Hallo miteinander,
ein wenig wundert’s mich schon, wenn hier von Seiten der Brüdergemeindler, die doch sonst immer den Ruf genießen, die Bibel verschluckt zu haben, so viel Ratlosigkeit zu hören ist...
Zur Aussage Jesu: „Wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum Vater gehe“ (Joh 14,12) stelle ich mal folgende
Fragen:
1. In welchem Zusammenhang ist dies gesagt?
2. Wem gilt diese Zusage?
3. Was ist mit den „größeren“ Werken gemeint?
1. Zum Zusammenhang
Joh 14 ist ein Teil der Abschiedsrede Jesu an seine Jünger (genauer: an die verbliebenen elf Apostel), die er nach der Einsetzung des Herrenmahls und vor seiner Verhaftung im Garten Getsemane hielt, um sie auf die kommenden Ereignisse vorzubereiten (Joh 14-17). Seine Verhaftung und sein Tod waren für die Jünger undenkbar, obwohl er ihnen dies mehrmals angekündigt hatte. Sie erwarteten einen siegenden Messias, keinen leidenden. Er aber mußte erst leiden und sterben, um die Sünden der Menschen zu tragen, und nach seiner Auferstehung in den Himmel auffahren, um erst bei seiner Wiederkunft das verheißene Gottesreich in Macht und Herrlichkeit aufzurichten.
In diesem Zusammenhang spricht Jesus davon, daß er zum Vater gehen und nicht mehr leiblich bei seinen Jüngern sein wird. Er kündigt ihnen die Sendung des Heiligen Geistes an, der sie „in die ganze Wahrheit leiten“ wird, da die Jünger diese zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ertragen konnten (Joh 16,12f).
2. Wem gilt diese Zusage?
Sicher ist es richtig, die Verheißung des Heiligen Geistes und dessen tröstendes, stärkendes Wirken auf alle an Jesus Gläubigen zu beziehen. In Sachen Zeichen und Wunder ist aber nicht unerheblich, daß das NT immer wieder deren
apostolischen Charakter betont (vgl. 2Kor 12,12). Zeichen und Wunder wurden im NT von den Aposteln vollbracht oder solchen, die ihnen nahestanden:
Apg 2,43; 5,12; 6,8; 8,6.13; 14,3; 15,12;19,11ff
Zeichen und Wunder sind nicht zum Selbstzweck gegeben, sondern um ihre Täter als Träger göttlicher Offenbarungen auszuweisen:
2Mo 7,9; 5Mo 34,10ff; Ps 74,9; Joh 6,14; Apg 2,22; Heb 2,3f
Nun ist die Preisfrage, ob solche Offenbarungen immerfort weiter geschehen oder ob sie ein Ende haben werden.
Letzteres ist der Fall, da der Herr den Aposteln verheißen hat: „Der Geist der Wahrheit ... wird euch
in die ganze Wahrheit leiten“ (Joh 16,13). Dies fand seinen Niederschlag in den Schriften des NT (Röm 16,25ff; Eph 3,5).
Paulus beansprucht, daß seine Schriften von Gott inspiriert sind (1Kor 14,37), was von Petrus bestätigt wird (2Pet 3,15f), und daß Gott ihn dazu benutzt, sein Wort zu vollenden (Kol 1,25 Elberfelder Übersetzung).
Die Gemeinde wird im NT mit einem Hausbau verglichen: Apostel und Propheten bilden das Fundament, während alle anderen darauf aufbauen (Eph 2,20ff; 1Kor 3,10ff). Nun, bei einem Haus wird das Fundament nur einmal gelegt, nämlich am Anfang. Niemand baut ein Haus, indem er Fundament auf Fundament schichtet oder aber erst das Fundament legt, dann die Mauern hochzieht und am Ende als Dach noch mal ein Fundament draufsetzt.
Wie aber bei einem Hausbau das Fundament nur einmal am Anfang gelegt wird, so hat Gott der Gemeinde auch nur am Anfang Apostel und Propheten gegeben.
Da aber Zeichen und Wunder zu deren Legitimierung dienen, ist es folgerichtig, daß sie auf die Zeit der neutestamentlichen Apostel und Propheten beschränkt sind.
Umgekehrt aber heißt das: Wer heute noch Zeichen und Wunder propagiert, der beansprucht auch, daß Gott weiter Offenbarungen gibt und sein Wort noch nicht abgeschlossen ist (gegen Kol 1,25).
3. Was ist mit den „größeren“ Werken gemeint?
Eine gute Frage! Daß Jesus hier mit seinen „Werken“ seine Wunder meint, ist offensichtlich; die Frage ist aber, ob es sich bei den „größeren“ Werken der Apostel ebenfalls um Zeichen und Wunder handelt.
Auch die Apostel Jesu taten in seinem Namen Wunder: „Heilt Kranke, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus!“ (Mt 10,8)
Jesus aber hat Wunder vollbracht, die kein Mensch außer dem Messias tun kann:*
- Er trieb stumme Dämonen aus, wozu seine Jünger nicht imstande waren (Mt 9,33; Mk 9,18ff).
- Er heilte einen Blindgeborenen, was zuvor noch nie geschehen war (Joh 9,32).
- Er weckte Lazarus von den Toten auf, der bereits vier Tage im Grab lag und schon in Verwesung übergegangen war (Joh 11,39ff).
All diese Dinge wurden von Jesu Jüngern nicht vollbracht, auch nicht nach Pfingsten!
Frage: Könnte mit den „größeren“ Werken etwas anderes gemeint sein als Zeichen und Wunder?
Zum Vergleich:
Jesus ...
... hatte während seines irdischen Lebens einige hundert Jünger (Apg 1,15; 1Kor 15,6).
... wirkte fast ausschließlich im Volk Israel (Mt 15,24).
... schrieb nicht eine einzige Zeile nieder.
Die Apostel ...
... gewannen Tausende für Christus (Apg 2,41; 4,4).
... predigten das Evangelium unter allen Völkern.
... verfaßten die Schriften des NT.
Freundliche Grüße
Joachim
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* So die Meinung der Pharisäer (lt. einem Vortrag von Arnold Fruchtenbaum in der Bibelschule Brake).