Hallo Sammy,
… angesichts der Tatsache das wir Calvinisten fest davon überzeugt sind, dass die 5 Punkte des Calvinismus dem Evangelium entsprechen und Paulus predigte "wer ein anderes Evangelium predigt, der sei verflucht" müssen wir eigentlich echt uns fragen, sind Arminianer wahre Geschwister?
Wenn jemand behauptet, er habe oder man könne anders empfangen, als die Schrift sagt – dann sind solche Zweifel durchaus angebracht.
Ich möchte aber auf zwei Sachverhalte hinweisen:
Das eine ist die Beurteilung einer Lehre.
Das andere ist die Beurteilung eines Menschen.
Eine Lehre (Bekenntnis) zu beurteilen ist viel leichter, weil wir hier Sätze vorliegen haben, die wir in der Aussage mit der Schrift vergleichen können.
Es ist auch nützlich Lehren einmal widerspruchslos zu Ende zu denken und weiter zu vergleichen, wohin das führen wird.
Hier ist ein Urteil: wahr oder falsch möglich.
Anhand einer Lehre ist beurteilbar, ob es sich um einen Lehrer der Gemeinde des Herrn handeln kann oder nicht.
Denn ein solcher hat Wahrheit zu bringen und das wird auch von ihm erwartet.
Von ihm wird in der Regel ein tieferes Schriftverständnis vorausgesetzt. Er soll ja andere belehren.
Bei der Beurteilung eines Menschen (Bruder oder nicht) in diesem Zusammenhang hier, sieht es nicht so einfach aus.
Das liegt daran, dass es wohl in seltensten Fällen einen Menschen gibt, der die ganzen 5 Positionen des „Arminianismus“ teilt und widerspruchsfrei in die Praxis umsetzt.
Es ist wohl eher so, dass mit dem Mund (rein intellektuell) etwas bekannt wird, dass dann aber in der Praxis (z. B. Gebet, z. B. Umgang mit Vertretern anderer Heilslehren) so nicht gehandhabt wird.
Wenn ich jetzt jemanden vor mir habe, der der Überzeugung ist, dass der Mensch von sich aus einen Schritt auf Gott zugehen muss, um gerettet zu werden – gleichzeitig diesen Menschen aber anders Gott bitten höre – für welches Urteilskriterium soll ich mich entscheiden? Stelle ich jetzt das lehrmäßige Bekenntnis über die Gebetsbekenntnisse oder nicht? Was hat hier welche Wichtung?
Ich halte es für einen großen Fehler, Menschen (Bruder oder nicht) hier rein an einem lehrmäßigen Bekenntnis zu beurteilen.
Ich denke, dass die Schrift uns dafür auch keine Handhabe gibt. Ich denke, die Irrlehrer, die dort verflucht werden, sind auch Menschen, die konform mit ihrer Irrlehre Werke aufweisen, die sichtbar und damit beurteilbar sind.
„ … nur sind etliche da, die euch verwirren und das Evangelium von Christus verdrehen wollen.“ (Gal. 1, 7)
Ich halte es für unmöglich ausschließlich aufgrund eines anderen verbalen Bekenntnisses einen zweifelsfreien Rückschluss auf „verdrehen wollen“ zu machen.
Ich denke die Verfluchung des Paulus lässt sich nicht von Gal. 1, 7 / Gal. 2, 4 / Gal. 4, 17 / Gal. 5, 19 – 21 /Gal. 6, 12. 13 abkoppeln und rein intellektuell fassen. Diese Menschengruppe (falsche Brüder) wird doch umfangreicher charakterisiert.
Ich möchte mal zur Verdeutlichung ein längeres Zitat aus folgendem Buch einstellen:
http://www.cbuch.de/product_info.php/in ... rheit.html
Es geht hier zwar um Dispensationalisten, aber die Darstellung lässt sich doch prinzipiell auch auf deine Problematik anwenden:
„…Doch es gibt etwas, das unbestreitbar, unbedingt und unverhandelbar mit dem Wesen der christlichen Religion zusammenhängt, und das ist ihre Lehre vom Heil. Ein Theologe mag vielleicht ungestraft vom reformierten System abrücken und auf eigene Gefahr seinen Weg fortsetzen, doch das Grundmuster des Heils zu verlassen, heißt das Christentum zu verlassen. Folglich hat die Lehre, die wir jetzt betrachten wollen, etwas mit dem Wesen zu tun. Wenn der Dispensationalismus tatsächlich von dem einzigen Weg des Heils, den die christliche Religion lehrt, abgewichen ist, dann müssen wir sagen, dass er vom Christentum abgewichen ist. Ganz gleich, wie viele andere wichtige Wahrheiten er verkündet, er kann nicht mehr christlich genannt werden, wenn er das Christentum von seiner wesentlichen Botschaft entleert.
Eine Sekte definiert man als eine Gruppierung von Menschen, die behaupten, christlich zu sein, dabei aber die eigentliche Botschaft ungültig machen. Wenn der Dispensationalismus das tut, dann ist er eine Sekte, und nicht ein Zweig der christlichen Kirche. Deshalb ist es nicht übertrieben, wenn wir diese Frage hier mit aller Dringlichkeit behandeln.
Was lehrt denn nun der Dispensationalismus über Gottes Volk und das Heil?
Zu meiner Freude stelle ich fest, dass alle Dispensationalisten, die ich je gehört oder deren Werke ich je gelesen habe, leidenschaftlich und nachdrücklich ihren Glauben beteuern, dass Jesus Christus der einzige Retter in allen Dispensationen ist. Das Kreuz Christi ist der einzige Weg der Rechtfertigung für alle, von Adam angefangen bis hin zu dem letzten Heiligen, der je gerettet werden wird. Unabhängig von der oberflächlichen Erscheinungsform der jeweiligen Heilszeit, so sagen sie, ist im Grunde das Blut Christi der einzige Grund des Heils für jeden und zu allen Zeiten.
Unsere dispensationalistischen Freunde beteuern nachdrücklich ihre Treue zum eigentlichen christlichen Heilsweg. Welches auch immer ihre Absichten sein mögen, es gelingt ihnen jedenfalls nicht, sie in ihrer Theologie zum Tragen zu bringen. Wie oft sie auch ihre Treue gegenüber dem Blut Christi als unverzichtbarem Bestandteil des Heilsweges betonen, so zieht doch ihr Lehrsystem unerbittlich dagegen zu Felde.
Diese Diskrepanz ist ihnen nicht bewusst, und ich halte ihnen zugute, dass sie meinen Vorwurf empört von der Hand weisen. Doch eigentlich können sie ihren Widerstand dagegen nicht aufrechterhalten, solange sie ihr Lehrsystem vertreten. Sie müssen dieser Kritik offen ins Auge sehen. Es sei denn, sie könnten sie als unberechtigt widerlegen, müssen sie sich entscheiden, welches von beiden sie verwerfen wollen: entweder das dispensationalistische System, oder das Evangelium von Jesus Christus.
Ich kann es leider nicht milder formulieren. Ich bekenne meine eigene Fehlbarkeit. Ich bin für Gegenkritik offen. Ich warte seit Jahren, dass ein Dispensationalist meine These widerlegt und nachweist, dass er dem Kreuz Christi die ihm gebührende Bedeutung nicht nur geben will, sondern – unter Aufrechterhaltung des dispensationalistischen Theologiesystems – auch tatsächlich geben kann. Bislang warte ich vergebens. Viele Menschen werden leidenschaftlich und entrüstet den Vorwurf von sich weisen, ohne ihn überhaupt zu bedenken, geschweige denn ernsthaft zu erwägen. Das ist eines Christen nicht würdig; …“ (S. 42 / 43)
Gottes Gnade und Friede dir,
Lutz
PS: Dass in einer Gemeinde gegensätzliche Positionen als Wahrheit verkündigt werden, halte ich für absolut untragbar. Die „Herde Gottes“ ist kein Versuchslabor, in dem man heute mal dies und morgen das Gegenteil ausprobiert.
Ich denke, dass du diesen unhaltbaren Zustand als „Schaf der Herde“ dringend mit den „Hirten“ besprechen solltest, wenn du es nicht schon längst getan hast.
In Sachen „allgemeines Sühneopfer“ ist die wichtigste Frage zuerst: Ist Christus für dich, stellvertretend, persönlich, einmalig gestorben? Wird diese Frage persönlich verneint, mit der Bemerkung, das Sühneopfer bedeute etwas anderes – dann liegt die Sache ganz anders.