Zwar erweckt dieses Dokument allein aufgrund der dilettantischen Orthographie kaum einen seriösen Eindruck („unterseiden“ „muss man heilsgeschichtlich bewährten“, unvollständige Sätze etc.), dennoch möchte ich ihn als ein Beispiel einer typischen undifferenzierten Falschdarstellung aufgreifen und kurz darauf eingehen. Es ist nämlich zu befürchten, dass viele Gläubige lieber solche „kurzen Zusammenfassungen“ lesen und sich dadurch ihre Meinung bilden, anstatt gründlichere und sauberere Darstellungen verschiedener Sichtweisen zu prüfen und vor allem die Bibel selber zu diesen Themen zu studieren.
Der Autor versucht, den Dispensationalismus zu verteidigen und eine von ihm definierte „Bundestheologie“ als unbiblisch zu verwerfen. Schon diese Herangehensweise ist fragwürdig. Erstens dient die Frage „Ist System A oder System B wahr?“ selten der Wahrheitsfindung. Stattdessen sollte gefragt werden: „Ist der Dispensationalismus wahr, und wenn nicht, was lehrt die Schrift?“ Zweitens ist vor einer Bewertung eines Lehrgebäudes natürlich zunächst die sachlich richtige Darstellung nötig, was der betreffende Artikel aber nicht leistet. Im Gegenteil. Als (angeblich einzige?) Gegenposition zum Dispensationalismus wird hier ein Pappkamerad unter dem Namen Bundestheologie aufgestellt und dann abzuschießen versucht. Als Ergebnis soll dann gelten, dass der Dispensationalismus das einzig Wahre ist. Drittens ist diese begriffliche Gegenüberstellung unpassend – hier werden nicht nur „Äpfel mit Birnen verglichen“, sondern „Häuser mit Fenstern“. „Bundestheologie“ ist nicht wie der Dispensationalismus ein umfassendes, einheitliches theologisches System, sondern lediglich ein Erklärungsmodell für die innere Einheit von Bibel und Heilsgeschichte („roter Faden“) und ist weder eine identitätsstiftende Quasi-Denomination wie der Dispensationalismus, noch leitet sie ein ausgeklügeltes außerbiblisches Endzeit-Modell ab, wie es der Dispensationalismus tut. Kurz: nur wenige Theologen halten es für nötig, sich als ausgesprochene „Anhänger der Bundestheologie“ zu bekennen. Im Gegensatz dazu ist der Dispensationalismus bzw. sein Gedankengebäudekomplex (christlicher Zionismus etc.) eine ausgesprochene „Fanclub-Massenbewegung“.
Auch bei seiner Verwendung anderer Begriffe zeigt der Autor wenig Fähigkeit zum Differenzieren. Z.B. wirft er seine „Gegner“ einfach in einen „calvinistischen Topf“ und zählt dazu z.B. auch John MacArthur auf. Doch John MacArthur und seine Studienbibel sind in der Endzeitlehre ausgesprochen dispensationalistisch. Was aber meint der Autor, wenn er als Einstiegssatz sorgenvoll formuliert: „In den letzten Jahren gab es vermehrt Bücher von Autoren mit calvinistischem Hintergrund. So. z.B. aus dem Betanien Verlag, Verlag 3L, M[a]cArthur-Studienbibel … sowie Buchempfehlungen des Reformatorischen Verlages [Beese]“? Auf keinen der hier genannten Verlage und Autoren trifft das zu, worauf der Artikel im Folgenden hinaus will – vor bundestheologischer Babytaufe, Sakramentalismus, charismatische Verführung usw. zu warnen. Tatsächlich haben wir im Betanien-Verlag ein nicht-dispensationalistisches Buch zum Thema Endzeit herausgebracht – aber der Autor Roland Hardmeier ist weder Calvinist (auch nicht in der Heilslehre) noch Bundestheologe. Auch ist der Reformatorische Verlag Beese nicht „kirchennah“, wie behauptet wird.
Ebenso erstaunlich finde ich die Empörung des Autors, dass Kritiker des Dispensationalismus wohl nur „krank an Streitfragen“ seien – schließlich solle man ja nicht streiten. Es ist schon absurd, dass dies gerade auf bibelkreis.ch behauptet wird, einer Internetseite, die für ihr rüpelhaftes, unsachliches Verteufeln aller Andersdenkenden als „Irrlehrer“ weithin bekannt ist. Wer sich aber eines sachlichen, brüderlichen Gesprächs über Lehrfragen mit dem Hinweis auf 2Tim 2,24 entziehen will, missbraucht die Schrift und zeigt mangelnde Fähigkeit, seine Position sachlich zu verteidigen. Leider habe ich diese Gesprächsunwilligkeit unter Dispensationalisten oft erleben müssen. Übrigens wäre mit diesem Argument die ganze Reformation und so manche Erweckung im Keim erstickt worden. Der Autor prangert pauschal an, die „Bundestheologie“ sei „Ursache allen Streits“, ohne diesen schweren Vorwurf irgendwie zu begründen. Lehrmäßige Ursachen von Streit sind aber meist Ansichten, die nicht in der Bibel zu finden sind und ihr hinzugefügt werden, und hier muss der Vorwurf an den Dispensatioanlismus zurückgegeben werden, der zahlreiche außerbiblischen Sonderlehren verbreitet hat, die eifrig verteidigt werden, z.B. die Zwei-Völker-Gottes-Lehre, die Wiedereinführung von buchstäblichen Tier-Sündopfern und die Lehre der Vor-Entrückung.
Nun zu den wenigen lehrmäßigen Aussagen des Artikels. Auch wenn der Autor behauptet, er wolle auf die „Wurzel“ bzw. „Quelle“ der Bundestheologie eingehen, so beschreibt er mit keiner Silbe, was denn die Bundestheologie überhaupt ist und warum sie Bundestheologie heißt. Welcher Bund oder welche Bündnisse sind überhaupt gemeint? Dem Leser bleibt es verborgen. Stattdessen greift der Autor einzelne dispensationalistische Lehren heraus, die er verteidigen will und projiziert die Gegenposition dazu willkürlich auf die angebliche „Bundestheologie“ bzw. auf alle Nicht-Dispensationalisten.
Er behauptet, die „Bundestheologie“ – und für ihn damit wohl alle Nicht-Dispensationalisten – würden lehren:
Hier behauptet der Autor sogar:Zum Thema I. Israel & Endzeit
1. Israel als Nation hat keine Verheißungen mehr
Es mag sein, dass manche Dispensationalisten die Zehn Gebote als nicht mehr gültig ansehen, aber m.E. sollte das Gebot „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten“ auch heute und auch im Internet noch Gültigkeit haben. Ich bin kein Anwalt der Bundestheologen, aber die Treue Gottes hat in diesem Lehrgebäude einen vorrangigen Stellenwert. Abgesehen davon: Bibeltreue Nicht-Dispensationalisten glauben an die Gültigkeit der Verheißungen für Israel, wie die Schrift es sagt. Allerdings sind die Gläubigen aus den Nationen, die jetzt mit den gläubigen Juden zusammen das Volk Gottes bilden, „Miterben und Mitteilhaber der Verheißung“ (Eph 3,6).Die Bundestheologie zweifelt an der Treue Gottes!!!“
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Hier gibt es die unterschiedlichsten Ansichten unter Nicht-Dispensationalisten. Im Übrigen glauben auch gelehrte Dispensationalisten, dass die in den Endzeitreden Jesu vorausgesagte Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahre 70 n.Chr. stattgefunden hat.2. Endzeitreden Jesu haben sich weitgehend 70 n.Chr. erfüllt
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Dies betrifft wohl die spezielle Sichtweise des Präterismus. Die Sichtweisen des Historizismus und Idealismus, auf die diese Behauptung nicht zutrifft, sind unter Nicht-Dispensationalisten verbreiteter.3. [Das Buch der ]Offenbarung ist größtenteils Vergangenheit
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Die „Drangsal Jakobs“ kommt nur in Jer 30,7 vor. Mir ist nicht bekannt, dass Ausleger behaupten, dort seien Christenverfolgungen gemeint.4. Drangsal Jakobs sind die Verfolgungen der Christen in den letzten Jahrhunderten
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Eine 1000-jährige Herrschaftszeit kommt nur in Offb. 20 vor. In der Offb. ist tatsächlich vieles nicht wörtlich gemeint, insbesondere Zahlen. Die verheißenen neue Erde und neuen Himmel – das letztendlich erfüllte Reich Gottes – wird natürlich eine buchstäbliche Realität sein, was bibeltreue Nicht-Dispensationalisten nicht anzweifeln.5. 1000 jähriges Reich ist nicht wörtlich zu nehmen
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Bibeltreue Nicht-Dispensationalisten glauben an die buchstäbliche Wiederkunft Jesu.6. Örtlichkeiten wie z.B. Wiederkunft Jesu auf dem Ölberg sind nicht wörtlich zu nehmen
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Bibeltreue Nicht-Dispensationalisten glauben an die Entrückung der Gläubigen – zur Debatte steht lediglich der Zeitpunkt im Verhältnis zu anderen endzeitlichen Ereignissen.7. Es gibt keine Entrückung
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Bibeltreue Nicht-Dispensationalisten glauben an das Kommen Jesu, wie die Schrift es lehrt, aber lehren keine darüber hinausgehenden Details.8. Es gibt keine unterschiedliche Kommen Jesu z.B. zur Entrückung / zu Beginn des 1000 jähriges Reiches
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Bibeltreue Nicht-Dispensationalisten glauben, dass der Herr Jesus das Gericht ausführen wird, wie es z.B. in Mt 25 und Offb 20 beschrieben ist. Darüber hinaus gehende Details werden nicht dogmatisch vertreten.9. Es gibt keine unterschiedlichen Gerichte z.B. zu Beginn des 1000 jähriges Reiches zwischen dem „Jüngsten Tag“.
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Es gibt die Auferstehung zum Leben und die Auferstehung zum Verderben (Dan 12,2; Joh 5,29). Der Herr Jesus bezeichnet sie als zu einer „Stunde“ stattfindend (Joh 5,29). Zur weiteren Differenzierung wäre eine ausführliche biblische Studie erforderlich (u.a. zu Offb 20).10. Es gibt keine unterschiedliche Auferstehungen
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Ein Zurück zum Alten Testament wird eher vom Dispensationalismus gelehrt. Die bibeltreuen Nicht-Dispensationalisten, denen ich mich zurechne, lehnen Babytaufe, Sakramentalismus, Kirchenhierarchie etc. ab. Dies mag Bestandteil des Calvinismus sein. Hier zeigt sich wieder die Inkompetenz des Autors im Umgang mit Begriffen bzw. theologischen Richtungen.II. Israel & Gemeinde
1. Durch die BT. werden alttestamentliche Vorstellungen geweckt
bzw. Anleihen an alttestamentliche Praktiken bei Kindertaufe, kirchliche Strukturen u.a.
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Es mag sein, dass das in Kreisen vertreten wird, die bundestheologisch oder calvinistisch sind. In diesem Artikel wurden als „Gegner“ aber besonders der Betanien- und 3L-Verlag und John MacArthur genannt, die mit diesen Dingen nichts zu tun haben. Die Darstellung ist nicht nur undifferenziert, sondern falsch (2Mo 20,16).2. Beschneidung / Taufe = Bundeszeichen
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Tatsächlich gibt es unter Dispensationalisten solche, die antinomistisch sind und unter Bundestheologen solche, die zur Gesetzlichkeit neigen – oder auch umgekehrt. Hier wäre eine differenzierte Diskussion nötig.3. Gesetz & Gnade
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Es mag sein, dass das in Kreisen vertreten wird, die bundestheologisch oder calvinistisch sind. In diesem Artikel wurden als „Gegner“ aber besonders der Betanien- und 3L-Verlag und John MacArthur genannt, die mit diesen Dingen nichts zu tun haben. Die Darstellung ist nicht nur undifferenziert, sondern falsch (2Mo 20,16).4. Das halten der 10 Gebote ist Zeichen der Bundestreue
— das Sabbatgebot wird zum Sonntagsgebot
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Auch hier kann man von beiden Seiten vom Pferd fallen: die Unterschiede zwischen den Dispensationen überzustrapazieren, oder Unterschiede zu missachten. Beides kommt unter Dispensationalisten und Nicht-Dispensationalisten vor. Ein pauschales Urteil ist unangebracht, vielmehr wäre eine differenzierte Darstellung nöig.5. Dass die alttestamentlichen Gläubigen in gleicher weise den Hl. Geist hatten und Wiedergeboren waren.
[„Bundestheologie“ bzw. Nicht-Dispensationalisten würden lehren:]
Das ist eine weitere falsche Unterstellung. Die Nicht-Dispensationalisten, denen ich mich zurechne, glauben an die himmlische Hoffnung der Gläubigen und an die Normalität, auf Erden durch Leid und Entbehrung zu gehen.6. Zum Thema Verheißungen Israel & Gemeinde.
Reichtum, Gesundheit, Kindersegen [wären] ein Beweis für Rechtgläubigkeit. Diesen Irrtum finden wir in vielen charismatischen Kreisen vor.
Manche Dispensationalisten behaupten gern, exklusiv ihre Sichtweise würde vor charismatischen Verirrungen schützen. Das ist ein weiteres Indizi für einen beschränkten Horizont. Denken wir nur an die Entschlossenheit, mit der reformierte Theologen wie Luther, Whitefield und B.B. Warfield vor dem Schwärmertum warnten.
Auch die nachfolgende Behauptung, allein dispensationalistische Kommentare würden heilgeschichtliche Aspekte und den historischen Zusammenhang berücksichtigen, zeugt von haarsträubender Unkenntnis.
Viele Dispensationalisten haben es offenbar nötig, ihr System dadurch zu verteidigen, dass sie Pappkameraden aufstellen und unterstellen:
Wenn du kein Dispensationalist bist, dann bist du automatisch ...
- charismatisch beeinflusst
- Babytäufer und Sarkamentalist
- ein latenter Antisemit
- ein Leugner der Verbalinspiration
- ein Leugner des Literalsinns der Bibel
- ein Leugner der Entrückung bzw. Wiederkunft Jesu
- ein Missachter heilsgeschichtlicher Zusammenhänge
- usw.
So wird Angst geschürt, dass System des Dispensationalistmus auch nur kritisch zu hinterfragen. Man braucht den Dispensationalismus, sonst ist man nicht rechtgläubig und damit verloren. Damit wird der Dispensationalismus zur Heilshoffnung und letztlich zum Götzen. Das möchte ich nicht als Pauschalurteil für alle Dispensationalisten sagen, sondern als Anregung zur Selbstreflexion und zum Hinterfragen. Ich akzeptiere gern, wenn Mitgläubige aufgrund ihres Bibelstudiums oder aufgrund ihrer geistlichen Prägung andere Sichtweisen vertreten. Ich kann aber nicht akzeptieren, wenn sie ihr theologisches System als Heilszuflucht präsentieren und dieses nicht anhand der Bibel prüfen, sondern anhand von Pappkameraden - und dies öffentlich als Orientierung für andere präsentieren.
Der milde und schmeichelnde Tonfall des Artikels in allen Ehren – aber lieber Wahrheit geredet in kräftigen Worten als so ein trügerisches Gefasel!
Grüße, Werner