Hallo Andreas,
um es möglichst kurz zu fassen: eine genaue Untersuchung von Röm 11 hat mich davon überzeugt, daß meine frühere, vom Dispensationalismus geprägte Meinung, nach der „Vollzahl der Heiden“ und der (vermeintlich vor der sog. „großen Trübsal“ stattfindenden) Entrückung der Gemeinde würde sich ein Großteil der Juden zu Christus bekehren, nicht dem entspricht, was Paulus dort lehrt.
Vielmehr geschieht die Errettung des auserwählten Überrests der ethnischen Israeliten „zur jetzigen Zeit“ (Röm 11,30f), d. h. zur Zeit der Gemeinde. Dies betrifft ebenso die Heiden (Röm 11,25). Beide zusammen ergeben in der Tat das „Israel Gottes“ (d. h. ein einziges neutestamentliches Gottesvolk der Gläubigen; vgl. Eph 1-3). Wenn aber das Wort „Vollzahl“ überhaupt einen Sinn haben soll, ist eine danach folgende Errettung weiterer Menschen ja wohl ausgeschlossen. Mein in
Bibel und Gemeinde 1/2007: 77 geäußerter Einwand, ob man nicht angesichts Röm 11,1-2a.12.15.23f von einer künftigen Bekehrung Israels ausgehen könne, ist somit hinfällig.
Was die Entrückung betrifft, so bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß diese nach 1Thes 4-5 sowie Mt 24-25 eindeutig direkt vor der Wiederkunft Jesu stattfindet, worauf das jüngste Gericht folgt und kein irdisches Millennium. Das ausführlich zu begründen würde den Rahmen des Forums sprengen; es sei nur kurz gesagt, daß der Herr und die Apostel von der Wiederkunft stets so sprechen, daß der Dispensationalismus diesen Worten schon Gewalt antun muß, um sie in seinem Sinne zu deuten.
Zum Tausendjährigen Reich: Offb 20 ist in der Tat die einzige Bibelstelle, die ausdrücklich von 1000 Jahren spricht, die aber symbolisch zu verstehen sind und nicht chronologisch (auch in Offb 20 entspricht die Reihenfolge des Textes nicht immer dem „Bibelpanorama“!). Die anderen eschatologischen Aussagen des NT sprechen stets von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, die ewig bestehen, und nicht von einem tausendjährigen Reich. Dieses müßte man dort schon hineininterpretieren, denn die jeweiligen Texte sprechen definitiv nicht davon.
In meiner Rezension (
Bibel und Gemeinde 1/2007: 76) schrieb ich:
Papias und Irenäus hingegen, die ein TJR für Israel vertraten, hätten diese Ansicht nicht aus der Schrift, sondern aus fragwürdigen Quellen (S. 21). Doch übersieht Senk hier, dass auch Justin definitiv ein TJR vertrat – und zwar unter Berufung auf die Bibel, nicht auf menschliche Traditionen (s. Dialog mit Trypho, Kap. 80-81).
Nun, wenn man sich genau anschaut, wie Justin seine Ansichten über das TJR begründen will (
Dialog mit Trypho, am Ende von Kap. 81), dann ist „fragwürdig“ an dieser Stelle genau die richtige Bezeichnung für seinen Umgang mit der Bibel. Er spekuliert darüber, daß Adam keine 1000 Jahre alt wurde, daß 1000 Jahre nach Psalm 91 ein Tag wären und Adam vermeintlich an genau demselben Tag sterben sollte, als er von der Frucht aß. Und deshalb müsse es ein TJR geben?!?

Nichts für ungut, aber eine solche Verwurstung der Heiligen Schrift ist vielleicht der Zeugen Jehovas würdig; bibeltreuen Christen gebührt dies nicht...
So Gott will hoffe ich das irgendwann ausführlicher schriftlich zu begründen; momentan fehlt mir allerdings leider die Zeit dazu.
Herzliche Grüße
Joachim