Seelsorge: Befreiungsdienst oderBegleitungsdienst

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Moderator: Jörg

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mike
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Seelsorge: Befreiungsdienst oderBegleitungsdienst

Beitrag von mike »

Ist Seelsorge ein Befreiungsdienst oder Begleitungsdienst?

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andy
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Beitrag von andy »

Hallo Mike - das ist eine gute Frage. Ich selbst habe Seelsorge immer als Begleitungsdienst verstanden - und denke, daß die Seelsorge oft einfach darin besteht, daß Gott einem Christen während eines bestimmten Lebensabschnittes einen reifen Christen zur Seite stellt, der mit Rat und Tat helfen kann, wo es vielleicht klemmt. Heute ist Seelsorge zu einem Negativbegriff geworden, d.h. wer "Seelsorge braucht", der hat offensichtlich Probleme. Dabei ist es für uns alle ganz gut, wenn wir einen Seelsorger haben - eine Person, die fest im Glauben steht und uns vielleicht auf Dinge aufmerksam macht, die Freunde und Familie längst nicht mehr bemerken, weil sie sich an unsere "kleinen Fehlerchen" gewöhnt haben.

Beim Befreiungsdienst hingegen ist klar, daß dieser nur dort Sinn macht, wo eine dämonische Bindung besteht. Befreiung erfordert erstens die Identifizierung des Problems mithilfe der Geistesgabe der Geisterunterscheidung, und zweitens die Inanspruchnahme der Autorität Jesu, um den Geist loszuwerden.

Seelsorge ist also ein Begleitungsdienst und arbeitet im Rahmen einer persönlichen Beziehung zwischen Seelsorger und der sich ihm anvertrauenden Person. Der Befreiungsdienst hingegen kümmert sich nicht direkt um Geist und Seele des Betroffenen, sondern soll Hindernisse aus dem Weg räumen, die unser Leben in Jesus behindern. Seelsorge ist also nach erfolgter Befreiung von dämonischer Bindung ein sinnvoller nächster Schritt, da hier dann im Detail erörtert werden kann, wie es z.B. zu der Bindung kam, ob da weiterhin ein Einfallstor für Sünde oder solche Bindungen besteht (und wie man es los wird)... und natürlich findet hier Ermutigung uns Auferbauung statt, so daß Christus in demjenigen wieder neu Raum einnehmen kann.

Soweit nur meine persönliche Betrachtungsweise. Man kann "Seelsorge" mit dem Dienst des Hirten in Zusammenhang bringen und liegt sicherlich nicht ganz falsch. Da Begriffe wie "Begleitungsdienst" und "Befreiungsdienst" auch eher aus dem praktischen Kirchenleben kommen als aus der Bibel, gibt es natürlich einen breiten Interpretationsspielraum - aber vielleicht kommen hier gerade dadurch ein paar hilfreiche Gedankenanstöße zusammen :o)

mike
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Beitrag von mike »

Ich habe an einem Seelsorgekurs von William Lerrick teilgenommen.
Uns wurde gelehrt, dass biblische Seelsorge in erster Linie ein Dienst der Befreiung ist. Begründet wird dies mit Lukas 4, 18+19. In Jesaja finden wir auch den Auftrag, die zerbrochenen Herzen zu verbinden und zu heilen.

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andy
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Beitrag von andy »

Lukas 4,18-19 hat geschrieben:Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat; er hat mich gesandt, den Armen frohe Botschaft zu verkünden, zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind, Gefangenen Befreiung zu predigen und den Blinden, daß sie wieder sehend werden, Zerschlagene in Freiheit zu setzen; zu predigen das angenehme Jahr des Herrn.
Das habe ich bisher nie auf Christen angewandt... die Gefangenen habe ich immer als diejenigen verstanden, die in ihrer Sünde und in Satans Lügen gefangen sind und denen Jesus ein neues Leben schenken will. Aber es stimmt andererseits, daß die Befreiung (nicht die Wiedergeburt, aber das Annehmen der Gestalt Christi, also die Heiligung) gleichzeitig ein Prozeß ist, bei dem die Seelsorge eine sehr hilfreiche Rolle spielen kann.

Mir ist jetzt auch klar, daß hier der Begriff "Befreiung" nicht nur im charismatischen Sinn als Befreiung von bösen Geistern gemeint ist, sondern als Befreiung von uns anhängenden "Altlasten" im allgemeinen, wie sündhaften Gewohnheiten etc. - also eigentlich gleichzeitig ein Heiligungsprozeß, oder? Insofern ist Seelsorge beides, Begleitungs- und Befreiungsdienst. Eine begleitende Unterstützung auf dem Weg zu größerer Freiheit von dem, was uns zurückhält und verhindert, daß Jesus in uns vollständig Gestalt annimmt - was auch immer dies sein mag.

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Sanftwut
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Befreiungsdienst meist okkult.

Beitrag von Sanftwut »

Seelsorge ist nach meinem Verständnis die Begleitung von Gläubigen durch Geschwister mit einer Hirtengabe, die evtl vorhandene negative Bindungen aufzeigen und die Herzensbindung zu Christus vertiefen helfen.

Der Begriff Befreiungsdienst ist durch die vor allem in charismatischen Kreisen praktizierte Okkultseelsorge negativ besetzt. Nachstehend noch einige Thesen zur Okkultseelsorge.

1. Wir leben in einer gefallenen Welt in der Teufel als „Gott dieser Welt“ wirkt und mit seinen Dämonen (gefallene Engel) als der große Gegenspieler Gottes die Menschen zur Sünde und zum verharren in derselben verführt.

2. Jesus Christus hat am Kreuz den Teufel besiegt. „Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt. In ihm (Christus) hat er den Triumph über sie gehalten.“ (Kol.2,15)

3. Jeder Mensch der sich Jesus Christus anvertraut und von neuem geboren wird, erfährt eine völlige Erlösung und Befreiung. „Wenn der Sohn euch frei machen wird, so seid ihr recht frei“ (Joh.8,36) „…welcher uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe, in welchem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Sünden.“ (Kol.1,13-14)

4. Es gibt in der Bibel keinen einzigen Fall eines wiedergeborenen Menschen, bei dem ein Dämons ausgetrieben wurde. Insofern ist die in machen Kreisen ausgeübte Dämonenaustreibung oder Bindung unbiblisch.

5. Ein durch Jesus erlöster Mensch kann auch nicht durch den Fluch seitens der Vorfahren gebunden oder belastet sein. Das NT fordert uns an keiner Stelle auf die Sünden der Vorfahren zu bekennen (oder sie durch Dämonenauskünfte zu ergründen)

6. Das NT kennt keine besonders „bevollmächtigte“ Seelsorger zur Dämonenaustreibung. Entsprechend Jak.5,16 sollen wir einander die Sünden bekennen.

7. Ein Ansprechen oder „Befragen“ von Dämonen ist durch keine Bibelstelle legitimiert. Wer das tut wird vom Vater der Lüge verführt und angelogen.

8. Es ist biblisch sich sichtbar von okkulten Praktiken zu distanzieren (verbrennen der Bücher in Ephesus Apo. 19); allerdings ist ein magisches Denken in der Form, dass man meint durch Gegenstände (Hufeisen, Weleda-Produkte) wieder unter einen dämonischen Einfluss kommt, abzulehnen.

9. Dämonenaustreibungen durch die Apostel waren apostolische Zeichen, die die neue Heilszeit einleiteten und die Apostel in ihrem Dienst bestätigten. (Hebr.2,2-4)

10. Wir sollen wachsam und nüchtern sein und dem Teufel standhaft widerstehen (1.Petr.5,8). Es gibt kein Grund ihm zu gebieten oder ihn anzugreifen, sondern durch Gebet und ein geheiligtes Leben mit dem Herrn (Waffenrüstung nach Eph.6 ständig angelegt habend) zu widerstehen.

Diese Thesen können das Thema nur anreißen. Über jeden Punkt kann ausführlich an Hand der biblischen Aussagen Vertiefung erfolgen.

Gruß
Sanftwut
Critically examine everything.
Hold on to the good. (1.Thess.5,21)

SK
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Beitrag von SK »

Hallo,
mal abgesehen von den spezifischen Theologien, die hinter derartigen Begriffen stehen können – sind Begleitung und Befreiung nicht vielleicht zwei Seiten derselben Medaille, die da Seelsorge heißt?
  • Begleitung meint die zurückhaltende, passive Seite der Seelsorge: Das lange Zeit mit einem "Seelsorgekind" auf dem Weg sein, Mut machen, nicht aufgeben, vor Widrigkeiten und Rückschlägen nicht zurückschrecken usw.
  • Befreiung steht dann für das aktive Eingreifen: falsche Einstellungen gerade rücken, klare Anforderungen stellen, Wegweisung geben. Je nach theologischem Hintergrund auch Sünde vergeben (Joh 20,23) oder Dämonen austreiben (wo das angebracht erscheint). Der Seelsorger handelt ja schließlich an Christi Statt (2 Kor 5,20). Befreiungsdienst wäre dann das, was Paulus "Dienst der Versöhnung" nennt (2 Kor 5,18).
Ich jedenfalls kann hier keinen Gegensatz erkennen, sondern vielmehr die beiden Elemente des passiven Begleitens und des aktiven Eingreifens in der Seelsorge.
Viele Grüße
Stefan
Jesus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. (Joh 14,6)

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