der Teufel durch die Festungen einen Pfeil in uns schießen will, so muss er erstlich den HERRN selbst verwunden. Ach wie groß ist aber unser schändlicher Unglaube, dass wir solches vergeblich hören. Doch muss man solches lehren und lernen, dass wir, wenn wir es einmal bedürfen würden, nicht ganz und gar ratlos seien. Denn das ist gewiss, dass eine Stunde kommen wird, darinnen wir solches erfahren oder aber verderben müssen. Martin Luther 1533.
Von nun an bis in Ewigkeit. Diese Ausdehnung der Verheißung sollte sorgfältig beachtet werden; denn sie beweist, dass die dem Volke Israel gemachten Zusagen allgemein der Kirche aller Zeiten gehören und nicht mit dem jüdischen Staat zu erlöschen bestimmt sind. Also bezeugt der Vers, dass die Gemeinde des HERRN beständig dauern soll. Das ist ein gar süßer Trost für fromme Herzen, sonderlich bei großen Gefahren und öffentlichen Unglücksfällen, wenn alles mit Verderben und Zerstörung droht. H. Moller 1639.
V. 3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben usw. Keine Tyrannei, so gewaltig sie sich ansehe, ist von langer Dauer, sintemalen Gott das Zepter nicht abtritt. Das erhellt an dem Beispiel eines Pharao, Saul, Sanherib, Herodes und anderer. Recht sagt darum Athanasius von Julian dem Abtrünnigen: Ein Wölkchen ist’s, das vorübergeht. Und wie über alles menschliche Erwarten schnell die Gründungen der Gottlosen umgestürzt werden, darüber siehe den 37. Psalm. Sal. Geßner † 1605.
Wird nicht bleiben, d. i. schwer aufliegen, so dass es bedrückt, wie in Jes. 25,10, mit dem Nebensinn der Dauer der Bedrückung; es wird nicht schwer und bleibend ruhen auf usw. J. J. St. Perowne 1868.
Der Grimm der Menschen wird, wie Wasser, das auf eine Mühle geleitet wird, nicht mit mehr Gewalt über sie kommen, als nötig ist, um Gottes gnädige Absichten an ihren Seelen zu erreichen; das Übrige wird, so drohend seine Macht sein mag, abgeleitet werden durch eine geöffnete Schleuse. Doch wird die Trübsal groß genug sein, um jedermann zu prüfen und die Aufrichtigkeit und das Maß seiner Unsträflichkeit und Gerechtigkeit zu erproben. Charles Simeon † 1836.
Das Zepter der Bosheit ist heidnisches Zepter, und die Gerechten sind die an der Religion der Väter festhaltenden Israeliten. Los heißt das Heilige Land, dessen alleinberechtigte Erben diese Gerechten sind. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Auf dass die Gerechten nicht, von Ungeduld überwältigt, oder aber, sei es durch die Lockungen, sei es durch die Drohungen der Welt verführt, den Forderungen der Gottlosen nachgeben und beifallen oder sich durch verkehrte Handlungen selbst aus der Not zu helfen suchen. Gott macht es, sagt Chrysostomus, wie ein Lautenspieler, der die Saiten seiner Laute nicht zu schlaff werden lässt, weil dann die Musik verdorben würde, aber auch darauf Acht hat, dass sie nicht zu straff gespannt, nicht zu stark in die Höhe geschraubt werden, da sie sonst brechen würden. John Trapp † 1669.
V. 4. Tue Gutes, HERR, den Guten. (Wörtl.) Ein Lieblingsgedanke von Nehemia, siehe Neh. 2,8.18; 5,19; 13,14.31. Christopher Wordsworth 1872.
Meine Brüder, das Gute in uns ist Gott in uns. Das Innere bildet das Äußere, Gottseligkeit gibt wahre Schönheit. Es ist unbestreitbar, dass Christus in uns unser ganzes Christentum ausmacht. Christen, die nicht Christus in sich haben, sind armselige, wohlfeile Nachahmungen, leere Schalen ohne Kern, die Christus wegwerfen wird. Ch. Stanford1876.
Die in ihrem Herzen redlich sind. Alle wahre Vortrefflichkeit hat ihren Sitz im Herzen. Nicht die gute Tat macht den guten Mann, sondern der gute Mann tut die gute Tat. Das Verdienst einer Tat hängt lediglich von den Beweggründen ab, die dazu getrieben haben, sie auszuführen. Und wie viele Taten, die der Welt Bewunderung und Ehrenzeichen abgerungen haben, mag man, wenn man sie an diesem einfachen Prüfstein misst, mit dem Namen "glänzende Laster" belegen. Ist das Herz schlecht, so ist alles schlecht, ist das Herz recht, alles recht. N. Mac-Michael 1860.
V. 5. Die aber abweichen auf ihre krummen Wege. Das ist eine der größten Sorgen des rechten Hirten, er möchte seine Schafe vor dem Abirren bewahren. Es bereitet dem Dichter dieses Psalms schwere innere Not, dass nicht alle, die von Israel sind, echte Israeliten sind (Röm. 9,6). Ach, es gibt leider immer solche in der sichtbaren Kirche, die, statt alles daranzuwenden, um am bösen Tage Widerstand zu tun und das Feld zu behalten, ihre Hand ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Lieber, als dass sie das Zepter der Gottlosen auf sich drücken lassen, huldigen sie diesem Zepter. Eher weichen sie ab auf krumme Wege, als dass sie ihre irdischen Vorteile gefährden. Edw. J. Robinson 1878.
Die Pfade der Sünder sind krumme Wege. Die Gottlosen schlagen bald diese, bald jene Richtung ein, wechseln ihre Pläne und winden sich hin und her, um zu täuschen und zu betrügen, um ihre gemeinen Absichten zu verbergen, ihre boshaften Anschläge zu vollführen oder der Strafe ihrer Freveltaten zu entgehen. Doch sind Enttäuschung, Entdeckung, Beschämung und Elend ihr unausbleibliches Los. Thomas Scott † 1821.
Wird der HERR wegtreiben (oder dahinfahren lassen) mit den Übeltätern. Sie haben gewandelt nach dem Fürsten der Finsternis, so sollen sie auch mit ihm hinfahren in die ewige Finsternis. Gott wird die Menschen aus ihren heimlichen Wegen und Verstecken auftreiben. Ob sie jetzt auch den Schein von Kindern Gottes annehmen, so wird Gott sie doch, wenn sie auf den Seitenpfaden der Sünde wandeln, am Jüngsten Tage, ja und oft schon in dieser Welt, mit den Übeltätern zusammenrechnen. Sie wandeln hier in Gottes Urteil nach dem Vorbild der Übeltäter, und Gott wird, ehe er mit ihnen abschließt, es offenkundig machen, dass sie zu ihnen gehören. Ob sie gleich in dem äußeren Verhalten sich von den Übeltätern unterscheiden, so stimmen sie doch mit ihnen überein in den Grundsätzen, in der Liebe zur Sünde. Sie wandeln nach ihren Lüsten, wie es im Grunde jeder nicht wiedergeborene Mensch tut. Mag er noch so verfeinert sein, im Herzen verfolgt er doch krumme Wege. Th. Goodwin † 1679.
Manchmal tut Gott einen Menschen, der sich mit dem Schein zu den Frommen hält, aber unfruchtbar ist, weg, indem er zulässt, dass er in offenbare Sünde und Ruchlosigkeit verfällt. Da ist jemand, der sich zu Christo bekennt, aber dieses Bekenntnis ist ihm nur ein Deckmantel; im Geheimen tut er das Böse, er ist ein Fresser oder ein Trinker oder geizig oder unkeusch. Nun wohl, sagt Gott, ich will ihm die Zügel schießen lassen, ich will ihn seinen schändlichen Neigungen hingeben. Ich will der Sünde Macht über ihn lassen, er soll verstrickt werden von seinen schmutzigen Lüsten, er soll überwunden werden von der bösen Gesellschaft, mit der er liebäugelt. John Bunyan † 1688.
Israel. Die Israeliten konnten durch die beiden Namen, die sie trugen, an die vornehmsten Stücke ihrer Religion erinnert werden; durch den Namen Israel an das Gebet, in dessen Kraft der Stammvater gesiegt hatte (Hosea 12,5), und durch den Namen Juden an Juda, dessen Name Lobpreis bedeutet. G. S. Bowes 1869.
Homiletische Winke
V. 1-5.
1) Das Bundeszeichen: Die auf den HERRN trauen. 2) Die Sicherheit, die der Bund verbürgt, V. 1.2. 3) Das Bundeszepter, V. 3. 4) Der Bundesinhalt, V. 4. 5) Das Wesen des Bundes: Friede.
V. 1.2.
Die Unbeweglichkeit der Gläubigen. 1) Was das für Leute sind, denen die Verheißung gilt. 2) Ihre Sicherheit. 3) Der klare Grund ihrer Sicherheit.
V. 2.
Die sie von allen Seiten umgebende Gegenwart des Herrn: der Ruhm, die Sicherheit und das ewige Glück der Seinen. Den Gottlosen hingegen würde sie eine Hölle sein.
Die Dauer der Gnade: von nun an bis in Ewigkeit.
Die Auserwählten, umgeben von unendlicher Liebe. I. Die Stadt und ihr Schutzgürtel. (Wir betrachten diese Sinnbilder zuerst jedes für sich.) 1) Jerusalem, das Abbild von Gottes Volk. Von alters her erkoren, einzigartig geehrt, viel geliebt, die Stätte der Wohnung des Höchsten. 2) Der Berggürtel als Abbild der Kraft Jehovahs, seiner von allen Seiten umgebenden Gegenwart, seiner Hut bei Tag und Nacht. II. Die Stadt in dem Kranze von Bergen. (Die Sinnbilder in ihrer Beziehung zueinander betrachtet.) 1) Wonnige Umstrickung. Die Aussicht aus den Fenstern. (Jehovah rings umher.) Um verloren zu gehen, muss man durch Gott durchbrechen. Sanfter Schlaf und ungefährdete Arbeit. 2) Allmächtige Umschirmung. Gottes Ratschluss - Satans Schrecken. Dieser Bergkranz unwandelbar. William Bickle Haynes 1883.
V. 3.
I. Gott kann allerdings zulassen, dass das Zepter der Bosheit über das Los der Gerechten kommt. 1) Damit die Bosheit sich frei enthüllen könne. 2) Damit die Gerechten die Sünde hassen lernen. 3) Damit die Gerechtigkeit der göttlichen Vergeltung sichtbar werde. 4) Damit die Gerechten desto reiflicheren Trost erfahren (2. Kor. 1,5). II. Aber das Andauern solcher Herrschaft wird verneint. Man beleuchte dies aus der Geschichte von Hiob, Joseph, David, Daniel, Christus selbst, den Blutzeugen usw. III. Die Gerechten werden dadurch erprobt und dabei bewahrt. 1) Gott stellt ihre Gerechtigkeit auf die Probe, um deren Wert, Schönheit usw. zu erweisen. 2) Aber nicht mehr, als dazu genügt, auf dass sie nicht ihre Hand ausstrecken zur Ungerechtigkeit, indem sie sich auflehnen oder sündige Vergleiche eingehen usw. John Field 1883.
V. 3.4.
I. Die Guten beschrieben: Die in ihrem Herzen redlich gesinnt sind, die nicht abweichen auf krumme Wege, nicht Übeltäter sind. II. Die Guten in Not durch das Zepter der Gottlosen. III. Die Guten befreit. Tue ihnen Gutes, HERR, und erfülle die Verheißung von V. 3. W. Page 1883.
V. 4.
1) Was heißt gut sein? 2) Was heißt das, wenn von Gott erbeten wird, er möge uns Gutes tun?
V. 5.
Leute, die nur eine Zeit lang zu den Frommen zählen. 1) In den entscheidenden Proben weichen sie ab vom rechten Wege. 2) Sie gehen heimliche, krumme Pfade. 3) Ihr endliches Los ist schrecklich: sie werden weggetrieben mit den Übeltätern.
Heuchler. 1) Ihre Wege: krumm. a) Gleich dem Lauf eines sich windenden Flusses, der die ruhige Ebene oder den bequemen Talweg sucht. b) Gleich dem Laufe eines im Zickzack segelnden Schiffes, das geschickt jeden Wind benutzt, um vorwärts zu kommen. c) Es sind Wege (Handlungsweisen), die auf keinem anderen Untergrunde als dem der reinen Selbstsucht beruhen. 2) Ihr Verhalten in der Probe: Sie weichen ab, a) von ihrem religiösen Bekenntniss, b) von ihren ehemaligen Gefährten, c) um die schlimmsten Spötter über geistliche Dinge und die heftigsten Schmäher und Verleumder geistlich gesinnter Menschen zu werden. 3) Ihr endliches Schicksal: a) Im Gericht werden sie mit den berüchtigtsten Übeltätern in eine Klasse gerechnet werden. b) Durch unwiderstehliche Gewalt werden sie an den Pranger gestellt werden. c) Sie werden mit den Gottlosen der schrecklichen Höllenstrafe verfallen. John Field 1883.
V. 5c.
I. Wer gehört zu dem wahren Israel? Des Bundes Kinder, die am Herzen Beschnittenen, die wahrhaftigen Anbeter. II. Was ist das für ein Friede, den diese genießen? Der Friede des Gewissens, der Gemeinschaft mit Gott, eines gestillten und befestigten Herzens, Friede in Anwartschaft der ewigen Herrlichkeit. III. Was gewährleistet diesen Frieden? 1) Christus hat ihnen zugute Frieden gemacht. 2) Der Heilige Geist bringt ihnen den Frieden. 3) Sie wandeln auf den Wegen des Friedens. John Field 1883.
V. 2. Jerusalem liegt in dem Mittelpunkt eines Berglandes, dessen Täler rund umher in allen Richtungen ein ganzes Netz gezogen haben von tiefen Schluchten, deren senkrechte Wände miteinander eine sehr wirksame Schutzwehr bilden. W. M. Thomson 1881.
Es ist nicht genug, dass wir durch die feurige Mauern, d. i. der Engel Schutz und Scharwache beschützet werden; denn der HERR selbst will unsere Mauer sein, dass wir von dem HERRN umringet und verteidiget werden. Über uns ist der Himmel, von allen Seiten ist der HERR unsere Mauer, unter uns haben wir einen starken Boden, darauf wir stehen, sind also rings umher umzäunet. Wenn nun gleich der Teufel durch die Festungen einen Pfeil in uns schießen will, so muss er erstlich den HERRN selbst verwunden. Ach wie groß ist aber unser schändlicher Unglaube, dass wir solches vergeblich hören. Doch muss man solches lehren und lernen, dass wir, wenn wir es einmal bedürfen würden, nicht ganz und gar ratlos seien. Denn das ist gewiss, dass eine Stunde kommen wird, darinnen wir solches erfahren oder aber verderben müssen. Martin Luther 1533.
Von nun an bis in Ewigkeit. Diese Ausdehnung der Verheißung sollte sorgfältig beachtet werden; denn sie beweist, dass die dem Volke Israel gemachten Zusagen allgemein der Kirche aller Zeiten gehören und nicht mit dem jüdischen Staat zu erlöschen bestimmt sind. Also bezeugt der Vers, dass die Gemeinde des HERRN beständig dauern soll. Das ist ein gar süßer Trost für fromme Herzen, sonderlich bei großen Gefahren und öffentlichen Unglücksfällen, wenn alles mit Verderben und Zerstörung droht. H. Moller 1639.
V. 3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben usw. Keine Tyrannei, so gewaltig sie sich ansehe, ist von langer Dauer, sintemalen Gott das Zepter nicht abtritt. Das erhellt an dem Beispiel eines Pharao, Saul, Sanherib, Herodes und anderer. Recht sagt darum Athanasius von Julian dem Abtrünnigen: Ein Wölkchen ist’s, das vorübergeht. Und wie über alles menschliche Erwarten schnell die Gründungen der Gottlosen umgestürzt werden, darüber siehe den 37. Psalm. Sal. Geßner † 1605.
Wird nicht bleiben, d. i. schwer aufliegen, so dass es bedrückt, wie in Jes. 25,10, mit dem Nebensinn der Dauer der Bedrückung; es wird nicht schwer und bleibend ruhen auf usw. J. J. St. Perowne 1868.
Der Grimm der Menschen wird, wie Wasser, das auf eine Mühle geleitet wird, nicht mit mehr Gewalt über sie kommen, als nötig ist, um Gottes gnädige Absichten an ihren Seelen zu erreichen; das Übrige wird, so drohend seine Macht sein mag, abgeleitet werden durch eine geöffnete Schleuse. Doch wird die Trübsal groß genug sein, um jedermann zu prüfen und die Aufrichtigkeit und das Maß seiner Unsträflichkeit und Gerechtigkeit zu erproben. Charles Simeon † 1836.
Das Zepter der Bosheit ist heidnisches Zepter, und die Gerechten sind die an der Religion der Väter festhaltenden Israeliten. Los heißt das Heilige Land, dessen alleinberechtigte Erben diese Gerechten sind. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Auf dass die Gerechten nicht, von Ungeduld überwältigt, oder aber, sei es durch die Lockungen, sei es durch die Drohungen der Welt verführt, den Forderungen der Gottlosen nachgeben und beifallen oder sich durch verkehrte Handlungen selbst aus der Not zu helfen suchen. Gott macht es, sagt Chrysostomus, wie ein Lautenspieler, der die Saiten seiner Laute nicht zu schlaff werden lässt, weil dann die Musik verdorben würde, aber auch darauf Acht hat, dass sie nicht zu straff gespannt, nicht zu stark in die Höhe geschraubt werden, da sie sonst brechen würden. John Trapp † 1669.
V. 4. Tue Gutes, HERR, den Guten. (Wörtl.) Ein Lieblingsgedanke von Nehemia, siehe Neh. 2,8.18; 5,19; 13,14.31. Christopher Wordsworth 1872.
Meine Brüder, das Gute in uns ist Gott in uns. Das Innere bildet das Äußere, Gottseligkeit gibt wahre Schönheit. Es ist unbestreitbar, dass Christus in uns unser ganzes Christentum ausmacht. Christen, die nicht Christus in sich haben, sind armselige, wohlfeile Nachahmungen, leere Schalen ohne Kern, die Christus wegwerfen wird. Ch. Stanford1876.
Die in ihrem Herzen redlich sind. Alle wahre Vortrefflichkeit hat ihren Sitz im Herzen. Nicht die gute Tat macht den guten Mann, sondern der gute Mann tut die gute Tat. Das Verdienst einer Tat hängt lediglich von den Beweggründen ab, die dazu getrieben haben, sie auszuführen. Und wie viele Taten, die der Welt Bewunderung und Ehrenzeichen abgerungen haben, mag man, wenn man sie an diesem einfachen Prüfstein misst, mit dem Namen "glänzende Laster" belegen. Ist das Herz schlecht, so ist alles schlecht, ist das Herz recht, alles recht. N. Mac-Michael 1860.
V. 5. Die aber abweichen auf ihre krummen Wege. Das ist eine der größten Sorgen des rechten Hirten, er möchte seine Schafe vor dem Abirren bewahren. Es bereitet dem Dichter dieses Psalms schwere innere Not, dass nicht alle, die von Israel sind, echte Israeliten sind (Röm. 9,6). Ach, es gibt leider immer solche in der sichtbaren Kirche, die, statt alles daranzuwenden, um am bösen Tage Widerstand zu tun und das Feld zu behalten, ihre Hand ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Lieber, als dass sie das Zepter der Gottlosen auf sich drücken lassen, huldigen sie diesem Zepter. Eher weichen sie ab auf krumme Wege, als dass sie ihre irdischen Vorteile gefährden. Edw. J. Robinson 1878.
Die Pfade der Sünder sind krumme Wege. Die Gottlosen schlagen bald diese, bald jene Richtung ein, wechseln ihre Pläne und winden sich hin und her, um zu täuschen und zu betrügen, um ihre gemeinen Absichten zu verbergen, ihre boshaften Anschläge zu vollführen oder der Strafe ihrer Freveltaten zu entgehen. Doch sind Enttäuschung, Entdeckung, Beschämung und Elend ihr unausbleibliches Los. Thomas Scott † 1821.
Wird der HERR wegtreiben (oder dahinfahren lassen) mit den Übeltätern. Sie haben gewandelt nach dem Fürsten der Finsternis, so sollen sie auch mit ihm hinfahren in die ewige Finsternis. Gott wird die Menschen aus ihren heimlichen Wegen und Verstecken auftreiben. Ob sie jetzt auch den Schein von Kindern Gottes annehmen, so wird Gott sie doch, wenn sie auf den Seitenpfaden der Sünde wandeln, am Jüngsten Tage, ja und oft schon in dieser Welt, mit den Übeltätern zusammenrechnen. Sie wandeln hier in Gottes Urteil nach dem Vorbild der Übeltäter, und Gott wird, ehe er mit ihnen abschließt, es offenkundig machen, dass sie zu ihnen gehören. Ob sie gleich in dem äußeren Verhalten sich von den Übeltätern unterscheiden, so stimmen sie doch mit ihnen überein in den Grundsätzen, in der Liebe zur Sünde. Sie wandeln nach ihren Lüsten, wie es im Grunde jeder nicht wiedergeborene Mensch tut. Mag er noch so verfeinert sein, im Herzen verfolgt er doch krumme Wege. Th. Goodwin † 1679.
Manchmal tut Gott einen Menschen, der sich mit dem Schein zu den Frommen hält, aber unfruchtbar ist, weg, indem er zulässt, dass er in offenbare Sünde und Ruchlosigkeit verfällt. Da ist jemand, der sich zu Christo bekennt, aber dieses Bekenntnis ist ihm nur ein Deckmantel; im Geheimen tut er das Böse, er ist ein Fresser oder ein Trinker oder geizig oder unkeusch. Nun wohl, sagt Gott, ich will ihm die Zügel schießen lassen, ich will ihn seinen schändlichen Neigungen hingeben. Ich will der Sünde Macht über ihn lassen, er soll verstrickt werden von seinen schmutzigen Lüsten, er soll überwunden werden von der bösen Gesellschaft, mit der er liebäugelt. John Bunyan † 1688.
Israel. Die Israeliten konnten durch die beiden Namen, die sie trugen, an die vornehmsten Stücke ihrer Religion erinnert werden; durch den Namen Israel an das Gebet, in dessen Kraft der Stammvater gesiegt hatte (Hosea 12,5), und durch den Namen Juden an Juda, dessen Name Lobpreis bedeutet. G. S. Bowes 1869.
Homiletische Winke
V. 1-5.
1) Das Bundeszeichen: Die auf den HERRN trauen. 2) Die Sicherheit, die der Bund verbürgt, V. 1.2. 3) Das Bundeszepter, V. 3. 4) Der Bundesinhalt, V. 4. 5) Das Wesen des Bundes: Friede.
V. 1.2.
Die Unbeweglichkeit der Gläubigen. 1) Was das für Leute sind, denen die Verheißung gilt. 2) Ihre Sicherheit. 3) Der klare Grund ihrer Sicherheit.
V. 2.
Die sie von allen Seiten umgebende Gegenwart des Herrn: der Ruhm, die Sicherheit und das ewige Glück der Seinen. Den Gottlosen hingegen würde sie eine Hölle sein.
Die Dauer der Gnade: von nun an bis in Ewigkeit.
Die Auserwählten, umgeben von unendlicher Liebe. I. Die Stadt und ihr Schutzgürtel. (Wir betrachten diese Sinnbilder zuerst jedes für sich.) 1) Jerusalem, das Abbild von Gottes Volk. Von alters her erkoren, einzigartig geehrt, viel geliebt, die Stätte der Wohnung des Höchsten. 2) Der Berggürtel als Abbild der Kraft Jehovahs, seiner von allen Seiten umgebenden Gegenwart, seiner Hut bei Tag und Nacht. II. Die Stadt in dem Kranze von Bergen. (Die Sinnbilder in ihrer Beziehung zueinander betrachtet.) 1) Wonnige Umstrickung. Die Aussicht aus den Fenstern. (Jehovah rings umher.) Um verloren zu gehen, muss man durch Gott durchbrechen. Sanfter Schlaf und ungefährdete Arbeit. 2) Allmächtige Umschirmung. Gottes Ratschluss - Satans Schrecken. Dieser Bergkranz unwandelbar. William Bickle Haynes 1883.
V. 3.
I. Gott kann allerdings zulassen, dass das Zepter der Bosheit über das Los der Gerechten kommt. 1) Damit die Bosheit sich frei enthüllen könne. 2) Damit die Gerechten die Sünde hassen lernen. 3) Damit die Gerechtigkeit der göttlichen Vergeltung sichtbar werde. 4) Damit die Gerechten desto reiflicheren Trost erfahren (2. Kor. 1,5). II. Aber das Andauern solcher Herrschaft wird verneint. Man beleuchte dies aus der Geschichte von Hiob, Joseph, David, Daniel, Christus selbst, den Blutzeugen usw. III. Die Gerechten werden dadurch erprobt und dabei bewahrt. 1) Gott stellt ihre Gerechtigkeit auf die Probe, um deren Wert, Schönheit usw. zu erweisen. 2) Aber nicht mehr, als dazu genügt, auf dass sie nicht ihre Hand ausstrecken zur Ungerechtigkeit, indem sie sich auflehnen oder sündige Vergleiche eingehen usw. John Field 1883.
V. 3.4.
I. Die Guten beschrieben: Die in ihrem Herzen redlich gesinnt sind, die nicht abweichen auf krumme Wege, nicht Übeltäter sind. II. Die Guten in Not durch das Zepter der Gottlosen. III. Die Guten befreit. Tue ihnen Gutes, HERR, und erfülle die Verheißung von V. 3. W. Page 1883.
V. 4.
1) Was heißt gut sein? 2) Was heißt das, wenn von Gott erbeten wird, er möge uns Gutes tun?
V. 5.
Leute, die nur eine Zeit lang zu den Frommen zählen. 1) In den entscheidenden Proben weichen sie ab vom rechten Wege. 2) Sie gehen heimliche, krumme Pfade. 3) Ihr endliches Los ist schrecklich: sie werden weggetrieben mit den Übeltätern.
Heuchler. 1) Ihre Wege: krumm. a) Gleich dem Lauf eines sich windenden Flusses, der die ruhige Ebene oder den bequemen Talweg sucht. b) Gleich dem Laufe eines im Zickzack segelnden Schiffes, das geschickt jeden Wind benutzt, um vorwärts zu kommen. c) Es sind Wege (Handlungsweisen), die auf keinem anderen Untergrunde als dem der reinen Selbstsucht beruhen. 2) Ihr Verhalten in der Probe: Sie weichen ab, a) von ihrem religiösen Bekenntniss, b) von ihren ehemaligen Gefährten, c) um die schlimmsten Spötter über geistliche Dinge und die heftigsten Schmäher und Verleumder geistlich gesinnter Menschen zu werden. 3) Ihr endliches Schicksal: a) Im Gericht werden sie mit den berüchtigtsten Übeltätern in eine Klasse gerechnet werden. b) Durch unwiderstehliche Gewalt werden sie an den Pranger gestellt werden. c) Sie werden mit den Gottlosen der schrecklichen Höllenstrafe verfallen. John Field 1883.
V. 5c.
I. Wer gehört zu dem wahren Israel? Des Bundes Kinder, die am Herzen Beschnittenen, die wahrhaftigen Anbeter. II. Was ist das für ein Friede, den diese genießen? Der Friede des Gewissens, der Gemeinschaft mit Gott, eines gestillten und befestigten Herzens, Friede in Anwartschaft der ewigen Herrlichkeit. III. Was gewährleistet diesen Frieden? 1) Christus hat ihnen zugute Frieden gemacht. 2) Der Heilige Geist bringt ihnen den Frieden. 3) Sie wandeln auf den Wegen des Friedens. John Field 1883.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 126
PSALM 126 (Auslegung & Kommentar)
Überschrift
Ein Wallfahrtslied. Wir kommen nun zu der siebenten Pilgerstation; da dürfen wir wohl erwarten, auch zu einer gewissen Vollendung der Freude zu gelangen. Diese Erwartung wird nicht getäuscht. Wir sehen hier nicht nur, dass Zion bestehen bleibt, sondern auch, dass Zions Freude wiederkehrt nach dem Leid. Dass Zion erhalten wird, ist nicht genug; es soll auch fruchtbar sein. Die Festpilger schreiten in ihren Psalmengesängen von einem Segen zum andern fort, während sie von Stufe zu Stufe den geheiligten Weg hinanziehen. Welch glückliches Volk, dem jede neue Anhöhe Reiz zu einem neuen Psalme bot, jede Stätte der Rast einen frischen Lobgesang entlockte! In unserem Psalme wird aus dem stillen Gottesfreund ein emsiger Sämann. Der Glaube erweist sich als durch Liebe tätig, erlangt schon gegenwärtigen Segen und sichert eine reiche künftige Freudenernte.
Über die Zeit, wann der Psalm gedichtet worden, ist nichts Gewisses zu ermitteln, als dass derselbe auf eine große Befreiung zurückschaut. Der Ausdruck "die Gefangenschaft wenden" zwingt nach dem hebräischen Sprachgebrauch keineswegs dazu, buchstäblich an Gefangenschaft zu denken; die Errettung aus irgendwelcher großen Not oder Bedrückung würde dem Ausdruck völlig angemessen sein. Herrlich hatte sich erst kürzlich die rettende, befreiende Gnadenhand des HERRN an Zion erwiesen; jetzt aber lagerte eine düstere Wolke schwer über dem Volke, so dass Zions Bürger abermals flehen mussten: HERR, wende unser Gefängnis!
Der Psalm folgt passend auf den vorhergehenden, in dem wir lasen, dass der Gottlosen Zepter nicht bleiben werde über dem Häuflein der Gerechten. Diese Verheißung sehen wir hier als freudiges Erlebnis und zugleich als Stern der Hoffnung in dem neuen Dunkel. - Zions Erlösung wird uns zum Sinnbild der Erlösung des einzelnen Christen aus der Gefangenschaft der Sünde und des Satans, wie auch der Vollendung der Erlösung, deren Gottes Volk noch harrt.
Unser Psalm zerfällt in einen Bericht, V. 1.2, einen Lobgesang, V. 3, ein Gebet, V. 4, und eine Verheißung, V. 5.6.
Auslegung
1.
Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
2.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Da wird man sagen unter den Heiden:
Der HERR hat Großes an ihnen getan.
3.
Der HERR hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
4.
HERR, bringe wieder unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Mittagslande.
5.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
6.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen,
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.
1. Als1 der HERR die Gefangenschaft2 Zions wendete, da waren wir wie Träumende.(Grundtext) In der betrübten Gegenwart erinnern sich die Pilger, um daraus Trost zu schöpfen, an Zeiten nationalen Elends, die in wunderbar herrlicher Befreiung geendet hatten. Da war aller Kummer mit einem Mal verschwunden gewesen, und die nun folgende Freude so groß, dass es fast zu herrlich schien, um wahr zu sein, und sie fürchteten, es wäre am Ende nur ein Hirngespinst, das Trugbild einer überreizten Einbildungskraft. So plötzlich und so überwältigend war ihre Freude, dass sie das Gefühl hatten, als wären sie ganz außer sich geraten, als befänden sie sich in einem Zustand der Verzückung. Schwer war die Gefangenschaft gewesen, aber herrlich und mächtig auch die Befreiung, denn der große Gott hatte sie selber gewirkt. Ach, es schien in der Tat fast zu schön, um wirklich wahr zu sein. "Ist das ein Traum? Und wenn - o lasst mich weiter träumen, o weckt mich noch nicht auf, es ist zu süß!" Doch nein, erwache nur, der süße Traum ist volle Wirklichkeit! - Und nicht die Befreiung eines Einzelnen war es, was der HERR in seiner Gnade gewirkt hatte, sondern Zions Geschick hatte er gewendet, dem Volke war Heil widerfahren; das war Grund genug zu überströmender Freude. Wir brauchen die Geschichten, welche diesen Vers in Bezug auf das Volk Israel erklären, nicht im Einzelnen anzuführen; wohl aber tun wir gut, des zu gedenken, wie oft dieser Vers sich an uns selber bewahrheitet hat. Lasst uns die Gefängnisse beschauen, aus denen wir befreit worden sind. Ach, wie jämmerlich saßen wir gefangen! Und welche herrliche Wendung unserer Gefangenschaft, welch wunderbare Erlösung haben wir am Anfang unserer Gotteskindschaft, bei unserer Bekehrung, erlebt! Nie werden wir diese Stunde vergessen. Ja, das war Freude, Freude über Freude! Und seither, ach aus wie vielfältigen Trübsalen, aus welch tiefer Niedergeschlagenheit, von welch bösen Rückfällen, von welch gefährlichen Zweifeln sind wir befreit worden, und wir finden keine Worte, die Wonne zu schildern, die jeder solchen Befreiung folgte. Ja, da waren auch wir wie die Träumenden!
Dieser Vers wird - und Luthers Übersetzung hat uns mit diesem Gedanken sehr vertraut gemacht - einst noch eine erhabenere Erfüllung finden an dem Tage des endgültigen Umsturzes der Mächte der Finsternis, wenn der HERR erscheinen wird, um die Seinen aus aller Not in die Herrlichkeit zu führen. Dann werden in noch vollerem Sinne als selbst zu Pfingsten unsere Ältesten Träume haben und unsere Jünglinge Gesichte sehen (Joel 3,1); ja, alles wird dann so wunderbar sein, so sehr alle Erwartungen übertreffen, dass diejenigen, die es schauen, sich fragen werden, ob nicht alles ein Traum sei. Die Vergangenheit ist stets eine sichere Vorherverkündung der Zukunft: wir werden uns immer wieder voll Staunens finden über die wunderbare Güte des HERRN. Mögen unsere Herzen voll Dankes der früheren Gnadenerweisungen gedenken. Wir lagen tief drunten, waren in großer Not, ja alle Hoffnung war aus; aber als der HERR erschien, riss er uns nicht nur aus der Verzweiflung, sondern erhob uns in staunende Glückseligkeit. Der HERR, der einzige, der unsere Gefangenschaft wenden kann, tut nichts halb; wen er von der Hölle errettet, dem öffnet er den Himmel. Er wendet Verzweiflung in Verzückung, Weinen in Lachen, Klageseufzer in Jubellieder.
Fußnoten
1. Luther hat, wohl wegen V. 4, auch die V. 1-3 nach dem Vorgang etlicher jüdischen Ausleger von der künftigen Rückführung verstanden. Seine Übersetzung ist für die Anwendung des Psalms auf unsere Christenhoffnung unübertrefflich, und diese prophetische Anwendung als solche ist durchaus berechtigt, denn die ganze Geschichte Israels ist nach ihrer göttlichen Seite typisch-prophetisch. Für die historische Auslegung ist hingegen Luthers Übersetzung unstatthaft, exegetisch sind V. 1.2 so gut wie V. 3 unbedingt von der Vergangenheit zu verstehen und demgemäß zu übersetzen. - James Millard
2. Delitzsch hält an der masor. L. A. tby# fest. hbfy$i (von bW$) bedeute die Rückkehr und dann die Rückkehrenden (vergl. hlOgI die Exulanten). Also: Als heimbrachte Jahve die Heimkehrenden Zions. Die meisten Exegeten halten dagegen tby# für einen alten Schreibfehler statt twb#, das ja auch V. 4 steht. Was eigentlich die genaue Bedeutung der häufigen Redewendung twb# bw# (oder tyb#) sei, das ist übrigens noch immer eine strittige Frage. Manche halten tWb$I: für gleichbedeutend mit ybi$: Gefangenschaft, es wie dieses von hb# gefangen nehmen ableitend, und übersetzen demnach die genannte Redewendung zunächst: die Gefangenschaft wenden, die Gefangenen zurückführen. Der Ausdruck habe jedoch die allgemeine Bedeutung: einen Notstand beendigen, Missgeschick wenden; er sei nicht bloß von der Beendigung einer Gefangenschaft gebräuchlich, Hiob 42,10; Jer. 30,18; Hes. 16,53, auch nicht etwa eine erst nach dem Eintritt des Exils üblich gewordene Redeweise, vgl. noch Am. 9,14; Hos. 6,11; 5. Mose 30,3 (Keßler zu Ps. 14,7). Andere dagegen wollen nur tybi$: 4. Mose 21,29 von hb# gefangen nehmen ableiten, sehen dagegen tWb$: als stat. constr. eines Wortes tWb$f an, das von bW$ herkomme und einfach Wendung bedeute, also twb# bw# (nach dem schema etymologicum) eigentlich: die Wendung wenden, im Sinne von: das Schicksal wenden. Somit kommt man von ganz verschiedenen Ausgangspunkten zu fast gleicher Auffassung des Sinnes. - James Millard
Überschrift
Ein Wallfahrtslied. Wir kommen nun zu der siebenten Pilgerstation; da dürfen wir wohl erwarten, auch zu einer gewissen Vollendung der Freude zu gelangen. Diese Erwartung wird nicht getäuscht. Wir sehen hier nicht nur, dass Zion bestehen bleibt, sondern auch, dass Zions Freude wiederkehrt nach dem Leid. Dass Zion erhalten wird, ist nicht genug; es soll auch fruchtbar sein. Die Festpilger schreiten in ihren Psalmengesängen von einem Segen zum andern fort, während sie von Stufe zu Stufe den geheiligten Weg hinanziehen. Welch glückliches Volk, dem jede neue Anhöhe Reiz zu einem neuen Psalme bot, jede Stätte der Rast einen frischen Lobgesang entlockte! In unserem Psalme wird aus dem stillen Gottesfreund ein emsiger Sämann. Der Glaube erweist sich als durch Liebe tätig, erlangt schon gegenwärtigen Segen und sichert eine reiche künftige Freudenernte.
Über die Zeit, wann der Psalm gedichtet worden, ist nichts Gewisses zu ermitteln, als dass derselbe auf eine große Befreiung zurückschaut. Der Ausdruck "die Gefangenschaft wenden" zwingt nach dem hebräischen Sprachgebrauch keineswegs dazu, buchstäblich an Gefangenschaft zu denken; die Errettung aus irgendwelcher großen Not oder Bedrückung würde dem Ausdruck völlig angemessen sein. Herrlich hatte sich erst kürzlich die rettende, befreiende Gnadenhand des HERRN an Zion erwiesen; jetzt aber lagerte eine düstere Wolke schwer über dem Volke, so dass Zions Bürger abermals flehen mussten: HERR, wende unser Gefängnis!
Der Psalm folgt passend auf den vorhergehenden, in dem wir lasen, dass der Gottlosen Zepter nicht bleiben werde über dem Häuflein der Gerechten. Diese Verheißung sehen wir hier als freudiges Erlebnis und zugleich als Stern der Hoffnung in dem neuen Dunkel. - Zions Erlösung wird uns zum Sinnbild der Erlösung des einzelnen Christen aus der Gefangenschaft der Sünde und des Satans, wie auch der Vollendung der Erlösung, deren Gottes Volk noch harrt.
Unser Psalm zerfällt in einen Bericht, V. 1.2, einen Lobgesang, V. 3, ein Gebet, V. 4, und eine Verheißung, V. 5.6.
Auslegung
1.
Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird,
so werden wir sein wie die Träumenden.
2.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.
Da wird man sagen unter den Heiden:
Der HERR hat Großes an ihnen getan.
3.
Der HERR hat Großes an uns getan;
des sind wir fröhlich.
4.
HERR, bringe wieder unsre Gefangenen,
wie du die Bäche wiederbringst im Mittagslande.
5.
Die mit Tränen säen,
werden mit Freuden ernten.
6.
Sie gehen hin und weinen
und tragen edlen Samen,
und kommen mit Freuden
und bringen ihre Garben.
1. Als1 der HERR die Gefangenschaft2 Zions wendete, da waren wir wie Träumende.(Grundtext) In der betrübten Gegenwart erinnern sich die Pilger, um daraus Trost zu schöpfen, an Zeiten nationalen Elends, die in wunderbar herrlicher Befreiung geendet hatten. Da war aller Kummer mit einem Mal verschwunden gewesen, und die nun folgende Freude so groß, dass es fast zu herrlich schien, um wahr zu sein, und sie fürchteten, es wäre am Ende nur ein Hirngespinst, das Trugbild einer überreizten Einbildungskraft. So plötzlich und so überwältigend war ihre Freude, dass sie das Gefühl hatten, als wären sie ganz außer sich geraten, als befänden sie sich in einem Zustand der Verzückung. Schwer war die Gefangenschaft gewesen, aber herrlich und mächtig auch die Befreiung, denn der große Gott hatte sie selber gewirkt. Ach, es schien in der Tat fast zu schön, um wirklich wahr zu sein. "Ist das ein Traum? Und wenn - o lasst mich weiter träumen, o weckt mich noch nicht auf, es ist zu süß!" Doch nein, erwache nur, der süße Traum ist volle Wirklichkeit! - Und nicht die Befreiung eines Einzelnen war es, was der HERR in seiner Gnade gewirkt hatte, sondern Zions Geschick hatte er gewendet, dem Volke war Heil widerfahren; das war Grund genug zu überströmender Freude. Wir brauchen die Geschichten, welche diesen Vers in Bezug auf das Volk Israel erklären, nicht im Einzelnen anzuführen; wohl aber tun wir gut, des zu gedenken, wie oft dieser Vers sich an uns selber bewahrheitet hat. Lasst uns die Gefängnisse beschauen, aus denen wir befreit worden sind. Ach, wie jämmerlich saßen wir gefangen! Und welche herrliche Wendung unserer Gefangenschaft, welch wunderbare Erlösung haben wir am Anfang unserer Gotteskindschaft, bei unserer Bekehrung, erlebt! Nie werden wir diese Stunde vergessen. Ja, das war Freude, Freude über Freude! Und seither, ach aus wie vielfältigen Trübsalen, aus welch tiefer Niedergeschlagenheit, von welch bösen Rückfällen, von welch gefährlichen Zweifeln sind wir befreit worden, und wir finden keine Worte, die Wonne zu schildern, die jeder solchen Befreiung folgte. Ja, da waren auch wir wie die Träumenden!
Dieser Vers wird - und Luthers Übersetzung hat uns mit diesem Gedanken sehr vertraut gemacht - einst noch eine erhabenere Erfüllung finden an dem Tage des endgültigen Umsturzes der Mächte der Finsternis, wenn der HERR erscheinen wird, um die Seinen aus aller Not in die Herrlichkeit zu führen. Dann werden in noch vollerem Sinne als selbst zu Pfingsten unsere Ältesten Träume haben und unsere Jünglinge Gesichte sehen (Joel 3,1); ja, alles wird dann so wunderbar sein, so sehr alle Erwartungen übertreffen, dass diejenigen, die es schauen, sich fragen werden, ob nicht alles ein Traum sei. Die Vergangenheit ist stets eine sichere Vorherverkündung der Zukunft: wir werden uns immer wieder voll Staunens finden über die wunderbare Güte des HERRN. Mögen unsere Herzen voll Dankes der früheren Gnadenerweisungen gedenken. Wir lagen tief drunten, waren in großer Not, ja alle Hoffnung war aus; aber als der HERR erschien, riss er uns nicht nur aus der Verzweiflung, sondern erhob uns in staunende Glückseligkeit. Der HERR, der einzige, der unsere Gefangenschaft wenden kann, tut nichts halb; wen er von der Hölle errettet, dem öffnet er den Himmel. Er wendet Verzweiflung in Verzückung, Weinen in Lachen, Klageseufzer in Jubellieder.
Fußnoten
1. Luther hat, wohl wegen V. 4, auch die V. 1-3 nach dem Vorgang etlicher jüdischen Ausleger von der künftigen Rückführung verstanden. Seine Übersetzung ist für die Anwendung des Psalms auf unsere Christenhoffnung unübertrefflich, und diese prophetische Anwendung als solche ist durchaus berechtigt, denn die ganze Geschichte Israels ist nach ihrer göttlichen Seite typisch-prophetisch. Für die historische Auslegung ist hingegen Luthers Übersetzung unstatthaft, exegetisch sind V. 1.2 so gut wie V. 3 unbedingt von der Vergangenheit zu verstehen und demgemäß zu übersetzen. - James Millard
2. Delitzsch hält an der masor. L. A. tby# fest. hbfy$i (von bW$) bedeute die Rückkehr und dann die Rückkehrenden (vergl. hlOgI die Exulanten). Also: Als heimbrachte Jahve die Heimkehrenden Zions. Die meisten Exegeten halten dagegen tby# für einen alten Schreibfehler statt twb#, das ja auch V. 4 steht. Was eigentlich die genaue Bedeutung der häufigen Redewendung twb# bw# (oder tyb#) sei, das ist übrigens noch immer eine strittige Frage. Manche halten tWb$I: für gleichbedeutend mit ybi$: Gefangenschaft, es wie dieses von hb# gefangen nehmen ableitend, und übersetzen demnach die genannte Redewendung zunächst: die Gefangenschaft wenden, die Gefangenen zurückführen. Der Ausdruck habe jedoch die allgemeine Bedeutung: einen Notstand beendigen, Missgeschick wenden; er sei nicht bloß von der Beendigung einer Gefangenschaft gebräuchlich, Hiob 42,10; Jer. 30,18; Hes. 16,53, auch nicht etwa eine erst nach dem Eintritt des Exils üblich gewordene Redeweise, vgl. noch Am. 9,14; Hos. 6,11; 5. Mose 30,3 (Keßler zu Ps. 14,7). Andere dagegen wollen nur tybi$: 4. Mose 21,29 von hb# gefangen nehmen ableiten, sehen dagegen tWb$: als stat. constr. eines Wortes tWb$f an, das von bW$ herkomme und einfach Wendung bedeute, also twb# bw# (nach dem schema etymologicum) eigentlich: die Wendung wenden, im Sinne von: das Schicksal wenden. Somit kommt man von ganz verschiedenen Ausgangspunkten zu fast gleicher Auffassung des Sinnes. - James Millard
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)
Psalm 126
2. Da ward unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Jubels. (Grundtext) Sie waren so voller Freude, dass sie nicht an sich halten konnten. Sie mussten ihrer Wonne Ausdruck geben und vermochten sie doch nicht in Worte zu fassen. In ihrer übermächtigen Freude konnten sie nichts anderes tun als lachen, denn alle Worte schienen ihnen viel zu matt. Die ihnen widerfahrene Gnade war so unerwartet, so erstaunlich und so einzigartig! Sie lachten, dass ihr Mund davon voll ward, und zwar weil ihr Herz so voll Freude war. Und als dann nach und nach ihre Zunge deutlich unterscheidbare Töne zu bilden imstande war, da konnten sie sich nicht damit begnügen, einfach zu reden, sondern mussten jubeln, mussten einen Jubelgesang nach dem andern anstimmen aus der Fülle des Herzens. Wo das Herz voll Jauchzens ist, da wird auch die Zunge geläufig. Ohne Zweifel erhöhte das frühere Leiden die jetzige Wonne; die erlittene Gefangenschaft ließ die Freiheit in umso helleren Farben erstrahlen. Das Volk erinnerte sich dieser Flut von Freude, die damals über es gekommen war, noch nach Jahren aufs lebhafteste, und in unserem Psalm haben wir den Bericht davon, in einen Gesang verwandelt, vor uns. Beachten wir den Zusammenhang zwischen dem, was Gott, und dem, was die Menschen taten. In dem Augenblick, wenn er unsere Gefangenschaft wendet, wendet auch unser Herz sich von seinem Kummer; wenn er uns mit Gnade füllt, werden wir mit Dank erfüllt. Wir waren wie Träumende, aber wir lachten und jubelten in diesem halb bewusstlosen Zustande. Jetzt sind wir ganz wach; und wiewohl wir das uns widerfahrene Heil kaum fassen können, frohlocken wir doch sehr darüber.
Da sagte man unter den Heiden: Der HERR hat Großes an diesen getan. (Grundtext) Die Heiden hörten die Jubelgesänge Israels, und die Besseren unter ihnen errieten die Ursache, warum Israel also frohlockte. Jehovah war als der Gott Israels bekannt, darum schrieben die anderen Völker die Befreiung seines Volkes ihm zu. Und sie erachteten es als nichts Geringes, was der HERR da getan; denn niemals hatten in einem anderen Fall die Mächtigen, die die Völker davonführten, ein Volk wieder in seine ehemalige Wohnstätte zurückgeführt. Diese Ausländer waren keine Träumer; wiewohl sie nur Zuschauer waren, die selber an der erstaunlichen Gnadenheimsuchung keinen Anteil hatten, so erkannten sie doch mit klarem Blick, was geschehen war, und schrieben es ganz richtig dem erhabenen Geber alles Guten zu. Das ist herrlich, wenn die Erlebnisse der Gotteskinder denen, die noch draußen sind, Anlass geben, von der Güte des HERRN zu sprechen; und ebenso köstlich ist es, wenn die in der Welt hin und her zerstreuten Gottesfürchtigen von dem hören, was der HERR an seiner Gemeinde getan hat, und sich nun entschließen, aus ihrer Gefangenschaft hervorzukommen und sich mit Gottes Volk zu vereinigen. Ja, lieber Leser, Jehovah hat in der Tat wunderbare Dinge für seine Auserwählten vollbracht, und dies "Große" wird der Gegenstand ewiger Lobgesänge aller geistbegabten Geschöpfe sein.
3. Großes hatte der HERR an uns getan; wir waren fröhlich. (Grundtext) Die Gemeinde versagte dem Zeugniss der Heiden, das so viel Ruhm auf Jehovah zurückstrahlen ließ, nicht ihre Bestätigung; nein, mit Frohlocken bejahte und wiederholte sie die feierliche Aussage, dass der Höchste so denkwürdig an ihnen gehandelt habe. Sie eigneten sich die fröhliche Kunde an, indem sie sprachen: "Großem hat der HERR an uns getan", und bezeugten ihre Freude über die Tatsache. Das ist eine schlechte Bescheidenheit, die sich schämt, ihre Freude am HERRN einzugestehen. Solche Tugend ist ein Verbrechen, denn sie raubt Gott die Ehre. Es gibt so wenig Freude in der Welt, dass es, wenn wir ein volles Maß derselben besitzen, unsere Pflicht ist, unser Licht nicht unter einem Scheffel zu verbergen, sondern es allen leuchten zu lassen, die im Hause sind. Lasst uns unsere Freude frisch und frei bekennen und den Grund derselben anzeigen. Niemand ist so fröhlich wie solche, die erst kürzlich aus der Gefangenschaft befreit worden sind; niemand vermag so klar, so überzeugend den Grund darzulegen, warum sie so fröhlich sind, wie sie selber. Der HERR selbst hat uns gesegnet, und zwar wunderbar und offenkundig, und wir persönlich sind’s, die es erlebt haben; darum lobsingen wir seinem Namen. Neulich hörte ich einen Bruder im Gebet den Psalmvers so anführen: Des wären wir gerne fröhlich. Welche sonderbare Verwässerung und Entstellung der Schriftsprache! Wahrlich, hat Gott Großes an uns getan, dann sind wir fröhlich und können nicht anders. Es gibt eine Demut, die geradezu widerlich ist.
4. Auch Israel hatte einst nicht anders können, als sich freuen und fröhlich sein. Aber in schmerzlichem Gegensatz zu jener herrlichen Freudenzeit stand die Gegenwart. Da jedoch hilft die Erinnerung an die ehemals erfahrene Freude der Erlösung dem Glauben dazu, um eine Wiederholung solcher Erfahrung zu bitten: HERR, bringe wieder unsre Gefangenen, oder: wende unser Geschick (siehe die 2. Anm. S. 83). Wenn wir um das gnädige Eingreifen Gottes bitten, ist es gut, uns frühere Erfahrungen desselben ins Gedächtnis zu rufen; nichts stärkt in der Tat den Glauben so wirksam. "Der HERR hat Großes an uns getan", das stimmt schön zu dem Gebet: "HERR, tue aufs Neue Großes an uns." Unser Vers zeigt uns, wie weise es ist, wieder zu dem HERRN die Zuflucht zu nehmen, der uns vormals so gnädig gewesen ist. Wohin anders sollten wir uns wenden als an ihn, der seinen Arm so herrlich erwiesen hat? Wer kann unsere Gefangenschaft wenden als er, der sie ehemals gewandt hat?
Wie du die Bäche wiederbringst im Mittagslande. Gerade so wie der HERR die trockenen Bachbetten im heißen Südlande Palästinas nach der langen Sommerdürre durch den Herbstregen wieder mit Wasserströmen füllt, so kann er auch unsere im Kummer verschmachtenden und ermattenden Gemüter mit Fluten heiliger Freude erfüllen. Das vermag der HERR an jedem von uns zu tun, und zwar jetzt, sogleich, denn nichts ist ihm zu schwer. Wir tun wohl, also zu beten, und unsere Sache dem vorzulegen, der überschwänglich Großes an uns tun kann. Lasst uns das Vergangene nicht vergessen, angesichts unserer gegenwärtigen Schwierigkeiten aber zum HERRN unsere Zuflucht nehmen und ihn bitten, das zu tun, was wir schlechterdings selber nicht tun können und keine andere Macht uns zugute zu vollbringen imstande ist. Israel kehrte doch noch aus der babylonischen Gefangenschaft zurück, und es war wirklich, als ob eine ganze Flut von Leuten gen Zion strömte. Plötzlich füllten Scharen von Anbetern wieder die Vorhöfe des Tempels. In Strömen werden die Israeliten in den letzten Tagen auch wieder in ihr Land zurückkehren und es mit frischem Leben füllen. Gleich mächtigen Sturzbächen werden die Völker zum HERRN eilen in der Gnadenzeit. Möge der HERR diese Zeit eilends herbeikommen lassen zu seiner Stunde.
5. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Darum dürfen die Betrübten die gegenwärtige Trübsal nicht so ansehen, als sollte sie immer dauern; sie ist keineswegs das Endziel, sondern nur Mittel zum Zweck. Kummervoll ist nur das Säen, mit Jubel sollen wir ernten. Aber ohne Tränensaat keine Freudenernte. Wären wir nie gefangen gewesen, so kennten wir auch nicht die selige Freude der Erlösung und Heimführung aus der Gefangenschaft. Unser Mund würde nie voll heiligen Lachens geworden sein, wenn er nicht zuvor die Bitterkeit des Kummers voll gekostet hätte. Säen müssen wir, und es mag sein, dass wir beim Winterwetter der Trübsal säen müssen; aber wir werden einst ernten, und zwar bei dem hellen Sommersonnenschein der Freude. Lasst uns jetzt, da Saatzeit ist, wacker an dem Werke bleiben, das gegenwärtig unsere Pflicht ist, und die Kraft dazu aus der Verheißung schöpfen, die uns hier so bestimmt gegeben ist.
Mit Recht ist dieser Vers unter Gottes Volk in allen Sprachen ein gesegnetes Sprichwort geworden. Nicht allem und jeglichem Säen gilt die Verheißung dieses Wortes, die Sicherung der Saat vor aller Gefahr und die Zusicherung einer freudenreichen Ernte, sondern die köstliche Zusage ist zunächst nur dem Säen mit Tränen gegeben. Wissen wir aus eigener Erfahrung von solcher Tränensaat? Wenn eines Mannes Herz durch den Geist Gottes also bewegt wird, dass er um die Sünden anderer weint, dann ist er eine von den auserwählten Seelen, deren Leben reiche Frucht bringen wird. Wer Seelen für den HERRN gewinnen will, der wird vor allem lernen müssen, auch um die Seelen zu weinen. Wie es zu keiner Geburt kommt ohne schmerzliche Wehen, so gibt es auch keine geistliche Ernte ohne beschwerliche, oft sehr, sehr tränenreiche Arbeit. Bricht uns das Herz vor Kummer um die Menschensünde, dann werden wir auch felsenharte Herzen brechen können, dass sie in Buße erweichen, und unsere Tränen suchender Liebe werden Tränen der Reue erzeugen.
Da sagte man unter den Heiden: Der HERR hat Großes an diesen getan. (Grundtext) Die Heiden hörten die Jubelgesänge Israels, und die Besseren unter ihnen errieten die Ursache, warum Israel also frohlockte. Jehovah war als der Gott Israels bekannt, darum schrieben die anderen Völker die Befreiung seines Volkes ihm zu. Und sie erachteten es als nichts Geringes, was der HERR da getan; denn niemals hatten in einem anderen Fall die Mächtigen, die die Völker davonführten, ein Volk wieder in seine ehemalige Wohnstätte zurückgeführt. Diese Ausländer waren keine Träumer; wiewohl sie nur Zuschauer waren, die selber an der erstaunlichen Gnadenheimsuchung keinen Anteil hatten, so erkannten sie doch mit klarem Blick, was geschehen war, und schrieben es ganz richtig dem erhabenen Geber alles Guten zu. Das ist herrlich, wenn die Erlebnisse der Gotteskinder denen, die noch draußen sind, Anlass geben, von der Güte des HERRN zu sprechen; und ebenso köstlich ist es, wenn die in der Welt hin und her zerstreuten Gottesfürchtigen von dem hören, was der HERR an seiner Gemeinde getan hat, und sich nun entschließen, aus ihrer Gefangenschaft hervorzukommen und sich mit Gottes Volk zu vereinigen. Ja, lieber Leser, Jehovah hat in der Tat wunderbare Dinge für seine Auserwählten vollbracht, und dies "Große" wird der Gegenstand ewiger Lobgesänge aller geistbegabten Geschöpfe sein.
3. Großes hatte der HERR an uns getan; wir waren fröhlich. (Grundtext) Die Gemeinde versagte dem Zeugniss der Heiden, das so viel Ruhm auf Jehovah zurückstrahlen ließ, nicht ihre Bestätigung; nein, mit Frohlocken bejahte und wiederholte sie die feierliche Aussage, dass der Höchste so denkwürdig an ihnen gehandelt habe. Sie eigneten sich die fröhliche Kunde an, indem sie sprachen: "Großem hat der HERR an uns getan", und bezeugten ihre Freude über die Tatsache. Das ist eine schlechte Bescheidenheit, die sich schämt, ihre Freude am HERRN einzugestehen. Solche Tugend ist ein Verbrechen, denn sie raubt Gott die Ehre. Es gibt so wenig Freude in der Welt, dass es, wenn wir ein volles Maß derselben besitzen, unsere Pflicht ist, unser Licht nicht unter einem Scheffel zu verbergen, sondern es allen leuchten zu lassen, die im Hause sind. Lasst uns unsere Freude frisch und frei bekennen und den Grund derselben anzeigen. Niemand ist so fröhlich wie solche, die erst kürzlich aus der Gefangenschaft befreit worden sind; niemand vermag so klar, so überzeugend den Grund darzulegen, warum sie so fröhlich sind, wie sie selber. Der HERR selbst hat uns gesegnet, und zwar wunderbar und offenkundig, und wir persönlich sind’s, die es erlebt haben; darum lobsingen wir seinem Namen. Neulich hörte ich einen Bruder im Gebet den Psalmvers so anführen: Des wären wir gerne fröhlich. Welche sonderbare Verwässerung und Entstellung der Schriftsprache! Wahrlich, hat Gott Großes an uns getan, dann sind wir fröhlich und können nicht anders. Es gibt eine Demut, die geradezu widerlich ist.
4. Auch Israel hatte einst nicht anders können, als sich freuen und fröhlich sein. Aber in schmerzlichem Gegensatz zu jener herrlichen Freudenzeit stand die Gegenwart. Da jedoch hilft die Erinnerung an die ehemals erfahrene Freude der Erlösung dem Glauben dazu, um eine Wiederholung solcher Erfahrung zu bitten: HERR, bringe wieder unsre Gefangenen, oder: wende unser Geschick (siehe die 2. Anm. S. 83). Wenn wir um das gnädige Eingreifen Gottes bitten, ist es gut, uns frühere Erfahrungen desselben ins Gedächtnis zu rufen; nichts stärkt in der Tat den Glauben so wirksam. "Der HERR hat Großes an uns getan", das stimmt schön zu dem Gebet: "HERR, tue aufs Neue Großes an uns." Unser Vers zeigt uns, wie weise es ist, wieder zu dem HERRN die Zuflucht zu nehmen, der uns vormals so gnädig gewesen ist. Wohin anders sollten wir uns wenden als an ihn, der seinen Arm so herrlich erwiesen hat? Wer kann unsere Gefangenschaft wenden als er, der sie ehemals gewandt hat?
Wie du die Bäche wiederbringst im Mittagslande. Gerade so wie der HERR die trockenen Bachbetten im heißen Südlande Palästinas nach der langen Sommerdürre durch den Herbstregen wieder mit Wasserströmen füllt, so kann er auch unsere im Kummer verschmachtenden und ermattenden Gemüter mit Fluten heiliger Freude erfüllen. Das vermag der HERR an jedem von uns zu tun, und zwar jetzt, sogleich, denn nichts ist ihm zu schwer. Wir tun wohl, also zu beten, und unsere Sache dem vorzulegen, der überschwänglich Großes an uns tun kann. Lasst uns das Vergangene nicht vergessen, angesichts unserer gegenwärtigen Schwierigkeiten aber zum HERRN unsere Zuflucht nehmen und ihn bitten, das zu tun, was wir schlechterdings selber nicht tun können und keine andere Macht uns zugute zu vollbringen imstande ist. Israel kehrte doch noch aus der babylonischen Gefangenschaft zurück, und es war wirklich, als ob eine ganze Flut von Leuten gen Zion strömte. Plötzlich füllten Scharen von Anbetern wieder die Vorhöfe des Tempels. In Strömen werden die Israeliten in den letzten Tagen auch wieder in ihr Land zurückkehren und es mit frischem Leben füllen. Gleich mächtigen Sturzbächen werden die Völker zum HERRN eilen in der Gnadenzeit. Möge der HERR diese Zeit eilends herbeikommen lassen zu seiner Stunde.
5. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Darum dürfen die Betrübten die gegenwärtige Trübsal nicht so ansehen, als sollte sie immer dauern; sie ist keineswegs das Endziel, sondern nur Mittel zum Zweck. Kummervoll ist nur das Säen, mit Jubel sollen wir ernten. Aber ohne Tränensaat keine Freudenernte. Wären wir nie gefangen gewesen, so kennten wir auch nicht die selige Freude der Erlösung und Heimführung aus der Gefangenschaft. Unser Mund würde nie voll heiligen Lachens geworden sein, wenn er nicht zuvor die Bitterkeit des Kummers voll gekostet hätte. Säen müssen wir, und es mag sein, dass wir beim Winterwetter der Trübsal säen müssen; aber wir werden einst ernten, und zwar bei dem hellen Sommersonnenschein der Freude. Lasst uns jetzt, da Saatzeit ist, wacker an dem Werke bleiben, das gegenwärtig unsere Pflicht ist, und die Kraft dazu aus der Verheißung schöpfen, die uns hier so bestimmt gegeben ist.
Mit Recht ist dieser Vers unter Gottes Volk in allen Sprachen ein gesegnetes Sprichwort geworden. Nicht allem und jeglichem Säen gilt die Verheißung dieses Wortes, die Sicherung der Saat vor aller Gefahr und die Zusicherung einer freudenreichen Ernte, sondern die köstliche Zusage ist zunächst nur dem Säen mit Tränen gegeben. Wissen wir aus eigener Erfahrung von solcher Tränensaat? Wenn eines Mannes Herz durch den Geist Gottes also bewegt wird, dass er um die Sünden anderer weint, dann ist er eine von den auserwählten Seelen, deren Leben reiche Frucht bringen wird. Wer Seelen für den HERRN gewinnen will, der wird vor allem lernen müssen, auch um die Seelen zu weinen. Wie es zu keiner Geburt kommt ohne schmerzliche Wehen, so gibt es auch keine geistliche Ernte ohne beschwerliche, oft sehr, sehr tränenreiche Arbeit. Bricht uns das Herz vor Kummer um die Menschensünde, dann werden wir auch felsenharte Herzen brechen können, dass sie in Buße erweichen, und unsere Tränen suchender Liebe werden Tränen der Reue erzeugen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)