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Lesung aus Arthur W. Pink "Der Heilige Geist"
Verfasst: 04.01.2025 09:13
von Joschie
14. Der Geist tröstet
„Darum siehe, ich will sie locken und will sie in die Wüste führen und freundlich mit ihnen reden“ (Hos. 2,16). Wenn Gott das Herz Seiner Gemeinde für Sich gewinnen will, was tut Er dann? Er führt sie „in die Wüste“, das heißt an einen Ort, der trocken oder ohne alle Bequemlichkeiten und Freuden ist; und dann und dort „redet er freundlich mit ihr“. Ebenso verfährt er auch mit den Einzelnen. Ein Mensch, der vom Geist wirksam seiner Sünden überführt ist, gleicht einem zum Tode Verurteilten: welche Freude könnte ein Mörder wohl an den schönen Blumen haben, wenn er durch einen lieblichen Garten zur Richtstätte geführt wird! So kann auch der Sünder, der vom Geist überführt ist, durch nichts mehr Frieden finden, bis ihm die Gunst Dessen zugesprochen wird, gegen den er sich so schwer vergangen hat. Und niemand außer Gott kann „freundlich reden“ mit einem Menschen, der in dieser Weise geschlagen ist.
Gott handelt zwar als Souverän und leuchtet in die Herzen aller Seiner Kinder nicht immer in gleichermaßen deutlicher Weise; nichtsdestoweniger führt Er sie alle dahin, daß Licht in Seinem Licht zu sehen: zu erkennen und zu fühlen, daß es kein Heil für sie gibt außer in dem Herrn allein. Durch das kraftvoll erleuchtende und überführende Wirken des Geistes muß der Sünder die schreckliche Ungleichheit begreifen, die zwischen Gott und ihm besteht, so daß er in seiner Schwäche ausruft: „Wie kann ein armer Schuft wie ich jemals vor einem so heiligen Gott bestehen, dessen gerechtes Gesetz ich auf so vielerlei Weise gebrochen habe und dessen unaussprechliche Majestät ich so oft beleidigt habe?“ Durch dieses Licht bekommt die schuldbewußte Seele schließlich ihre absolute Unfähigkeit zu spüren, sich selbst zu helfen oder auch nur einen Schritt zur Erlangung der Heiligkeit und Freude zu unternehmen. Durch dieses Licht sieht und fühlt die lebendig gemachte Seele, daß es keinen Zutritt zu Gott, keine Annahme bei Ihm geben kann außer durch die Person und das Blut Christi; aber wie sie zu Christus kommen kann, weiß die geschlagene Seele nicht.
„Ich will ihr von dorther ihre Weinberge geben und das Tal Achor zum Tor der Hoffnung machen“ (Hos. 2,17): das ist die tröstliche Verheißung Gottes an denjenigen, den zu „locken“ oder für sich zu gewinnen Er sich vorgenommen hat. Zuerst „versperrt er den Weg“ des Sünders mit „Dornen“ (Hos. 2,8), indem Er sein Gewissen mit den scharfen Pfeilen der Sündenerkenntnis durchbohrt. Zweitens bekämpft Er wirksam all seine Versuche, seine Sorgen zu ersticken und wiederum Erfüllung in seinen früheren Liebhabern zu finden (V. 9). Drittens deckt Er seine geistliche Schande auf und bereitet all seinen Freuden ein Ende (V. 12-13). Viertens führt Er ihn in „die Wüste“ (V. 16), indem Er ihn fühlen läßt, daß sein Fall wahrlich hoffnungslos ist. Und dann, wenn ihm alle Hoffnung genommen ist und der arme Sünder fühlt, daß es für ihn keine Erlösung gibt, wird ihm „ein Tor der Hoffnung“ „im Tal Achor“ oder „Sorgental“ geöffnet; und was ist dieses „Tor der Hoffnung“ anderes als die Gnade des Herrn!
Indem der Geist dem schuldbewußten Sünder Gedanken von Gottes Barmherzigkeit in den Sinn gibt, bewahrt Er sein schwaches Herz davor, in abgrundtiefer Verzweiflung zu versinken. Nun geschieht es, daß der Heilige Geist sich seiner Schwachheit „in unaussprechlichem Seufzen“ annimmt und der Sünder inmitten seiner tausend Ängste zu dem Ausruf bewegt wird: „Herr, sei mir Sünder gnädig.“ Aber „wir müssen durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen“ (Apg. 14,22) – das gilt sowohl für den anfänglichen Eintritt in das Reich der Gnade, als auch für die endgültige Ankunft im Reich der Herrlichkeit. Der Herr hörte das „Seufzen“ und „Schreien“ der armen Hebräer in Ägypten und „nahm sich ihrer an“ (2.Mose 2,23-5); nichtsdestoweniger sah Er, daß es gut für sie wäre, vor ihrer Befreiung durch noch schlimmere Prüfungen hindurchzugehen. Der Befreier wurde ihnen vorgestellt und Hoffnung in ihren Herzen geweckt (2.Mose 4,29-30), doch der festgesetzte Zeitpunkt ihres Auszuges aus dem Haus der Knechtschaft war noch nicht gekommen.
Lesung aus Arthur W. Pink "Der Heilige Geist"
Verfasst: 02.02.2025 12:28
von Joschie
14. Der Geist tröstet
Und warum wurde die Befreiung der Hebräer aufgeschoben, nachdem Mose vor ihnen offenbar gemacht worden war? Warum mußten sie die Feindschaft des Pharao noch bitterer zu spüren bekommen? Nun, der Herr wollte sie ihre Ohnmacht und ihr Elend fühlen lassen und Seine Macht über den Feind noch deutlicher zur Schau stellen. So ist es sehr häufig (wenn nicht immer) in der Erfahrung des wiedergeborenen Christen. Satan ist es jetzt gestattet, mit vermehrter Gewalt und Wut gegen ihn zu toben (Sach. 3,1). Der Teufel verklagt ihn seiner zahllosen Vergehen, verschärft seine Gewissensbisse, versucht, ihn zu überzeugen, daß er die unvergebbare Sünde begangen hat, versichert ihm, daß er durch seine Übertretungen jede Möglichkeit göttlicher Barmherzigkeit verwirkt hat, und sagt ihm, daß sein Fall hoffnungslos ist. Und, meine Leser, wäre der Sünder sich selbst überlassen, so würde es dem Teufel sicherlich gelingen, ihn zu demselben Verrat wie Judas anzustiften!
Aber, gepriesen sei Sein Name, der Heilige Geist verläßt die schuldbewußte Seele selbst in ihrer finstersten Stunde nicht: Er unterstützt sie heimlich und gewährt ihr, wie der Herr den Hebräern in Ägypten, zumindest zeitweilige Erfrischung. Die arme, von Satan geplagte Seele wird befähigt, „wider Hoffnung auf Hoffnung zu glauben“ (Röm. 4,18, Elberf.) und zu rufen: „Laß vor dich kommen das Seufzen der Gefangenen; durch deinen starken Arm erhalte die Kinder des Todes“ (Ps. 79,11). Doch bevor Befreiung tatsächlich erfahren wird, bevor der Friede, der höher ist als alle Vernunft, seinem Herzen vermittelt wird, bevor die Erlösung, „die in Christus Jesus ist“, bewußt sein eigen wird, wird die Seele dahin gebracht, ihre völlige Unfähigkeit zu spüren, diesem Ziel auch nur einen einzigen Schritt näherzukommen, und zu begreifen, daß sie gänzlich auf den Geist angewiesen ist, daß Er ihr den Glauben schenke, „Christus zu ergreifen“.
Man würde natürlicherweise annehmen, daß die gute Botschaft von einem gnädigen Erlöser und einer vollständigen Errettung von einem schuldbewußten Sünder bereitwillig aufgenommen werden müßte. Man würde denken, daß er, sowie er die frohe Kunde hört, von Freude überwältigt ausrufen müßte: „Das ist der Retter, den ich brauche! Seine Erlösung ist meiner Nichtswürdigkeit in jeder Hinsicht gewachsen. Was könnte ich mir mehr wünschen? Hier werde ich Ruhe finden.“ Aber in Wirklichkeit ist das nicht immer der Fall, ja, es ist eigentlich nur selten so. Stattdessen muß der geschlagene Sünder, wie die Hebräer in Ägypten, nachdem Mose vor ihnen offenbar gemacht worden war, weiterhin unter der Peitsche seiner erbarmungslosen Sklaventreiber stöhnen. Doch das kommt weder aufgrund irgendeines Mangels in Gottes gnädiger Vorkehrung, noch durch eine Unzulänglichkeit in der Erlösung, die das Evangelium anbietet, noch aufgrund irgendeiner Not des Sünders, die das Evangelium nicht beheben könnte; sondern die Wirksamkeit der Selbstgerechtigkeit hindert den Sünder daran, die Fülle und Herrlichkeit der göttlichen Gnade zu sehen.
So befremdlich es auch für die Ohren derer klingen mag, die nur eine oberflächliche Bekanntschaft, keine lebendige Erfahrung mit Gottes Wahrheit gemacht haben: Erweckte Seelen tun sich außerordentlich schwer damit, Trost in dem herrlichen Evangelium Christi zu empfangen. Sie denken, sie sind völlig unwürdig und untauglich, so, wie sie sind, zu Christus zu kommen, in all ihrer Boshaftigkeit und Schmutzigkeit. Sie stellen sich vor, daß zunächst eine Angemessenheit oder Würdigkeit in ihnen geschaffen werden müßte, bevor sie tauglich wären, das Evangelium zu glauben; daß in ihren Herzen gewisse heilige Anlagen vorhanden sein müßten, bevor sie zu dem Schluß berechtigt wären, daß Christus sie annehmen wird. Sie befürchten, daß sie nicht ausreichend unter ein Empfinden ihrer Sünde gedemütigt sind, ... daß die nicht die angemessene Abscheu davor haben, ... daß ihre Buße nicht tief genug ist; sie ahnen, daß sie eine brennende Sehnsucht nach Christus haben müßten, und ein Verlangen nach Heiligung, bevor sie das Recht hätten, mit begründeter Hoffnung auf Erfolg das Heil zu suchen. In alledem neigen sie dazu, gewissermaßen die Schmerzen des Unglaubens zu umarmen, um die Erlaubnis zu bekommen, glauben zu dürfen.
Lesung aus Arthur W. Pink "Der Heilige Geist"
Verfasst: 03.03.2025 12:28
von Joschie
14. Der Geist tröstet
Schuldbeladen und von erschreckenden Vorstellungen von der ewigen Verdammnis erfüllt, kämpft der Sünder – noch immer ohne lebendige Erfahrung der vollkommenen Gerechtigkeit, die das Evangelium zur Rechtfertigung der Gottlosen offenbart –, durch eigene Mühen, Tränen und Gebete Annahme bei Gott zu finden. Doch während er mit den hohen Anforderungen des Gesetzes, der Heiligkeit Gottes und der Verderbtheit seines eigenen Herzens besser vertraut wird, kommt er an einen Punkt, wo er an der Hoffnung, durch eigene Mühen gerechtfertigt zu werden, verzweifelt. „Was muß ich tun, um gerettet zu werden?“ ist jetzt sein notvoller Ruf. Bei seiner ernsthaften Suche nach Licht und Hilfe in Gottes Wort entdeckt er, daß „Glaube“ das einzig Wichtige ist, das er braucht; aber was Glaube eigentlich ist und wie er erlangt werden kann, kann er beim besten Willen nicht sagen. Wohlmeinende Leute, die mehr Eifer als Erkenntnis haben, nötigen ihn zu „glauben“; das zu können ist sein sehnlichster Wunsch, doch muß er feststellen, daß er dazu völlig außerstande ist.
Wäre errettender Glaube nichts weiter als die gedankliche Zustimmung zu Johannes 3,16, so könnte jeder Mensch, wann immer er wollte, sich jederzeit selbst zum wahren Gläubigen machen – die übernatürliche Befähigung durch den Heiligen Geist wäre völlig unnötig. Aber errettender Glaube ist sehr viel mehr als die gedankliche Zustimmung zu einem Bibelvers. Wenn eine Seele von Gott lebendig gemacht und sich ihres furchtbaren Zustandes, in dem sie sich von Natur befindet, bewußt geworden ist, dann muß sie begreifen, daß kein kreatürlicher Glaubensakt, kein Sich-verlassen auf den bloßen Buchstaben eines Textes durch eine „Entscheidung“ des eigenen Willens Vergebung und Frieden bringen kann. Der Mensch erkennt jetzt, daß „Glaube“ eine göttliche Gabe ist (Eph. 2,8-9), und nicht ein Werk des Geschöpfes; daß er durch die „Kraft Gottes“ gewirkt wird (Kol. 2,12), und nicht durch den Sünder selbst. Ihm wird die Tatsache bewußt, daß, wenn er jemals errettet werden soll, derselbe Gott, der ihn einlädt zu glauben (Jes. 45,22), ja der ihm befiehlt zu glauben (1.Joh. 3,23), ihm auch Glauben geben muß (Eph. 6,23).
Ist es nicht offensichtlich, liebe Leser, daß, wenn errettender Glaube an Christus so leicht wäre, wie es die Mehrheit der heutigen Prediger und Evangelisten behaupten, das Werk des Geistes völlig überflüssig wäre! Ist es angesichts dieser Fehldarstellung verwunderlich, daß die mächtige Wirkungskraft des Geistes Gottes jetzt so selten in der Christenheit erlebt wird? – Er ist betrübt, beleidigt und unterdrückt worden, nicht allein durch den Skeptizismus und die Weltlichkeit bei den „Modernisten“, sondern gleichermaßen durch die kreatur-verherrlichende Theologie vom Freien Willen und von der innewohnenden Fähigkeit des Menschen, „Christus als persönlichen Retter anzunehmen“, wie sie die „Fundamentalisten“ lehren! O wie wenige glauben heute wirklich jene klaren, nachdrücklichen Worte Christi: „Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe [durch Seinen Geist] der Vater, der mich gesandt hat“ (Joh. 6,44).
Lesung aus Arthur W. Pink "Der Heilige Geist"
Verfasst: 30.03.2025 07:51
von Joschie
14. Der Geist tröstet
O, liebe Leser, wenn GOTT wirklich eine Seele in Beschlag nimmt, dann führt Er den Menschen ans Ende seiner selbst. Er zeigt ihm nicht nur die Wertlosigkeit seiner eigenen Werke, sondern überzeugt ihn auch von der Ohnmacht seines Willens. Er entkleidet ihn nicht nur der schmutzigen Lumpen seiner Selbstgerechtigkeit, sondern nimmt ihm alle Selbstgefälligkeit. Er befähigt ihn nicht nur zu der Erkenntnis, daß in ihm „nichts Gutes“ wohnt (Röm. 7,18), sondern läßt ihn auch spüren, daß er „kraftlos“ ist (Röm. 5,6, Elberf.). Anstatt zu dem Schluß zu gelangen, daß er derjenige ist, den Gott erretten wird, fürchtet er jetzt, daß er einer ist, der für ewig verloren sein muß. Er ist jetzt tief hinab in den Staub gebeugt und muß fühlen, daß er ebenso wenig errettend an Christus glauben kann, wie er in den Himmel hinaufsteigen kann.
Mir ist wohl bewußt, daß das, was ich geschrieben habe, sich radikal von dem unterscheidet, was in diesem dekadenten Zeitalter gepredigt wird; aber ich appelliere an die Erfahrung der christlichen Leser. Angenommen, Sie hätten gerade einen finanziellen Rückschlag erlitten und hätten keine Ahnung, wie es weitergehen soll: die Rechnungen häufen sich, Ihre Bank weigert sich zu zahlen, Sie suchen vergeblich nach einer Anstellung und sind angesichts der ungewissen Zukunft von Angst erfüllt. Ein Prediger meldet sich bei Ihnen und tadelt Ihren Unglauben und fordert Sie auf, Gottes Verheißungen in Anspruch zu nehmen. Das ist es ja gerade, was Sie tun möchten, aber können Sie es durch einen Akt Ihres Willens? Oder ein geliebter Mensch ist plötzlich von Ihrer Seite gerissen: Ihr Herz ist gebrochen, Trauer überwältigt Sie. Ein Freund ermahnt Sie liebevoll, „nicht zu trauern wie die anderen, die keine Hoffnung haben“. Sind Sie fähig, durch eine „persönliche Entscheidung“ Ihren Schmerz abzuschütteln und sich in dem Herrn zu freuen. Nun, liebe Leser, wenn ein reifer Christ nur durch die gnädige Befähigung des Heiligen Geistes „alle seine Sorgen auf den Herrn werfen“ kann, meinen Sie, daß ein armer Sünder, der noch „voll bitterer Galle und verstrickt in Ungerechtigkeit“ ist, durch einen bloßen Akt seines Willens Christus ergreifen kann?
Es ist zwar „das Wollen“ jedes Christen, dem Herrn von ganzem Herzen zu vertrauen, sich um nichts zu sorgen und den morgigen Tag seine eigene Plage haben zu lassen, „aber das Gute vollbringen kann [er] nicht“ (Röm. 7,18), bis es dem Heiligen Geist gefällt, die nötige Befähigung zu schenken; ebenso ist es die eine große Sehnsucht des erweckten, schuldbewußten Sünders, Christus zu ergreifen, aber bis der Geist ihn zu Christus zieht, findet er, daß er keine Kraft hat, aus sich herauszugehen, keine Befähigung, das Angebot des Evangeliums anzunehmen. Die Wahrheit ist, liebe Leser, daß das Herz eines Sünders natürlicherweise genauso abgeneigt ist, die Dinge Gottes zu lieben und sich zu eigen zu machen, wie das Holz, das Elia auf den Altar legte, geneigt war zu brennen, nachdem er so viel Wasser darauf gegossen hatte, daß es nicht nur das Holz durchtränkte, sondern auch noch den Graben rundherum füllte (1.Kön. 18,33): Ein Wunder der Gnade ist für das eine ebenso wie für das andere erforderlich.
Eines ist gewiß: Wenn Menschen sich selbst überlassen blieben – ihrem eigenen „freien Willen“ –, nachdem sie wahrhaft ihrer Sünde überführt wurden, dann würde niemand je zu Christus kommen und gerettet werden! Ein zusätzliches, besonderes Eingreifen des Geistes ist notwendig, um das Herz tatsächlich zu Christus zu „ziehen“. Bliebe der Sünder sich selbst überlassen, so würde er in abgrundtiefe Verzweiflung sinken; er würde der Boshaftigkeit des Satans zum Opfer fallen. Der Teufel ist weit mächtiger als wir, und nie ist er zorniger als dann, wenn er fürchtet, einen seiner Gefangenen zu verlieren: siehe Mk. 9,20. Aber gepriesen sei Sein Name, der Geist läßt die Seele nicht im Stich, wenn Sein Werk erst halbfertig ist: Er, der „Geist des Lebens“ (Röm. 8,2), der die Toten lebendig macht, der „Geist der Wahrheit“ (Joh. 16,13), der die Unwissenden lehrt, ist auch der „Geist des Glaubens“ (2.Kor. 4,13), der uns befähigt, errettend zu glauben.
Und wie wirkt der Geist Glauben im Herzen des schuldbewußten Sünders? Indem Er ihm wirksam die Hinlänglichkeit Christi für all seine Nöte bezeugt; indem Er ihm die Bereitschaft des Erlösers zusichert, selbst den Verwerflichsten anzunehmen, der zu Ihm kommt. Er lehrt ihn mit aller Deutlichkeit, daß keine Vorbedingungen erfüllt, keine gerechten Taten vollbracht und keine Bußübungen erduldet werden müssen, um uns für Christus tauglich zu machen. Er offenbart der Seele, daß Sündenerkenntnis, tiefe Reue, ein Empfinden unserer absoluten Hilflosigkeit nicht Gründe für die Annahme bei Christus sind, sondern lediglich eine Bewußtmachung unseres geistlichen Elends, welche die Hilfe in Form der Gnade zu schätzen lehrt. Buße ist wichtig, nicht um Christus zum Geben zu veranlassen, sondern um uns empfänglich zu machen. Der Geist bewegt uns, zu Christus in dem einzigen Zustand zu kommen, in welchem Er Sünder empfängt, nämlich so wie wir sind: niederträchtig, zerstört und verloren. So gilt vom Anfang bis zum Ende: „Die Rettung kommt vom Herrn“ (Jona 2,10, Menge) – vom Vater, der sie beschlossen hat, vom Sohn, der sie erkauft hat, vom Geist, der sie zur Anwendung bringt.
Lesung aus Arthur W. Pink "Der Heilige Geist"
Verfasst: 27.04.2025 07:01
von Joschie
15.Der Geist zieht
Es besteht dringender Bedarf für eine klare, vollständige Auslegung des Gnadenwerkes, das der Heilige Geist in den Herzen des Volkes Gottes tut. Dies ist ein Thema, das in der Bibel einen Platz von beachtlicher Bedeutung einnimmt – weit mehr, als vielen bewußt ist –, das aber leider heute von den meisten Predigern und Autoren schändlich vernachlässigt wird; und infolgedessen sind die Christen weitgehend in Unkenntnis darüber.
Das übernatürliche, besondere Werk des Heiligen Geistes in der Seele ist der Faktor, der die Wiedergeborenen von den Nicht-Wiedergeborenen unterscheidet. Die Religion der großen Mehrheit der Leute beschränkt sich heute lediglich auf den äußerlichen Anschein: sie haben bei den Menschen den Namen, daß sie leben, aber für Gott sind sie tot. Ihr Glaube beinhaltet wenig mehr als rein spekulative Gedanken; das Wort kennen sie nur seinem Buchstaben nach; ihr Christentum ist gekennzeichnet von unangemessener Anhänglichkeit an eine Person oder eine Gruppierung, von brennendem Eifer, aber mit Unverstand; oder von einem rechthaberischen Eintreten für eine bestimmte Reihenfolge der Dinge, wobei sie alle verachten, die ihre spezielle Shibboleth nicht korrekt aussprechen. Die Furcht Gottes ist nicht bei ihnen, die Liebe Gottes erfüllt und regiert nicht ihre Herzen, die Kraft Gottes wirkt nicht in ihren Seelen – sie ist ihnen unbekannt. Sie waren niemals die begünstigten Zielpersonen der lebendig machenden Wirksamkeit des Geistes.
„Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage“ (Joh. 6,44). Diese klare, den Menschen erniedrigende Tatsache wird heute von der Christenheit fast vollständig ignoriert, und wenn der durchschnittliche Prediger oder „Gemeindechrist“ damit konfrontiert wird, dann leugnet er sie vehement und weist sie verächtlich von sich. Augenblicklich wird der empörte Einspruch erhoben: „Wenn das wahr wäre, dann wäre der Mensch nichts anderes als eine Maschine, und alles Predigen wäre sinnlos. Wären die Menschen unfähig, durch einen Akt ihres eigenen Willens zu Christus zu kommen, so wären alle evangelistischen Bemühungen nutzlos, wertlos.“ Kein Versuch wird unternommen, die Bedeutung der Worte unseres Herrn zu verstehen: sie stehen im Widerspruch zum modernen Denken, sie ärgern das stolze Fleisch, und so werden sie in ihrer Gesamtheit verdammt und von der Hand gewiesen. Kein Wunder, daß der Heilige Geist heute an so vielen Orten „unterdrückt“ wird und daß Seine errettende Kraft so selten sichtbar wird.