Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Lehrfragen in Theorie und Praxis - also alles von Bibelverständnis über Heilslehre und Gemeindelehre bis Zukunftslehre

Moderatoren: Der Pilgrim, Anton, Peter01

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »



105.
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte
und ein Licht auf meinem Wege.
106.
Ich schwöre und will’s halten,
dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten will.
107.
Ich bin sehr gedemütigt;
HERR, erquicke mich nach deinem Wort!
108.
Lass dir gefallen, HERR, das willige Opfer meines Mundes
und lehre mich deine Rechte.
109.
Ich trage meine Seele immer in meinen Händen,
und ich vergesse deines Gesetzes nicht.
110.
Die Gottlosen legen mir Stricke;
ich aber irre nicht von deinen Befehlen.
111.
Deine Zeugnisse sind mein ewiges Erbe;
denn sie sind meines Herzens Wonne.
112.
Ich neige mein Herz, zu tun nach deinen Rechten immer und ewiglich.




105. Dein Wort ist meines Fußes Leuchte. Wir sind auf der Wanderschaft durch diese Welt und müssen es oft erfahren, dass sie eine finstere Welt ist; lasst uns nie uns in ihre Finsternis wagen ohne das Licht spendende Wort, wir würden sonst sicherlich straucheln. Ein jeder von uns soll das Wort Gottes in seinem persönlichen ständigen Gebrauch haben in allen Lebenslagen, damit er sowohl den Weg sehe, den er wandeln soll, als auch die Hindernisse und Gefahren, die seinen Fuß gefährden. Wenn Dunkel sich rings um mich lagert, dann erleuchtet das Wort des HERRN gleich einer hell brennenden Fackel meinen Weg. In den Städten des Morgenlandes, wo es keine Straßenbeleuchtung gab, trug man, wenn man zur Nachtzeit einen Gang zu tun hatte, ein Licht bei sich, damit man nicht in eine offene Grube stürze oder über die Haufen Unrat falle, die da lagen. Ist das nicht ein getreues Abbild unseres Wandels durch diese dunkle Welt? Auch wir würden unseren Weg nicht finden, noch wissen, wie die rechten Tritte darauf tun, wenn uns nicht die Heilige Schrift mit ihrem hellen Lichte bei jedem Schritt voranleuchtete. Einer der handgreiflichsten Vorteile des treuen Gebrauches der Bibel ist der, dass wir in ihr Wegleitung finden für die Aufgaben und Ereignisse des täglichen Lebens. Ihr Zweck ist nicht, mit ihrem Glanze unsere Bewunderung zu erregen, sondern uns mit dem Licht ihrer Wahrheit zu unterweisen und zu führen. Wohl bedarf auch der Kopf Erleuchtung, noch mehr aber bedürfen unsere Füße der Leitung, sonst möchten beide, Haupt und Füße, in den Graben fallen. Wohl dem Manne, der sich das Wort Gottes persönlich aneignet und sich aus ihm Trost und Rat holt auf Schritt und Tritt, so dass es wirklich seines Fußes Leuchte ist.


Und ein Licht auf meinem Wege: Lampenschein zur Nachtzeit, Sonnenschein zur Tageszeit, Freudenschein allezeit. Wer im Finstern wandelt, der wird gewiss über kurz oder lang straucheln, während wer im Lichte des Tages oder bei Nacht mit einer Leuchte wandelt, sich nicht stößt, sondern aufrecht bleibt und getrost vorwärtsschreiten kann. Nicht zu wissen, wie man handeln soll, ist eine böse Sache; solche Unwissenheit erzeugt Unschlüssigkeit, und diese Unsicherheit ist ein äußerst drückendes, peinigendes Gefühl. Das Wort Gottes aber lässt Licht von oben auf alles fallen und führt uns dadurch zu einem klaren Urteil, und wenn diesem, wie bei dem Psalmdichter (siehe V. 106), die feste Entschlossenheit folgt, so kommt dadurch tiefe Ruhe ins Herz.
Der Vers ist von anbetendem Dank erfüllt und redet doch zugleich so vertraulich mit Gott. Hat unser Herz nicht auch im gleichen Tone dem himmlischen Vater etwas zu sagen?
Bemerkenswert ist, wie dieser Vers dem ersten des ersten Abschnitts, auch des zweiten und anderer Abschnitts im Inhalt ähnlich ist. Auch die zweiten Verse besitzen häufig eine Übereinstimmung.

106. Ich schwöre (habe geschworen) und will’s halten, dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten will. Unter dem Einfluss des hellen Lichtes der Erkenntnis hatte er seinen Entschluss gefasst und diesen auch feierlich vor dem Angesichte Gottes ausgesprochen. Vielleicht weil er seinem wankelmütigen Herzen misstraute, hatte er sich mit feierlichem Schwur verpflichtet, den Rechtsentscheidungen und Rechtsordnungen seines Gottes mit aller Treue nachzuleben. Mochten noch so viele Wege sich ihm verlockend darbieten, er war durch sein Gelübde gebunden, einzig den Weg zu verfolgen, auf den ihn die Leuchte des göttlichen Wortes wies. Die Schrift enthält Gottes Rechte, seine Ordnungen und Urteile in den großen sittlichen Fragen. Diese Rechtsentscheidungen Gottes sind allesamt gerecht, darum sollten auch alle rechtlich denkenden Menschen entschlossen sein, sich unter allen Umständen, koste es was es wolle, nach ihnen zu richten, da es stets das Richtige sein muss, zu tun, was recht ist. Die Erfahrung lehrt, dass es im Allgemeinen besser ist, wenn die Menschen so wenig Gelübde und Schwüre wie nur möglich eingehen, und dem Geist der Lehre unseres Heilandes widerstreitet alles überflüssige Schwören und Verbindlichmachen; dabei aber sollen wir, die wir unter dem Evangelium leben, uns stets genauso verbunden fühlen, dem Wort des HERRN zu gehorchen, als ob wir uns mit einem förmlichen Eid dazu verpflichtet hätten.


Die Bande der Liebe sind nicht weniger stark und unverletzlich als die Fesseln des Gesetzes. Hat jemand ein Gelübde getan, so muss er gewissenhaft darauf bedacht sein, es zu erfüllen, und hat ein anderer auch nicht in so förmlicher Weise wie der Psalmist es gelobt, des HERRN Rechte zu halten, so ist er doch nicht weniger zum Gehorsam verbunden durch Verpflichtungen, die da sind, ganz unabhängig von allem, was wir etwa mit Hand und Mund geloben, Verpflichtungen, die begründet sind in den von Ewigkeit her gültigen Begriffen von dem, was recht und geziemend ist, und Verpflichtungen, die noch verstärkt sind durch die überschwängliche Güte Gottes gegen uns. Wird nicht jeder Gläubige gerne zugeben, dass er dem HERRN, der ihn erlöst hat, mit unverbrüchlichen Banden verbunden ist, seinem Vorbilde nachzufolgen und sein Wort zu halten? Ja, wir schulden, was wir dir gelobt haben, o Herr, wir, die wir uns ausdrücklich als deine Jünger bekannt haben, die wir auf den Namen des dreieinigen Gottes getauft sind, an des Herrn Tische teilgenommen und in dem Namen des Herrn Jesu zu unseren Mitmenschen haben reden dürfen. Wir sind in sein Heer aufgenommen, haben den Fahneneid geschworen und sind verpflichtet, als treu ergebene Streiter jedem Befehl unseres Feldherrn zu gehorchen, solange der große Krieg währt. Wenn wir so das Wort in unser Herz aufgenommen haben in dem festen Entschluss, ihm zu gehorchen, dann haben wir eine Leuchte in unserer Seele sowohl als in dem Bibelbuche, und dann wird unser Weg licht sein bis ans Ende.

107. Ich bin sehr gedemütigt (durch Leiden gebeugt). Wir mögen dabei an Bekenntnisleiden oder an Züchtigungsleiden denken. Wer sich dem HERRN als Streiter zugeschworen hat, der muss sich auf Ungemach und Anfeindung gefasst machen. Unsere Stellung im Dienst des HERRN schützt uns nicht vor Anfechtung, sondern bringt sie unfehlbar mit sich. Der Psalmist war ein Mann, der sich ganz Gott geweiht hatte, und doch stand er unter der Zucht des HERRN, und leicht waren seine Züchtigungen nicht. Schien es nicht fast, als mehrten sich seine Trübsale, je gehorsamer er war? Er fühlte offenbar, dass die Rutenstreiche tief eindrangen, und das klagt er dem HERRN, aber nicht um zu murren, sondern um des Vaters Herz zu rühren und auf die Schwere der Heimsuchung die Bitte um desto reichere Erquickung zu gründen.

HERR, erquicke (belebe) mich nach deinem Wort! Das ist das beste Mittel gegen die Trübsal. Schon in dem Gebet selber liegt ein Segen, indem das Gemüt dadurch aus dem Grübeln über den Kummer emporgehoben wird, und mit der Erhörung zieht in das Herz die heilige Freude ein, die mit aller Belebung verbunden ist, denn Freude ist ja erhöhtes Lebensgefühl. Da ist’s nicht Not, um Hinwegnahme der Leiden zu bitten, denn durch vermehrte Kraft wird die schwere Trübsal leicht. Jehovah allein kann erquicken, neues Leben in uns einströmen lassen, er, der das Leben in ihm selber hat und es darum auch freigebig mitteilen kann. Er vermag uns jederzeit Leben zu spenden, auch jetzt sofort, im Augenblick, denn im Lebendigmachen offenbart sich seine Schöpferkraft, und diese wirkt stets plötzlich, augenblicklich. Lebenskraft ist ein Gut, das Gott allen, die auf ihn harren, verheißen und bereitet hat; es gehört zu den vorzüglichsten Gaben und ist ein Hauptstück der uns verbrieften Bundessegnungen, von dem wir stets so viel bekommen können, wie wir nötig haben. Oft braucht Gott die Trübsal selbst als Mittel, um uns geistlich zu beleben, gerade wie das Schüren des Feuers die Flamme anfacht, dass sie umso heller brennt. Manche wünschen sich wie Elia in der Trübsal den Tod; lasst uns lieber um mehr Lebenskraft bitten. In Zeiten der Trübsal blicken wir oft sehr düster in die Zukunft; da lasst uns den HERRN bitten, an uns zu handeln nicht nach unserer Furcht, sondern nach seinem Wort. David hatte dem HERRN noch nicht viele Verheißungen vorzuhalten, und wahrscheinlich befanden sich diese vornehmlich in seinen eigenen Glaubenspsalmen; dennoch beruft er sich fest auf Gottes Zusage. Wieviel mehr Grund haben wir dies zu tun, da zu uns so viele Menschen Gottes, getrieben von dem Heiligen Geiste, geredet haben in der wunderbaren Schriftensammlung, die unsere Bibel bildet. Da wir denn mehr Verheißungen haben, lasst uns auch mehr Flehen vor Gott darbringen.


108. Lass dir gefallen, HERR, das willige Opfer (wörtl. Luther 1524: die freiwilligen Opfer) meines Mundes. Die da leben, die loben den lebendigen Gott (Jes. 38,19); darum kommt auch der Sänger, da er Gottes belebende Kraft an sich erfahren hat, mit Gaben der Liebe ins Heiligtum. Er opfert Bitte und Lobpreis, Gelübde und Dankbekenntnis; diese mit seinen Lippen vor versammeltem Volke dargebracht, das sind die Opfer seines Mundes. Doch befällt ihn die Furcht, er möchte, was er Gott sagen wollte, nur so mangelhaft zum Ausdruck bringen können, dass es kein geziemendes Opfer sei; darum bittet er, der HERR wolle es in seiner Herablassung dennoch gnädig annehmen. Er macht geltend, dass, was er dem HERRN darbietet, ganz aus freiem Antrieb und mit Freuden dargebracht ist; alles, was sein Mund vor Gott ausgesprochen, sind freiwillige Opfer. Erzwungene Bekenntnisse und Gelöbnisse können keinen Wert haben; Gottes Einkünfte bestehen nicht aus zwangsweise erhobenen Abgaben, sondern aus freiwilligen Gaben der dankbaren Liebe. Nur wo einer willig ist, so ist er angenehm (2. Kor. 8,12); was nicht eine Frucht des freien Willens ist, kann auch kein Werk der freien Gnade sein. Dass der HERR unsere Opfer annehme, ist eine Gunstbezeugung, die wir mit ernstlichem Flehen erbitten sollten, denn sonst sind unsere Opfer schlimmer als nutzlos. Welch ein Wunder der Gnade ist es doch, dass der HERR es sich gefallen lässt, von solch unwürdigen Geschöpfen etwas anzunehmen.

Und lehre mich deine Rechte. Wenn wir dem HERRN unser Bestes darbringen, wird es uns ein umso ernsteres Anliegen, Besseres geben zu können. Nimmt der HERR uns und unsere Gaben in seiner Huld wirklich an, dann begehren wir, noch besser von ihm unterwiesen zu werden, damit wir noch "angenehmer" seien. Haben wir Leben von oben empfangen, so brauchen wir Belehrung, denn Leben ohne Licht, Eifer ohne Verstand wäre nur ein halber Segen. Diese so oft wiederholten Bitten um Belehrung zeigen uns die Demut des Mannes Gottes und lassen auch unser eigenes Bedürfnis nach gleicher Unterweisung hell zu Tage treten. Unser Urteilsvermögen bedarf der Zucht und Unterweisung, bis es zu einer rechten Erkenntnis der Urteile, der Rechte Gottes kommt, ihnen beistimmt und wir im Leben nach ihnen handeln. Die Rechtsentscheidungen Gottes sind nicht alle so leicht verständlich, dass wir sie auf den ersten Blick durchschauen; wir müssen darin unterwiesen werden, dann erst lernen wir ihre Weisheit bewundern, ihre Vollkommenheit anbeten.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

109. Ich trage meine Seele immer in meinen Händen. Er schwebte in beständiger Lebensgefahr, sein Leben war ein fortwährendes Ringen ums Dasein. Lebhaft tritt uns hier Davids lange Leidenszeit vor die Seele, da der Geliebte Gottes heute auf der Flucht war, sich in Höhlen und Einöden bergend, morgen im blutigen Kampfe. Und wie viele treue Bekenner haben ein ähnliches Los gehabt. Das ist ein höchst schmerzliches, die Kräfte des Körpers wie des Gemütes gleich aufreibendes Dasein, und es kann uns nicht wundern, wenn Menschen in solcher Lage versucht sind, dem Gedanken Raum zu geben, dass jedes Mittel, das einen Ausweg aus dieser Not bietet, gerechtfertigt oder doch entschuldbar sei. Der Psalmist aber wich nicht von dem dornenvollen Wege ab, er verfiel nicht auf die Torheit, in sündigen Dingen Sicherheit zu suchen, denn er spricht: Und ich vergesse deines Gesetzes nicht. Man sagt wohl: Lieb’ und Not hat kein Gebot; aber wenn man dies Sprichwort so anwendet, wie es häufig geschieht, dass im Kriege (und beim Lieben) jedes Mittel erlaubt sei, so dachte der Psalmist nicht so. Wie er sein Leben in der Hand trug, so trug er auch Gottes Gesetz in seinem Herzen. Keine leibliche Gefahr sollte uns je dahin bringen, unsere Seele zu gefährden, indem wir außer Acht lassen, was recht ist. In Not und Unglück vergisst freilich manch einer seine Pflicht, und es wäre dem Psalmisten wohl auch so ergangen, wenn er nicht belebende Erquickung (V. 107) und Unterweisung (V. 108) vom HERRN empfangen hätte. Darin aber, dass er das Gesetz des HERRN fest im Gedächtnis hielt, lag gerade seine Rettung; er durfte gewiss sein, dass Gott sein nicht vergaß, denn er vergaß auch Gottes nicht. Es ist ein vorzüglicher klarer Beweis unseres Gnadenstandes, wenn nichts, auch die schwerste Not nicht, die Wahrheit Gottes aus unserem Herzen verdrängen oder uns zu unheiligen Handlungen verleiten kann. Bleiben wir dessen, was Gott uns in seinem Worte als seinen heiligen Willen kundgetan hat, eingedenk, selbst wenn der Tod uns dabei ins Gesicht starrt, dann dürfen wir uns auch dessen zuversichtlich getrösten, dass der HERR unser eingedenk bleibt.

110. Die Gottlosen legen mir Stricke. Das geistliche Leben ist ein Schauplatz beständiger Gefahren: Der Gläubige trägt sein Leben stets in offener Hand, und währenddessen ist alles ringsum darauf verschworen, es ihm zu entreißen, und geht’s nicht durch Gewalt, dann versucht man es mit List. Auch wir werden es erfahren, dass es nicht leicht ist, das Leben eines wahren Jüngers des Herrn zu führen. Böse Geister und böse Menschen werden nichts unversucht lassen, um uns zu verderben. Ob auch ein Anschlag nach dem andern fehlschlägt (V. 95) und selbst wohlangelegte Gruben nicht zum Erfolge führen (V. 85), so halten die Gottlosen doch an ihren verbrecherischen Absichten fest und ersinnen neue, noch listigere Ränke, indem sie nun Schlingen stellen für das Opfer ihres Hasses. Auf diese Weise, mit Stricken, Leimruten, Netzen oder Fallen fängt man ja gewöhnlich das kleine Raubzeug oder sonstige Jagdbeute. Den Gottlosen ist es ganz gleich, mit welchen Mitteln sie arbeiten, wenn sie nur den Frommen ins Verderben locken können - er gilt ihnen nicht mehr als ein wildes Kaninchen oder eine Ratte. Hinterlist und Betrug sind stets die Helfershelfer der Bosheit, und alles Gefühl von Edelmut und ritterlicher Gesinnung ist diesen Gottvergessenen fremd, die die Frommen behandeln, als wären sie Ungeziefer, das um jeden Preis vertilgt werden muss.


Weiß ein Mensch sich ständig von solchen Ränken bedroht, so wird er leicht ängstlich und ergreift dann hastig den ersten besten Einfall, wie er sich der Gefahr entziehen könne, und gerät dadurch in Sünde. Der Psalmist aber setzte ruhig seinen Weg fort und durfte darum in Wahrheit sagen: Ich aber irre nicht von deinen Befehlen. Er wurde trotz allen Ränken seiner Feinde nicht umstrickt, denn er hielt die Augen offen und hielt sich nahe zu seinem Gott. Er wurde in keiner Schlinge gefangen und geriet in kein Räubernest, denn er blieb auf der königlichen Heerstraße, wo der erhabene König selbst jedem Wanderer Sicherheit gewährleistet. Er irrte nicht ab von der Bahn des Rechts und ließ sich durch nichts davon ablenken, sie zu verfolgen, weil er sich des HERRN Führung unterstellte, und sein Gott ließ ihn nicht im Stich. Wenn wir von den Befehlen des HERRN abweichen, so scheiden wir im selben Augenblick auch von den Verheißungen; entfernen wir uns aus Gottes Gegenwart, so geraten wir in die Wildnis, wo die Vogler ungehindert ihre Netze stellen. Lasst uns aus diesem Vers lernen, auf unserer Hut zu sein; denn auch wir haben Feinde, und sehr verschlagene und boshafte. Die Jäger stellen ihre Fallen in den Wechseln und Pässen auf, d. h. an den gewöhnlich vom Wild eingeschlagenen Wegen, und die schlimmsten und gefährlichsten Schlingen befinden sich auch für uns auf unseren eigenen Wegen. Halten wir uns an die Wege des HERRN, dann werden wir den Ränken unserer Feinde entgehen, denn seine Wege sind sicher, auf ihnen lauert kein Verrat.

111. Deine Zeugnisse sind mein ewiges Erbe. Er hatte sie als sein Besitztum, als sein Los und Erbe auf ewig erwählt, und was noch mehr ist, er hatte sie sich auch angeeignet, von ihnen Besitz ergriffen und sie in Gebrauch genommen. Davids Wahl ist auch unsere Wahl. Wenn wir uns etwas wünschten, so wäre es, Gottes Gebote vollkommen zu befolgen. Gottes Wahrheit zu kennen, seiner Verheißungen mich zu erfreuen, seinen Vorschriften nachzuleben - wahrlich, das ist ein Königreich, groß genug für mich! Da haben wir ein Erbe, das unvergänglich ist und das uns niemand streitig machen kann; es ist ewig und bleibt ewig unser, wenn wir es so wie der Psalmist ergriffen haben. Es mag uns da gehen wie Israel, da es ins Gelobte Land kam: wir mögen uns unser Eigentum unter schweren Kämpfen erringen müssen; doch es ist der Mühe und des Kampfes wert! In jedem Fall aber bedarf es, um dieses Erbes teilhaftig zu werden, einer entschiedenen Wahl des Herzens und des festen Griffes des Willens. Was Gott gibt, das müssen wir nehmen. Denn sie sind meines Herzens Wonne. Das Glücksgefühl, das durch das Wort des HERRN über ihn gekommen war, hatte ihn dazu bewogen, es mit unabänderlichem Entschlusse als sein Eigen zu erwählen. An allen Teilen des Wortes Gottes hatte der Psalmist sein Wohlgefallen, darum hielt er an ihnen jetzt und für alle Zeiten fest. Was das Herz erfreut, das findet stets Liebhaber, die es erwerben und als teuren Schatz hegen. Nicht das bloße Wissen, die Schriftgelehrsamkeit im niederen Sinne des Wortes, sondern das Erleben des Wortes im Herzen, das ist’s, was solche Wonne erzeugt.
In diesem Vers, dem siebenten der Gruppe, schmecken wir wieder die Süßigkeit des Wortes, von der der entsprechende Vers der vorigen Gruppe (103) Zeugnis abgelegt hatte. Es ist ein köstlich Ding, wenn die Erfahrung durch Kummer, Gebet, Kampf, Hoffnung, Entscheidung und heilige Zufriedenheit bis zur frohlockenden Wonne sich durcharbeitet. Freude macht das Herz fest; hat jemand am Worte Gottes erst seine Wonne, dann wird er es auch für immer als sein kostbares Besitztum festhalten.

112. Ich neige mein Herz (dazu), zu tun nach deinen Rechten immer und ewiglich (oder wörtl.: immer und bis ans Ende). Er war nicht halb, sondern von ganzem Herzen zum Guten geneigt. Sein ganzer Sinn war auf lebendige, tatkräftige und im Tun des Guten ausdauernde Gottseligkeit gerichtet. Er war entschlossen, die Rechte des HERRN ohne Ausnahme, ohne Wanken und ohne Aufhören zu halten. Er setzte es sich zum Lebensziel, das Gesetz zu halten bis zum Lebensende. In Gebet, andächtiger Betrachtung und festem Vorsatz hatte er sein ganzes Ich den Geboten Gottes zugewendet und zugeneigt, oder wie wir es ausdrücken würden: Gottes Gnade hatte ihn geneigt gemacht, sein Herz dem Heiligen zuzuneigen. Viele fühlen eine Neigung in sich zum Predigen, der Psalmist aber war dazu geneigt, nach den Rechten des HERRN zu tun. Gar manche sind gerne geneigt, allerlei religiöse Formen auszuüben; der Psalmist aber war geneigt, die Rechte oder Satzungen, die von Gott festgesetzten Gebote zu erfüllen. Nicht wenige sind nicht abgeneigt, gelegentlich einmal Gehorsam zu leisten, der Psalmist aber wollte allezeit gehorchen, immerdar und bis zum letzten Atemzug. Und ach, so manche neigen zu einer zeitlichen und zeitgemäßen Religion, dieser fromme Mann aber trachtete nach der Ewigkeit: immer und ewiglich wollte er den Ordnungen seines Herrn und Königs nachleben. HERR, ach gib uns solchen himmelan gerichteten Sinn, dann wird es sich an uns erweisen, dass du uns Leben eingehaucht hast und wir in deiner Schule erzogen sind. So schaffe darum in uns ein reines Herz und gib uns einen neuen gewissen Geist, denn nur dann wird unser Herz nach der rechten Richtung neigen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

Erläuterungen und Kernworte


V. 105-112. Das achtfache n (N): Das Wort Gottes ist sein steter Führer, dem er sich anvertraut hat auf ewig.

105. Nur dein Wort ist meines Fußes Leuchte
Und ein Licht für meinen Steig.
106. Nachdem ich geschworen, hielt ich’s aufrecht:
Zu beobachten die Rechte deiner Gerechtigkeit.
107. Niedergebeugt bin ich gar sehr -
Jahve, belebe mich nach deinem Wort!
108. Nimm huldvoll auf, Jahve, meines Mundes Spenden,
Und deine Rechte lehre mich.
109. Nacht und Tag trage ich mein Leben in meiner Hand,
Doch dein Gesetz vergesse ich nicht.
110. Netze haben mir die Frevler gestellt,
Aber von deinen Befehlen irre ich nicht ab.
111. Nun und ewig sind deine Zeugnisse mein Erbe,
Denn sie sind meines Herzens Wonne,
112. Nach deinen Satzungen zu tun, dazu neige ich mein Herz
Auf ewig, bis aufs Letzte.
Frei nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V. 105. Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. Basil der Große erklärt das "Wort" als den Willen Gottes, wie er in der Heiligen Schrift zum Ausdrucke kommt. Er nennt das Alte Testament und besonders das Gesetz eine Laterne oder Lampe, eine künstliche Leuchte, die die Dunkelheit nur unvollkommen zu erhellen vermag, während das Evangelium, durch den Herrn Jesus selbst gegeben, Licht von der Sonne der Gerechtigkeit ist, das alles mit hellstem Glanze erleuchtet. Ambrosius, der noch tiefer geht, nennt Christum selbst sowohl Leuchte als Licht. Er, das ewige Wort, sei den einen ein großes Licht, anderen nur eine Leuchte. Mir mag er eine Leuchte sein, Engeln ist er ein Licht. Er war ein Licht für Petrus im Gefängnisse, als der Engel des Herrn daher kam und Licht im Kerker erglänzte. Er war ein Licht für Paulus, als ihn das Licht vom Himmel umleuchtete und er Jesum zu sich sprechen hörte: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Und Christus ist wahrlich auch mir ein Licht, wenn ich von ihm rede mit meinem Munde. Da leuchtet er aus mir, dem tönernen Lämpchen; er ist der Schatz, den wir in irdenen Gefäßen tragen. James Millard Neale † 1866.

Was wir alle brauchen, das sind nicht Wunder, die unsere Augen blenden, nicht Erscheinungen, deren Glanz uns in Entzückung versetzt, sondern ein wenig Licht auf den dunklen, schwierigen Pfad, den wir zu gehen haben, eine freundliche Lampe, die uns bei unserer Arbeit scheint. Sterne sind ja wohl erhabener, Meteore unendlich glänzender und blendender; aber das Licht, das da scheint am dunkeln Orte, entspricht weit mehr unseren täglichen Bedürfnissen. The Expositor 1864.

Ich hatte in einem eine halbe Stunde von meinem Wohnorte entfernten Dorfe eine Bibelstunde gehalten. Mein Heimweg führte mich einen schmalen Fußpfad durch den Wald. Es war schon spät am Abend und eine dunkle Nacht, und die Gefahr war vorhanden, dass ich mich auf einem der zahlreichen sich im Walde kreuzenden Pfade verirren könne. Die Leute wollten mir deshalb eine kleine Fackel von Leuchtholz, von der sogenannten Pechtanne, mitgeben. Ich lehnte ab, die Fackel sei viel zu klein; sie war kaum ein halbes Pfund schwer. "Sie wird Ihnen schon nach Hause leuchten", antwortete mein Wirt. "Aber der Wind könnte sie auslöschen." "Sie wird Ihnen nach Hause leuchten." "Und wenn es regnet?" "Sie wird Ihnen nach Hause leuchten." Die feste Zuversicht des Mannes bewirkte, dass ich endlich nachgab. Und er behielt Recht. Die kleine Leuchte erhellte meinen Weg völlig genügend, so dass ich ohne Unfall und Aufenthalt zu Hause anlangte. Seitdem habe ich oft an dieses kleine Erlebnis denken müssen. Welch einen trefflichen Wink enthält es für die Behandlung zweifelnder ängstlicher Gemüter. Wenn sie nur die Heilige Schrift als ihren Führer nehmen wollten, sie würde ihnen schon nach Hause leuchten, auch durch Nacht und Sturm und finsteren Wald. Und wenn dir Zweifler entgegentreten mit ihren Einwendungen gegen die Kraft des Wortes und der eine dies, der andere das daran auszusetzen hat, lass dich auf nichts ein, antworte ihnen nur wie jener alte Landmann mit seiner Fackel: "Sie wird dir schon nach Hause leuchten." The Ameriecan Messenger 1881.

Meines Fußes Leuchte. Darauf kommt es an, wie wir diese Leuchte gebrauchen. Als ich noch ein Knabe war, pflegte ich dem Lehrer unserer Sonntagsschule, die des Abends gehalten wurde, auf dem Wege dahin, der durch schmutzige, unbeleuchtete Straßen führte, eine Laterne voranzutragen. Das erste Mal hielt ich sie hoch in die Höhe, viel zu hoch, und wir gerieten miteinander in eine arge Schlammpfütze. "Du musst dein Licht tiefer halten, wenn wir unseren Weg sehen sollen", sagte der Lehrer und knüpfte dann in der Abendschule an dieses kleine Erlebnis eine herrliche Betrachtung, die mir einen unvergeßlich tiefen Eindruck machte. Leicht hält man die Leuchte zu hoch, aber schwerlich je zu tief. James Wells 1882.

Suchst du, vom Ziel verirret,
Die wahre Lebenspfort’,
Hat dich die Welt verwirret,
Komm, hier ist Gottes Wort!

Das wird dir deutlich weisen
Die rechte Lebensbahn,
Auf welcher du musst reisen,
Wenn du willst himmelan.

(V. 2 des Liedes: Wohl dem, der Jesum liebet.) Anna Sophie, Landgräfin von Hessen-Darmstadt † 1683.

V. 106. Ich schwör, und will’s halten, dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten will.O übergeben auch wir uns völlig Gott zum Dienste! Wir sollen uns auch nicht damit begnügen, bloß in unserem Innern den Entschluss zu fassen, sondern ihn ausdrücklich vor dem Angesicht Gottes erklären. Solche feierliche Form des Gelübdes hat ihren guten Grund in der menschlichen Natur und kann nur dringend empfohlen werden, wenn es gilt, so unzuverlässige Herzen an Gott, den HERRN, zu binden. Zu wissen, zu welcher Stunde und unter welchen Umständen dies geschehen, ist ein trefflicher Weckruf für das Gewissen. Das Bewußtsein deines Gott geleisteten Gelübdes wird dich in der Stunde der Versuchung stärken, und auf der Erinnerung daran magst du in aller Demut den Mut, ja das Recht hernehmen, dich in Nöten und Verlegenheiten an ihn zu wenden als deinen Bundesgott und Vater. Darum tue es; aber erst nach reiflicher Überlegung. Mach dir klar, was du tun willst, bedenke, wie zweckmäßig es ist, dass du es tuest, dass du es von Herzen und freudig tuest, nicht gezwungen, sondern willig, denn hier wie überall heißt es: Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. Bedenke auch, dass deine Hingabe dauernd sein muss, für alle Zeiten. Du darfst nie wieder den Anspruch erheben, dein eigener Herr zu sein, denn die Rechte des HERRN sind ewig und unwandelbar wie sein Wesen, sind dieselben gestern, heute und in Ewigkeit. Es ist anzuraten, dass deine Hingabe an den HERRN unter feierlichen Formen vor sich gehe, mit ganz bestimmten gesprochenen Worten; für manche Fälle ist es auch gewiss von großem Segen, wie es wohlerfahrene Seelenhirten angeraten haben, dies schriftlich zu tun. Bezeuge mit Namensunterschrift und Siegel, dass du an dem und dem Tage des und des Jahres, an dem und dem Orte, unter solchen Umständen, nach ernstlicher, reiflicher Überlegung zu dem seligen Entschlusse gekommen bist, mögen andere erwählen, wem sonst sie dienen wollen, du wollest dem HERRN dienen.1 Phil. Doddridge † 1751.

Wiederhole oft deine Entschlüsse aus früheren heiligen Stunden. Es kommt viel auf ernstliche Entschlüsse und Vorsätze an. Die Entschlossenheit eines Schwachen vollbringt mehr als alle Kraft eines Unentschlossenen, Wankelmütigen. Gegen unsere geistliche Schwäche, die Stärke der Versuchungen, die Wachsamkeit und den Eifer der Feinde unserer Seele braucht es starke Entschlüsse. Wir müssen fest und unbeweglich sein, dann werden wir auch zunehmen in dem Werk des Herrn
(1. Kor. 15,58). Darum sollen wir in demütigem Glauben unsere Vorsätze fassen, demütig im Gedanken an unsere Schwäche, aber im festen Glauben an den starken Beistand des HERRN, wie der Psalmdichter, der sich Gott zu Eigen gab mit einem Entschlusse, der auf tiefstem Herzen kam: Ich schwöre und will’s halten, dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten will. Und das tut er nicht im Vertrauen auf seine eigene Kraft, denn er fährt fort: Ich bin sehr gedemütigt, HERR, erquicke mich nach deinem Wort, mach mich lebendig, munter, frisch und mutig; und nimm gnädig an, lass dir gefallen das willige Opfer meines Mundes, nämlich eben das Gelübde, das er ausgesprochen. Gott wird solche Gelübde nicht gering achten, sondern seinen Geschöpfen die nötige Kraft verleihen, sie zu erfüllen. St. Charnock † 1680.

Kaiser Sigismund fragte den Erzbischof von Köln, Dietrich II. von Moers († 1463), was der kürzeste und einfachste Weg zum wahren Glücke sei. Der Erzbischof gab die kurze Antwort: Bist du gesund, dann halte die Gelübde aus der Zeit der Krankheit. John Spencer† 1654.

Über dem besten und ernstlichsten Vorsatz, wie V. 106, kann es hintennach die schärfsten Demütigungen geben, V. 107, damit das miteinschlagende fremde Feuer geschieden, der Mensch vor Erhebung verwahrt und der bezeugte Ernst auf eine gemäße Probe gesetzt werde. Darüber empfiehlt man es aber desto mehr dem HERRN zum Wohlgefallen und Fördern an, V. 108. Karl Heinr. Rieger † 1791.


Fußnote
1. Der Raum gestattet es nicht, hier aus Lebensbildern solche Angelobungen anzuführen. Übrigens gilt es da besonders auf der Hut zu sein, dass man nicht andern etwas nachtun wolle, wozu die inneren Voraussetzungen fehlen, somit in ein Nachmachen des Heiligsten gerate. Und mit einer der jetzt in manchen Kreisen beliebten "Weihestunden" springt man auch nicht in die Vollkommenheit. Man lese, was jener "Weihestunde" Israels (Jos. 24,21-24) vorausging (V. 19) und nachfolgte (Richter 2,1-5). - James Millard
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

Erläuterungen und Kernworte


V. 107. Ich usw. Wie überzeugend können wir es andern empfehlen, mit Freudigkeit den Leidenskelch zu trinken, in deren Hand wir ihn sehen, und welch saures Gesicht machen wir, wenn er uns selbst gereicht wird! Alfred John Morris † 1869.

Ich bin sehr gedemütigt; HERR, erquicke mich nach deinem Wort!

Je größer Kreuz, je mehr Gebete,
Geriebne Kräuter duften wohl.
Wenn um das Schiff kein Sturmwind wehte,
So fragte man nicht nach dem Pol.
Wo kämen Davids Psalmen her,
Wenn er nicht auch versuchet wär?
B. Schmolck † 1737.

Nach deinem Wort. Diese Wendung gebraucht der Dichter dieses Psalmes sehr häufig. Offenbar ist sein Gemüt tief durchdrungen von der Verheißung, Gott wolle sein Herz erquicken, beleben, wenn es gedemütigt, zerschlagen sei. Darum hält er sich die vielen Gnadenwirkungen des Geistes Gottes vor und bekennt laut, dass er nie seine Befehle vergessen wolle, weil er ihn damit belebe (V. 93). So lege du dein totes Herz Christo zu Füßen und halte ihm vor: Herr, mein Herz ist so gar träge und verkehrt, ich spüre nichts von jenen Einflüssen, durch die die Herzen deiner Heiligen groß und weit und empfänglich gemacht worden. Aber gehören diese Einwirkungen nicht zu den vorzüglichsten Bundesgnaden? Verheißest du uns nicht den Geist der Erleuchtung, der Erkenntnis, der Demut? Ist nicht Heiligkeit des Herzens und des Wandels ein Hauptstück deiner Zusagen? Verheißest du nicht, dein Gesetz in mein Herz zu schreiben, dieses mit deiner Furcht zu erfüllen, meine bösen Lüste zu bändigen, meinem Unvermögen im Gebet aufzuhelfen? Nun HERR, das sind die Gaben, nach denen meine Seele verlangt, auf die sie wartet; erfülle sie mit diesen erquickenden, lebendig machenden Kräften, setze die Arbeit der Gnade an meiner Seele fort, ziehe mein Herz zu dir, erfülle es mehr und mehr mit deiner Liebe, mit deiner Ähnlichkeit, und gib, dass all dieses in meinem Wandel und Wesen sichtbar werde. Oliver Heywood † 1702.

V. 108. Lass dir gefallen, HERR, das willige Opfer meines Mundes. Es ist eine große Gunst, die uns widerfährt, wenn der HERR etwas von uns annimmt, ja gnädig annimmt, es sich wohlgefallen lässt, wenn wir bedenken, wer er ist und wer wir sind und was wir ihm darzubringen haben. Er der Schöpfer und Herr aller Dinge, an dessen Vollkommenheit nichts hinanreicht; wir armselige Geschöpfe, die von seiner Gnade leben, ja die von den Almosen der ganzen Schöpfung ihr Dasein fristen, von Luft und Wasser, Sonne und Mond, Tieren und Pflanzen. Und solche wollen sich unterfangen, dem HERRN Gaben darzubringen? Das kann doch nur solches sein, was ihm schon längst, von jeher angehört. "Denn von dir ist’s alles kommen, und von deiner Hand haben wir dir’s gegeben" (1. Chr. 29,14). Aber es mag so gering sein, wie es will, Gott wird es sich gefallen lassen, wenn es nur aus willigem, fröhlichem Herzen kommt, das Scherflein der Witwe, den Becher kalten Wassers, das Opfer unserer Lippen. Nur wo der Mensch mehr tun könnte und doch sich auf solch dürftige Gabe beschränkt und damit beweist, dass sein Herz nicht aufrichtig dem HERRN zugeneigt ist, da sind die Gaben dem HERRN nicht angenehm. William Cowper † 1619.

V. 109. Ich trage meine Seele immer in meinen Händen. Wenn jemand ein sehr zerbrechliches Gefäß, mit einer köstlichen Flüssigkeit gefüllt, in der schwachen, zitternden Hand trägt und ihm dabei noch allerhand Schwierigkeiten und Gefahren drohen, so wird es kaum ausbleiben können, dass das Gefäß zerbrochen und der Inhalt verschüttet werde. So steht es auch mit meinem Leben, unter den Nachstellungen verschiedener Feinde trage ich es gleichsam in den Händen, mein Leben hängt nur noch an einem Faden, und stets habe ich den Tod vor Augen. Andr. Rivetus † 1651.

Was man in der Hand trägt, das lässt man leicht fallen oder kann einem leicht entrissen werden. Wenn auch in der Hand Gottes sein (Ps. 31,6.16) den Zustand vollkommenster Sicherheit bedeutet, weil seine Hand mit der Kraft ausgerüstet ist, das, was er ergriffen hat, festzuhalten und zu beschützen, so gilt für des Menschen Hand, dass das, was von ihr getragen wird, sich im Zustand der größten Unsicherheit und Gefahr befindet. J. Caryl† 1673.

Zu bemerken ist, dass der hebräische öfters wiederkehrende Ausdruck stets das Wort PkIa (nicht dyf), d. i. die hohle Hand, gebraucht. Wir haben hier also das Bild von einem leicht auf der Handfläche ruhenden Gegenstande, den die geringste Erschütterung, ein Windhauch, herabwerfen kann, nicht aber von einem fest gefassten, den man zu bewahren trachtet. Ed. Roller 1907.

David deutet damit an, dass er nicht nur als ein sterblicher Mensch, von dem Gott seine Seele täglich nehmen könne, sondern auch als ein Knecht Gottes, welchem viele Feinde nachstellen, immer in Lebensgefahr stehe; denn dass diese Redensart eine Lebensgefahr, welcher man sich selbst aussetzt, andeute, beweisen andere deutliche Schriftstellen, wie Richter 12,3; 1. Samuel 19,5; 28,21. In eben diesem Sinn sagt Paulus 1. Kor. 15,31: Bei unserm Ruhm, den ich habe in Christo Jesu, unserm Herrn: ich sterbe täglich, d. i. ich bin in täglicher Lebensgefahr, oder ich trage meine Seele immer in meinen Händen. David und Paulus hätten sich gute Tage machen können, wenn sie von dem Wort Gottes abgewichen wären und sich der Welt gleichgestellt hätten. David wäre am Hof Sauls und Paulus bei den Altesten und Schriftgelehrten der Juden beliebt gewesen, wenn beide sich nach den Gesinnungen und Sitten der Gottlosen gerichtet hätten. Auch hätten sie alsdann ihres Leibes und Lebens schonen und dem Gott Bauch täglich opfern können. Weil sie aber des Gesetzes Gottes nicht vergessen, von seinem Befehl nicht irren und von seinen Zeugnissen nicht weichen wollten, so waren sie immer als die Sterbenden, sie durften ihr Leben für nichts Teures halten. Sie trugen ihre Seelen in ihren Händen, weil sie bereit waren, sie herzugeben, sobald es Gott haben wollte. Übrigens hat sie Gott dennoch viele Jahre erhalten, und ihre Seelen sind nicht eher, als da sie alt und lebenssatt waren und ihren Lauf nach Gottes wohlgefälligem Willen vollendet hatten, von ihnen genommen worden. Magnus Friedr. Roos 1790.

V. 110. Wie vielerlei Stricke legt uns der Feind! Beim Essen sucht er uns zu fangen in Unmäßigkeit, bei der Liebe in Sinnlichkeit, bei der Arbeit in der Nachlässigkeit, beim Umgang im Neid, beim Herrschen in der Herrschsucht, beim Strafen im Zorn, bei Ehrenerweisungen in der Eitelkeit; im Herzen erregt er allerhand böse Gedanken, im Munde böse Worte, in unserm Handeln böse Werke, selbst im Schlafe unreine Träume. Girolamo Savonarola † 1498.

Ich aber irre nicht usw. Das Auslegen der Lockspeise gereicht dem Fisch noch nicht zum Verderben, wenn er nur nicht anbeißt. Thom. Watson † 1690.

V. 111. Deine Zeugnisse sind mein ewiges Erbe, wörtl.: Ich habe deine Zeugnisse als Besitz erhalten auf ewig. Weshalb der Psalmist die göttlichen Zeugnisse als Erbe oder Besitz bezeichnet, ist nicht ohne weiteres verständlich, denn das Wort Gottes zeigt und verbürgt uns zwar das Erbe, aber es ist doch nicht selber das Erbe. Und doch ist dieser Ausdruck wohlberechtigt, schon allein um den unaussprechlichen Trost und der köstlichen Schätze willen, die im Worte Gottes enthalten sind. Das Wort Gottes ist eine unerschöpflich reiche Schatzkammer, ein Vorratshaus der köstlichsten Güter. Und alle Gerechtsame, auf die wir Anspruch haben im Himmel und auf Erden, sie alle finden sich im Worte Gottes. Wer dies zu Eigen besitzt, der darf von einem schönen Erbteil reden. Rich. Holdsworth † 1649.

V. 112. Ich neige mein Herz, zu tun nach deinen Rechten immer und ewiglich. Im vorhergehenden Vers hat der Psalmist seinen Glauben bekannt und die Freude, die aus diesem Glauben entsprang; jetzt spricht er aus, dass er in dieser seiner Freude die Gebote Gottes halten wolle. Damit zeigt er auch, dass seine Freude eine rechte Freude war, denn sie bewirkte in ihm das Bestreben, Recht zu tun. Denn wenn wir den Verheißungen wahrhaftig glauben, dann müssen wir die Gebote auch wirklich lieb haben, sonst ist unser Glaube eitel. Wer da sorgt, wie sein Leben dem Herrn gefalle, bei dem wird es auch am Glauben an Gottes Verheißungen nicht fehlen. Rich. Greenham † 1591.

Ich neige usw. Wie stimmt zu diesem Selbstzeugnis, dass er in V. 36 den HERRN bittet: "Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen"? Dies widerspricht sich keineswegs. Gott neigt das Herz, und der Gottesfürchtige neigt es gleichfalls. Des Menschen Neigen aber ist auf das Wollen beschränkt, Gottes Neigen gibt das Vollbringen. Und auch das, was der Mensch erstrebt, und was er durch sein Streben Gottgefälliges zustande bringt, ist nicht von ihm selbst, sondern allein vom HERRN, der gibt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Wolfgang Musculus † 1563.

Dieses Bekenntnis Davids müssen wir wohl beachten, damit wir nicht etwa meinen, Gott zu gefallen, wenn wir seinen Willen gezwungen tun. Wir sehen die armen Heiden und Ungläubigen sich abmühen und abquälen, sie tun es nur unfreiwillig; gerne möchten sie der Hand Gottes entfliehen, aber wie unter einem Zwange und Banne stehend kommen sie ihm immer näher, aber zum Gerichte. Und wenn wir solche knechtische Neigung haben, dass wir nur einem Zwange gehorchen, so taugt unser ganzes Wollen und Tun nichts, und Gott wird es auch verleugnen. Und warum? Weil Gott bei dem Gehorsam, den man ihm entgegenbringt, vor allem auf die Freiwilligkeit sieht. Darum sagt David, dass er sein Herz neige, Gottes Gebote zu tun; er will damit nicht behaupten, dass er das aus sich, aus seinem eigenen Innern heraus getan, sondern weil Gott ihm dazu das Wollen und das Vollbringen gegeben. Wir sehen auch nirgends, dass David sich je einmal gerühmt hätte, dass er zu seinem Streben nach dem Guten von seiner eigenen Natur veranlasst und geführt worden sei, nirgends rühmt er sich einer natürlichen Neigung zum Guten, im Gegenteil, er spricht es klar und offen aus: Ich bin in Sünden empfangen und geboren. Wenn er also hier davon spricht, sein Herz geneigt zu haben, so gibt er damit nur ein Beispiel von der Wirkung der göttlichen Gnade. Jean Calvin † 1564.

Für immer und bis ans Ende. (Wörtl.) Unser Leben auf Erden ist ein Wettlauf. Und wenn wir am Anfang noch so schnell laufen, es ist vergeblich, wenn wir nachher ermatten und den Lauf aufgeben, ehe wir ans Ziel kommen. Nur das Ausharren bis ans Ende wird gekrönt. Es ist ganz gut, einen guten Anfang gemacht zu haben; lasset uns aber Fleiß tun, bis ans Ende zu beharren. William Cowper † 1619.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »



113.
Ich hasse die Flattergeister
und liebe dein Gesetz.
114.
Du bist mein Schirm und Schild;
ich hoffe auf dein Wort.
115.
Weichet von mir, ihr Boshaften;
ich will halten die Gebote meines Gottes.
116.
Erhalte mich durch dein Wort, dass ich lebe,
und lass mich nicht zu Schanden werden über meiner Hoffnung.
117.
Stärke mich, dass ich genese,
so will ich stets meine Lust haben an deinen Rechten.
118.
Du zertrittst alle, die von deinen Rechten abirren;
denn ihre Trügerei ist eitel Lüge.
119.
Du wirfst alle Gottlosen auf Erden weg wie Schlacken;
darum liebe ich deine Zeugnisse.
120.
Ich fürchte mich vor dir, dass mir die Haut schaudert,
und entsetze mich vor deinen Gerichten.



113. Ich hasse die Flattergeister und liebe dein Gesetz. In diesem Abschnitt machen dem Psalmisten hauptsächlich die Leute zu schaffen, die sich zu Gott und seinem Wort und seinen Wegen teils durch Halbheit, teils durch Bosheit in einen Gegensatz gestellt haben. Sein ganzes Innere erregt sich wider sie. Wie er die vorvorige Gruppe V. 97 mit dem Ausruf begann: "Wie habe ich dein Gesetz so lieb!" so eröffnet er diesen Abschnitt mit der Bezeugung seines Hasses gegen diejenigen, die diesem Gesetz nicht mit ganzem Herzen anhangen, sondern Gott und seinem Worte die Treue brechen, und wiederholt dann gerade ihrem Abfall gegenüber das Bekenntnis seiner Liebe zu dem Gesetz des HERRN. Von offenbaren Ungläubigen und Gottlosen hatte der Dichter unseres Psalms ja viel zu erdulden, wie wir gesehen haben; noch mehr aber empört sich seine Seele über die Flattergeister, die unbeständigen Gemütes das unfehlbare und darum unwandelbare Gesetz des HERRN verließen und den schwankenden, ewig wechselnden Meinungen der Menschen nachjagten. Was für Leute er meint, das ersehen wir am besten aus dem Worte des Elias auf dem Karmel: Wie lange hinket ihr auf beide Seiten? Ist der HERR Gott, so wandelt ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach! (1. Könige 18,21) Ach, das Volk antwortete Elia nichts, denn gerade dieses dämmerige Halbdunkel der Unentschiedenheit behagte ihm, da man Baalsdienst und Jehovahdienst nebeneinander treiben konnte. So gab es auch zu der Zeit des Dichters unseres Psalmes viele, die innerlich gespalten waren, die sich wägen und wiegen ließen von allerlei Wind der Lehre durch Schalkheit der Menschen und Täuscherei (Eph. 4,14).


Besonders mächtig wurde ja diese Strömung hernach in der Zeit des griechischen Einflusses, wo viele die naturalistische hellenische Philosophie mit dem Mosaismus zu vereinigen suchten und es Kreise gab, in denen man nichts Bedenkliches darin sah, sogar einmal (2. Makkabäer 4,18 ff.) eine Festgesandtschaft von Jerusalem nach Tyrus zu senden, zu dem heidnischen Götzenfeste der befreundeten Stadt, mit Priestern des Jehovahtempels an der Spitze, die dem heidnischen Gott Opfergaben darbringen sollten (welche man dann allerdings aus Furcht vor den Strenggläubigen in einer minder anstößigen Weise verwendete) - wo man also in ganz moderner Art vornehme Toleranz üben zu dürfen glaubte, ohne dadurch mit dem heimischen Kult zu brechen, weil dieser den Betreffenden eben auch nur leere Form geworden, zu einem herkömmlichen Religionsbrauch herabgesunken war.


Die Strömungen, die Richtungen, in denen sich die Menschenmeinungen bewegen, wechseln mit den Zeiten; aber zwiespältige Herzen, die zwischen Gott und Welt und zwischen Gotteswort und Menschenlehre hin- und herschwanken, hat es zu allen Zeiten gegeben, so schon, als der Psalmist lebte. Ihm aber waren diese Halben in der Seele zuwider, ihr unkeuscher Wankelmut erfüllte ihn mit Abscheu, und für die Erdichtungen der Menschen, denen sie folgten, hatte er nur Verachtung. Alle seine Ehrfurcht und Liebe wandte sich dem gewissen Worte der göttlichen Offenbarung zu, und dem Maße seiner Liebe zu Gottes Gesetz entsprach sein Hass gegen die Erfindungen der Menschen. Sind doch die Gedanken der Menschen nichts als Eitelkeit, Gottes Gedanken die lautere Wahrheit. Man hört auch in unseren Tagen viel von großen Denkern, von gedankenreichen Predigern, von den neuen Errungenschaften der Wissenschaft und von der modernen Weltanschauung überhaupt; aber was enthüllt sich darin anders als der alte Stolz des Menschenherzens? Hängen wir uns an die Lehren der Menschen, so sind wir verurteilt, immer wieder umherzuflattern, denn die Meinungen und Ansichten und Systeme der Menschen wechseln beständig, nirgends findet unser Herz Ruhe. Baal hat heute einen anderen Namen, der moderne Götze heißt Natur; die Sache aber ist dieselbe, denn schon in Baal verehrte man die Natur statt des Schöpfers. Und wie viele schwanken, wie damals in Elias Tagen oder in den Zeiten des eindringenden Griechentums, zwischen dem alten und dem neuen Glauben unentschieden hin und her.


Doch gibt es auch nicht wenige, die an Entschiedenheit in der Lehre nichts zu wünschen übriglassen, ja die mit einem wahren Feuereifer für diese oder jene Lehre, für diese oder jene besondere Gestalt des Christentums eintreten und sich dabei doch in ihrer eigentlichen Gesinnung und ihrem Wandel als zwiespältig erweisen. Überhaupt, wieviel Halbheit des Herzens findet sich auch bei manchen, die sich Christen im engeren Sinn des Wortes nennen, welch klägliche Nichtübereinstimmung zwischen Bekenntnis und Wandel! Da gilt es wohl, dass wir uns selbst prüfen, wozu wir gehören, zu denen, die mit ganzem Herzen dem HERRN anhangen, oder zu den Doppelherzigen, zu den Halben oder zu den Ganzen, zu den Flattergeistern oder zu den Treuen. Es gibt kaum unglücklichere Wesen als solche Halben, die weder warm noch kalt sind. Schrecklich ist das Los, das ihrer wartet, wenn sie sich nicht durch Gottes Mahnungen zur Buße führen lassen: der Herr wird sie ausspeien aus seinem Munde! Wie aber Gott ihr nikolaitisches Wesen hasst (Off. 2,15), so sind sie auch dem treuen Knechte Gottes ein Gräuel. Mit ganzem Herzen hängt er an dem ewigen Worte, das über die menschlichen Gedanken und Meinungen, selbst die besten und edelsten, so hoch erhaben ist wie der Himmel über der Erde, und das mit dem Licht seiner Wahrheit all den Lügendunst der Menschen verjagt wie die Sonne den Nebel.

114. Du bist mein Schirm und Schild. Bei seinem Gott barg er sich, wie vor den Anfeindungen, so auch vor den Versuchungen, die bei dem Abfall und der Zwiespältigkeit so vieler ihm drohten. Dort, in der tiefen feierlichen Gottesruhe, fand seine Seele die rechte Zufluchtsstätte. Und wenn er nicht allein sein konnte mit seinem Gott in dem Versteck trauter Stille, sondern er hinaus musste in das Getriebe der Welt, so hatte er den HERRN dennoch bei sich als seinen Schild und konnte also auch im heißesten Kampfe alle die feurigen Pfeile auslöschen, die gegen ihn heranflogen. Dieser Vers ist so recht ein Zeugnis aus der Erfahrung, und zwar der eigensten des Psalmisten. Beachten wir, dass der Psalmdichter als seine zwiefache Schutzwehr nicht Gottes Wort nennt, sondern den HERRN selbst. Sonderlich dann, wenn wir von solchen hochgradig geistlichen Anfechtungen bestürmt werden, wie Zeiten des Abfalls und mächtiger Strömungen des Unglaubens sie mit sich bringen, tun wir wohl daran, unmittelbar zum HERRN unsere Zuflucht zu nehmen und uns des zu getrösten, dass er wahrhaftig bei uns ist. Wie selig ist der Mensch, der zu dem dreieinigen Gott sagen kann: Du bist mein Schirm und Schild! Hat er damit doch Gott bei seiner Bundestreue gefasst.


Ich hoffe auf dein Wort. Ja, das durfte er getrost, denn er hatte es erprobt und hatte es bewährt erfunden. Darum erwartete er Schutz vor aller Gefahr und Bewahrung in allen Versuchungen von dem, der bisher seine feste Burg gewesen war, seine Schutzwehr gegen alle Angriffe. Es ist leicht, hoffnungsfreudig zu sein, wenn man einen Helfer hat, dessen Bereitwilligkeit und Macht zu helfen man bereits bei vielen Gelegenheiten erfahren hat. Bisweilen, wenn alles um uns her düster ist, ist das einzige, was wir tun können, dass wir hoffen, und gottlob! das Wort Gottes bietet uns stets Dinge dar, auf die wir hoffen dürfen, und Gründe und Tatsachen, um deren willen wir hoffen dürfen. Das Wort des HERRN ist so recht das Lebenselement der gläubigen Hoffnung, da findet sie alles, wessen sie zu kräftigem Gedeihen bedarf. In all der Qual und Pein des Lebens ist die Hoffnung auf die ewige Seligkeit, die das Wort uns bietet, ein wunderbares Mittel, um das unruhige Herz zu stillen.

115. Weichet von mir, ihr Boshaften. Könige sind besonders dem ausgesetzt, sich von Leuten umgeben zu sehen, die ihnen schmeicheln und es sich dabei zugleich herausnehmen, Gottes Gebote zu brechen. David reinigte sein Haus von solchen Schmarotzern, er wollte sie nicht unter seinem Dache dulden. Ganz sicher hätten sie ihn in üblen Ruf gebracht, denn man würde ihn für ihre bösen Taten verantwortlich gemacht haben, da ja in Allgemeinen das, was die Höflinge tun, so angesehen wird, als gehe es vom Hofe selbst aus. Darum jagte sie der König fort mit Sack und Pack, indem er sprach: Weichet von mir! Das ist dasselbe Wort, das der Davidssohn einst am Jüngsten Tage sprechen wird: Weichet alle von mir, ihr Übeltäter! (Mt. 7,23.) Wohl können wir nicht in allen Fällen die Bösen aus unseren Häusern wegweisen, doch wird es oft unsere Pflicht sein, so zu handeln. Ein Hauswesen kann nur gewinnen, wenn es alle Lügner, alle, die sich Veruntreuungen zu Schulden kommen lassen, alle losen Mäuler und Verleumder los wird. Jedenfalls sind wir verpflichtet, da wo uns die Wahl frei steht, uns von dem Umgang mit solchen fern zu halten, von denen wir sittlich Verwerfliches anzunehmen berechtigt sind. Übeltäter sind üble Ratgeber. Menschen, die zu Gott sprechen können: "Weiche von uns!" müssen eigentlich sofort als Antwort aus dem Munde der Kinder Gottes den Widerhall ihrer eigenen Worte zu hören bekommen: Weiche von uns, wir können mit Verrätern nicht an einem Tische sitzen.

Ich will halten die Gebote meines Gottes. Darum eben, weil es ihm zu schwer fiel, in der Gesellschaft von Gottlosen Gottes Gebote zu halten, hatte er jenen den Laufpass gegeben. Die Gebote musste er halten um jeden Preis, dagegen war er nicht gebunden, mit jenen Leuten Gemeinschaft zu halten. - Welch schöne Bezeichnung für den HERRN enthält dieser Vers! Das Wort Gott kommt in dem ganzen langen Psalme nur an dieser einen Stelle vor, und da steht es mit dem süßen Wörtlein mein verbunden: mein Gott. Weil Jehovah unser Gott ist, darum sind wir entschlossen, ihm zu gehorchen und alle die aus unserer Gegenwart zu entfernen, die uns an seinem Dienste hindern würden. Es ist etwas Großes darum, zu einer endgültigen gottgefälligen Entscheidung gekommen zu sein und fest bei derselben zu verharren: Ich will halten die Gebote meines Gottes! Gottes Gesetz ist unsere Freude, wenn der Gesetzgeber unser Gott ist.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

116. Erhalte (wörtl.: stütze) mich durch dein Wort (Grundtext: nach deinem Worte), dass ich lebe. So sehr tat es Not, dass der HERR seinen Knecht stütze, aufrecht halte, dass dieser ohne solche Hilfe nicht einmal leben konnte. Unsere Seele müsste in der Tat sterben, wenn der HERR sie nicht fortwährend erhielte, und alle Tugenden, die ja die Äußerungen des wahren, wirklich lebendigen geistlichen Lebens sind, würden zusammenbrechen, wenn er seine stützende Hand von uns abzöge. Es ist ein gar tröstlicher Gedanke, dass diesem großen Bedürfnis der Erhaltung schon von alters her in dem göttlichen Worte Rechnung getragen ist und wir also darum nicht als um eine im Bundesvertrage nicht vorgesehene außerordentliche Gnade bitten müssen, sondern sie ganz einfach als die Erfüllung eines Versprechens ansprechen dürfen: Erhalte mich, stütze mich deiner Verheißung gemäß! Er, der uns das neue, ewige Leben geschenkt hat, hat uns mit dieser Gabe alles verbürgt, was dazu gehört, und da das gnadenvolle Aufrechterhaltenwerden für uns etwas so Nötiges ist, so dürfen wir sicher sein, dass es uns zuteilwerden wird.


Und lass mich nicht zu Schanden werden über meiner Hoffnung. In dem 114. Vers hatte er von seiner Hoffnung gesprochen als einer auf das Wort sich gründenden, und nun bittet er um die Erfüllung dieses Wortes, damit seine Hoffnung vor aller Augen als wohlbegründet erwiesen werde. Jedermann müsste sich ja seiner Hoffnung schämen, wenn es sich herausstellen würde, dass seine Hoffnung des sicheren Grundes entbehrte; aber das ist bei uns ausgeschlossen. Wohl mögen wir uns unserer Gedanken, unserer Worte und unserer Werke schämen müssen, denn diese rühren von uns selber her; nie aber werden wir über unserer Hoffnung zu Schanden werden, denn diese hat ihren Ursprung in Gott dem HERRN selber. Die Gebrechlichkeit unserer Natur ist so groß, dass wir, wenn uns die Gnade nicht unablässig stützte und aufrecht erhielte, aufs schmählichste fallen würden, so dass wir selbst zu Schanden werden und Schmach auch auf all die herrlichen Hoffnungen fallen würde, die jetzt die Krone und Ehre unseres Leben bilden. Der Mann Gottes, der diesen Psalm gedichtet, hatte die bestimmtesten, festesten Vorsätze ausgesprochen, aber er fühlte, dass er sich auch auf seine feierlichsten Gelöbnisse nicht verlassen konnte; darum die Bitten unseres Verses. Es ist nicht unrecht, Vorsätze zu fassen, aber es wird nutzlos sein, es sei denn, dass wir sie wohl würzen mit gläubigem Flehen zu Gott. Der Psalmist hatte die feste Absicht, das Gesetz des HERRN zu halten; aber das Erste, das er dazu brauchte, war, dass der HERR des Gesetzes ihn hielt.

117. Stärke mich, dass ich genese, d. h. dass ich am Leben bleibe, gerettet werde, mir geholfen werde, denn das ist die alte Bedeutung, in der Luther das Wort genesen anwendet. Andere übersetzen das Anfangswort: Halte mich - wie eine Wärterin ein kleines Kind stützt und aufrecht hält. Denn wenn du nicht bei mir stehst und mir in meiner Schwachheit hilfst, so muss ich ja straucheln und einmal über das andere fallen wie ein Kindlein, das seine ersten Schritte macht; hältst du mich aber, so wird mir geholfen, so widerfährt mir Heil, so bin ich ganz sicher. Es genügt nicht, dass wir einmal etwas von der rettenden Gnade an uns erfahren haben; wir müssen von dieser Gnade fort und fort, jeden Augenblick, gehalten und gestärkt werden. Der Psalmdichter hatte (siehe V. 106) gelobt, des HERRN Rechte zu halten; hier aber fleht er zum HERRN, er möge ihn halten - ein sehr verständiges Vorgehen. Die Bitten von V. 116 und V. 117 sind einander sehr ähnlich: Sei mein Halt, stütze oder stärke mich. Ach, wir brauchen in der Tat Gottes Beistand in jeder nur denkbaren Weise, denn unsere Schwachheit ist auch mannigfaltig, und ebenso vielfältig sind die Weisen, wie unsere Gegner uns zu Fall zu bringen suchen. Bei alledem dennoch aufrecht zu bleiben und ganz sicher sein zu können ist ein großes Glück. Zu diesem Glück gibt es nur eine Tür, aber die steht auch dem Geringsten unter uns offen.


So will ich stets meine Lust haben an deinen Rechten. So übersetzt Luther nach den alten Übersetzungen, die dabei wohl die im Hebräischen etwas ähnlichen Aussagen von V. 16 und V. 47 im Sinne hatten.
Dem Grundtext an unserer Stelle entspricht besser die früheste Übersetzung Luthers (vom J. 1521): Und will mich halten zu deinen Geboten (wörtl.: will schauen auf deine Gebote) allewege. Niemand wird die Rechte des HERRN andauernd in seinem äußeren Wandel halten, wenn nicht sein Herz sich zu ihnen hält, das innere Auge seines Herzens auf sie gerichtet ist, und das wird nie der Fall sein, wenn die Hand des HERRN nicht das Herz beständig in heiliger Liebe erhält. Beharren bis ans Ende, allewege treu gehorchen, das vermögen wir nur aus des Gottes Macht, dessen Gnade den Anfang in uns gewirkt hat. Am Ende erweist sich’s, dass wir neben das Ziel gefahren, wie der Pfeil aus trügerischem Bogen (Ps. 78,57), wenn wir nicht in der rechten Bahn gehalten werden durch die starke Hand dessen, der uns zuerst darauf gewiesen.


Selig ist der Mann, der den Inhalt dieses Verses erlebt, der also, durch die Macht der Gnade sein ganzes Leben hindurch in unerschütterlicher Rechtschaffenheit wandelnd, ein leuchtendes Exempel dessen wird, was Gottes Heil an einem Menschenherzen auszurichten vermag, und sich jene zarte Gewissenhaftigkeit bewahrt, die andern ein unbekanntes Ding ist. Er hat mit der Halbheit, dem geteilten, wankelmütigen Wesen der Flattergeister nichts zu schaffen, sondern hat sein Augenmerk stets auf die Rechte des HERRN gerichtet, denen seine ganze Liebe gehört, und wird durch diese seine Treue bewahrt vor den Widersprüchen zwischen Wandel und Bekenntnis und vor der Weltförmigkeit, die sich bei andern so häufig finden, und also wird er eine Säule in dem Hause des HERRN. Ach, es gibt so manche Christen, die nicht aufrichtig wandeln, sondern sich der Sünde zuneigen, bis sie das Gleichgewicht verlieren und schmählich fallen; und ob sie auch wieder vom Boden aufgerichtet werden, kommen sie doch nie zu einem festen, gewissen Gang, und es fehlt ihnen die zarte Keuschheit des Herzens, die den köstlichen Schmuck derer bildet, die mit ganzem Ernst der Heiligung nachjagen und, weil sie sich von der Gnade führen lassen, vor so mancher Schlammpfütze der Sünde bewahrt werden, in die jene geraten.

118. Du zertrittst alle, die von deinen Rechten abirren. Ihnen erweist sich Gottes Macht nicht als stärkende, aufrecht erhaltende, sondern sie werden von eben dieser Macht zu Boden gestürzt und zertreten, haben sie doch selber es erwählt, in den Irrwegen der Sünde zu wandeln, die unfehlbar ins Verderben stürzen. Einmal, sei es früher oder später, setzt Gott seinen Fuß auf den Nacken aller derer, die ihren Fuß von seinen Geboten abwenden; so ist es immer gewesen, und so wird es sein bis ans Ende. Wenn das Salz dumm geworden ist, wozu ist es hinfort nütze, denn dass es zertreten werde? Andere übersetzen: Du verwirfst sie, und zwar ist die Bedeutung genauer, dass sie auf der Waage gewogen und zu leicht erfunden und darum verachtet und verworfen werden wie falsches Geld oder (vergleiche den folgenden Vers) wie die leichten Schlacken gegenüber dem lauteren Metall, die nur geeignet sind, auf den Weg geworfen zu werden, wo sie von den Füßen zertreten und zu Staub zermalmt werden.

Denn ihre Trügerei ist eitel Lüge. Sie halten es freilich für weitsichtige Klugheit, dass sie die Menschen also betrügen und hintergehen, aber in Wahrheit ist es nichts als Falschheit, Lüge vor allem auch gegen den HERRN, den doch niemand mit Lügen und Listen täuschen kann, und als Lüge, als Falschheit wird es auch von dem HERRN behandelt werden. Die Kinder dieser Welt nennen es kluge Diplomatie, vernünftiges Ausnützen der Verhältnisse; aber Gottes Kinder, die den Geist der Wahrheit bei sich haben, nennen schwarz schwarz, und Falschheit bleibt ihnen Falschheit, so sehr sie sich auch schmücke, denn sie wissen, dass sie sich auch in Gottes Augen also darstellt. Leute, die von dem rechten Wege abweichen, erfinden allerlei wohlklingende Ausflüchte, mit denen sie sich selbst und andere täuschen und dadurch ihr Gewissen beschwichtigen und ihr Ansehen bei den Menschen aufrecht halten; aber die Lügenmaske, mit der sie sich decken wollen, ist doch gar zu durchsichtig. Gott zertritt alle Truggewebe der Menschen; sie sind zu nichts nütze, als dass sie von seinen Füßen in den Staub getreten werden. Welch schreckliche Überraschung muss es für diejenigen einst sein, die ihr ganzes Leben daran gewendet haben, sich mit aller Kunst eine selbst ersonnene Religion zu verfertigen, wenn sie dann sehen müssen, wie ihr ganzes Kunstwerk von Gott zertreten wird als eine Fälschung, die ihm ein unausstehlicher Gräuel ist.

119. Du wirfst alle Gottlosen auf Erden weg wie Schlacken. Gott tändelt nicht mit ihnen, er fasst sie nicht mit Samthandschuhen an. Nein, er erachtet, beurteilt (so lasen einige Alte den Text) sie als wertlose Schlacken, als den Auswurf und Abschaum der Erde, und danach behandelt er sie auch: er wirft sie weg (so die gewöhnliche Lesart). Er stößt sie hinaus aus seiner Gemeine, stößt sie hinweg aus ihren Ehren, rottet sie aus von der Erde und verwirft sie endlich für immer von seinem Angesichte. Hinweg von mir, ihr Verfluchten! Das ist das letzte Wort, das sie aus seinem Munde hören, und das doch ewig ihnen in den Ohren tönt, als würde es immer neu zu ihnen gesprochen. Wenn ein redlich gesinnter Mensch sich schon gezwungen sieht, die Übeltäter aus seiner Umgebung zu entfernen, wieviel mehr muss nicht der dreimal heilige Gott alle Gottlosen von sich weisen und verwerfen. Sie hatten das Aussehen von edlem Metall, sie waren auch darunter vermengt, bildeten einen Haufen damit. Aber der HERR versteht sich auf die Scheidekunst; jeden Tag schafft er etliche von den Gottlosen aus seinem Volke weg, sei es indem er ihre Heuchelei offenbar macht und sie dadurch schmählich zu Schanden werden lässt, sei es dass er sie von der Erde vertilgt. Sie werden weggeworfen wie Schlacken, um nie wieder herbeigeholt zu werden. Und gleichwie das Silber dadurch an Wert gewinnt, dass es seine unedlen Zusätze verliert, so dient es auch der Gemeinde des HERRN zum Gewinn, wenn Gottlose aus ihr entfernt werden. Diese leben nicht nur auf Erden, sondern sie sind auch von der Erde und haben daher kein Recht, unter denen zu weilen, die nicht von der Welt sind; der HERR sieht, dass sie am unrechten Platze sind, wo sie nur hinderlich und schädlich sind, deshalb schafft er sie weg, und zwar alle ohne Ausnahme, keiner darf zurückbleiben, um seine erlöste Gemeinde zu verunreinigen und minderwertig zu machen. Diese Arbeit der Ausscheidung wird eines Tages beendet sein; keine Schlacke wird verschont werden, nichts vom Golde wird ungereinigt bleiben. Wo werden wir sein, wenn dieses große Werk vollendet sein wird?

Darum liebe ich deine Zeugnisse. Selbst die Taten, in denen der HERR seine Strenge erweist, schüren bei seinem Volke das Feuer der Liebe. Wenn er die Menschen immerzu ungestraft sündigen ließe, so könnte er nicht in so hohem Maße der Gegenstand unserer liebenden Bewunderung sein. Er ist herrlich erhaben gerade in seiner Heiligkeit, denn durch seine furchtbaren Taten befreit er sein Reich von den Aufrührern und reinigt er seinen Tempel von denen, die ihn entweihen. In unseren bösen Zeiten, da Gottes Strafgerechtigkeit die Zielscheibe frecher Angriffe eines hochmütigen, anmaßenden Unglaubens geworden ist, mögen wir es als ein Kennzeichen eines rechten Gottesknechtes ansehen, dass er den HERRN darum nicht weniger, sondern noch viel, viel mehr liebt, dass er an den Gottlosen Gericht übt, wie sie es verdienen.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

120. Ich fürchte mich vor dir, dass mir die Haut schaudert. So groß war die Scheu, die er bei dem Gefühl der Allgegenwart des Richters aller Welt empfand, über dessen Gericht er soeben nachgedacht hatte, dass es ihm ging wie selbst Mose an dem brennenden Sinai, der da sprach: Ich bin erschrocken und zittere (Hebr. 12,21). Selbst der gröbere Teil seines Ich, sein Fleisch, ward von Schauern der Furcht durchbebt bei dem Gedanken, ein so vollkommen gutes und großes Wesen zu beleidigen, ihn, der so streng und unerbittlich die Gottlosen mitten aus den Gerechten heraus scheiden wird. Ach du armes Fleisch, solches Schaudern ist das Höchste an Frömmigkeit, wozu du gelangen kannst! Und entsetze mich vor deinen Gerichten. Gottes Worte des Gerichts, seine Urteilssprüche, sind feierlich ernst, und seine Gerichtstaten, die Vollziehungen seiner Urteile, sind schrecklich. Wahrlich, wir mögen uns wohl davor entsetzen! Wenn wir an den ewigen Richter denken, an sein alles durchdringendes Auge, an die unauslöschlichen Beurkundungen in seinen Büchern, an den großen Tag des Gerichtes und an die sein Urteil vollstreckenden Taten seiner Gerechtigkeit - ja dann mögen wir wohl flehen um Reinigung unserer Gedanken und Herzen und Hände, damit seine Gerichte uns nicht treffen. Und wenn wir jetzt schon sehen, wie er, der große Schmelzer, das Edle vom Unedlen scheidet, dann mögen wir wohl heilige Furcht empfinden, dass wir nicht etwa auch von ihm weggeworfen werden, um von seinen Füßen zertreten zu werden.
Die Liebe, von der in dem vorhergehenden Vers die Rede ist, verträgt sich gar wohl mit der Furcht, die dieser letzte Vers meint. Die Furcht, welche Pein hat, wird von der Liebe ausgetrieben, nicht aber die kindliche Furcht, die ehrerbietigen Gehorsam als Frucht zeitigt.

Erläuterungen und Kernworte


V. 113-120. Das achtfache s (S): Seine Hoffnung ruht auf Gottes Wort, ohne durch Zweifler und Abtrünnige sich irre machen zu lassen. Prof. Franz Delitzsch † 1890.

113. Spinnefeind1 bin ich den Flattergeistern,
Und dein Gesetz habe ich lieb.
114. Schirm bist du mir und Schild;
Auf dein Wort harre ich.
115. Schert euch1 von mir, ihr Bösewichter,
Dass ich halte die Gebote meines Gottes.
116. Stütze mich deiner Verheißung gemäß, dass ich lebe,
Und lass mich nicht zu Schanden werden an meiner Hoffnung.
117. Stärke mich, dass mir geholfen werde,
So will ich auf deine Satzungen schauen fort und fort.
118. Sie alle verwirfst du, die von deinen Rechten abirren,
Denn eitel Lüge ist ihre Trügerei.
119. Schlacken gleich schaffst du weg alle Gottlosen der Erde,
Darum liebe ich deine Zeugnisse.
120. Schauder ergreift mein Fleisch vor deiner Furchtbarkeit,
Und ich bange vor deinen Gerichten. - James Millard

V. 113. Die Flattergeister. Die eigentliche Bedeutung des Wortes Mypi(As" war schon den alten Übersetzern meist nicht mehr bekannt, wie ihre sehr allgemein gehaltenen Übersetzungen (LXX: parano/mouj, die Gesetzesübertreter, Vulg.: iniquos, die Bösen, Syr. perversos, die Verkehrten) zeigen. Es gibt jedoch zwei nahe verwandte Wörter, die uns auf die rechte Spur führen: Hiob 4,13; 20,2 MypRi(i#o: Gedanken, und 1. Könige 18,21 MypRi(is:ebenfalls Gedanken, geteilte Meinungen, Gesinnungen. Ein Teil der späteren Übersetzer nahm nun das Mypi(As" an unserer Stelle irrtümlich gleich MypRi(is: (MypRi(i#o:) Gedanken, cogitationes, und fasste dieses Wort im üblen Sinne, indem man alias, andere, abweichende (Beza), oder vanas, eitle, einfügte. So die engl. Übers.: Ich hasse eitle Gedanken - eine praktisch sehr fruchtbare, aber sprachlich unhaltbare Auffassung. An eitle Gedanken dachte schon die alte chaldäische Übers. der Psalmen, die aber richtig gesehen hat, dass, wie Aben-Ezra bemerkt, das Wort Mypi(As" seiner Form nach kein Abstraktum sein kann, sondern Bezeichnung von Personen mit einer gewissen Eigenschaft sein muss (nach der dagessierten, körperliche oder geistige Gebrechen anzeigenden Form, wie rW"(i blind, $r"x" taub, $qI"(i verkehrt) und daher übersetzt: cogitantes cogitationes vanas. Die nähere Bedeutung ist aber nicht durch Einfügung des Wortes "eitel" zu gewinnen, sondern aus der Grundbedeutung des Wortes selbst, unter Herbeiziehung der Stelle 1. Könige 18,21, wo in dem verwandten MypiI(is: geteilte Meinungen, diese Grundbedeutung zur Erscheinung kommt. Denn das Grundwort P(sheißt jedenfalls teilen, zerteilen, vergl. die Derivate ........ 1) Ritze, Kluft, Felsenkluft, 2) Zweig, und hpIf(as:, hpIf(ar:sa Zweig. Elia spricht zum Volke, das zwischen Baalsdienst und Jehovahdienst hin- und herschwankt: Wie lange hinket ihr nach beiden Seiten, oder genauer Meinungen, Gesinnungen, Parteien? An diese Stelle lehnen sich (mit Luther) fast sämtliche neueren Übersetzer in der Psalmstelle an. Die Mypi(As" sind demnach Leute von geteiltem, schwankendem Sinn, Menschen, deren Herz nicht ungeteilt Gott anhängt, die di/yucoi des Jakobus, und zwar nach den beiden Seiten, die an diesem Begriff bei Jakobus hervortreten, Leute unbeständigen Gemütes, sowohl Zweifler,
Jak. 1,8, als auch solche, die heuchlerisch im Herzen geteilt sind, Jak. 4,8. - Interessant sind die drei Übersetzungen Luthers. 1521 übersetzte er: Ich bin feind den Weblingen, die da hin- und herweben, und fahren wie Baumkipfen vom Winde, vergl. Eph. 4,14.


1524: Ich hasse die Ketzer: die heißen hier die unbeständigen Geister, die immer etwas Neues finden und vornehmen. 1545: Ich hasse die Flattergeister. - Andere meist auch gute praktische Winke gebende Übersetzungen und Umschreibungen, die wir großenteils auch bei der Umarbeitung der nur die unhaltbare englische Übersetzung des Verses berücksichtigenden Auslegung Spurgeons schon benutzt haben, sind z. B. innerlich Gespaltene, auf beiden Seiten Hinkende (Delitzsch), Zwiespältige (Kantzsch), Zweifler, eigentlich Geteilte (Hengst. und viele), die zwei Herren dienen (Gerlach), them that are of a double mind (Engl. Revid.), Wankelmütige (Keßler), unsichere, unbeständige Geister (P. Zeller), les hommes indécis (Segond), die Halben, deren Neigungen zwischen dem alten und dem neuen Glauben geteilt waren (Bäthgen), die halb heidnisch, nur halb (nur äußerlich) israelitisch waren (Keßler); weniger gut: Zweizüngige (Hitzig), Zweideutige (De Wette und andere). - James Millard

V. 114. Mein Schirm. Unser Herr Jesus Christus besitzt alle Eigenschaften, die ihn zum besten Zufluchtsort seiner Gläubigen machen. Denn er ist stark, er ist der ewige Fels, der starke Gott; er ist hoch erhaben, dass kein Mensch und kein Teufel ihm etwas anhaben kann; er birgt uns in den sicheren verborgenen Höhlen seiner Wunden, er ist treu und zuverlässig, er ist der Hüter, der nicht schläft noch schlummert. Ralph Robinson † 1655.

Mein Schild. Die Nützlichkeit eines Schildes besteht in Folgendem: Erstens in seiner Länge und Breite, so dass er den, der ihn trägt, völlig verdeckt und vor allen Pfeilen und Speeren, die gegen ihn geschleudert werden, schützt. (Ps. 5,13; 1. Mose 15,1; Ps. 28,7) Ein Schild ist ferner fest und undurchdringlich. Gottes Macht, mit der er sich der Seinen schützend annimmt, ist unbesiegbar, an ihr brechen sich alle Angriffe der Feinde
(Ps. 144,2). Und schließlich noch eins; Steine und Geschosse prallen von einem harten Schilde zurück, ja wohl gar zurück auf die, die sie geschleudert haben (Ps. 59,12). Thomas Manton † 1677.

Ich hoffe. Alles Holde und Liebliche, was sonst noch das menschliche Leben versüßen mag, langt an Bedeutung in dieser Beziehung doch von ferne nicht an die Hoffnung heran. Ohne die Hoffnung würde auch dem größten Glück und Genuss doch das Beste, ja die Hauptsache fehlen; ihr Dasein aber versüßt mir alles Bittere, lindert wie Balsam auch das tiefste Weh. Umgib mich mit allen Wonnen, die gegenwärtiger Besitz und Genuss verleihen oder die Erinnerung in mir wiedererwecken kann - ohne die Hoffnung der Zukunft sind sie nicht imstande, mich wahrhaft zu sättigen. Ohne die Hoffnung bleibt nur Trauer darüber, dass die Freuden der Vergangenheit dahin sind und die Freuden der Gegenwart vergehen und dahin sein werden. Aber nimmst du mir auch alle diese Freuden, die die Vergangenheit und Gegenwart gewähren können - wenn nur die Hoffnung auf ein lichtes Morgen ihre Strahlen auf das trübe Gestern oder Heute fallen lässt, so überkommt mich Freude mitten in meinem Leid. Und wie geschäftig ist die Hoffnung, ihren mächtigen Einfluss bei uns auszuüben Die Hoffnung ist der edelste Abkömmling, das erstgeborene Kind des für die Zukunft, für die Ewigkeit geschaffenen Menschengeistes, und das Letzte, das Allerallerletzte, das er begräbt; denn was muss alles in einem Menschenherzen vorgegangen sein, bis es dies tut! Das Tier kann sich gedankenlos an der gegenwärtigen Fülle gütlich tun; aber der denkende Mensch sollte nicht und kann in Wahrheit nicht ohne die Hoffnung glücklich sein. William Grant 1876.


V. 115. Weichet von mir, ihr Boshaften. Nur zu häufig begeht man ein Unrecht zur Gesellschaft; es ist wie ein Kelch, der die Reihe umgeht und woraus jeder Anwesende trinkt. Darum ist es klug und vorsichtig gehandelt, jede Gesellschaft zu verlassen, wo die Sünde festen Fuß gefasst hat. Dort kannst du nichts gewinnen, ja zuletzt wird die schlechte Gesellschaft das Gute, das in dir ist, ersticken. Die Blume Unschuld gedeiht nicht in solchem Boden. Wie kümmerlich steht das Getreide, das mit Unkraut durchsetzt ist. Und alle Stärkungsmittel helfen einem Körper nicht, der voll schlechter Säfte steckt. Es ist schwer, ja fast unmöglich, mitten unter einer Rotte Gottloser nach Gottes Geboten zu leben. Darum musste David, als er mit Gottes Gesetz den Bund fürs Leben schließen wollte, den bösen Buben den Laufpass geben. Weichet von mir, ihr Boshaften, ich will halten die Gebote meines Gottes. Ich kann nicht so, wie ich sollte, meines Gottes Geboten gehorchen, solange ihr in meiner Gesellschaft weilt, darum hebet euch hinweg, ihr Übeltäter. George Swinnock † 1673.

Sirach ruft das Wehe über die Gottlosen und ihre Kinder und sagt: Die sich zu den Gottlosen gesellen, werden eitel Gräuel
(Sir. 41,6). Und selbst die Heiden des Altertums glaubten, dass der Fluch der Götter auf denen ruhe, die Gemeinschaft mit den Missetätern hielten. Mit einem Verächter der Götter zu wohnen oder zu reisen hielten sie für unheilvoll. So sagt Horaz:

Den weis’ ich von mir, der der Göttin Heiligstes
Mit frevelhaftem Sinn entweiht,
Dass nimmer unter meinem Dach er weile, noch
Mit mir in einem Schiff das Meer durchfahre.
Jonathan Edwards † 1758.

Die Gebote meines Gottes. Es ist unmöglich, dass jemand Gott von Herzen und auf die Dauer diene, der nicht aus voller Überzeugung mit dem Psalmisten sprechen kann: Er ist mein Gott. Und alle Freuden und alle Schrecken der Welt können eine solche Seele nicht von Gott scheiden, die in Wahrheit sagen kann: Der HERR ist mein Gott. William Cowper † 1619.




Fußnote
1. Natürlich sind solche Ausdrücke nur als Notbehelf unter dem Zwang der alphabetischen Anordnung entschuldbar, sofern sie den Gedanken des Grundtextes treu, wenn auch in unedler Form, wiedergeben.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Re: Regelmäßige Lesung aus der Schatzkammer Davids von Spurgeon

Beitrag von Jörg »

Erläuterungen und Kernworte

V. 116. Erhalt mich, sei mein Halt, nach deiner Zusage. Hoch in der Luft schwebt ein Drache. Du siehst nicht die Schnur, die ihn festhält, die Hand, die ihn führt, den Wind, der ihn höher und höher trägt. Und doch sind diese Dinge zum Fluge des Drachen durchaus notwendig. Wenn die Schnur risse, wenn die Hand losließe, wenn der Wind sich legte, so würde der stolze Flug mit einem schmählichen Fall enden. Denn der Drache besitzt keine eigene Kraft, die ihn emportreibt, von sich aus folgt er ebenso wohl wie alle irdischen Körper nur der Schwere, die ihn nach unten zieht. Dem Unkundigen muss dieses scheinbar naturwidrige Verhalten unbegreiflich sein. So ist es auch mit dem Menschen, wenn seine Seele durch den Geist Gottes aus dieser Welt des Niederen emporgehoben wird zu hohen, himmlischen Dingen, zu einem neuen, der gefallenen Natur widerstreitenden Zustande, und in diesem erhalten wird durch das Band des Glaubens, das ihn mit der leitenden Gotteshand verbindet. Lässt diese nur einen Augenblick los, so ist der Fall unausbleiblich. Seine einzige Kraft liegt im HERRN, seine einzige Sicherheit in der beständig fortwirkenden Gnade. H. G. Salter 1840.

V. 117. Stärke mich, stütze mich. Es ist nicht allein das Gefühl unserer Schwäche, sondern die Gefahren, die uns auf dem schmalen, steilen, schlüpfrigen Pfade drohen, sind das, was uns immer und immer wieder die Notwendigkeit einer fortwährenden Unterstützung Gottes, seines unablässigen Beistandes zum Bewusstsein bringt. Die Versuchung tritt uns in so mannigfacher Weise nahe, oft ganz ohne dass wir es merken, ihre Anfänge sind so versteckt, wir selbst sind von so unbegreiflicher und unbeschreiblicher Schwachheit und Blindheit, dass wir nur mit dieser Bitte im Herzen und auf den Lippen sicher wandeln können. (Vergl. das so schnell verbreitete Lied von Julie v. Haußmann, † 1904: So nimm denn meine Hände.) Charles Bridges † 1869.

So will ich stets schauen auf deine Rechte. Wenn Gottes Hand uns hält und führt, dann müssen wir aber auch nun in seiner Kraft den Weg unserer Pflicht, den Weg seiner Gebote wandeln mit Eifer und Freude, mit Lust und Liebe. Matthew Henry † 1714.

V. 118. Du zertrittst alle, die von deinen Rechten abirren. Es ist in unserer Zeit eine Neigung vorhanden, alle die Eigenschaften der Gottheit in einer einzigen aufgehen zu lassen. Während sich viele unserer hervorragendsten geistlichen Schriftsteller über die überreiche Güte, die sanfte, sich so viel gefallen lassende Milde und Wohltätigkeit Gottes, über seine Gnade, die so viel übersieht und die Gebrechen der menschlichen Schwachheit mit großer Nachsicht trägt, in sehr inniger und sinniger und sehr eingehender Weise ausgesprochen haben, so übergeht man, wenn nicht mit vorbedachtem, so doch mit tatsächlichem Schweigen Gottes Wahrhaftigkeit und Reinheit und seinen Hass gegen alles sittlich Böse. Es kann ja keine Herrschaft ohne Gesetz sein; die Frage aber wird wenig in Erwägung gezogen, was doch mit den Verletzungen dieses Gesetzes anzufangen sei. Jedes Gesetz hat seine Wirkungen - einerseits winkt der Lohn für seine Erfüllung, anderseits droht der Übertretung die Strafe. Soll die rächende Gerechtigkeit etwa nur angedroht werden, aber nie zur Vollziehung kommen? Soll die Schuld nur mit vorausgehenden Ankündigungen von Strafe bekämpft werden, nie aber mit nachfolgenden Züchtigungen?


Nimm der Rechtspflege die Vollmacht, Strafen zu verhängen, oder lass, was noch schlimmer wäre, die Strafen nur angedroht, aber niemals vollzogen werden, so sinkt das Ganze zu einer bedeutungslosen Spiegelfechterei herab. Das ganze Gebäude der sittlichen Weltregierung bricht dann in sich selbst zusammen, und statt einer erhabenen das Weltall lenkenden Autorität haben wir einen gestürzten Thron und einen seiner Würde entsetzten Herrscher. Soll die ganze Rechtsverwaltung nur eine Parade-Schaustellung sein, ohne Macht, das Recht auszuüben; soll Gott seine Wahrhaftigkeit nur, was die Verheißungen des Lohnes betrifft, aufrecht erhalten, aber ebenso regelmäßig von ihr abstehen, wenn die Androhungen der Strafe in Frage kommen; soll der Richter ganz in dem herzensguten Väterchen aufgehen, das sich durch nichts von seiner überguten Meinung abbringen lässt, - dann bleibt schließlich nichts als der Name übrig von der sittlichen Weltregierung, dann sind wir nicht Gottes Oberhoheit unterworfen, dann sind wir nur noch Schoßkinder, die verwöhnt und verhätschelt werden. Unter einem solchen Moralsystem müsste das ganze Weltall in einen Zustand der Anarchie, völliger Gesetzlosigkeit und Zuchtlosigkeit versinken, und in der Verwirrung dieser wilden Misswirtschaft würde der König, der in der Höhe thront, alle Gewalt über die von ihm selbst erzeugte Schöpfung verlieren. Thomas Chalmers † 1847.

Und also ist es denn geschehen,
Dass, wie von einem Wetterschlag,
Eh’ man die Hand hat zucken sehen,
Der, den sie traf, am Boden lag.
Und wir bekennen frei und offen:
Es ist der HERR, der ihn getroffen.
Der HERR hat ihn gepackt beim Schopfe,
Geschleudert ihn von seinem Stuhl
Gleich einem jämmerlichen Tropfe,
Nicht in den Staub, nein in den Pfuhl.
Aus: Gott und die Fürsten, von Fr. Rückert † 1861.

Ihre Trügerei ist eitel Lüge. Damit meint der Dichter wohl nicht die Trügerei, womit die Gottlosen andere betrügen, sondern diejenige, womit sie sich selbst betrügen. Und das geschieht auf zweierlei Weise: erstens indem sie von der Sünde etwas Gutes erwarten, wie es die Sünde ihnen ja lügnerisch verspricht, aber niemals gibt; und sodann, indem sie sich mit der eitlen Hoffnung täuschen, sie würden dem Gericht entrinnen, das sie doch sicher ergreifen wird. William Cowper † 1619.

Die Worte: Lüge ist ihre Täuscherei fasst man gewöhnlich auf: Erfolglos, selbstbetrügerisch ist usw. Besser: Lüge (besonders gegen den HERRN, vergl. V. 37.104.128) ist ihr (die Menschen) betrügendes Verhalten. Lic. H. Keßler 1899.

V. 119. Du hast alle Gottlosen auf Erden als das Kehricht ausgeworfen. Das hebräische Wort schabab ist deutsch worden und heißt verwerflich Ding, als Kehricht, Schlacken, Späne, Schaum, Spreu, Trestern usw., und lautet also: Du hast sie schababt wie das Kehricht und was jedermann wegwirft, dass sie nichts nütze sind, denn Dämme und Wehre mit ihnen zu füllen, dass man über sie laufe. Wiewohl sie viel anders wähnen, als seien sie allein auserlesen - sie sind Schabab. Martin Luther 1531.

Bei den Leuten dieser Welt sind Gottes Kinder "wie Kehricht der Welt, wie ein Abschaum aller" geachtet (1. Kor. 4,13); so missachtet war selbst ein Paulus, dies auserwählte Rüstzeug Gottes. In unserer Psalmstelle aber sehen wir, dass die Gottlosen nach Gottes Urteil in der Tat nichts als Schlacken sind, der Abschaum und Auswurf von Silber oder anderen guten Metallen. Möge das die Gottseligen in ihrer Zuversicht stärken gegenüber der Verachtung, die ihnen von den Menschen zuteil wird; der HERR allein hat in seiner Hand die Waage, die die Menschen wägt, wie sie wirklich sind. William Cowper † 1619.

1) Die Schlacken, die fremden, das gute Metall verunreinigenden Stoffe, trüben und verdecken den Glanz des Metalls.
2) Sie täuschen, indem sie dem guten Metall ähneln. Schlackensilber ähnelt dem Silber, ist aber doch nur Blei; Schlackenerz ähnelt dem Erz, ist aber kein Erz.
3) Die Schlacken werden durch das Feuer nicht veredelt wie das gute Metall, sondern werden im Gegenteil durch das Feuer als Schlacken offenbar.
4) Schlacken sind wertlos, sie haben keinen Nutzen und werden weggeworfen.
5) Es gibt gewisse, dem guten Metalle sich anheftende Stoffe, die nicht nur wertlos sind, sondern dieses angreifen und eben deshalb den Silberschmied nötigen, das Schmelzfeuer anzuwenden, um das Edle vom Unedlen, Schädlichen zu scheiden. William Greenhill † 1677.

V. 120. Dass mir die Haut schaudert, eigentlich von den Haaren gebraucht, die sich vor Schrecken aufrichten oder sträuben, vergl. Hiob 4,15. J. J. St. Perowne 1868.

Statt sich über die zu erheben, die Gottes Zorn verfallen sind, demütigt er sich. Was wir von Gerichten lesen oder hören, die Gott über Gottlose verhängt, das sollte uns dazu führen, Gottes furchtbare Majestät zu verehren und in heiliger Scheu vor ihm zu erbeben; denn wer kann stehen vor dem HERRN, solchem heiligen Gott? (1. Samuel 6,20.) Es sollte uns mit Furcht erfüllen, ihn zu beleidigen und uns dadurch seinem Zorne auszusetzen. Auch die Gläubigen haben es nötig, von der Sünde zurückgehalten zu werden durch die Schrecken des Herrn; ganz besonders, wenn das Gericht anfängt an dem Hause Gottes und Heuchler entlarvt und als Schlacken weggeworfen werden. Matthew Henry † 1714.

Als ich am Abend beim Gebet war, bekam ich so nahe, schreckliche Blicke in Gottes Gerichte über die Sünder in der Hölle, dass mein Leib erschauerte vor Furcht. Zitternd floh ich zu Jesu Christo, als ergriffen mich die Flammen. Ja, wenn Christus mich nicht rettete, so müsste ich verderben. Henry Martyn † 1812.

V. 116.120. Furcht - Hoffnung. Die rechte Frömmigkeit besteht in einer angemessenen Mischung von Furcht vor Gott und Hoffnung auf seine Gnade. Wo eine von beiden völlig fehlt, da kann von wahrer Frömmigkeit keine Rede sein. Gott hat sie zusammengefügt, und wir sollten sie nicht scheiden. Er kann nicht Gefallen haben an Menschen, die ihn mit einer sklavischen Furcht fürchten, ohne auf seine Gnade ihre Hoffnung zu setzen, denn solche halten ihn für einen grausamen Willkürherrscher, dem Güte fremd ist; auch bezichtigen sie ihn stillschweigend der Unwahrhaftigkeit, indem sie sich weigern, seinen Einladungen und Anerbietungen der Gnade zu glauben. Anderseits kann er aber auch an solchen kein Wohlgefallen haben, die vorgeben, auf seine Gnade zu hoffen, ohne ihn zu fürchten. Denn diese beschimpfen ihn durch ihr Verhalten, dem die Voraussetzung zugrunde liegt, es sei an ihm nichts, das zu fürchten wäre. Und überdies machen auch sie ihn zum Lügner, indem sie den schrecklichen Drohungen, die er wider die Sünder erlassen hat, nicht glauben, und sie beleidigen seine Majestät, indem sie ihm den Gehorsam verweigern. Nur wer den HERRN sowohl fürchtet als auch auf seine Gnade traut, gibt ihm die Ehre, die seinem Namen gebührt. Edward Payson † 1827.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »


121.
Ich halte Recht und Gerechtigkeit;
übergib mich nicht denen, die mir wollen Gewalt tun.
122.
Vertritt du deinen Knecht und tröste ihn;
mögen mir die Stolzen nicht Gewalt tun.
123.
Meine Augen sehnen sich nach deinem Heil
und nach dem Wort deiner Gerechtigkeit.
124.
Handle mit deinem Knechte nach deiner Gnade
und lehre mich deine Rechte.
125.
Ich bin dein Knecht; unterweise mich,
dass ich erkenne deine Zeugnisse.
126.
Es ist Zeit, dass der HERR dazu tue;
sie haben dein Gesetz zerrissen.
127.
Darum liebe ich dein Gebot
über Gold und über feines Gold.
128.
Darum halte ich stracks alle deine Befehle;
ich hasse allen falschen Weg.



121. Ich halte Recht und Gerechtigkeit, oder (vergl. Luther 1521): Ich habe Recht und Gerechtigkeit geübt. Das ist ein großes Wort im Munde eines orientalischen Herrschers, denn diese waren meist Despoten, mehr auf Gewinn als auf Gerechtigkeit bedacht. Etliche von ihnen vernachlässigten ihre Pflichten völlig und wollten überhaupt nicht das Recht ausüben, indem sie ihr Vergnügen der Erfüllung ihrer Herrscherpflicht vorzogen; noch mehr aber verkauften ihre Rechtsurteile dem, der am meisten dafür bot, indem sie Bestechungsgeschenke annahmen oder die Person ansahen. Manche Herrscher übten also überhaupt nicht Recht und Gericht aus, andere fällten wohl Urteile, aber ohne Gerechtigkeit; David jedoch fällte gerechte Entscheidungen und Urteile und achtete darauf, dass seine Verordnungen und Richtersprüche auch ausgeführt wurden. Er konnte vor dem HERRN den Anspruch erheben, dass er unparteiisch Gerechtigkeit geübt habe und auch jetzt noch das Recht einhalte.


Mit diesem Zeugnis seines guten Gewissens stützte er die Bitte: Übergib mich nicht denen, die mir wollen Gewalt tun. Wer, soweit seine Macht reicht, das Recht hochgehalten und ausgeübt hat, darf auch hoffen, von denen, die über ihn Macht haben, errettet zu werden, wenn sie ihm Unrecht zuzufügen suchen. Ist es mein fester Vorsatz, niemanden zu unterdrücken, so darf ich freimütig und hoffnungsvoll auch darum beten, dass andere mich nicht mögen unterdrücken können. Wandeln wir aufrichtig und redlich vor Gott und Menschen, so macht uns das kühn, uns an den erhabenen Richter aller zu wenden, dass er uns von der Ungerechtigkeit anderer befreie. Auch darf man dem Psalmisten diese Weise, seine Bitten zu begründen, nicht als Selbstgerechtigkeit auslegen. Wenn wir mit Gott reden über unsere Mängel und Verfehlungen, bedienen wir uns eines ganz anderen Tones, als wenn wir den harten Urteilen unserer Mitmenschen gegenüberstehen; und wissen wir uns ihnen gegenüber in solchen Fällen schuldlos, so sind wir auch berechtigt, unsere Unschuld geltend zu machen.

122. Tritt für deinen Knecht ein zum Guten. (Wörtl.) Antworte du für mich. Lass deinen armen Knecht nicht sterben durch die Hand seines Feindes, der auch dein Feind ist. Nimm meine Sache in deine Hand, mache sie zu deiner eigenen und verteidige mich. Bist du doch mein Herr und ich dein Knecht, so führe du meine Sache und vertritt mich vor den stolzen Menschen, dass sie zu der Einsicht kommen, welch erhabenen Verbündeten ich an dem HERRN, meinem Gott, habe. Mögen (oder lass) mir die Stolzen nicht Gewalt tun. Dein Eintreten wird meine Befreiung bewirken; wenn die Übermütigen sehen, dass du mein Verteidiger bist, so werden sie ihre Häupter verhüllen. Wir wären wahrlich unter unserem hochmütigen Widersacher, dem Teufel, schier erdrückt worden, wenn unser Herr und Heiland nicht zwischen uns und den Verkläger getreten und unser Bürge geworden wäre. Nur weil er uns zu Hilfe gekommen ist, sind wir entronnen wie ein Vogel dem Strick des Voglers. Wie gut ist’s, dass wir unsere Sache in seinen, unseres Sachwalters, treuen Händen lassen dürfen mit der vollen Gewissheit, dass alles wohl ausgehen wird, weil er eine Antwort hat für jeden Ankläger, die rechte Abweisung für jeden, der uns verlästern und uns Gewalt tun will.

Gutgesinnte Menschen haben ein Grauen vor gewalttätiger Unterdrückung, denn solche kann auch einen Weisen wahnsinnig machen; darum schreien sie zum Himmel um Befreiung. Und sie sollen nicht vergeblich rufen, der HERR wird die Sache seiner Knechte in die Hand nehmen und ihre Kämpfe gegen die Stolzen ausfechten. In recht kluger Weise verwendet der Psalmist das Wort Knecht als Stütze seiner Bitte, dass Gott ihm Gnade erweisen möge, und das Wort Stolze als Beweis gegen seine Feinde. Es scheint unvermeidlich, dass stolze Menschen Bedrücker werden und dass es ihnen am meisten Freude macht, wahrhaft gottselige Menschen ihre Gewalt fühlen zu lassen.

123. Meine Augen sehnen sich (verzehrend, vergl. V. 82) nach deinem Heil. Er schaute schmachtend aus nach Gottes helfender, rettender Hand, bis das Auge seines Glaubens fast versagte. Zu Gott allein sah er um Hilfe auf, er schaute scharf aus, schaute lange, so lang, bis seine Augen schmerzten und ihm übergingen. Wohl uns, dass Gottes Auge nicht müde wird. Unser Auge ist ein zartes Ding, und ähnlich ist es mit unserem Glauben, unserer Hoffnung, unserer Kraft des Harrens; Gott wird sie nicht versuchen über Vermögen. Und nach dem Wort deiner Gerechtigkeit, nach deinem gerechten Spruche, der die ungerechten Reden meiner Bedrücker zum Schweigen bringen wird. Nicht nur sein Ohr, auch sein Auge wartete auf des HERRN Wort; er schaute danach aus, dass das göttliche Wort als Befehl zu seiner Befreiung in Erscheinung trete. Wohl uns, wenn die Gerechtigkeit auf unserer Seite ist; dann ist eben das, was des Sünders Schrecken ist, unsere Hoffnung, das, wovor die Stolzen zittern, der Gegenstand unserer Erwartung und unseres Sehnens. Der Psalmist ließ seine Ehre ganz in Gottes Hand und wollte lieber durch den Spruch des Richters von den Anklagen gereinigt werden als durch irgendwelche Versuche, sich selbst zu verteidigen. Er war sich bewusst, recht gehandelt zu haben; darum scheute er das höchste Gericht nicht, sondern bat vielmehr um das Urteil, von dem er wusste, dass es seine Befreiung zur Folge haben würde. Er schaute sogar sehnlichst und unverwandt nach dem Urteil und der Befreiung aus, nach dem gerechten Spruche Gottes, der für ihn Heil bedeutete.

124. Handle mit deinem Knechte nach deiner Gnade. Hier besinnt er sich: mochte er vor den Menschen so rein sein, dass er den Spruch der Gerechtigkeit fordern konnte, so war er sich doch bewusst, dass er vor dem HERRN als sein Knecht sich an die Gnade wenden müsse. Dabei fühlen wir uns am sichersten. Unser Herz hat mehr Ruhe bei dem Ruf: "Gott, sei mir gnädig!" als bei dem Anrufen der Gerechtigkeit. Wohl uns, wenn wir sagen können: "Ich habe Recht und Gerechtigkeit geübt", dann aber in aller Demut fortfahren: "Handle du aber mit deinem Knecht nach deiner Gnade." Der Name Knecht, den er sich beilegt, enthält eine Begründung der Bitte. Der Gebieter ist verpflichtet, seinen Knecht zu verteidigen, wenn dieser fälschlich angeklagt wird, und ihm zu helfen von denen, die ihm Gewalt tun wollen; und überdies sollte ein Herr seinem Knechte Güte erweisen, auch wenn er mit einem Fremden streng verfährt. Unser himmlischer Herr traktiert seine Diener nicht mit Maulschellen und Fußtritten, sondern behandelt sie aufs leutseligste, redet freundlich mit ihnen und lässt sich herzlich zu ihrer Niedrigkeit herab, denn sonst würde seine Erhabenheit sie in den Staub drücken. Und lehre mich deine Rechte. Das ist eine der Weisen, wie er nach seiner Gnade an uns handelt. Wir dürfen erwarten, dass ein Herr seinen Knecht über die Bedeutung seiner Befehle unterweist. Da unsere Unwissenheit jedoch aus der durch die Sünde in uns gewirkten geistlichen Stumpfheit kommt, ist es von Gott sehr gnädig, dass er sich dazu herablässt, uns in seinen Geboten zu unterweisen. Dass unser erhabener Regent unser Lehrer wird, ist eine der auserlesensten Gnadenerweisungen, für die wir niemals dankbar genug sein können.

125. Ich bin dein Knecht. Das ist das dritte Mal, dass er diese Dienstbezeichnung in dieser selben Gruppe wiederholt; er liebt es offenbar, sich so zu nennen, und weiß, wie wirksam er sich bei seinen Bitten auf diese seine Stellung stützen kann. Wir, die wir darüber frohlocken, dass wir Kinder Gottes sind, empfinden doch nicht weniger Wonne dabei, dass wir seine Knechte sein dürfen. Hat nicht der erstgeborene Sohn Knechtsgestalt angenommen und das Werk des Knechtes Jehovahs aufs vollkommenste erfüllt? Welch höhere Ehre können wir jüngeren Brüder begehren, als dass wir dem, der der Erbe über alles ist, ähnlich gemacht werden?
Unterweise mich, lass mich einsichtig werden, dass ich erkenne deine Zeugnisse. In dem vorhergehenden Vers hatte er Belehrung erbeten; hier geht er noch weiter und fleht um Einsicht. Gewöhnlich findet ja der Schüler, wenn der Lehrer die Belehrung darbietet, schon von selber das Verständnis; in geistlichen Dingen aber sind wir viel abhängiger und müssen uns ebenso wie die Belehrung auch die Einsicht erbitten, und eben diese kann ein menschlicher Lehrer nicht geben. Darum ist es doppelt gut, dass unser göttlicher Lehrer sie uns darreichen kann. Wir haben nur unsere Torheit zu bekennen, so wird uns der HERR Weisheit sowohl wie auch Wissen geben.


Das beste Wissen und Verstehen ist das, welches uns geschickt macht zu völligem, unbedingtem Gehorsam, zu überzeugtem, bewusstem Glauben. Das ist’s auch, was der Psalmist begehrt: Unterweisung, um Gottes Zeugnisse zu erkennen. Manche Menschen möchten solche Dinge lieber nicht wissen; sie ziehen es vor, im gemächlichen Halbdunkel der Unwissenheit zu bleiben, statt sich von dem Lichte bescheinen zu lassen, das sie zur Buße und zu ernstem Fleiße und Wachsamkeit treiben würde. Der Knecht Gottes aber hat ein Verlangen, alles, was der HERR über den Menschen und für den Menschen geoffenbart hat, in verständnisvoller Weise zu erkennen; er wünscht so unterrichtet zu werden, dass er das, was ihm gelehrt wird, auch erfasse und verstehe. Ein Knecht darf in Bezug auf seinen Herrn und dessen Angelegenheiten nicht unwissend sein; er muss die Denkweise, den Willen, die Absichten und Ziele dessen, dem er dient, zu erkennen suchen, denn nur dann kann er seine Pflichten recht erfüllen. Und da doch niemand diese Dinge besser weiß als sein Herr selbst, so sollte er sich recht oft an ihn wenden, um Unterweisung bittend; es möchte sich sonst herausstellen, dass er gerade, je eifriger er ist, desto ärgere Missgriffe macht.
Beachten wir genau, dass die Bitte des Psalmisten nicht darauf geht, durch Mitteilung von Wissen zu Einsicht zu gelangen, sondern dass er sich als erstes vom HERRN die Gnadengabe der Einsicht erbittet und erst auf Grund davon rechte Kenntnisse im Gesetz des HERRN zu erlangen hofft. Alles, was wir wissen, ohne dass wir das rechte innere Verständnis haben, ist geeignet, uns zu verbilden, uns eitel und eingebildet zu machen; besitzen wir hingegen als erstes ein verständiges Herz, dann bereichern die Schätze des Wissens wirklich unser Inneres, ohne, wie es sonst bei dem Reichtum, auch dem geistigen, der Fall ist, uns zu schaden und mit Sorgen zu beschweren. Ja, durch diese Gabe des Verständnisses bekommen wir ein richtiges Urteilsvermögen, wodurch wir bewahrt werden, uns falsches, gefährliches Wissen anzueignen; wir lernen erkennen, was wahrhaft Zeugnisse des HERRN sind und was nicht, lernen auch auf religiösem Gebiet das Echte von seinen Nachahmungen und Entstellungen unterscheiden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

126. Es ist Zeit, dass der HERR dazu tue; sie haben dein Gesetz zerrissen (gebrochen, aufgehoben). Der Psalmist war ein Knecht, ein Leibeigener seines himmlischen Herrn, darum war es für ihn immer Arbeitszeit; aber angesichts des gottlosen Tuns der Menschen empfindet er die Notwendigkeit, dass auch sein Herr selbst eingreife. Darum ruft er ihn auf, gegen das Wirken der Bösen einzuschreiten. Die Menschen "zerreißen" Gottes Gesetz, indem sie leugnen, dass es Gottes Gesetz sei, indem sie Gebote und Lehren aufstellen und verbreiten, die mit ihm im Widerspruch stehen, indem sie menschliche Überlieferungen an seine Stelle setzen oder indem sie das Ansehen und die Macht des Gesetzgebers verachten und verspotten. Dann gewinnt die Sünde Macht, die Frechheit gibt den Ton an bei Alten und Jungen, Vornehmen und Geringen, und ein heiliger Wandel gilt als altmodische Strenge; das Laster heißt unschuldiges Vergnügen, und die Eitelkeit führt den Reigen an. Dann seufzen die Heiligen nach der Erfahrung der Gegenwart Gottes und seiner Macht. Ach, wenn er doch nur eine Stunde lang sich offenbaren wollte als König, der mit der eisernen Rute Ordnung schafft! Ach, dass ein zweites Pfingsten käme mit all seinen Wundern, so dass Gottes gewaltige Kraft sich erwiese gegenüber allen, die ihn leugnen und bekämpfen, und sie sehen müssten, dass ein Gott ist in Israel! Wenn die Not am größten, sei es äußere Not oder die der Sünde, dann ist Gottes Stunde gekommen, seine Herrlichkeit zu enthüllen. Als die Erde wüst und leer war, da kam der Geist Gottes und schwebte über dem Gewässer; und er sollte nicht wiederkommen, da die Menschheit sich wieder in Unordnung und Wirrwarr aufzulösen im Begriff ist?


Als es mit Israel in Ägypten zum äußersten gekommen war und es den Anschein hatte, als wäre der Bund, den Gott mit Abraham geschlossen, zerrissen, da erschien Mose und wirkte gewaltige Wunder und Zeichen. Und so dürfen auch wir, wenn die Gemeinde Gottes mit Füßen getreten und ihre Botschaft an die Menschen verhöhnt und verlacht wird, darauf warten, dass der HERR seine Hand ausstrecke (Apg. 4,30), um die Wahrheit zu verteidigen und zu schützen, wahre Gottesfurcht und Frömmigkeit wieder aufleben zu lassen und seinen göttlichen Namen zu Ehren zu bringen und zu verherrlichen. Das Eingreifen des HERRN kann geschehen entweder in Gerichten, durch die er die Bollwerke der Feinde zerschmettert, oder in Offenbarungen seiner Gnade, indem er die Gemeinde neu belebt, die Mauern Jerusalems wieder erbaut. Wir dürfen dringend zum HERRN flehen, dass er noch viele Männer erwecke, "die in der Kraft Evangelisten seien", und dass er diejenigen, die bereits in der seligen Arbeit stehen, mit neuem Zeugenmut und stets frischer Zeugenkraft ausrüste, ja dass er seine ganze Gemeinde in heiligem Feuer entbrennen lasse und alle Welt dem König mit der Dornenkrone zu Füßen bringe. Gottes Wirken ist immer erhaben und anbetungswürdig; was wir tun, das hat nur Wert, sofern es in ihm, mit ihm und durch ihn geschieht.

127. Darum liebe ich dein Gebot über Gold und über feines Gold. War es für den HERRN an der Zeit zu handeln, so drängte die böse Zeit anderseits den Psalmisten dazu, seine Liebe zu Gott zu vertiefen und sie mehr denn je zu bekennen und zu betätigen. Statt dass er sich durch das Beispiel der Gottlosen hätte verführen lassen, die Heilige Schrift gering zu schätzen, entbrannte er vielmehr in umso heftigerer Liebe zum göttlichen Worte. Da er sehen musste, wie die Gottlosen die Ordnungen des Höchsten missachteten und mit Füßen traten, empfand er tief, dass er auf Gottes Seite stand, also Gottes Sache seine Sache war, und die innige Liebe zu Gottes heiligen Geboten loderte in seinem Herzen hell auf. Daran eben erkennt man den echten Gläubigen, dass er mit seiner Frömmigkeit nicht von andern abhängt, sondern frisches Wasser aus dem eigenen Born schöpft, der nicht versiegt, auch wenn alle Zisternen auf Erden austrocknen. Gerade da er sich rings von Verachtung des göttlichen Gesetzes umgeben sieht, fühlt der heilige Sänger seine eigene Wertschätzung desselben in so hohem Grad wachsen, dass ihn Gold und Silber dagegen gering dünken. Der Reichtum bietet ja so vielerlei Annehmlichkeiten, dass die Menschen ihn naturgemäß hoch schätzen, und das Gold, das Wahrzeichen des Reichtums, ist allbeliebt; aber nach dem Urteil des Weisen sind Gottes Gebote größere Schätze und gewähren edleren Genuss und besseren Trost als die köstlichsten Reichtümer. Der Psalmist durfte sich nicht rühmen, immer die Gebote gehalten zu haben; das aber wagte er frei zu sagen, dass er sie lieb habe. Sein Herz war rechtschaffen mit dem HERRN, seinem Gott (1. Könige 8,61), und wie gerne wäre er auch in seinem Wandel vollkommen gewesen. Gottes heilige Gebote galten ihm mehr als das Wertvollste, was die Erde bietet, ja mehr als das Auserlesenste vom Auserlesenen. Und in dieser Wertschätzung des Göttlichen wurde er bestärkt und sie mannhaft zu bezeugen wurde er getrieben gerade durch den Widerstreit der Welt, der die Heuchler veranlasst, den HERRN und seine Wege zu verlassen.

HERR, dein Wort, die edle Gabe,
Diesen Schatz erhalte mir;
Denn ich zieh’ es aller Habe
Und dem größten Reichtum für.
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten,
Worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist’s nicht um tausend Welten,
Aber um dein Wort zu tun!
(N. L. v. Zinzendorf.)

128. Darum halte ich stracks (d. i. fest und entschieden, ohne Umschweife und Abweichung) alle deine Befehle. Andere nehmen das Zeitwort in der Bedeutung: für recht erkennen und bekennen, in Bekenntnis und Tat für recht erklären (Delitzsch), wie z. B. Stier übersetzt: Darum halte ich für recht alle Befehle in allem.1 Dass die ungöttlich Gesinnten an Gottes Befehlen allerlei auszusetzen fanden, das bestärkte den Psalmisten nur umso mehr in der Überzeugung, dass diese recht seien. Der Tadel der Gottlosen ist ein Zeugnis für die Trefflichkeit einer Person oder Sache. Was jene gutheißen, das muss uns schon darum verdächtig erscheinen; was sie verwerfen, das dürfen wir mit ganzer Liebe umfassen. Des Frommen Wohlgefallen an Gottes Gesetz ist uneingeschränkt; er glaubt, dass alle Anordnungen Gottes, mögen sie sich auf was immer beziehen, richtig sind.

Ich hasse allen falschen Weg. Die Liebe zur Wahrheit erzeugte in ihm Hass gegen die Lüge. Dieser Gottesmann wollte nichts wissen von lauer Gleichgültigkeit; was er nicht lieben konnte, das hasste er. Er war entweder ein warmer Freund oder ein bitterer Feind, und er machte aus seinen Gefühlen kein Hehl. Er war kein Gallion, den die Fragen von Lehre und Gesetz kalt ließen
(Apg. 18,15). Sein Abscheu gegen Irrtum und Lüge war so unbegrenzt wie seine Bewunderung und Liebe der Wahrheit. Was irgend das Licht der Wahrheit zu scheuen hatte, dafür hatte er keine Schonung. Die Tatsache, dass solch große Haufen den breiten Weg erwählten, hatte auf sein Verhalten nur den Einfluss, dass es ihn noch entschlossener machte, den Irrtum und die Sünde in jeglicher Gestalt zu meiden. O dass der Heilige Geist auch in unseren Herzen so die Herrschaft gewinne, dass unsere Neigungen sich ebenso entschieden und völlig den Ordnungen der Heiligen Schrift zuwenden!


Erläuterungen und Kernworte


V. 121-128. Das achtfache ..( 2: In der gegenwärtigen Zeit des Abfalls und der Verfolgung hält er sich umso strenger an die Richtschnur des göttlichen Wortes und befiehlt sich der Beschirmung und Belehrung Gottes.

121. Erfüllt hab’ ich Recht und Gerechtigkeit,
Nicht überlassen wirst du mich meinen Bedrückern.
122. Eintritt für deinen Knecht zum Guten,
Nicht mögen bedrücken mich Übermütige.
123. Es schmachten meine Augen nach deinem Heile
Und nach der Zusage deiner Gerechtigkeit.
124. Erweis’ dich an deinem Knecht nach deiner Gnade,
Und deine Satzungen lehre mich.
125. Ein Knecht dir bin ich, gib mir Verstand,
Dass ich erkenne deine Zeugnisse.
126. Einzugreifen für Jahve ist an der Zeit;
Sie haben verungültigt dein Gesetz.
127. Ebendeshalb hab’ ich lieb deine Gebote
Mehr als Gold und als Feingold.
128. Ebendeshalb heiß’ ich gut alle deine Anordnungen,
Allen Lügenpfad hass’ ich.
Prof. Franz Delitzsch † 1890.

V.121. Ich habe Recht und Gerechtigkeit geübt. (Grundtext) Hier tritt uns David in seiner Eigenschaft als Richter vor Augen. Er blickt dabei auf ein langes Leben mit reichen Erfahrungen zurück. Wenn alle Herrscher am Ende ihrer Regierung ein solches Bekenntnis vor Gottes Angesicht aussprechen dürften, welch tröstliches, köstliches Bewusstsein wäre das. Und es sollte so sein, denn ihm werden sie schließlich alle Rechenschaft geben müssen. Wenn wir jedoch den Psalmisten hier auch nur als Privatmann so redend denken, so ändert das wenig an der Sache. Wohl dem Manne, der als Vater also sprechen darf im Blick auf seine Kinder, als Herr im Blick auf seine Knechte, als Mensch im Blick auf seinen Nächsten. John Stephen 1861.

Recht und Gerechtigkeit. Sonst heißt es immer "zedek und mischpat", hier einmal "mischpat und zedek". Mischpat ist das über die jeweilige Zeitgestalt erhabene, sich immer gleiche prinzipielle Recht, und zedek die dieses Recht in tatsächliche Wahrheit und Wirklichkeit umsetzende Gerechtigkeit. Nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.

So uns unser Herz nicht verdammt, so haben wir eine Freudigkeit zu Gott (1. Joh. 3,21). Dieses Zeugnis des Gewissens ist oft der Ruhm der Männer Gottes gewesen (vergl.
2. Kor. 1,12), wenn sie unter ungerechten Vorwürfen oder den Gewalttaten der Stolzen (V. 122) zu leiden hatten. Da durften sie solches vor dem Herzenskündiger geltend machen, ohne fürchten zu müssen, damit lästerlich zu reden. Wir sind vielleicht in Gefahr, es uns nicht genügend zum Bewusstsein kommen zu lassen, wie wichtig die sittliche Reinheit für unser geistliches Wohlergehen ist. Welche Freimut gab sie dem Psalmisten beim Beten! Siehe die zweite Vershälfte. Charles Bridges † 1869.

V. 122. Vertritt du deinen Knecht. HERR, du weißt, wie unrecht ich verleumdet und geschmäht werde, bei vielen Gelegenheiten, wo ich nicht zugegen bin oder aus anderen Ursachen nicht imstande bin, mich zu verteidigen. HERR, da tritt du für mich ein! W.Cowper † 1619.

Das scharfe Auge der Welt mag vielleicht nicht imstande sein, irgendwelche Flecken am Kleide meiner Gerechtigkeit zu entdecken; aber so du, HERR, willst Sünde zurechnen, HERR, wer wird bestehen? Wohl mag ich mich darauf gefasst machen, denen übergeben zu werden, die mir wollen Gewalt antun, bis ich bezahlt habe alles, was ich meinem Herrn schuldig bin. Aber siehe, wo bleibt der Grimm des Wüterichs (Jes. 51,13)? Die Schuld ist bezahlt, die Zahlung ist angenommen, der Sünder ist frei. Eine Stimme erschallt im Himmel: "Erlöse ihn, dass er nicht hinunterfahre ins Verderben; denn ich habe eine Versöhnung gefunden" (Hiob 33,24). Der Sohn Gottes selbst ward Bürge für den anderen, und er hatte den Schaden davon (Spr. 11,15). Um ein mehr denn köstliches Lösegeld, das Lösegeld seines eigenen teuren Blutes, befreite er mich von denen, die mir wollten Gewalt antun: Sünde, Satan, Welt, Tod, Hölle. Vergl. Röm. 8, 31-34. Charles Bridges † 1869.

Fußnoten
1. So sucht Stier den zum mindesten höchst auffälligen masoretischen Text, der an Jes. 44,30 nur scheinbar eine Stütze hat, zu übersetzen. Gewöhnlich setzt man mit Luther nach LXX statt des zweiten lk das hier unentbehrlich scheinende Suff. Kf: deine Befehle.
2. Unsere indogermanischen Sprachen haben bekanntlich keinen Laut, der diesem semitischen Kehllaut entspricht, dessen härtere und weichere Aussprache überdies beträchtlich verschieden sind. - James Millard
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

Erläuterungen und Kernworte


V. 123. Meine Augen sehnen sich nach deinem Heil. In Zeiten schweren Kummers, wenn das Herz von Sorgen bedrückt ist, wenn ringsum Gefahren drohen, dann finden diese Kümmernisse und Ängste der Seele ihren beredten Ausdruck in der Sprache des Auges. Der Psalmist sieht sich von gefährlichen Feinden umgeben, und im Gefühl seiner eigenen Schwäche und Unzulänglichkeit zum Kampfe mit jenen schaut er voller Sehnsucht und Verlangen aus, ob der treue, starke Freund nicht bald erscheine, der ihm seine Hilfe für die Stunde der Not zugesagt hat. Und da der Freund mit seinem Kommen verzieht, so wächst seine Angst, und seine Augen werden trübe, sie versagen den Dienst vor lauter Spähen nach dem Retter. Nur vom Himmel her kann er Hilfe erwarten. Er hält sich an Gottes Verheißungen, und während er auf ihre Erfüllung wartet und sich mit voller Zuversicht auf das Wort von Gottes Gerechtigkeit verlässt, bricht er doch in den Ruf aus: Meine Augen sehnen sich verzehrend nach deinem Heil. Mit solchem aufrichtigen und sehnsüchtigen Heilsverlangen ist der Sieg über alle geistlichen Feinde gewiss, und wir werden am Ende den großen Namen unseres allmächtigen Helfers und Erretters durch alle Ewigkeiten triumphierend verkünden. John Morison 1829.

V. 124. Handle mit deinem Knechte nach deiner Gnade. Wenn ich auch ein Knecht des HERRN bin, so kann ich mich auf meine Dienste vor ihm doch nur auf Grund seiner Gnade berufen, in dem Bewusstsein, dass ich auch für die besten meiner Taten immer noch ein unendliches Maß von vergebender, erlösender Gnade bedarf; doch im Hinblick auf Jesu Blut kann ich kühn diese Forderung aussprechen: Handle mit deinem Knechte nach deiner Gnade. Charles Bridges † 1869.

Handle mit deinem Knechte nach deiner Gnade. Jahraus, jahrein, jeden Tag und jede Stunde erfahren wir viel Güte Gottes; sowohl wenn wir schlafen als auch wenn wir wachen waltet seine Gnade über uns. Die Sonne mag aufhören zu scheinen, nie aber wird unser Gott aufhören, seine Kinder mit seiner Liebe zu erquicken. Gleich einem Strom fließt seine Gnade immerdar mit einer Fülle, die so unerschöpflich ist wie sein innerstes Wesen, aus dem sie entspringt. Gleich der Luft, die die Erde immer umgibt und stets bereit ist, das Leben der Menschen zu erhalten, umgibt die Güte Gottes alle seine Geschöpfe; in ihr als ihrem Element leben und weben und sind sie. Doch gleichwie die Sonne an Sommertagen uns mit wärmeren und helleren Strahlen zu leuchten scheint als zu anderen Zeiten, wie die Flüsse zu gewissen Jahreszeiten vom Regen anschwellen und wie die uns umgebende Luft manchmal frischer, stärkender oder milder, erquickender uns anweht als zuvor, so ist es mit der Gnade Gottes; sie hat auch ihre Stunden goldig heitern Lichtes, ihre Tage des Überströmens, wo der HERR seine Güte besonders groß und herrlich erweist und seine Liebe vor den Menschenkindern überschwänglich kundtut. C. H. Spurgeon 1882.

Und lehre mich. David hatte seine Propheten, Nathan und Gad, daneben noch die Priester und schriftkundigen Leviten, um ihn zu unterweisen. Er las emsig im Worte Gottes und sann nach über dem Gesetze Tag und Nacht. Aber er muss bekennen, dass dies alles nichts fruchtet, wenn der HERR selbst ihn nicht unterweist. Andere Lehrer sprechen zum Ohre, Gott zum Herzen. So predigte Paulus der Lydia, aber der HERR tat ihr das Herz auf. Bitten wir auch um diese Gnade. William Cowper † 1619.

V. 126. Es ist Zeit, dass der HERR dazu tue. Zu jeder Zeit hat die Gemeinde Gottes des persönlichen Eingreifens ihres Gottes bedurft und sich danach gesehnt, danach gerufen. Ohne dieses persönliche Wirken Gottes müsste die Gemeinde dem gänzlichen Verderben verfallen. Größer ist die Welt als die Kirche ohne Gott; ist aber Gott bei ihr, dann vermag alle Welt nichts gegen sie. Gott stehe ihr bei, und das in einer Kürze. - Aber wenn er sich aufmacht, so wissen wir noch nicht, in welcher Weise er wirksam sein will. Er wirkt nach seinem eigenen Rat und Willen. Wenn der HERR einmal erwacht und sich umgürtet mit seiner Stärke, wer weiß, ob dann sein Eingreifen beschränkt bleibt auf ein mächtiges Erwecken des geistlichen Lebens seiner Gemeine, ob es nicht vielmehr zu gottgefügten Stürmen und Umwälzungen kommt, die das Herz der Weltkinder mit Furcht und Schrecken erfüllen. Das unsichtbare Gottesreich steht in engen Beziehungen zu der sichtbaren und greifbaren körperlichen Welt, zur menschlichen Gesellschaft, zum Völkerleben. Und es hat Zeiten gegeben, da Gottes Eingreifen sich äußerte in gewaltsamen Erschütterungen, im Aufruhr ganzer Geschlechter, im Sturz gewaltiger Throne, in der Befreiung von Völkern, die lange unter hartem Drucke schmachteten. Zu anderen Zeiten hat er seine Kraft geoffenbart in allerlei Naturerscheinungen, in Frost und Hagel, Feuers- und Wassersnot, Erdbeben, Pestilenz und teurer Zeit. Diese alle sind seine Diener, die seinen Willen ausrichten.


Wenn aber solch ein Tag des HERRN kommt, so lasset uns nicht verwundert sein, wenn der Tag des HERRN Zebaoth geht über alles Hoffärtige und Hohe und über alles Erhabene, dass es erniedrigt werde, auch über alle hohen und erhabenen Zedern auf dem Libanon und über alle Eichen in Basan, über alle hohen Berge und über alle erhabenen Hügel, über alle hohen Türme und über alle festen Mauern, über alle Schiffe im Meer und über alle köstliche Arbeit, dass sich bücken muss alle Höhe der Menschen und demütigen, die hohe Männer sind, und der HERR allein hoch sei zu der Zeit (Jes. 2,12-17). Dieses Eingreifen Gottes äußert sich jedoch in mancher anderen Weise. Wenn die Gemeinde erfüllt ist vom lebendigen Glauben an ihr Bekenntnis, sofern dieses auf das Wort Gottes gegründet ist, von ihm bestätigt und verbürgt wird, ist dies etwa kein "Dazutun" des HERRN? Aber glaubt auch die Kirche wirklich mit dem Herzen, was sie mit dem Munde bekennt in Wort und Schrift, in Predigt und Gesang und Liturgie? Sind nicht die Wahrheiten, welche den Inhalt ihres Glaubensbekenntnisses bilden, vielen zu bloßen Überlieferungen geworden ohne lebendige Kraft, zu Sätzen, deren altehrwürdige Form ihnen nur noch um ihres geschichtlichen Wertes willen heilig ist, während sie ganz vergessen haben, dass Wahrheiten unvergänglich sind, dass das, was für unsere Väter lebendige Wahrheit war, es auch heute noch ist? Die Wahrheit hat mit dem Wandel der Zeiten nichts zu schaffen, sie ist unabhängig vom Glauben oder Unglauben der Welt, von dem Eifer oder der Gleichgültigkeit in der Kirche, denn sie ist ein Ausfluss des göttlichen Wesens. Von ihr gilt, was die Kirche von dem Herrn der Kirche bekennt: Jesus Christus, gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. Enoch Mellor † 1881.

Es ist Zeit, dass der HERR dazu tue. Wie du in Zeiten der Krankheit, wenn das Fieber zugenommen hat und der Zustand des Kranken bedenklich geworden ist, zum Arzt eilst, damit er nur schnell komme und es nicht zu spät sei, um etwas dagegen zu tun, ebenso tut auch der Prophet hier. Da er den Abfall des Volkes sieht, läuft er und sucht Hilfe beim HERRN, von dem er weiß, dass er allein etwas gegen den Schaden vermag; er bittet ihn, sofort zu kommen, und will keinen Verzug gelten lassen. Ambrosius † 397.

Freilich dürfen wir dir, o HERR, die Zeit zum Eingreifen und Handeln nicht vorschreiben. Auch sind wir nicht so vermessen, in deine geheime Ratskammer eindringen zu wollen, um die Zeiten und Stunden zu wissen, die du, o Vater, deiner Macht vorbehalten hast. Doch hat dein Sohn uns gemahnt, dass wir, die wir das Aussehen des Himmels zu beurteilen verstehen, auch über die Zeichen der Zeit urteilen sollen. Wir wissen wohl, dass du bist ein Gott, barmherzig und huldvoll, langsam zum Zorn und groß von Gnade, und dass du viel Unrecht der Menschen erträgst und lange zu ihren Übeltaten schweigst. Aber wenn sie gar nicht davon ablassen wollen und des Sündigens immer mehr machen, wenn die Sünde frech wird und keine Scham mehr kennt, wenn die Schuld ins Ungeheuerliche anschwillt und die Freveltaten immer lauter nach Rache schreien, dann ziehst du dein Schwert und spannst den Bogen, denn dann ist es Zeit, dass du, HERR, dreinfahrest. Und ist das Maß unserer Sünden nicht schon voll bis zum Überlaufen? Ja, die Frucht ist reif, überreif, sie ruft nach der Sense. George Webbe 1610.

Sie haben dein Gesetz zerrissen, zunichte gemacht. In V. 122 klagt der Psalmist darüber, dass die Stolzen ihm Gewalt antun wollen; jetzt klagt er, dass sie Gottes Gesetz zerstören. Davids Feinde sind also solche, die auch Gottes Feinde sind und sein Gesetz zu zerreißen trachten. Darin liegt etwas sehr Tröstliches für uns, dass wir, wenn wir den HERRN lieben und in Aufrichtigkeit darauf bedacht sind, ihm zu dienen, keine andern Feinde haben können, als die auch Gottes Feinde sind. Will. Cowper † 1619.

Nicht nur, dass sie das Gesetz brechen, indem sie es übertreten, sondern sie wollen es ganz und gar zerbrechen, nicht nur sich selbst vom Gehorsam dagegen lossagen, sondern es aus der Welt schaffen; sie möchten Gottes heilige Offenbarungen vernichten, damit ihr eigenes böses Tun unangefochten bleibe. Damit das Gesetz nicht Macht über sie habe, sie zu strafen, so leugnen sie seine Macht überhaupt. Das ist der volle Sinn des hier gebrauchten Ausdruckes; ihre Sünde ist Hochverrat an Gott und seinem Gesetz. Jos. Caryl † 1673.

V. 128. Darum halte ich stracks alle deine Befehle. Einen jeden einzelnen, so schwer er sein mag; ein jedes Gebot, jede Vorschrift, jede Aufforderung, so hart, so widerwärtig, so gegen die Natur sie mir auch erscheinen mag. "Haue deine rechte Hand ab, reiß dein rechtes Auge aus, gehe aus von deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause, nimm dein Kreuz auf dich täglich, stündlich, verkaufe, was du hast." Ja, HERR, das ist’s, was du forderst; alle deine Gebote sind richtig, sie müssen alle gehalten werden. Und welche Gnade für einen Menschen, wenn er so weit gekommen ist, das von sich sagen zu können und darin Trost und Glück zu finden. Barton Bouchier † 1865.

Der Gottesfürchtige legt an all sein Tun den einzig richtigen Maßstab. Weltklugheit kann ihn nicht vom rechten Wege abbringen, die verkehrte Weise der anderen beeinflusst ihn nicht, er richtet sich einzig nach Gottes heiligem Worte. Darum hegt er auch die gleiche Achtung vor allen göttlichen Vorschriften, er geht allem Bösen aus dem Wege, er tut alles Rechte ohne Ausnahme, er hält stracks alle Befehle Gottes, denn sie gelten ihm alle für heilig, recht und gut. Darum ist er auch überall und immer derselbe, weil er bei allen Gelegenheiten sich immer nur nach einer Regel richtet. Abr. Wright † 1690.

Ich hasse allen falschen Weg. Wer das Gute so recht von Herzen liebt, muss ebenso sehr auch das Böse hassen. Diese beiden Gefühle, weit davon entfernt, unverträglich zu sein, gehören vielmehr enge zusammen, sie bedingen sich geradezu gegenseitig. John W. Haley 1875.

Allen falschen Weg. Wenn Satan dich bei irgendeiner einzelnen Sünde gepackt hat, so reicht das schon völlig aus, dich ins Verderben zu ziehen. Wie der Metzger die Tiere zur Schlachtbank bringt, bald an allen Vieren gefesselt, bald nur an einem Gliede festgebunden, so macht es auch der Satan. Wenn du auch nicht ein Sklave aller Sünden bist, sondern nur einer einzigen, so genügt der Strick, mit dem er dich an jener einen festhält, um dich zu seinem Sklaven zu machen. William Cowper † 1619.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »


129.
Deine Zeugnisse sind wunderbar;
darum hält sie meine Seele.
130.
Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreut es
und macht klug die Einfältigen.
131.
Ich sperre meinen Mund auf und lechze nach deinen Geboten;
denn mich verlangt danach.
132.
Wende dich zu mir und sei mir gnädig,
wie du pflegst zu tun denen, die deinen Namen lieben.
133.
Lass meinen Gang gewiss sein in deinem Wort
und lass kein Unrecht über mich herrschen.
134.
Erlöse mich von der Menschen Frevel,
so will ich halten deine Befehle.
135.
Lass dein Antlitz leuchten über deinen Knecht
und lehre mich deine Rechte.
136.
Meine Augen fließen mit Wasser,
dass man dein Gesetz nicht hält.



129. Deine Zeugnisse sind wunderbar - voll wunderbarer Offenbarungen, Gebote und Verheißungen. Sie sind wunderbar ihrer Natur nach, denn sie sind frei von allem Irrtum und tragen in sich ein überwältigendes Zeugnis ihrer Wahrheit; und wunderbar sind sie in ihren Wirkungen auf die Seele, diese unterweisend, erhebend, stärkend und tröstend. Jesus, das ewige Wort, heißt Wunderbar, und alle Worte aus Gottes Munde sind, wenn auch in verschiedenem Maße, wunderbar. Gerade diejenigen, die sie am besten kennen, finden sie am wunderbarsten. Ist es schon erstaunlich, dass Gott überhaupt zu sündigen Menschen geredet, ihnen seinen Rat geoffenbart hat, so staunen wir noch viel mehr, wenn wir erwägen, welcher Art diese heiligen Bezeugungen seines Willens sind, wie klar, wie inhaltsreich, wie voller Gnade und Kraft. Darum hält (oder beachtet, betrachtet mit liebender, eindringender Aufmerksamkeit) sie meine Seele. Das Wunderbare an ihnen machte so tiefen Eindruck auf den Psalmisten, dass er die Zeugnisse fest in dem Gedächtnis behielt, und ihre Erhabenheit entzückte sein Herz so, dass er sie zur Richtschnur seines Lebens machte. Manche Menschen führt die Verwunderung über das Wort Gottes nur zu unfruchtbarem Grübeln und spitzfindigen Lehrstreitigkeiten; des Psalmisten Theologie hingegen beeinflusste mächtig seinen Wandel: je wunderbarer ihm Gottes Zeugnisse wurden, desto eifriger ward sein Gehorsam. Seine Frömmigkeit war ganz Herzenssache; nicht mit Kopf und Hand nur, mit dem Gedächtnis und dem äußerlichen Tun hielt er Gottes Zeugnisse, sondern seine Seele, das beste und eigentliche Stück seines Selbst, klammerte sich an sie.

130. Meist wird der Anfang dieses Verses übersetzt: Die Eröffnung (Erschließung, Offenbarung) deiner Worte erleuchtet. Dass der Mensch das Bibelbuch öffnet, um darin zu lesen und zu forschen, genügt nicht; Gott selbst muss uns die Tür zur Schrift auftun, uns die Geheimnisse seiner Worte erschließen. Dann wird es hell in der Seele. Dem natürlichen Menschen aber ist die Tür des Wortes verschlossen, mag er noch so hoch gelehrt sein, ja mag er so fromm sein wie einst Bruder Martinus. Und macht klug die Einfältigen. Gemüter, die für die Wahrheit offenstehen, sind die rechten Schüler des Worts. Ihnen verleiht es nicht nur Wissen, sondern Verständigkeit. Die Welt verachtet nur zu gerne diese einfältigen Herzen und gibt sie, indem sie ihrer Einfalt die üble Nebenbedeutung des Wortes unterschiebt, dem Gespötte preis. Aber was tut’s? Die vor der Welt als Toren gelten, das sind dennoch die wahrhaft Klugen und Weisen, wenn sie von Gott gelehrt sind. Welch wunderbare Kraft hat doch das göttliche Wort, da es nicht nur Licht ausstrahlt, sondern uns auch das rechte geistige Auge verleiht, das allein das Licht zu sehen vermag: "es macht klug". Darin liegt sein großer Wert für die Einfältigen, die die Geheimnisse Gottes nicht in sich aufnehmen können, wenn ihre Sinne nicht erleuchtet werden, sie zu sehen, und ihr geistiges Fassungsvermögen nicht dazu zubereitet wird, sie zu ergreifen.

131. Ich sperre meinen Mund auf und lechze. (Grundtext) So heftig ist sein Verlangen, dass er sogar zu einem Bilde aus der Tierwelt greift, um es recht ausdrucksvoll zu beschreiben. Wie ein Hirsch, dem die Meute unablässig auf den Fersen ist, nach Luft schnappt, so lechzt der Psalmist nach Erquickung seiner Seele durch das göttliche Wort. Nichts sonst vermochte sein Sehnen zu befriedigen. Alles, was die Welt ihm bieten konnte, vermochte sein Lechzen nicht zu stillen. Denn mich verlangt nach deinen Geboten. Ich begehre sie zu kennen, begehre ihnen zu gehorchen, begehre ihrem Sinn und Geiste ähnlich zu werden. Er war ein Knecht Gottes, und seine Dienstwilligkeit verlangte danach, Befehle zu empfangen; er war ein Schüler in der Schule des Geistes Gottes, und sein Lerneifer begehrte nach Unterweisung vom HERRN.

132. Wende dich zu mir. Ein Gotteskind kann nicht lange ohne Gebet sein. In den vorhergehenden Versen hatte der Psalmdichter seiner Liebe zu Gottes Wort Ausdruck gegeben; nun finden wir ihn wieder auf den Knien. Sein Gebet ist ganz kurz und doch kräftig. Mitten in dem tiefen Sehnen seines Herzens nach Labung durch Gottes Wort blickt er flehend zum Himmel auf, der HERR möge sich doch gnädig zu ihm kehren und sein Schmachten, seine unausgesprochenen Bitten, seine Seufzer zu seinem Herzen reden lassen. HERR, gedenke an mich und sei mir gnädig! Als Jesus sich wandte und Petrus ansah, o welch ein Blick heiliger Gnade war das! Wenn der HERR sich nur als strenger Richter uns zuwendete, so würden seine Augen unseren Anblick gar nicht ertragen; aber er wendet sich zu uns in Gnade und Erbarmen, er sieht uns mit Vateraugen an, und wenn er uns schmachten und nach Gnade und Heil lechzen sieht, so kann er nicht anders, als uns seine Huld widerfahren lassen.


Wie du pflegst zu tun denen, die deinen Namen lieben.HERR, wende dich zu mir mit jenem Blick der Liebe, den du denen schenkst, die dich lieben; sei mir gnädig, wie es deine Art ist, denen gnädig zu sein, die dir in Treue dienen. Gott hat eine bestimmte Handlungsweise, die er denen gegenüber beobachtet, die ihn lieben, und der Psalmist begehrt sehnlich, eben dieselbe Behandlung zu erfahren. Er verlangt nichts anderes für sich, weder Besseres noch Geringeres, als was der HERR allen den Seinen zuteilwerden lässt - Geringeres konnte ihm nicht helfen, Besseres war undenkbar. Ich bin dein Knecht; so handle an mir, wie du an deinen Knechten zu handeln gewohnt bist. Ich bin dein Kind, so halte mich als deinen Sohn! Der Grundtext, der zu übersetzen ist: "nach dem Recht derer, die deinen Namen lieben", enthält diese Gedanken in noch klarerer und köstlicherer Weise. Ja, diejenigen, die den Namen des HERRN, d. i., wie Hengstenberg es ausdrückt, Gott in seiner geschichtlichen Herrlichkeit, lieben, die haben ein Recht auf die Erweisungen der göttlichen Gnade; Gott selber hat ihnen durch das Bundesverhältnis, in das er sie zu sich gesetzt hat, dies Recht gegeben.
Und du, lieber Leser, liebst du den Namen des HERRN? Ist Gottes geoffenbartes Wesen in deinen Augen herrlich, deinem Herzen teuer? Sieh, das ist ein untrügliches Merkmal des Gnadenstandes; denn niemand hat je den HERRN wahrhaft geliebt, es sei denn in Kraft der Liebe, die er zuvor vom HERRN erfahren und empfangen.

133. Lass meinen Gang gewiss sein (wörtl.: Festige meine Schritte) in deinem Wort. Das ist eines der Vorrechte, auf welche die Auserwählten ein Anrecht haben. Er behütet die Füße seiner Heiligen (1. Samuel 2,9). Seine Kraft setzt uns in den Stand, unsere Füße Schritt für Schritt eben dahin zu setzen, wo sein Wort es vorschreibt. Die Bitte erfleht eine hohe Gnade, nämlich dass jede einzelne Handlung, jeder Schritt durch den Willen Gottes geordnet und regiert werde. Das kommt auf vollkommene Heiligkeit hinaus, und in der Tat kann das innerste Begehren des Gotteskindes mit nichts Geringerem als dieser Vollendung gestillt werden. Und lass kein Unrecht über mich herrschen. Das ist die Kehrseite, die Ausschließung alles dessen, was dem erbetenen Segen entgegensteht. Wir bitten um die Gnade, alles zu tun, was recht ist, und unter keinerlei Gewalt des Bösen zu kommen. Gott ist unser Fürst und Herrscher, und wir möchten, dass jeder Gedanke sogar seinem Willen untertan sei, nach seiner Denkweise sich richte. Wer ein Kind Gottes sein will, darf keine Lieblingssünde hegen, darf nichts Ungöttlichem eine Herrschaft über sich einräumen. Der wahre Gläubige lechzt nach völliger Freiheit von der Gewalt des Bösen, und da er wohl weiß, dass er diese nicht aus eigener Kraft erlangen kann, so fleht er zum HERRN.


134. Erlöse mich von der Menschen Bedrückung. (Grundtext) David hatte die ganze Bitterkeit dieses großen Übels durchkosten müssen. Die Bedrückung der Menschen hatte ihn in die Fremde getrieben, fern von der geliebten Heimat und dem noch mehr geliebten Heiligtum des HERRN; darum fleht er, davon errettet zu werden und fernerhin davon verschont zu bleiben. Man sagt, Gewalttat und Bedrückung könnten auch einen Weisen zum Wahnsinn treiben, und ohne Zweifel hat sie schon manchen Gerechten zu schwerem Fall gebracht. Unterdrückung ist sündig und führt in Sünde. Wir haben wenig Ahnung, wieviel von unserer sittlichen Kraft und Tugend wir der Freiheit, die wir genießen, zu verdanken haben; wären wir unter stolzen Tyrannen in Banden gewesen, es wäre wohl möglich, dass wir dem Druck nachgegeben hätten und jetzt statt mutiger Bekenner armselige Abtrünnige wären. Er, der uns gelehrt hat beten: führe uns nicht in Versuchung, wird auch die Bitte unseres Verses billigen, die jener so ähnlich ist, da ja unterdrückt werden versucht werden ist.


So will ich halten deine Befehle. Wenn der Druck der frevelhaften Gewalt von ihm genommen sein wird, will er unbeirrt seinen Weg weiterwandeln, und dieser Weg werde der Weg des HERRN sein. Wiewohl wir uns durch die Drohungen der Menschen nicht sollten nachgiebig machen lassen, so geschieht das doch oft. Manche Frau wird durch den Mann gezwungen, gegen ihr Gewissen zu handeln; Kinder und Dienstboten, ja ganze Völker schon sind in die gleiche schwere Lage versetzt worden. Ihre Sünden werden dereinst zu einem großen Teil ihren Bedrückern zur Last gelegt werden, und der HERR stürzt oft schnell die Gewaltigen, welche andere zum Bösen nötigen. Das Schlimmste ist, dass manche Menschen, wenn der Druck der Machthaber von ihnen genommen ist, nun doch aus freien Stücken fortfahren, Unrecht zu tun. Damit beweisen sie, dass sie in der Wolle gefärbte Übeltäter sind. Den Gerechten hingegen geht es wie einst den Aposteln, von denen es heißt: Als man sie hatte lassen gehen, kamen sie zu den Ihren (Apg. 4, 23). Wenn die Heiligen vom Druck des Tyrannen befreit sind, huldigen sie mit Freuden ihrem König.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

135. Lass dein Antlitz leuchten über deinen Knecht. Die gewalttätigen Frevler drohen; du aber, o HERR, blicke mich freundlich an. Sie machen mein Leben dunkel, du aber leuchte hinein in die Finsternis, so wird alles licht und helle sein. Wieder spricht der Psalmist es aus, dass er Gottes Knecht ist, und er sucht von niemand Gunst als allein von ihm, seinem Herrn und Meister. Und lehre mich deine Rechte. Das ist die Gnade, die er begehrt, das meint er mit dem Leuchten des göttlichen Angesichts. Will der HERR sich ihm ganz besonders gnädig erzeigen, so weiß er nichts Besseres zu begehren, als dass er immer weiter noch in den Rechten des königlichen Herrn unterwiesen werde. Sieh, wie mächtig sein Verlangen nach Heiligung ist; dieses dünkt ihn das köstlichste aller Kleinode. Halten wir schon eine gute menschliche Erziehung für ein größeres Gut als Reichtum, so ist die göttliche Erziehung ein noch unvergleichlich wertvollerer Schatz. Und auch der schon reich begnadete Gläubige bedarf noch immer der Unterweisung vom HERRN; selbst wenn er in dem Lichte des göttlichen Angesichts wandelt, müssen ihn immerfort Gottes Rechte gelehrt werden, wenn er nicht doch noch irregehen soll.

136. Meine Augen fließen mit Wasser (wörtl.: Von Wasserbächen strömen meine Augen über), dass man dein Gesetz nicht hält. Er weint aus Liebe zu Gott, da er sehen muss, wie sein heiliges Gesetz schnöde verachtet und gebrochen wird. Er weint aus Mitleid mit den Menschen, die durch ihr frevelhaftes Tun Gottes Strafgerichte auf sich herabziehen. Sein Schmerz war so groß, dass er ihm kaum Luft schaffen konnte; nicht Tropfen, nein Ströme von Tränen stürzten ihm aus den Augen. Darin wurde er unserem Heiland ähnlich, der da weinte, als er die Stadt ansah, ja dem heiligen Gott selbst, der nicht Gefallen hat an dem Tode des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe. Der Blick, den dieser Vers uns in das Innere des Psalmisten tun lässt, enthüllt einen großen Fortschritt gegenüber allem, was wir bisher gelesen; der Psalm und der Psalmdichter, sie beide wachsen augenscheinlich an innerer Tiefe. Das ist ein gereifter Frommer, der Leid trägt um die Sünden anderer. In dem 120. Vers erschauerte sein Fleisch vor der Gegenwart des heiligen Gottes, hier zerschmilzt und zerfließt es in einer Flut von Tränen aus heiligem Kummer. Niemand wird so tief vom Göttlichen erfasst und bewegt wie diejenigen, denen das Wort Gottes ihr täglicher Umgang ist und die sich von ihm zu der Erkenntnis des wahren Wesens aller Dinge führen lassen. Die fleischlich gesinnten Menschen fürchten sich vor äußeren Gewalten und weinen über Verluste und Heimsuchungen; geistlich gesinnte hingegen werden von heiliger Furcht vor dem HERRN selbst erfasst und wehklagen vor allem darüber, wenn sie seinen heiligen Namen verachtet und verunehrt sehen.

Erläuterungen und Kernworte


V. 129-136. Das achtfache p (P oder Ph): Umso sehnsüchtiger verlangt er nach dem Lichte und der Speise des Wortes Gottes, je tiefer er sich über dessen Verächter betrübt.

129. Fernab von Alltäglichem sind deine Zeugnisse,
Darum nimmt sie meine Seele wahr.
130. Falten deine Worte sich auseinander, wird es helle,
Indem Einfältige Verstand gewinnen.
131. Fassungsbegierig tat ich weit den Mund auf,
Denn nach deinen Geboten verlang’ ich.
132. Füge dich zu mir und begnade mich,
Wie es recht ist gegen die Liebhaber deines Namens.
133. Festige meine Schritte durch dein Geheiß
Und lass nicht herrschen über mich etwelches Unheil.
134. Frei mache mich von Menschendrucke,
Und beobachten will ich deine Ordnungen.
135. Freudig lichte dein Antlitz deinem Knechte
Und lehre mich deine Satzungen.
136. Fluten von Wasser rinnen nieder meine Augen
Darob, dass man nicht beobachtet dein Gesetz.
Prof. Franz Delitzsch † 1890

V. 129. Deine Zeugnisse sind wunderbar. Die ganze Schrift ist ein Wunder. Entstanden stückweise, ein Buch nach dem andern, im Verlaufe von nicht weniger als anderthalb Jahrtausenden, in gar verschiedenen Entwicklungsstufen der Menschheit, bei Völkern verschiedener Zunge, geschrieben von Männern, sehr verschieden an Charakter, Temperament, Anlage und Bildung, von Gelehrten und Ungelehrten, Vornehmen und Geringen, Knechten und Freien, in den verschiedensten Formen, lehrhaft und erzählend, geschichtlich, prophetisch, allegorisch, poetisch, als Predigt oder Brief, kurz in allen nur denkbaren Formen sprachlicher Darstellungskunst, dabei die schwierigsten, entlegensten Gebiete des Denkens behandelnd, und trotz der vorhandenen Verschiedenheiten doch keine Widersprüche aufweisend, wie sie sonst unausbleiblich sind, wenn so verschiedene Verfasser sich nebeneinander äußern, sondern die erhabenste Harmonie im Ganzen wie in den einzelnen Punkten. James Mac Lagan † 1852.

Zum König Tarquinius Priscus von Rom kam, so erzählt die Sage, eine weise Frau, die Sibylle von Cumae, und bot ihm 12 Bücher zum Kauf an, die Schätze der Weisheit enthielten. Sie forderte aber dafür einen sehr hohen Preis, so dass der König den Kauf ablehnte. Da warf die Sibylle sechs der Bücher ins Feuer und bot dem Könige die übrigen zum nämlichen Preise an. Natürlich weigerte sich dieser abermals, und wieder verbrannte die Sibylle die Hälfte, und dann noch einmal ein Buch, stets denselben Preis fordernd. Da wurde Tarquinius stutzig und bezahlte den geforderten hohen Preis für das eine Buch, und dieses galt den Römern in der Folge als ein kostbarer Schatz und wurde in allen schwierigen Lagen des Staates zu Rate gezogen. Wenn Rom und sein König jene sibyllinische Weisheit so hoch schätzten, wie teuer sollte uns erst die Weisheit des lebendigen Gottes sein! Dem Könige Eduard VI. von England († 1553) sollten bei der Feier seiner Krönung drei Schwerter vorangetragen werden als Zeichen seiner Macht über die drei Reiche England, Schottland und Irland. Er sagte aber, es fehle noch eins. "Welches soll denn das vierte sein?" fragte man ihn, und er antwortete: "Das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes." Und der König Robert von Sizilien († 1343) äußerte einst gegen seinen Freund, den Dichter Petrarca: "Ich erkläre ausdrücklich, dass mir das Wort Gottes teurer ist als mein Königreich und dass ich lieber dieses als jenes verlieren möchte." Thomas Watson † 1690.


V. 130. xtp übersetzen Symmachus und Hieronymus richtig ostium, Tür, also: Das Tor deiner Worte (Genet. der Apposition) leuchtet. Die Worte Jahves selbst werden ein leuchtendes Tor genannt, durch das man zur Erkenntnis eingeht, vergl. Hos. 2,17 Tor der Hoffnung und Off. 21,12-21 die zwölf Perlentore zur Gottesstadt. Weil dieser bildliche Ausdruck nicht verstanden wurde, glaubten LXX (h(dh/lwsij) und die Neueren xtapI" hier in der Bedeutung Eröffnung, Offenbarung verstehen zu müssen, und auch die massoretische Vokalisation mit Zere statt Segol beruht auf dieser Voraussetzung, ist aber tatsächlich eine bloße Künstelei. Prof. Friedrich Baethgen 1904.

Die Erschließung deiner Worte erleuchtet. (Wörtl.) Da [als Luther während der Romreise der Sinn der Worte: "Der Gerechte wird seines Glaubens leben" erschlossen ward] fühlte ich alsbald, dass ich ganz neu geboren wäre und nun gleich eine weite ausgesperrte Tür, in das Paradies selbst zu gehen, gefunden hätte, sah auch die liebe Heilige Schrift nunmehr viel anders an, denn zuvor geschehen war, lief derhalben bald durch die ganze Bibel, wie ich mich derselbigen erinnern konnte, und sammelte auch in andern Worten nach dieser Regel alle ihre Auslegung zusammen. Wie ich nun zuvor dieses Wörtlein "Gottes Gerechtigkeit" mit rechtem Ernste hasste, so fing ich auch dagegen an, dasselbe als mein allerliebstes und tröstlichstes Wort teuer und hoch zu achten, und war nun derselbige Ort in St. Paulo in der Wahrheit die rechte Pforte des Paradieses! Martin Luther† 1546.

Ein gottloser Krämer findet in seiner Tasche ein Blatt einer Bibel. Sein Auge fällt auf das Wort, das den Schluss des Propheten Daniel bildet: "Gehe hin, bis das Ende komme, und ruhe, dass du aufstehest zu deinem Erbteil am Ende der Tage", und er beginnt darüber nachzudenken, was wohl sein Erbteil sein werde am Ende der Tage. - Ein Göttinger Professor schlägt ein Buch auf, um daran die Schärfe seiner Augen zu prüfen; es ist "zufällig" eine Bibel, und er trifft "zufällig" auf den Vers
Jes. 42,16: "Aber die Blinden will ich auf dem Wege leiten, den sie nicht wissen", und wie er dieses Wort liest, da werden die Augen seines Verständnisses aufgetan. - Ein Soldat wird in der Schlacht von einer Kugel getroffen, gerade in die Brust. Er fühlt den Stoß, bleibt aber unversehrt; die Kugel ist in seiner kleinen Bibel stecken geblieben. Nach der Schlacht nimmt er sie heraus, die Kugel ist gerade bis zu dem Spruche Pred. 11,9gedrungen: "Freue dich, Jüngling, deiner Jugend, tue was dein Herz gelüstet und deinen Augen gefällt, und wisse, dass dich Gott um dies alles wird vor Gericht führen", und dieser Satz verfehlte seine dauernde Wirkung nicht. James Hamilton † 1867.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »

Erläuterungen und Kernworte


V. 130. Der Grund, den die römisch-katholische Kirche gegen das Bibellesen der Laien geltend macht, dass sie von ungelehrten und einfältigen Leuten missverstanden werde, wird einfach durch dieses Zeugnis Gottes widerlegt: Es macht klug die Einfältigen. William Cowper † 1619.

Keiner ist so gelehrt und klug, dass Gott ihn nicht verblenden, keiner so blind und unwissend, dass Gottes Geist sein Herz und seinen Geist nicht aufschließen und erleuchten kann. Der Gottesgeist, der über den Wassern schwebend diese wüste und leere Masse in die herrliche Schöpfung wandelte, die wir jetzt sehen, der aus dem finsteren Chaos das wundervolle Weltgebäude hervorgehen ließ, den Himmel mit seinem Heer von Lichtern, vermöchte der nicht auch Leben in deine tote Seele zu bringen und sie hell zu machen, wenn sie auch so dunkel wäre wie die Welt am Vorabend des ersten Schöpfungstages, ehe der HERR sein mächtiges "Es werde Licht!" gesprochen? Mancher Lehrer ist genötigt, den Unterricht an einem Schüler aufzugeben, weil er nicht imstande ist, ihm etwas beizubringen; wenn aber der Geist Gottes die Unterweisung eines Menschen in Angriff genommen, dann bleibt der Erfolg nicht ans, der Schüler mag so hoffnungslos unbegabt sein, wie er will, dein Wort macht klug die Einfältigen. Sobald eine Seele in diese Schule aufgenommen ist, fangen die Fortschritte an. William Gurnall † 1679.

V. 132. Wende dich zu mir, wie der barmherzige Samariter zu dem unter die Mörder Gefallenen. Siehe, auch ich bin bloß ausgezogen, aller meiner Tugenden und Vortrefflichkeiten bin ich entkleidet, die Sünden haben mir Wunden geschlagen, sei du mir gnädig , habe Erbarmen mit mir, pflege mein in der Herberge deiner Gemeinde, damit ich nicht wieder unter die Mörder falle, damit die Wölfe, welche deine Herde heulend umringen, mir nichts zuleide tun. Wende dich zu mir, blick mich an; ich bin ja nicht wert, dass ich dein Sohn heiße, doch sei mir gnädig, handle an mir nicht wie der neidische ältere Bruder es tun würde, sondern lass mich teilhaben am Mahle und am Reigen der Deinen. Siehe mich an, den Zöllner, der von ferne steht im Tempel deiner heiligen Kirche, und sei mir gnädig, schaue mich nicht an wie der stolze Pharisäer, sondern wie du pflegst zu tun denen, die deinen Namen lieben. Siehe mich an wie den weinenden Petrus und sei mir gnädig, wie du ihm gnädig warst, der dich trotz allem so lieb hatte, wie er in der dreimaligen Antwort bekannte, mit der er seine dreimalige Verleugnung austilgte. Sieh mich an wie die Sünderin, die reuige und weinende, und sei mir gnädig, nicht so wie der murrende Pharisäer, vergib mir, wie du ihr vergabst, die da viel liebte, indem du sprichst: "Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden." James Millard Neale † 1866.

Wie du pflegst zu tun. David wollte nicht auf ein einziges der Vorrechte verzichten, die Gott seinen Kindern zugesagt. Tue mit mir, wie du zu tun pflegst, spricht er. Was ich begehre, ist nur, dass ich teilhabe an den Vorrechten deiner Familie; lass mich teilhaben an deinem Tische mit allen, die dich lieben, und lass mich nicht schlechter gekleidet gehen als meine Brüder. William Gurnall † 1679.

Es ist immer ein gutes Zeichen für unser Empfinden und Wollen, ein Zeichen, dass beides unter der Wirksamkeit des Geistes Gottes steht, wenn wir bereit sind, nach Gottes Ordnung behandelt zu werden. Und worin besteht diese? Gottes Ordnung ist, dass er seine Wohltaten niemals vereinzelt, aus dem Zusammenhange gerissen gewährt, keine Rechtfertigung ohne Heiligung, kein Anrecht auf den Himmel ohne vorhergehende Zubereitung. Und wer in der Zucht des Heiligen Geistes steht, der wird auch nicht das eine ohne das andere begehren. Darum wird er auch nicht auf Segen ohne Gehorsam rechnen; denn Gott pflegt je und je die Gnadengabe des Heiligen Geistes an die Furcht des HERRN zu knüpfen und die Übertretungen seiner Kinder mit der Rute zu züchtigen. Kein Lohn ohne vorhergehende Anstrengung; es wird niemand gekrönt, er kämpfe denn recht. Kein Gnadenbeweis, kein Segen ohne Gebet; Gott lässt zuerst die Seinen ihre Bedürftigkeit fühlen, dann kommt die Antwort auf ihr Bitten. Gott hatte einen einzigen Sohn ohne Sünde, aber nie einen ohne Kummer. Er stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. Und der Psalmist spricht: "Ganz recht, lass mir nur ihr seliges Los zuteil werden, so bin ich gerne bereit, den Kelch zu trinken, den sie tranken, und mich mit der Taufe taufen zu lassen, da sie mit getauft wurden. Ich begehre nicht einen eigenen, besonderen Weg zur Herrlichkeit, ich bin zufrieden mit der öffentlichen, jedem Bettler zugänglichen Landstraße." W. Jay † 1853.

Non parem Paulo veniam requiro,
Gratiam Petri neque posco, sed quam
In crucis ligno dederas latroni
sedalus oro.

Nicht begehre ich eines Pauli Gabe,
Nicht die Gnade, die Petro ward verliehen,
Nur des Schächers Los dort am Stamm des Kreuzes,
Das sei mein Erbteil.
Aus Aenneas Sylvius, De passione Domini; die Grabschrift des Kopernikus † 1543.

V. 133. Lass meinen Gang gewiss sein in deinem Wort. Gottes Kindern genügt es nicht, sich auf dem rechten Wege zu wissen, sie wollen auch einen gewissen, festen Tritt haben. Sie scheuen nicht weniger einen unsicheren Gang als ein Wandeln in der Irre, ihr Weg zum Himmel soll geradeaus gehen, ohne Umwege, ohne Krümmungen. Thomas Manton † 1677.

V. 135. Lass dein Antlitz leuchten über deinen Knecht. Da die Erneuerung schon hienieden beginnen soll, wird das Schauen von Gottes Angesicht auch hier auf Erden seinen Anfang nehmen, wenn es auch zurzeit noch ein Sehen durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort ist, während das vollkommene Schauen erst drüben stattfindet, von Angesicht zu Angesicht. Dann wird es auch mehr als ein bloßes Schauen, es wird ein unmittelbares Erkennen sein. Wir werden ihn sehen, wie er ist. Nach Aurel. Angustin † 430

Lass dein Antlitz leuchten ... und lehre ... Gott hat mancherlei Weise, die Menschen zu lehren: durch die Schrift, mit seiner Hand, mit der Zuchtrute; am sanftesten und eindringlichsten aber lehrt er mit dem Lichte seines Angesichtes. Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berge und zu deiner Wohnung.
(Ps. 43,3.) Rich. Alleine † 1681.

V. 136. Von Wasserbächen strömen meine Augen über, dass man dein Gesetz nicht hält.Der Orientale vergießt viel leichter und häufiger Tränen als der Europäer. Wenn der Psalmist hier vom Fließen der Augen mit Wasser spricht, so ist das nicht bloß als ein poetisches Bild anzusehen, sondern sicherlich wahr. Man kann dies z. B. bei den Arabern beobachten. John Gadsby 1862.

Sein eigenes Leid, dass er vor dem Sohne fliehen musste, presste ihm nicht so viele Tränen aus als die Sünden anderer, der Ungehorsam der Gottlosen gegen den HERRN. Nichts griff ihm so ans Herz, als die Missachtung Gottes und seiner Gebote, dessen Ehre und Ruhm, wie sie aus seinem Worte und seinen Geboten hervorleuchten, dem Frommen teurer sind als sein eigenes Leben. Elia begehrte zu sterben, als er Gott so geschändet sah durch Ahab und Isebel. Das Auge hat zweierlei Bestimmung, das Sehen und das Weinen. Wenn wir sehen müssen, wie man Gott Schande bereitet, dann müssen sich unsere Augen mit Tränen füllen. W. Greenhill † 1677.

Solches Trauern um fremde Sünde verlangt der HERR von uns, weil es dazu hilft, unser Herz und Gewissen im rechten Zustande zu erhalten. Das hält uns fern von der Versuchung. Es gleicht dem Löschen eines Brandes im Nachbarhause; du schaffst das Wasser herbei, ehe der Brand bei dir ausbricht. Nichts schützt uns so gut vor der Ansteckung wie das Leidtragen um die Verderbnis unserer Mitmenschen. Die Seele wird sich nie verleiten lassen, etwas zu tun, was ihr an anderen Schmerz bereitet. Und wie es uns im rechten Zuge erhält, so auch demütig gehorsam in der Furcht des HERRN, ängstlich besorgt, dass wir nicht selbst Gottes Gericht auf uns herabrufen. Wer schon zittert, wenn er die Schlange einem anderen nahekommen sieht, wie wird der sich fürchten, wenn sie auf ihn selbst zuschleicht. Wer in der Fremde kämpft aus Tatendurst, wird sicherlich auch zu Hause tapfer sein, wenn es die eigene Sicherheit gilt. Thomas Manton † l 677.

Die Sünden der Sünder sind die Schmerzen der Frommen. Was wir nicht bessern können, das können wir doch beweinen. Matthew Henry † 1714.

Wenn wir nicht um die Sünden anderer Leid tragen, so kann es geschehen, dass ihre Schuld auf unser Haupt fällt. W. Nicholson † 1671.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
Moderator
Beiträge: 2946
Registriert: 04.04.2008 07:47
Wohnort: Essen im Ruhrpott

Psalm 119

Beitrag von Jörg »


137.
HERR, Du bist gerecht,
und dein Wort ist recht.
138.
Du hast die Zeugnisse deiner Gerechtigkeit
und die Wahrheit hart geboten.
139.
Ich habe mich schier zu Tode geeifert,
dass meine Widersacher deiner Worte vergessen.
140.
Dein Wort ist wohl geläutert,
und dein Knecht hat es lieb.
141.
Ich bin gering und verachtet;
ich vergesse aber nicht deiner Befehle.
142.
Deine Gerechtigkeit ist eine ewige Gerechtigkeit,
und dein Gesetz ist Wahrheit.
143.
Angst und Not haben mich getroffen;
ich habe aber Lust an deinen Geboten.
144.
Die Gerechtigkeit deiner Zeugnisse ist ewig;
unterweise mich, so lebe ich.




Dieser Abschnitt handelt von der vollkommenen Gerechtigkeit Jehovahs und seines Gesetzes und schildert die Kämpfe einer frommen Seele um diese Gerechtigkeit. Schon Hieronymus hat bemerkt, dass der Buchstabe, mit dem im Hebräischen jeder der acht Vers beginnt, das Z, auch der Anfangsbuchstabe des hebräischen Wortes für Gerechtigkeit ist.

137. HERR, Du bist gerecht. Der Dichter hat den Namen Jehovah in diesem umfangreichen Psalm nicht oft gebraucht.1 Der ganze Psalm zeigt uns den Verfasser als einen Mann von tief religiösem Gemüt, der mit dem Göttlichen wohl vertraut ist, und solche Menschen gebrauchen den Namen Gottes nicht leichtfertig und unnütz, ja im Vergleich mit den gedankenlos und gottlos dahinlebenden Menschenkindern geradezu selten. Je näher wir Gott kennen, desto mehr wird unser Herz von Ehrfurcht vor ihm erfüllt. An unserer Stelle nennt der Psalmist den heiligen Namen in Anbetung. Er preist Gott, indem er seine vollkommene Gerechtigkeit rühmt. Gott ist immer im Recht, in all seinem Tun ist er gerecht. Diese Eigenschaft gehört unlösbar zum Gottesbegriff; den Gedanken eines ungerechten Gottes ist uns undenkbar. Und dein Wort ist recht (Grundtext: deine Rechtsordnungen sind recht). Nun rühmt er Gottes Rechtsentscheidungen und Anordnungen, wie sie in seinem Wort enthalten sind, als recht, gerade wie ihr Urheber gerecht ist. Was von dem gerechten Gott kommt, muss recht beschaffen sein. Jehovah sagt und tut, was recht ist, und nur solches. Das ist ein fester Halt für die Seele in Zeiten der Anfechtung. Wenn wir schwer geprüft werden und nicht einsehen können, warum Gott solches Leiden über uns verhängt, dann bleibt uns doch die Gewissheit, dass Gott gerecht ist und darum auch alles, was er mit uns tut, recht ist. Wir sollten unsere Ehre dareinsetzen, dies kühn und frei zu bekennen, wenn alle Umstände den Anschein erwecken, als ob das Gegenteil wahr wäre. Das ist so recht wahrhaftige Anbetung, wenn der Glaube Gott preist, während die fleischliche Vernunft über unverdiente Härte und Ungerechtigkeit zu murren versucht ist.

138. Du hast in Gerechtigkeit deine Zeugnisse geboten und in Treue gar sehr. (Grundtext) Alles, was Gott uns in seinem Worte bezeugt hat, ist von seiner Gerechtigkeit bestimmt und sucht mit überaus großer Treue das Beste der Menschenkinder. Weil Gottes Worte der Ausfluss seiner Heiligkeit sind, können wir uns auf sie stützen für die Gegenwart, und weil sie zuverlässige, treue Wahrheit sind, dürfen wir uns auf sie verlassen für alle Zukunft. Jedes Stück der von Gottes Geist gegebenen Zeugnisse ist mit der Würde göttlicher Autorität bekleidet, sie sind auf Gottes Befehl ergangen und den Menschen verkündigt und tragen den unverkennbaren Stempel des Göttlichen, den Charakter der Allmacht an sich. Nicht allein die Gebote jedoch, auch die Verheißungen sind vom HERRN erlassen, und so auch alle die lehrhaften Zeugnisse der Schrift. Es ist nicht unserem Belieben überlassen, ob wir sie anerkennen wollen oder nicht; sie sind durch königlichen Befehl ergangen, und sie in Frage zu stellen sollte niemand wagen. Was sie vor allem kennzeichnet, ist, dass sie dem HERRN, von dem sie ausgehen, ähnlich sind, nämlich durch und durch gerecht und wahr. Gottes Wort ist unanfechtbar in seiner Gerechtigkeit und unbezweifelbar in seiner Wahrheit und Zuverlässigkeit; wahrhaftig ist es von Anbeginn und wird es bleiben bis ans Ende.
Verweile noch einen Augenblick, lieber Leser, bei dem Wörtlein "gar sehr" - in Treue gar sehr. Wie gut, da wir es mit einem Gott zu tun haben, der mit äußerster Genauigkeit Treue hält, der seine Verheißungen bis aufs kleinste wahr macht, mit strengster Pünktlichkeit die rechte Stunde einhält und durch alle Zeiten hindurch unwandelbar derselbe ist. Mit einem solchen Herrn, einem solchen Worte dürfen wir’s wohl wagen!

139. In den letzten beiden Versen sprach der Psalmist von seinem Gott und dessen Gesetz; nun spricht er von sich selbst und sagt: Ich habe mich schier zu Tode geeifert(wörtl.: mein Eifer verzehrt mich), dass meine Widersacher deiner Worte vergessen. Dies kam aber ohne Zweifel daher, dass er eine so klare Einsicht in das bewundernswürdige Wesen des Wortes Gottes besaß. Sein Eifer war wie ein Feuer, das in seiner Seele glühte, und der Anblick der Gottvergessenheit der Menschen wirkte wie ein Sturmwind, der die Glut seines Eifers zur lodernden Flamme entfachte, die ihn selbst zu vernichten drohte. Es war ihm ein unerträglicher Gedanke, dass Menschen das Wort des Höchsten vergessen sollten. In seinem Eifer um Gottes Wort und wider dessen Verächter vergaß er sich selbst und achtete sogar seines eigenen Lebens nicht. Die Gottlosen waren des Psalmisten Feinde: seine Feinde, denn sie hassten ihn um seiner Frömmigkeit willen; seine Feinde, denn auch er verabscheute sie wegen ihres widergöttlichen Wesens und Treibens. Diese Menschen waren so tief in Gottlosigkeit versunken, dass sie Gottes Gebote nicht nur übertraten und hintansetzten, sondern sie schienen sie tatsächlich ganz vergessen zu haben. Das brachte den Psalmisten in großen Zorn und Eifer; er brannte vor Entrüstung. Wie dürfen sie es wagen, das Heilige so mit Füßen zu treten! Wie können sie die eigensten Gebote Gottes so völlig missachten? Er war darüber entsetzt und wurde von heiligem Zorn erfüllt.

140. Dein Wort ist wohl geläutert. Es ist abgeklärte, völlig unvermischte, lautere Wahrheit, von ungetrübter Heiligkeit. Keine Spur von Sünde oder Irrtum ist an Gottes Wort zu finden. Es ist rein in seinem Inhalt, keusch in seiner Sprache, heiliger Geist weht darin, und heilig ist darum auch der Einfluss, der von ihm ausgeht, und das alles in vollkommenem Maße: es ist wohl geläutert, lauter und rein durch und durch. Und dein Knecht hat es lieb. Das beweist, dass er selber lauteren Herzens war, denn nur die Reinen, Lauteren lieben Gottes Wort um seiner Lauterkeit und Reinheit willen. Sein Herz hing fest am göttlichen Wort wegen der Herrlichkeit seiner Wahrheit und Heiligkeit. Er bewunderte es, es war seine Wonne, er suchte es mit ganzem Eifer in die Tat umzusetzen und gab sich seinem heiligenden Einfluss völlig hin.

141. Ich bin gering und verachtet; ich vergesse aber nicht deiner Befehle. Der Vorwurf der Vergesslichkeit, dieses Fehlers, den er an andern mit Recht so streng tadelte (V. 139), konnte gegen ihn nicht erhoben werden. Seine Widersacher missachteten ihn, sie hielten ihn für einen unbedeutenden Menschen ohne Einfluss, Macht oder Fähigkeiten und sahen darum verächtlich auf ihn nieder. Er schickt sich darein und nimmt in Demut mit dem untersten Platz vorlieb; aber Gottes Wort bleibt sein Gefährte in jeder Lage. Wie mancher hat sich schon verleiten lassen, etwas Böses zu tun, nur um der Verachtung seiner Feinde zu steuern, hat, um Beachtung für sich zu gewinnen, in einer Weise geredet oder gehandelt, die er nicht rechtfertigen konnte. Das gerade ist so ansprechend an der Frömmigkeit des Psalmisten, dass er sich durch nichts aus seiner gemessenen Ruhe und dem inneren Gleichgewicht bringen ließ; wie ihn Schmeichelei nicht zu berücken vermochte, so ließ er sich auch durch Schmach und Scham nicht überwältigen. Gehörte er zu den kleinen Leuten, so ließ er es seine Sorge sein, umso mehr im Kleinen treu zu sein; war er verachtet, so war er umso eifriger darauf bedacht, die von seinen Feinden nicht minder verachteten Gebote Gottes in Ehren zu halten.

142. Deine Gerechtigkeit ist eine ewige Gerechtigkeit. Hatte er im ersten Vers der Gruppe den HERRN gerecht genannt, so schreitet er jetzt zu der Erklärung fort, dass Gottes Gerechtigkeit unwandelbar sei und von einer Ewigkeit zur andern währe. Das ist gerade die Freude der Gottseligen und ihr Ruhm, dass Gott immerdar der sein wird, der er ist, und dass seine Art, gegen die Menschenkinder zu verfahren, stets dieselbe ist. Hat er bisher seine Verheißungen gehalten und den Seinen Gerechtigkeit und Gericht geschafft, so wird er es auch tun bis an der Welt Ende. Die Gerechtigkeit wie die Ungerechtigkeit der Menschen, beide haben Schranke und Ziel, Gottes Gerechtigkeit aber ist unendlich, ewig. Und dein Gesetz ist Wahrheit. Wie wir Gottes Wesen in das eine Wort zusammenfassen dürfen: Er ist Liebe, so dürfen wir von seinem Gesetz, seinem Worte, sagen: Es ist Wahrheit, Wahrheit durch und durch, die Wahrheit im höchsten Sinne, die Wahrheit, angewandt auf unser sittliches Handeln, die Wahrheit in kraftvoller Wirksamkeit, die Wahrheit auf dem Richterthron. Zu unserer wie zu allen Zeiten ist es eine viel besprochene Frage: Was ist Wahrheit? Die Bibel ist die Antwort auf diese Frage, und zwar die einzige. Merken wir: Sie ist nicht nur wahr, wir dürfen nicht nur sagen, sie enthalte Wahres, nein, sie ist die Wahrheit schlechthin. Nirgends findet sich im Gesetz oder der Schrift überhaupt, in den Vorschriften, die sie uns für unser sittliches Handeln gibt, etwas Irriges. Wer dem Gesetz des HERRN gehorsam ist, wird finden, dass er in der Wahrheit wandelt, während diejenigen, die ihm widerstreben, nur ein Leben eitlen Scheins führen.


Fußnote
1. Zweiundzwanzigmal als Anrede.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Antworten