Eine Erklärung zum bapt. Glaubensbekenntnis(1689) für heute.

Basiert auf "Biblische Lehre" - aber damit die Praxis nicht zu kurz kommt, ein Extra-Forum

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Jörg
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I. Der Gebrauch von Mitteln

Wie bereits in der Gliederung bemerkt, gibt es ein Zugeständnis, eine Erläuterung und eine Einschränkung, aus denen sich die Aussage des Bekenntnisses über den Gebrauch von Mitteln zusammensetzt.Das Zugeständnis oder das Eingeständnis lautet: „Auch wenn der vorherigen Kenntnis und dem Ratschluss Gottes, der ersten Ursache, gemäß alle Dinge unwandelbar und unfehlbar geschehen, so dass es gar nichts gibt, was irgendjemandem durch Zufall oder ohne seine Vorsehung zustößt, …“ (5,2). Das Vorhandensein und die Relevanz von Mitteln in der von Gott erschaffenen Welt heben die Tatsache und Unwandelbarkeit seines ewigen Ratschlusses nicht auf. Der Fatalist und der Arminianer behaupten, dass unser Tun nichts ausrichten kann, wenn doch Gott alles vorherbestimmt hat.Die Bibel argumentiert in genau entgegengesetzter Weise: Da Gott alles vorherbestimmt hat, verändern die Mittel, die er verordnet hat, etwas. Der Beweis dafür findet sich in einem Vergleich der Texte, die bereits in Kapitel3 zitiert wurden, mit den Texten, die unten im Blick auf die Bedeutung und Notwendigkeit des Gebrauchs von Mitteln angeführt werden. Das Bekenntnis erläutert: „[D]och in derselben Vorsehung [hat er] angeordnet, dass sich all dies nach der Art der zweiten Ursache zuträgt, entweder zwangsläufig, frei oder zufällig.“ (5,2). Hier wird eine Spannung beschrieben. Eine Folge von Geschehnissen, die aus der Abfolge von freien und zufälligen Ereignissen besteht, sollen zu einem vorherbestimmten Ergebnis führen. Der Beweis für diese Aussage findet sich in den vielen Stellen, an denen freie oder zufällige Handlungen die notwendige Voraussetzung für von Gott vorherbestimmte Ereignisse bilden (Spr 20,18; Mt 5,20; Lk 13,3.5; 14,25-33; Apg 27,23-24.31; Phil 1,19). Der Sieg im Krieg ist vorherbestimmt (Spr 21,31b), doch sind die sorgsame Pflege der Ausrüstung (Spr 21,31a) und ein weise geschmiedeter Plan gefordert (Spr 20,18). Der ungezielte Schuss des aramäischen Bogenschützen führte zu dem vorherbestimmten Tod Ahabs (1Kön 22,28.34). Rut war Gottes Gabe an Boas (Spr 19,14), aber sie traf ihn zufällig (Rut 2,3). Das Verständnis, dass Gott die Welt durch Mittel beherrscht, sollte uns daher vor drei Dingen bewahren:

1. Es bewahrt vor einer elenden Angst vor dem Leben und ständigem Klagen

Alles ist der Herrschaft des lebendigen Gottes unterworfen. Wenn wir das glauben, wird uns dies vor Angst und Klage bewahren, die uns ein sehr armseliges Leben bescheren.

2. Es bewahrt vor einem lähmenden Fatalismus

Was ändert der Gebrauch von Mitteln? Alles in dieser Welt wird durch sie verändert, denn Gott hat Mittel verordnet.

3. Es bewahrt vor einer zerstörerischen Vermessenheit

Wir dürfen niemals davon ausgehen, dass wir Folgen und Ergebnisse sehen können, ohne die Mittel zu gebrauchen. Wir dürfen nicht erwarten, dass Gott unsere Lieben erretten wird, wenn wir nicht für sie beten. Wir dürfen nicht denken, dass wir uns in Sicherheit befinden, wenn wir keine Vorkehrungen treffen. Die Mittel zum Heil sind Buße und Glaube. Fleiß ist das Mittel zum Erfolg. Es geht auf dem Weg der Heiligung zum Himmel, und dies erfordert, dass wir auf dem schmalen Pfad gehen. Die notwendige Einschränkung der Bedeutung und Notwendigkeit des Gebrauchs von Mitteln wird in Abschnitt 3 genannt. Dieser Abschnitt spricht von der Fähigkeit Gottes, Wunder zu tun. Gott ist kein Sklave der von ihm verordneten Mittel. Es wäre vermessen, wenn man auf ein Wunder hofft, um von den Folgen der eigenen Verantwortungslosigkeit befreit zu werden, aber dennoch wird Gott nicht durch die Mittel eingeschränkt. Gott war ohne Mittel wirksam. Die Jungfrauengeburt Christi geschah ohne Vater und ohne Sperma (Lk 1,34-35). Gott hat sich in seinem Wirken über Mittel hinweggesetzt. Die Empfängnis von Isaak trug sich zu, als Abraham und Sarah das übliche Alter weit überschritten hatten, in dem man gewöhnlich Kinder bekommen kann (Röm 4,19-21). Die gewöhnlichen Mittel wurden wundersam relativiert. Gott wirkte auch gegen die Mittel. Beispielsweise verbrannte der Busch nicht (2Mose 3,2-3), das Eisen schwamm (2Kön 6,6), und der Feuerofen verbrannte Gottes Knechte nicht (Dan 3,27). Gott besitzt die Freiheit, gegen die Mittel zu handeln.


II. Die Fürsorge für die Gemeinde

Vorsehung bedeutet, dass man im Voraus für etwas sorgt oder seine Aufmerksamkeit auf etwas richtet. Das Bekenntnis spricht in Abschnitt 7 klar davon, dass das besondere Augenmerk von Gottes Fürsorge und Aufmerksamkeit in seiner königlichen und allumfassenden Fürsorge seinem Volk, seiner Gemeinde, gilt (Spr 2,7-8; Jes 43,3-5.14; Am 9,8-9; Röm 8,28; Eph 1,11.22; 3,10-11.21; 1Tim 4,10). Wer, wenn überhaupt irgendjemand, genießt Gottes besondere Fürsorge? Sind es die Prominenten, die Mächtigen, die politischen Führer, die Juden? Nein! Es ist die Gemeinde. Dies ist eine oft verhüllte, aber sehr trostreiche Tatsache. Worauf richtet sich das Augenmerk von Gottes Vorsehung in dieser Welt? Auf Jerusalem, wo der Tempel stand? Nein! Auf Rom, den Vatikan? Auf Mekka? Nein, auf die Gemeinde! Was das Wichtigste des Lebens anbelangt, dürfen wir uns keine säkulare Mentalität zu eigen machen.Alles, was im Leben geschieht, geschieht um der Gemeinde willen.
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Jörg
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6.Über den Fall des Menschen, über Sünde und ihre Bestrafung


1. Obwohl Gott den Menschen rechtschaffen und vollkommen geschaffen und ihm ein gerechtes Gesetz gegeben hatte — das ihm Leben versprach, wenn er es halten würde, und den Tod androhte, sollte er es brechen —, blieb er dennoch nicht lange in dieser ehrenvollen Stellung.1 Satan benutzte den Scharfsinn der Schlange, um Eva zu verführen und anschließend durch sie Adam zu verführen, der ohne jeglichen Zwang absichtlich das Gesetz ihrer Schöpfung und das ihnen gegebene Gebot übertrat, indem er die verbotene Frucht aß.2 Es gefiel Gott, dass er dies gemäß seinem heiligen und weisen Ratschluss zuließ, da er beabsichtigte, es zu seiner eigenen Ehre zu gebrauchen.3
1. Pred 7,29; Röm 5,12a.14-15; 1Mose 2,17; 4,25-5,3.
2. 1Mose 3,1-7; 2Kor 11,3; 1Tim 2,14.
3. Röm 11,32-34; 2Sam 24,1; 1Chr 21,1; 1Kön 22,22-23; 2Sam 16,10; Apg 2,23;
4,27-28.

2. Durch diese Sünde fielen unsere ersten Eltern von ihrer ursprünglichen Gerechtigkeit und Gemeinschaft mit Gott ab und wir in ihnen, wodurch der Tod zu allen Menschen kam:1 Daher sind alle Menschen tot in Sünde, und alle Fähigkeiten und Teile von Leib und Seele sind vollkommen verdorben.2
1. 1Mose 3,22-24; Röm 5,12-21; 1Kor 15,20-22; Ps 51,6-7; 58,4; Eph 2,1-3;
1Mose 8,21; Spr 22,15.
2. 1Mose 2,17; Eph 2,1; Tit 1,15; 1Mose 6,5; Jer 17,9; Röm 3,10-18; 1,21;
Eph 4,17-19; Joh 5,40; Röm 8,7.

3. Da sie der Anfang der Menschheit sind und durch Gottes Anordnung für und an Stelle der ganzen Menschheit stehen, wurde all ihren Nachkommen, die von ihnen durch gewöhnliche Fortpflanzung abstammen, die Schuld der Sünde zugschrieben und die verdorbene Natur auf sie übertragen. Sie werden nun in Sünde geboren und sind von Natur aus Kinder des Zorns, Sklaven der Sünde, dem Tod und allen anderen geistlichen, zeitlichen und ewigen Nöten unterworfen, es sei denn, der Herr Jesus befreit sie.1
1. Röm 5,12-19; 1Kor 15,20-22; Ps 51,6-7; 58,4; Eph 2,1-3; 1Mose 8,21; Spr 22,15;
Hiob 14,4; 15,14.

4. Aus dieser ursprünglichen Verdorbenheit, durch die wir völlig untauglich, unfähig zu und feindlich gegenüber allem Guten sind und vielmehr zu allem Bösen neigen,1 rühren alle gegenwärtigen Übertretungen her.2
1. Mt 7,17-18; 12,33-35; Lk 6,43-45; Joh 3,3.5; 6,37.39-40.44-45.65; Röm 3,10-12;
5,6; 7,18; 8,7-8; 1Kor 2,14.
2. Mt 7,17-20; 12,33-35; 15,18-20.

5. Die Verdorbenheit der Natur bleibt während dieses Lebens in denen, die wiedergeboren sind;1 und obgleich sie durch Christus vergeben und getötet ist, ist dennoch sie selbst und ihr wesentlicher Beweggrund echte und wirkliche Sünde.2
1. 1Joh 1,8-10; 1Kön 8,46; Ps 130,3; 143,2; Spr 20,9; Pred 7,20; Röm 7,14-25; Jak 3,2.
2. Ps 51,6-7; Spr 22,15; Eph 2,3; Röm 7,5.7-8.17-18.25; 8,3-13; Gal 5,17-24;1Mose 8,21; Spr 15,26; 21,4; Mt 5,27-28.
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Jörg
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Gliederung 1

Thema: Der Sündenfall



Abschnitt 1
I. Die Art und Weise des Sündenfalls

A. Die allgemeinen Voraussetzungen für den Sündenfall: „Obwohl Gott den Menschen … in dieser ehrenvollen Stellung“
1. Unschuld
2. Wahlmöglichkeit
3. Kürze
B. Die genaue Beschreibung des Sündenfalls: „Satan benutzte“
1. Das Ereignis des Sündenfalls
2. Die Art und Weise des Sündenfalls
3. Das Wesen des Sündenfalls
4. Der wesentliche Kern des Sündenfalls
5. Die Zulassung des Sündenfalls

Abschitt 2-5
II. Die Folgen des Sündenfalls

2 A. Die stellvertretende Sünde
3 B. Die Erbsünde
1. Ihre Übermittlung: „Da sie der Anfang … sind“
• Ihre zweifache Grundlage
• Ihr zweifaches Wesen
• Ihre genauen Empfänger
2. Ihre Folgen: „nun in Sünde geboren“
4 C. Die gegenwärtigen Sünden (oder Tatsünden)
1. Ihr Ursprung: „aus dieser ursprünglichen Verdorbenheit“
2. Ihre Atmosphäre: „durch die wir völlig … zu allem Bösen neigen“
5 D. Die bleibende Sündhaftigkeit

Gliederung 2

Thema: Die Sünde


Abschnitt 1
I. Der Ursprung der Sünde: der Sündenfall

A. Die allgemeinen Voraussetzungen B. Die genaue Beschreibung

Abschnitt2-3
II. Das gemeinsame Los der Sünde

2 A. Ihre Gegebenheit
3 B. Ihre Übermittlung

Abschitt 4-5
III. Die Folgen der Sünde

4 A. Ihre Herrschaft in den nicht Wiedergeborenen im Allgemeinen.
5 B. Ihr Verbleiben in den Wiedergeborenen im Speziellen.

Zwischen den Kapiteln 4, 6 und 9 des Bekenntnisses besteht eine enge Verbindung. Daher möge der Leser in jenen Kapiteln nachlesen, wenn in diesem Kapitel ein für ihn besonders interessantes Thema nicht behandelt wird. An dieser Stelle wollen wir uns mit zwei eng miteinander verwobenen Themen auseinandersetzen: mit dem „Bund der Werke“ oder der adamitischen Verwaltung und der biblischen Lehre von der Sünde.
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Jörg
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I. Der „Bund der Werke“ oder die adamitische Verwaltung

Wenn man 1. Mose 2 und 3 nur oberflächlich liest, mag man dort lediglich eine einfache biblische Geschichte für Kinder entdecken, die von einem Mann, einer Frau und einer Schlange handelt und davon, wie Gott sie dafür bestraft, dass sie sich in seinem Garten nicht anständig benommen hatten. Bei einer durchdachteren Betrachtung dieser Kapitel beginnt man, in dieser Erzählung die Kennzeichen wahrzunehmen, die für die gesamte Welt von Bedeutung sind. Die Bibel bestätigt dies und betrachtet 1. Mose 2 und 3 als Grundlage für das Verständnis der Welt und der Erlösung. Die Puritaner hatten diese einzigartige Bedeutung zusammen mit vielen anderen reformierten Theologen erkannt und umschrieben die Kapitel des ersten Buches Mose mit dem theologischen Fachbegriff „Bund der Werke“. Viele ihrer theologischen Erben lehnten die Bezeichnung „Bund der Werke“ ab, oder sie brachten wenigstens schwerwiegende Bedenken dagegen vor. Man hat vermutet, dass auch die Verfasser des Bekenntnisses von 1689 zu ihnen gehörten. Der Grund für diese Annahme besteht darin, dass der Ausdruck „Bund der Werke“, wie er im ersten Abschnitt der Savoy-Erklärung zu diesem Kapitel verwendet wird, von denen, die das baptistische Bekenntnis erstellten, vollkommen außer Acht gelassen wurde, obwohl sie an vielen anderen Stellen den Wortlaut der Savoy-Erklärung übernahmen. Diese theologische Entwicklung bestätigt sich scheinbar dadurch, dass derselbe Ausdruck in Kapitel 7,2 und 19,1 nicht aus dem Westminster Bekenntnis Über den Fall des Menschen, über Sünde und ihre Bestrafung 111 und der Savoy-Erklärung an den parallelen Stellen des Bekenntnisses von 1689 übernommen wurde.Bei dieser Schlussfolgerung ergibt sich das Problem, dass das baptistische Glaubensbekenntnis in den Abschnitten 19,6 und 20,1 den Ausdruck „Bund der Werke“ beibehält. Eine Erklärung für diese scheinbare Zwiespältigkeit im Denken der Männer, die das Bekenntnis verfasst haben, geht davon aus, dass die Verfasser des Bekenntnisses von 1689 bestimmte Vorbehalte gegen diese Bezeichnung hatten, jedoch im Allgemeinen mit dem übereinstimmten, was man landläufig darunter verstand. Mir geht es im Großen und Ganzen sehr ähnlich, und daher würde ich an sich sehr zu dieser Erklärung neigen.
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Jörg
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I. Der „Bund der Werke“ oder die adamitische Verwaltung

Einer meiner Schüler hat jedoch überzeugende Beweise geliefert, dass eine derartige Interpretation fehlgeleitet wäre. Er hat wichtige Belege entdeckt, nach denen viele der wichtigsten Unterzeichner des baptistischen Bekenntnisses den Gebrauch des Ausdrucks „Bund der Werke“ gutgeheißen hatten. Nach seiner Argumentation führten redaktionelle Überlegungen zum Verschwinden dieses Ausdrucks in den Kapiteln 6,1; 7,2 und 19,1. Beispielsweise entsteht in den anderen Bekenntnissen in Kapitel 7 durch die Erwähnung von zwei Bünden ein eigenartiger Widerspruch zu dem im Singular gehaltenen Titel „Über Gottes Bund“. Daher beschränkt sich das baptistische Bekenntnis auch auf lediglich einen Bund — den Bund der Gnade. In 19,1 scheinen ähnliche redaktionelle Überlegungen vorzuliegen: Das baptistische Glaubensbekenntnis folgt durchweg eng der Revision des Westminster Bekenntnisses durch die Savoy-Erklärung, und dies wird besonders in Kapitel 19 sehr deutlich. Die Lesart der Savoy-Erklärung am Anfang von 19,2 ist jedoch etwas holprig und leicht verwirrend. Das Thema in Abschnitt 1 der Savoy-Erklärung ist der „Bund der Werke“. Abschnitt 2 beginnt jedoch ziemlich unvermittelt mit den Worten: „Dieses Gesetz, das so auf das Herz geschrieben worden war ...“ (SAVOY 19,2). Es entsteht der unbeabsichtigte Eindruck, dass das Gesetz, das aufs Herz geschrieben wurde, der Bund der Werke ist. Um diesen ziemlich unvermittelten und verwirrenden Übergang etwas auszugleichen, haben die Baptisten die Erwähnung des Bundes der Werke in Abschnitt 1 weggelassen und beginnen Abschnitt2 mit den Worten: „Dasselbe Gesetz, das anfangs auf das Herz des Menschen geschrieben worden war, blieb auch nach dem Fall ein vollkommener Maßstab für die Gerechtigkeit.“ (19,2).Folglich gibt es keinen Grund, weshalb man annehmen müsste, dass die Verfasser des Bekenntnisses irgendwelche Vorbehalte hatten, den theologischen Begriff „Bund der Werke“ zu gebrauchen. Wie auch immer wir darüber denken mögen: Das Bekenntnis verwirft nicht und auch wir dürfen und können nicht die weltumfassende Bedeutung der Inhalte von 1. Mose 2 und 3 und die besonderen Vereinbarungen zwischen Gott und Adam verwerfen, von denen dort berichtet wird. Diese Vereinbarungen nennt John Murray treffend: „Die adamitische Verwaltung.“ Wir wollen hier das Ziel, das Mittel und die Bedeutung der adamitischen Verwaltung betrachten.
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I. Der „Bund der Werke“ oder die adamitische Verwaltung

A. Das Ziel der adamitischen Verwaltung

Das Ziel der adamitischen Verwaltung bestand darin, Adam zu einer höheren Existenz zu verhelfen als der, in der er geschaffen worden war. Zunächst mag ein derartiger Gedanke sonderbar, wenn nicht gar verwerflich erscheinen. Was könnte besser oder höher sein, als „aufrichtig und vollkommen“ zu sein? Eine noch gewichtigere Frage wirft sich auf: „Wird dadurch Gottes gute Schöpfung geschmäht?“ Derartige Fragen erfordern es, dass ausreichende Belege für die obige Behauptung dargeboten werden. 1. Mose 2,17 ist dazu von zentraler Bedeutung. Einige haben diesen Text gelesen und daraus geschlossen, dass, obschon darin ein Befehl und eine Drohung enthalten sind, er keine Verheißung für eine höhere Existenz beinhaltet. Dieses Verständnis von 1. Mose 2,17 wird auf Grund folgender Überlegungen abgelehnt:

1. Aus welchem Grund wären die besonderen Vorkehrungen getroffen worden, wenn damit keine besondere Absicht verfolgt worden wäre? Wenn es eine solche Absicht gab, scheint das gute Wesen Gottes in Frage gestellt zu werden, wenn man annimmt, dass diese Absicht ausschließlich negativ war.

2. Der Zusammenhang zwischen dem Baum des Lebens und dem Baum der Erprobung (1Mose 2,9; 3,3) gestattet es uns, diese positive Absicht zu erschließen. Das Ziel hätte demnach im ewigen Leben bestanden, das der Baum des Lebens gewähren konnte (1Mose 3,22). Manche haben die Vermutung geäußert, Adam habe bereits vor dem Sündenfall vom Baum des Lebens gegessen. Mehrere Einwände Über den Fall des Menschen, über Sünde und ihre Bestrafung gegen eine derartige Auslegung liegen auf der Hand. Der Zusammenhang zwischen dem Baum des Lebens und dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, der durch ihren gemeinsamen Standort in der Mitte des Gartens entsteht (1Mose 2,9; 3,3), lässt die Annahme, Adam und Eva hätten bereits davon gegessen, als sehr unwahrscheinlich erscheinen. Bevor Eva sich von der Schlange verführen ließ, legte sie eine äußerst große Scheu an den Tag, sich auch nur physisch in die Nähe der Frucht des Baumes zu begeben (1Mose 3,3). Des Weiteren sprach sie in diesem Vers nur von einem einzigen Baum in der Mitte des Gartens. Schlussendlich würde die Annahme, Adam habe bereits vom Baum des Lebens gegessen, zu einem äußerst widersinnigen Verständnis von 1. Mose 3,22-24 führen. Gewiss hätte Adam nach dem Sündenfall ewig gelebt, wenn er von der Frucht des Baumes des Lebens gegessen hätte, denn wir müssen doch mit Sicherheit annehmen, dass, wenn er vor dem Sündenfall davon gegessen hätte, er ewig gelebt hätte. Es ist aber offensichtlich so, dass es für ihn selbst vor dem Sündenfall möglich war, zu sündigen und zu sterben, und dass er folglich nicht vom Baum des Lebens gegessen haben konnte.
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3. Negative Drohungen wie die in 1. Mose 2,17 implizieren in der Bibel gewöhnlich positive Verheißungen.

4. Christus, der letzte Adam, hat durch seinen Gehorsam das Leben erworben, das ewige und verwandelte Leben (Röm 5,14-21; 1Kor 15,45-49). Gewiss müssten wir für den ersten Adam dasselbe erwarten, hätte er seine Prüfung erfolgreich bestanden. Zu diesem Schluss kommt John Murray: „Die Menschheit verharrt durch die Übertretung Adams in Sünde, Verdammung und Tod. Mit Sicherheit wäre dieses Prinzip des Verharrens auch im Blick auf das Leben mit ähnlicher Übereinstimmung angewandt worden, wenn Adam gehorsam gewesen wäre. Es besteht eine Analogie zwischen Adam und Christus. Sie haben beide ein einzigartiges Verhältnis zur Menschheit. Es gibt keinen vor Adam — er ist der erste Mensch. Es gibt keinen dazwischen — Christus ist der zweite Mensch. Es gibt keinen nach Christus — er ist der letzte Adam (1Kor 15,44-49). Hier haben wir eine umfassende Deutung der Beziehungen, in dem sich der Mensch befindet. Wir wissen auch, dass es in Christus das Verhältnis der Stellvertretung gibt und dass der von ihm erfolgreich vollbrachte Gehorsam seinen Nachkommen Gerechtigkeit, Rechtfertigung und Leben vermittelt, was für alle diejenigen gilt, die er repräsentiert (1Kor 15,22). Wenn Adam daher eine Zeit des erfolgreichen Gehorsams hinter sich gebracht hätte, hätte er dadurch für alle diejenigen, die er repräsentierte, ewiges Leben erworben. Wenn man nun von der Vollkommenheit und der Segnung von Adams Schöpfungsstand ausgeht, worin könnte dann ein noch höherer Stand bestanden haben? Es könnte sich dabei nicht um die Abwesenheit der Sünde, des Fluches oder des Todes handeln, denn diese
Segnungen waren Adam bereits zu Teil. Es muss sich folglich vielmehr um ein Verharren in der Gerechtigkeit gehandelt haben, in der Freiheit selbst von der Möglichkeit des Todes und in einer noch größeren und offeneren Gemeinschaft mit Gott, was durch die ursprünglichen Segnungen hätte hervorgebracht werden sollen. Darin hätte dann ein solch höherer Stand unmittelbar bestehen sollen. Schließlich wären ihm und seinen Nachkommen die Segnungen des verherrlichten und verwandelten Leibes, von denen in 1. Korinther 15 die Rede ist, zu Eigen geworden.
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B. Das Mittel der adamitischen Verwaltung

Gott gebrauchte eine intensive und gedrängte Zeitspanne, um Adam, das Haupt der Menschheit, zu prüfen. Diese Zeit beinhaltete im Wesentlichen das Verbot, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, um dadurch Adam und seine Nachkommenschaft an das oben dargestellte Ziel heranzuführen.Wir wissen nicht genau, wie lange diese Prüfungszeit hätte dauern sollen, aber wir wissen, dass sie zeitlich begrenzt gewesen wäre. Das Ziel, das mit dieser Prüfung verfolgt wurde, erfordert dies. Wäre die Prüfungszeit nie zu einem Ende gelangt, wäre das Leben niemals erlangt worden und die Absicht Gottes wäre ebenfalls nicht erreicht worden. Diese Schlussfolgerung ergibt sich auch daraus, dass Christus ebenfalls nur eine bestimmte Zeit lang geprüft wurde. Der konkrete Test, der bei dieser Prüfung angewandt wurde, kann als willkürlich betrachtet werden. Mit anderen Worten wurde durch diese Prüfung Adams Gehorsam auf die Probe gestellt, indem von ihm ein Gehorsamsakt gefordert wurde, der in keinster Weise durch die Adam innewohnenden moralischen Neigungen unterstützt wurde, obgleich sie nicht über Adams Verpflichtungen gegenüber dem Gesetz, das auf sein Herz geschrieben war, hinausgingen und diese in gewisser Weise umschlossen. Adam sollte nur deshalb gehorchen, weil Gott es von ihm forderte! Warum hieß der Baum der „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“? Die Erkenntnis von Gut und Böse bezeichnet in der Bibel Reife (5Mose 1,39; 2Sam 14,17.20; Jes 7,15-16), und in 1. Mose 2 kennzeichnet sie besonders moralische oder ethische Reife. Der Baum war das Mittel, das dazu dienen sollte, den Menschen aus der geistlichen Unreife zur geistlichen Reife zu führen. 1. Mose 3,22 macht deutlich, dass dieser Baum dazu bestimmt war, egal ob das Verbot eingehalten wurde oder nicht. Sei es zum Besseren oder zum Schlechteren, der Baum sollte in jedem Fall das Mittel zur ethischen Reife sein. Reife zum Bösen oder Reife in der Gerechtigkeit ergaben sich notwendigerweise aus dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen.
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C. Die Bedeutung der adamitischen Verwaltung

Diese Sichtweise hilft dabei, Gottes ursprüngliches Ziel mit der Schöpfung und insbesondere mit der Schöpfung des Menschen zu verstehen. Dieses Ziel bestand darin, den Menschen in den Stand des ewigen Lebens und der unwandelbaren Gerechtigkeit zu versetzen. Dies wiederum führt dazu, dass die Erlösung als die Wiederherstellung und Erlangung der ursprünglichen Schöpfungsabsicht durch das Werk Christi verstanden wird. Er vollbringt das, was der erste Adam nicht vollbracht hatte. Aus diesem Grund wird dem Werk Christi in der Bibel eine weltumfassende Bedeutung zugeschrieben. Gott gibt seine Schöpfungsabsicht nicht auf und verfolgt mit der Erlösung nicht plötzlich ein ganz anderes Ziel. (Dies würde implizieren, dass Gottes Ziel mit der Schöpfung vereitelt wurde.) Vielmehr erfüllt er die Schöpfungsabsicht durch einen zweiten Adam. Die Schöpfung, die Erde und die Menschheit werden in Christus erlöst. Das Ergebnis der Erlösung ist ein erlöstes Volk und eine erlöste Erde (Röm 8,19-23).Ferner hebt Christus als der letzte Adam die Folgen von Adams Versagen auf und besteht erfolgreich die Prüfung, wodurch er für sich und sein Volk ewiges Leben erlangt. Sein einmaliger Gehorsamsakt (Röm 5,12-21) kann als die passive Sühnung für die Sünde und die aktive Erlangung der Gerechtigkeit, d. h. das erfolgreiche Bestehen der Prüfung, betrachtet werden (vgl. 11,1). Der aktive und passive Gehorsam Christi sind folglich keine zwei unterschiedlichen Taten Christi oder eine Unterscheidung von Christi Werk in zwei Teile, sondern ein Gehorsamsakt, der aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln heraus betrachtet wird: Aus dem einen Blickwinkel sieht man auf die Besänftigung für das, was Adam getan hat (Leiden für die Sünde), und aus dem anderen Blickwinkel sieht man auf das Tun dessen, was Adam nicht getan hat (Erfüllung der gesamten Gerechtigkeit).
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II. Die biblische Lehre von der Sünde

Bei der Zusammenfassung der biblischen Lehre von der Sünde, soll uns das Bekenntnis leiten. Wir wollen grundsätzlich der Spur folgen, die oben durch die erste Gliederung angezeigt wurde. Die Art und Weise des Sündenfalls offenbart deutlich das Wesen oder die Definition der Sünde. Die erste Sünde bestand in der Übertretung des Gesetzes. Dem Bekenntnis zufolge verletzte Adam beim Sündenfall sowohl die allgemeinen Verpflichtungen des Gesetzes, die auf sein Herz geschrieben waren, als auch das besondere und eigens geoffenbarte Gebot bezüglich des Baumes. Dies legt die Definition sehr nahe, dass Sünde Auflehnung gegen das Gesetz Gottes ist, dessen Übertretung oder der Ungehorsam gegenüber Gottes Gesetz. Diese Annahme wird durch die übrige Heilige Schrift bestätigt (Röm 2,12-15; 4,15; 5,13; 1Joh 3,4). Daher ist die klassische Definition des Kleinen Westminster Katechismus vollkommen zutreffend: „Sünde ist der Mangel an Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz oder jede Übertretung desselben.“ (KWK 14). Diese Definition von Sünde bringt eine ganze Reihe praktischer Konsequenzen mit sich. Wenn Sünde (negativ beschrieben) die Übertretung des göttlichen Gesetzes ist, dann kann sie (positiv beschrieben) als „Autonomie“ bezeichnet werden, d. h. jemand ist oder will sein eigener Herr sein. Dabei maßt jemand er es sich an oder er strebt danach, nicht von Gott und Über den Fall des Menschen, über seinem Gesetz abhängig zu sein. Dabei muss es sich um keine bewusste Auflehnung gegen Gott handeln. Ich mag lediglich die vermessene Vorstellung haben, dass ich in allen Lebensbereichen das tun und lassen kann, was mir gerade gefällt, ohne dabei auf irgendeinen anderen Maßstab Rücksicht nehmen zu müssen als allein auf meine eigenen Wünsche. Die heute weit verbreitete Antipathie gegen das Gesetz und die antiautoritäre Haltung sind ihrem Wesen nach Sünde. Sünde ist das Verlangen danach, ohne den Bezug zu einer Autorität außerhalb von mir selbst leben zu wollen, sei es, dass die Autorität das Gesetz Gottes selbst ist oder die Gesetze der von ihm eingesetzten Repräsentanten in Staat, Gemeinde und Familie.
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II. Die biblische Lehre von der Sünde

Die moderne Vergötterung der Freiheit kommt der Anbetung dessen, was Sünde ausmacht, sehr nahe. Wenn die hier dargebotene Definition von Sünde richtig ist, dann kann eine andere populäre Definition von Sünde nicht richtig sein. Oft sagt man, dass Sünde folgendermaßen buchstabiert werden kann: „s-e-lb- s-t“. Ist Sünde Selbstliebe oder Selbstsucht? Nach Augustinus ist die selbstsüchtige, „hochmütige Auflehnung wider Gott die Wurzel aller Sünde“. Solche Meinungen beinhalten natürlich einen Kern von Wahrheit, aber sie sind so mehrdeutig und unklar, dass sie sowohl aus logischer als auch aus praktischen Überlegungen heraus die Sünde nur sehr schlecht definieren. Denn es gibt auch eine angemessene Selbstliebe. Die Bibel gebietet allen Menschen, dass sie ihren Nächsten lieben sollen wie sich selbst, und sie befiehlt den Ehemännern, ihre Frauen wie ihren eigenen Leib zu lieben, denn indem sie das tun, lieben sie sich selbst (Mt 22,39; Eph 5,28). Unser wahrstes und höchstes Selbstinteresse ist stets im Einklang mit Gottes Ehre. Definitionen, die Sünde als Selbstliebe definieren, treiben einen Keil zwischen Gottes Ehre und unser Wohl und führen folglich zur moralischen Verwirrung im Leben der Gläubigen. Sie rauben ihnen die biblischen Beweggründe zum rechten Handeln und zum Dienst gegenüber Gott. Die ganze Bibel bezeugt von vorn bis hinten die Tatsache, dass es uns im Diesseits gewöhnlich zu unserem Vorteil gereicht, wenn wir Gott dienen, und dass uns dies letztendlich immer von größtem Nutzen sein wird und somit ein Ausdruck wahrer Selbstliebe ist.
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II. Die biblische Lehre von der Sünde

Während es nicht unsinnig ist, davon zu sprechen, dass man bereit sei, zur Ehre Gottes zu sterben (Hiob 13,15), wäre es widersinnig, davon zu sprechen, dass man bereit sei, zur Ehre Gottes verdammt zu werden. Gott hat niemals von irgendjemandem verlangt, zu seiner Ehre verdammt zu werden. Diejenigen, die Gottes Ehre suchen, werden niemals verdammt werden und werden immer feststellen, dass es ihrem eigenen Interesse äußerst nützlich war. Die hier dargebotene Definition von Sünde wirkt befreiend. Das Gesetz Gottes ist das Gesetz der Freiheit (Ps 119,45; Jak 1,25; 2,12). Wenn nur die Übertretung von Gottes Gesetz Sünde ist, dann kann Sünde nicht die Übertretung dessen sein, was mein Bekannter denkt, und auch nicht die Selbstliebe. Wie befreiend ist dieses Verständnis für unser Gewissen! Ich habe nicht gesündigt, weil ich lediglich den Wunsch eines Bruders missachtet habe noch lediglich weil ich in meinem eigenen Interesse gehandelt habe. Es gibt einen Herrn und einen Gesetzgeber. Vor diesem Herrn und Meister allein muss ich mich verantworten (Jes 33,22; Röm 14,4; Jak 4,12). Die erste Folge des Sündenfalls, wie sie im Bekenntnis in Abschnitt 2 konkret beschrieben wird, ist die stellvertretende Sünde. Es handelt sich hier um die Vorstellung, dass alle diejenigen, die von Adam durch gewöhnliche Fortpflanzung abstammen, an seiner Sünde teilhaben. Als er sündigte, sündigten wir demnach in ihm. Diese Tatsache steht in klarem Widerspruch zur fleischlichen Weisheit. Dies lehrt uns nicht nur, dass wir grundsätzlich böse Menschen sind, sondern auch dass wir so geboren wurden und dass wir wegen der Taten anderer viele tausend Jahre vor unserer Geburt nun als böse Menschen geboren werden.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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II. Die biblische Lehre von der Sünde

Selbstverständlich erwartet man für eine derartige Lehre gute Beweise. Sie lässt sich folgendermaßen begründen: Erstens lehrt die Heilige Schrift ausdrücklich, dass wir in Adam gefallen sind (Röm 5,12-21;1Kor 15,20-22). Zweitens ist das stellvertretende Werk Christi von der Analogie mit der stellvertretenden Sünde Adams abhängig (Röm 5,14-21; 2Kor 5,14-21). Drittens findet man in der Heiligen Schrift viele Beispiele von Taten von Führern, welche sich stark auf das Leben derer ausgewirkt haben, die von ihnen beherrscht wurden. Eltern, Könige und Pastoren beeinflussen die ihnen untergebenen Personen sehr stark zum Guten oder zum Bösen. Auch wenn sie in vielfacher Hinsicht nicht gleich sind, sind diese Beziehungen doch gute Veranschaulichungen für die erste und vornehmste Stellung, die Adam als stellvertretendem Haupt anvertraut worden war. Viertens kann die biblische Lehre, dass die Menschen in Sünde empfangen und geboren werden, nur auf der Grundlage der Lehre begründet werden, dass wir an Adam teilhaben bzw. dass er stellvertretend für uns sündigte (Ps 51,6-7; Eph 2,1-3; 1Mose 8,21; Spr 22,15). Warum hat Gott bestimmt, dass Adam an unser aller Statt handeln soll? Einfach deshalb, weil es ihm so gefiel. Jemand mag sagen: „Aber das ist nicht fair!“ Dem müssen wir zuallererst erwidern: „Wer bist du, dass du Gott so etwas vorwerfen könntest?“ Zweitens können wir fragen: „Ist die Rechtfertigung allein aus Glauben und allein durch Christus fair?“ Die Rechtfertigung gründet sich auf genau dasselbe Prinzip der Teilhabe, dass einer für viele handelt. Ist das fair? Wenn es nicht fair ist, dass Adam für die ganze Menschheit steht, dann ist es auch nicht fair, dass Christus sich für uns verwendet. All dies bringt uns zum Thema der Erbsünde. Die biblische Grundlage dafür wurde im Beweis für die stellvertretende Sünde angeführt. Der einzige Punkt, der hier hervorgehoben werden soll, befasst sich mit der Aussage des Bekenntnisses, dass es eine zweifache Grundlage für die Übermittlung dieser Sünde, d. h. ihrer Schuld und ihrer Verdorbenheit, an uns gibt. Die Aussage: „Da sie der Anfang der Menschheit sind und durch Gottes Anordnung für und an Stelle der ganzen Menschheit stehen ...“ (6,3) hält fest, dass zwischen Adam und Christus sowohl ein organisches oder natürliches als auch eine rechtliches oder bündnismäßiges (föderales) Verhältnis besteht.
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Das Bekenntnis ist an dieser Stelle so weise, dass es nicht den Versuch unternimmt, dies noch genauer zu bestimmen. Weder leugnet es die rechtliche Beziehung, noch stellt es diese unter die natürliche Beziehung. Ebenso ordnet sie die organische Beziehung nicht der bündnismäßigen (föderalen) unter. Es bestimmt das Verhältnis einfach nicht näher, das zwischen diesen beiden Ursachen für die Stellung Adams als Haupt besteht. Die Bibel lehrt klar und deutlich, dass es beide Aspekte gibt, den organischen und den föderalen (Apg 17,26; Röm 5,18-19), aber dabei lässt es die Sache auch bewenden.Abschnitt 4 wurde in der Gliederung mit „die gegenwärtigen Sünden (oder Tatsünden)“ überschrieben. Mit dem Gebrauch dieses Ausdrucks soll hier nicht impliziert werden, dass die Ursünde keine echte Sünde sei, sondern dass wir es in diesem Abschnitt mit sündigen Taten und nicht mit dem sündigen Wesen zu tun haben. Das Bekenntnis macht in Abschnitt 5 sehr deutlich, dass das, was hier „ursprüngliche Verdorbenheit“ genannt wird, echte Sünde ist, ganz unabhängig von den Taten, die daraus hervorkommen mögen. Dies wird weiter unten belegt. In Abschnitt 4 werden zwei Feststellungen über die gegenwärtigen Tatsünden getroffen. Unsere „ursprüngliche Verdorbenheit“ wird als ihr Ursprung bezeichnet. Das bedeutet, dass wir nicht versehentlich sündigen, ganz im Gegensatz zu unserer grundsätzlich guten Gesinnung, sondern, dass wir sündigen, weil wir von Grund auf verdorben sind. Die gegenwärtigen Tatsünden sind nicht nur ein Versehen oder ein Unfall. Vielmehr sind sie der sichtbare Ausdruck unseres zutiefst bösen Herzens (Mt 7,17-20; 12,33-35; 15,18-20).
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Im Bild eines Apfels gesprochen: Die kleinen Druckstellen an der Oberfläche unseres Lebens sind nicht nur unbedeutende Schönheitsfehler an dem ansonsten guten Apfel. Sie sind vielmehr der Ausdruck dafür, dass die Frucht bis ins Kernhaus hinein verfault ist. Die zweite Tatsache, die über die gegenwärtigen Tatsünden festgehalten wird, betrifft die Atmosphäre, das Milieu, den Zusammenhang, in dem sie auftreten: vollkommene Unfähigkeit. Diese biblische Wahrheit wird in Kapitel 9 behandelt werden. Der letzte Abschnitt befasst sich mit der Realität der bleibenden Sünde, mit der Tatsache, dass die Sünde in jedem Gläubigen verbleibt. Im weiteren Verlauf wird zudem gesagt, dass diese ursprüngliche Verdorbenheit unseres Wesens wahrhaftig Sünde ist. Viele der Texte, die als Beleg für die Erbsünde dienen, lehren dies (Ps 51,6-7; Spr 22,15; Eph 2,3). Dies ergibt sich auch aus der Definition von Sünde, wie sie oben dargeboten wurde. Jeder Mangel an Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes ist Sünde. Archibald Alexander Hodge schreibt: „Von seinem Wesen her verlangt das Moralgesetz eine absolute Vollkommenheit des Charakters und der Gesinnung wie auch des Handelns …. Gott fordert von uns, dass wir sowohl heilig sind als dass wir auch recht handeln.“ Schließlich wird in der Bibel der Ausdruck „Fleisch“ häufig für die gefallene Natur des Menschen gebraucht.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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