Eine Erklärung zum bapt. Glaubensbekenntnis(1689) für heute.

Basiert auf "Biblische Lehre" - aber damit die Praxis nicht zu kurz kommt, ein Extra-Forum

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Jörg
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II. Die biblische Lehre von der Sünde

Es wird insbesondere als sündhaft bezeichnet (Röm 7,17-18.25; 8,3-13; Gal 5,17-24). Wenn unser verdorbenes Wesen sündhaft ist, dann ist damit natürlich auch seine „erste Regung“ sündhaft (1Mose 8,21; Spr 15,26; 21,4; Mt 5,27-28) In diesem Abschnitt geht es jedoch insbesondere darum, dass die Verdorbenheit der Gläubigen wirklich sündhaft ist. Dies wird wahrscheinlich gegenüber denen bekräftigt, die in der puritanischen Zeit als „Antinomisten“ bekannt waren. Eines ihrer Kennzeichen war, dass sie die Gnade so betonten und die Lehre von der Rechtfertigung so auslegten, dass damit geleugnet wurde, dass Christen sündigen oder ein sündiges Wesen besitzen. Die klassische Schriftstelle zu diesem Thema findet sich in 1. Johannes 1,8-10. Der allgemeine Textzusammenhang lehrt, dass Christen in ihrem Leben mit dem Gott Gemeinschaft haben, der Licht ist (Vers 5). Das bedeutet natürlich, dass sich ihr Leben grundlegend und praktisch vom Leben derer unterscheidet, die in der Finsternis wandeln (Vers 6). Es bedeutet aber auch, dass sie von einem aufrichtigen Umgang mit der in ihnen verbleibenden Sünde, wie sie ständig durch das Licht offenbar wird, in dem sie wandeln, gekennzeichnet sind (Vers 7-10). An dieser Stelle wendet sich Johannes insbesondere gegen die Aussagen von verchristlichten Gnostikern, den Antinomisten in seiner Zeit. Deren Befürworter behaupteten, über die Sünde erhaben zu sein. Johannes macht deutlich, dass derartige Aussagen an sich schon den unerlösten Zustand derer erkennen lassen, die sie von sich geben. Ein Kennzeichen wahren Christseins ist das anhaltende Sündenbekenntnis und die Reinigung von Sünde. Zwei Dinge zeigen deutlich, dass die Bedeutung dieser Verse für Christen nicht in Frage gestellt werden darf. Erstens werden die Aussagen in Vers 8-10 in der ersten Person Plural gemacht. Das Pronomen der ersten Person Plural („wir“ oder „uns“) wird in diesen drei Versen 13mal gebraucht.
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II. Die biblische Lehre von der Sünde

Da Johannes als ein Apostel Christi an Christen schreibt (1Joh 1,1-3), muss er sich folglich auf sich selbst, Johannes, und seine christlichen Leser beziehen. Zweitens sind die Feststellungen über das Sündenbekenntnis und die Reinigung von der Sünde in diesen Versen im Präsens gehalten. Sie sprechen also nicht von den Erfahrungen von Johannes und seinen christlichen Leser in der Vergangenheit, sondern von einer gegenwärtigen, andauernden Realität in ihrem Leben. Vers 9 könnte beispielsweise auch gut so übersetzt werden: „Wenn wir fortfahren, unsere Sünden zu bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns auch weiterhin die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ Ein letzter Punkt, der in diesem Abschnitt für uns von Interesse ist, besteht darin, dass Johannes sowohl die Behauptung verwirft, jemand sei ohne sündhaftes Wesen (Vers 8), als auch die Behauptung, jemand begehe keine sündigen Taten (Vers 10). Die übrige Heilige Schrift bestätigt die Lehre dieses Abschnitts (1Kön 8,46; Ps 130,3; 143,2; Spr 20,9; Pred 7,20; Röm 7,14-25; Jak 3,2). Somit bietet die Lehre dieses letzten Abschnitts einen wichtigen Schutz vor zwei Irrtümern: vor dem Perfektionismus und dem Pharisäismus. Sie zeigt, dass, auch wenn der Maßstab für das christliche Verhalten die Vollkommenheit bleibt (1Petr 1,15-16; 2,21-22; 1Joh 2,1), dennoch kein Christ in diesem Leben diesen Maßstab erreicht. Dies bewahrt den demütigen Christen vor der Gefahr, zu denken, nur weil er mit Sünde zu kämpfen hat, sei er ein Christ zweiter Klasse oder möglicherweise gar kein Christ. Dieser Abschnitt deckt aber auch den Pharisäismus auf, der sich auf die rein äußerliche Übereinstimmung mit Gottes Gesetz konzentriert und dadurch der Auseinandersetzung mit den Tiefen seiner eigenen Verdorbenheit entgehen will. Gottes Gesetz ordnet unser äußerliches Leben ebenso wie unsere innersten und grundlegendsten Beweggründe als auch die Taten, die daraus hervorgehen.
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7. Über Gottes Bund

1. Der Abstand zwischen Gott und dem Geschöpf ist so gewaltig, dass vernunftbegabte Geschöpfe, auch wenn sie ihm als ihrem Schöpfer Gehorsam schuldig sind, dennoch den Lohn des Lebens niemals anders als durch Gottes freiwillige Herablassung erlangen können. Es gefiel ihm, diese durch das Mittel des Bundes zum Ausdruck zu bringen.1
1. Hiob 35,7-8; Ps 113,5-6; Jes 40,13-16; Lk 17,5-10; Apg 17,24-25.


2. Nachdem sich der Mensch durch seinen Fall selbst unter den Fluch des Gesetzes gebracht hatte, gefiel es dem Herrn ferner, einen Bund der Gnade einzurichten, 1 in dem er Sündern Leben und Erlösung durch Jesus Christus frei anbietet. Er fordert von ihnen, dass sie an ihn glauben, um erlöst zu werden,2 und verspricht all denen, die zum ewigen Leben bestimmt sind, seinen Heiligen Geist, um sie zum Glauben willig und fähig zu machen.3
1. 1Mose 3,15; Ps 110,4 (verglichen mit Hebr 7,18-22; 10,12-18); Eph 2,12 (verglichen mit Röm 4,13-17 und Gal 3,18-22); Hebr 9,15.
2. Joh 3,16; Röm 10,6.9; Gal 3,11.
3. Hes 36,26-27; Joh 6,44-45.


3. Dieser Bund ist im Evangelium geoffenbart, zuerst an Adam in der Verheißung der Erlösung durch den Nachkommen der Frau und anschließend in weiteren Schritten, bis die völlige Enthüllung darüber im Neuen Testament abgeschlossen war.1 Dieser Bund beruht auf dem ewigen Bundesschluss, der zwischen dem Vater und dem Sohn über die Errettung der Erwählten bestand.2 Nur durch die Gnade dieses Bundes erhielt die ganze Nachkommenschaft des gefallenen Adam, die jemals errettet worden ist, Leben und selige Unsterblichkeit, da der Mensch jetzt in keinster Weise unter den Voraussetzungen, die Adam in seinem Stand der Unschuld besaß, von Gott angenommen werden kann.3
1. 1Mose 3,15; Röm 16,25-27; Eph 3,5; Tit 1,2; Hebr 1,1-2.
2. Ps 110,4; Eph 1,3-11; 2Tim 1,9.
3. Joh 8,56; Röm 4,1-25; Gal 3,18-22; Hebr 11,6.13.39-40.
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Jörg
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Gliederung des Kapitels

Abschnitt.1
I. Die grundsätzliche Notwendigkeit des Gnadenbundes

Abschnitt.2
II. Das grundlegende Wesen des Gnadenbundes
A. Seine universelle (allgemeingültige) Dimension
B. Seine eingeschränkte Dimension

Abschnitt.3
III. Die entscheidenden Merkmale des Gnadenbundes
A. Seine fortschreitende Offenbarung
B. Seine ewige Grundlegung
C. Sein Ausschließlichkeitsanspruch


Einleitung

A. Die theologische Berechtigung des „Gnadenbundes“

Wenn wir uns diesem Kapitel widmen, dann treffen wir auf ein Thema, das zum einen ein sehr schwieriges, gleichzeitig aber auch ein Thema von entscheidender Bedeutung ist. Etwas von der Schwierigkeit dieser Frage wird dadurch angedeutet, dass der Text im baptistischen Bekenntnis stark von dem des Westminster Bekenntnisses abweicht. An diesen weitreichenden Änderungen kann man ebenfalls erkennen, wie wichtig dieses Thema für Baptisten ist.Die dringlichsten Fragen, die sich uns bei der Auslegung dieses Kapitels stellen, stehen in engem Zusammenhang mit dem Ausdruck „Gnadenbund“. Fragen wie diese drängen sich uns auf: Gibt es einen „Gnadenbund“? Spricht die Bibel von einem „Gnadenbund“? Wenn ja, wo? Wenn nicht, ist diese Terminologie dennoch berechtigt? Solche Fragen sind von besonderer Dringlichkeit, denn in jüngster Zeit haben nicht wenige diese Ausdrucksweise als unbiblisch zurückgewiesen. Andererseits wird von einigen in der reformierten Lehrtradition die Ablehnung dieser Terminologie als eine ausreichende Grundlage dafür betrachtet, dispensationalistische Überzeugungen anzunehmen. Beim Versuch, diese Fragen zu beantworten und die biblische Grundlage für die Aussagen dieses Kapitels darzulegen, müssen wir einleitend auf die Bedeutung und Berechtigung dieser Terminologie eingehen. Es sind eine Reihe an Vorbemerkungen notwendig. Erstens müssen wir darauf achten, dass wir uns nicht lediglich über die Terminologie streiten. Entscheidend sind nicht in erster Linie die Worte, die wir gebrauchen, sondern ob wir in den damit verbundenen Vorstellungen übereinstimmen. Zweitens sollten wir uns davor hüten, nicht anmaßend und übereilt ehrwürdige theologische Konzepte zu verwerfen. Unsere Glaubensväter, sowohl Presbyterianer als auch Baptisten, hielten den „Gnadenbund“ für ein wichtiges theologisches Konzept, das sie in ihren Bekenntnissen festschrieben. Wir müssen Vorsicht walten lassen, bevor wir ihnen nicht zustimmen und diesen Ausdruck verwerfen. Drittens sollten wir nicht meinen, dass die Terminologie unwichtig sei. Die Worte, mit denen wir unsere Vorstellungen zum Ausdruck bringen, können die Wahrheit und unser Verständnis davon entweder in einer angemessenen Weise beschreiben oder für andere missverständlich sein.
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Jörg
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A. Die theologische Berechtigung des „Gnadenbundes“

Der „Gnadenbund“ wird in diesem Kapitel als Grundlage für die Errettung eines jeden Sünders seit dem Sündenfall Adams betrachtet. Dies ergibt sich aus der Aussage in Abschnitt 2, dass er nach dem Sündenfall Adams eingerichtet wurde. In Abschnitt 3 wird ausdrücklich behauptet: „Nur durch die Gnade dieses Bundes erhielt die ganze Nachkommenschaft des gefallenen Adam, die jemals errettet worden ist, Leben und selige Unsterblichkeit.“ (7,3). Die Bibel gebraucht jedoch niemals das Wort „Bund“, um von einem „Gnadenbund“ zu sprechen, der die gesamte Menschheitsgeschichte umschließt. Jedes Mal, wenn dieser Ausdruck im Blick auf einen göttlichen Bund in der Bibel gebraucht wird, bezieht er sich auf einen bestimmten Bund, den Gott in einer bestimmten historischen Epoche geschlossen hat. Keiner dieser Bünde kann einfach mit dem gleichgesetzt werden, was das Bekenntnis als „Gnadenbund“ bezeichnet. Presbyterianer haben oft so getan, als ob der Bund mit Abraham der Gnadenbund wäre, doch verkennt diese Gleichsetzung dessen typische Elemente und die Tatsache, dass er erst zu Lebzeiten Abrahams einsetzt und damit gerade nicht unmittelbar nach dem Sündenfall (vgl. Kapitel 29). Der Neue Bund wurde manchmal auch mit dem Gnadenbund gleichgesetzt. Im Bekenntnis heißt es denn auch, dass „die völlige Enthüllung“ des Gnadenbundes „im Neuen Testament abgeschlossen war“ (7,3). Jedoch kann nicht bestritten werden, dass der Neue Bund erst im Zusammenhang mit den Ereignissen des ersten Kommens Christi aufgerichtet wurde (Jer 31,31; Hebr 8,13). Daher ist es dringend notwendig, eine klare Unterscheidung zwischen dem Gnadenbund und den biblischen, göttlichen Bünden beizubehalten. Ohne Zweifel waren die Bundesschlüsse Gottes der Anlass, diese Terminologie zu gebrauchen, aber keiner dieser anderen Bünde sollte mit dem Gnadenbund gleichgesetzt werden. Diese unbestreitbare exegetische Tatsache wurde als Grund angeführt, um den Begriff „Gnadenbund“ völlig abzulehnen. Eine solche Ablehnung ist aber nicht gerechtfertigt. Es gibt auch andere hilfreiche theologische Begriffe (wie zum Beispiel „Dreieinigkeit / Trinität“ und „Irrtumslosigkeit“), die keiner ausdrücklichen biblischen Vorgabe folgen. Während man einwenden mag, dass es etwas verwirrend ist, einen biblischen Ausdruck zu verwenden, um damit etwas anderes zu beschreiben als das, was dieser in der Bibel bezeichnet, bleibt es dennoch dabei, dass sich der Begriff „Gnadenbund“ auf eine biblische Wahrheit bezieht.
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A. Die theologische Berechtigung des „Gnadenbundes“

Zudem bezieht er sich auf eine biblische Wahrheit, die aufs Engste mit den Bünden Gottes verwoben ist. Diese Wahrheit besagt, dass der Weg oder die Art und Weise der Errettung zu allen Zeiten in dieser Welt ein und dieselbe war und ist. An der Offenbarung dieses Heilswegs sind alle Bünde Gottes beteiligt. Sie waren seine historischen Verordnungen. Es wäre wünschenswert, dass es eine bessere Terminologie gäbe, um diese Wahrheit zu beschreiben. Jedoch hat es keine derartige Terminologie geschafft, zu allgemeiner Anerkennung zu gelangen oder es zu solch historischer Bedeutung zu bringen wie die Bezeichnung „Gnadenbund“. Im Folgenden sollen Belege für die biblische Wahrheit, die in diesem Ausdruck enthalten ist, angeführt werden. Die Begründung hierfür findet sich in der oben erwähnten Einheit der Bünde Gottes. Dieser Frage muss nun direkt nachgegangen werden, wobei wir die organische Einheit und die thematische Einheit der Bünde betrachten wollen. Die organische Einheit der Bünde beinhaltet, dass sie voneinander abhängen und der eine aus dem anderen hervorgeht. Die Bünde Gottes sind keine in sich abgeschlossenen Einheiten. Sie beschreiben alle verschieden Wachstumsphasen ein und derselben Pflanze. Der Bund mit Noah schafft den festen Rahmen, in dem die Erlösungsabsicht Gottes eingebettet ist, wie sie in den späteren Bünden weitergeführt wird (1Mose 8,20-9,7). Der mosaische Bund ist vom Bund mit Abraham innerlich abhängig. Die konkreten Verheißungen für den Bund mit Abraham (1Mose 12,1-3; 15,1-7.18-21; 17,1-8) erfüllten sich als Erstes im mosaischen Bund (2Mose 1,6-7; 2,23-25; 6,2-8; 5Mose 1,8-11). Gottes Erbarmen mit Israel gründete sich in dem Bund mit Abraham (Ex 32,12-13). Andererseits waren die Segnungen des abrahamitischen Bundes vom Gehorsam gegenüber dem mosaischen Bund abhängig (5Mose 7,12-13; 11,13-17). Die Segensverheißungen, die an diesen Stellen genannt werden, waren ursprünglich im abrahamitischen Bund verheißen worden, aber später waren sie von der Einhaltung des mosaischen Bundes abhängig. Dies zeigt, dass es nicht möglich ist, den Bund mit Abraham einen Gnadenbund und den mosaischen Bund einen Bund der Werke zu nennen! Die beiden können nicht voneinander getrennt werden. Der Bund mit David hat eine organische Verbindung zu den Bünden mit Abraham und Mose. 5. Mose 17,14-20 lehrt, dass die davidische Monarchie eng mit dem mosaischen und abrahamitischen Bund zusammenhängt. 1. Könige 2,2-4 lässt erkennen, dass Gehorsam gegenüber dem mosaischen Bund erforderlich war, um die Verheißungen an David zu erlangen. Auch der Neue Bund ist mit all den vorangehenden Bünden organisch verwoben (Hes 37,24-28; Lk 1,72-73; Apg 13,32-34; Hebr 8,10).
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A. Die theologische Berechtigung des „Gnadenbundes“

Die thematische Einheit der Bünde bezieht sich auf die Tatsache, dass sie letztendlich alle ein Thema oder eine Absicht haben. Der Text, der dies auf den Punkt bringt und zusammenfasst, ist Epheser 2,12, wo von den „Bündnisse[n] der Verheißung“ die Rede ist. Welche konkrete Verheißung Paulus vor Augen hat, mag nicht eindeutig klar sein, aber es ist klar, dass all die Bünde die Weiterentwicklung einer einzigen Verheißung waren und nicht von vielen Verheißungen. Diese thematische Einheit kann an dem Schlüsselbegriff oder Thema erkannt werden, das in den Bünden Gottes immer wieder auftaucht: „Ich werde euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein“ (1Mose 17,7-8; 2Mose 25,8; 6,6-7; 2Sam 7,14; 2Chr 23,16; Jer 31,33; Offb 21,3). Die Verheißung, die all diese Bünde enthalten, ist in Christus und im Neuen Bund erfüllt (Joh 1,14; Mt 1,22-23). Nun ist Gott in besonders deutlicher Weise unter den Menschen gegenwärtig. Der Bezug in Epheser 2,12 auf die „Bündnisse der Verheißung“ ist von entscheidender Bedeutung. Dies belegt, dass sich alle Bünde Gottes auf die Entfaltung der einen Verheißung des Heils beziehen. Wenn Paulus konkret an die Verheißung des Retters denkt, wie sie zum ersten Mal in 1. Mose 3,15 gegeben worden war, dann zeigt der folgende (sehr knappe) Überblick über die Bünde Gottes, in welchem Zusammenhang sie zu dieser Verheißung stehen. Der Bund mit Noah wurde aufgerichtet, um einen Rahmen zu schaffen, in dem die Schöpfung durch die allgemeine Gnade bis zur Erfüllung der Verheißung bewahrt wird. Der Bund mit Abraham begründet formal das Volk, aus welchem der verheißene Erlöser hervorkommen sollte. Der mosaische Bund bietet die notwendigen Regeln und Gesetze für dieses Volk, als es aufhörte, lediglich ein Familienverband zu sein, und zu einer Nation wurde. Indem Gott dies tat, offenbarte er auch vollständig das Wesen und die Notwendigkeit der Reaktion, die seinem Gnadenbund entgegengebracht werden muss. Im davidischen Bund wird Gottes Herrschaft über sein Volk genau beschrieben. Dadurch wurde auch die Abstammungslinie, aus welcher der Erlöser hervorgehen sollte, konkretisiert.
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A. Die theologische Berechtigung des „Gnadenbundes“

Im Neuen Bund kommt der Retter und führt das Erlösungswerk aus, wodurch er alle Anspielungen und Verheißungen der früheren Bünde zur Erfüllung bringt. Er begründet die letztendliche Gestalt der Bundesgemeinde. In alledem ist für uns der entscheidende Punkt, dass die Verheißung des Erlösers aufs Engste mit dem Weg oder der Art und Weise des Heils verknüpft ist. Heil geschieht durch die Verheißung, d. h. durch Gnade mittels des Glaubens an den kommenden Erlöser (hierzu ist die Auslegung zu Kapitel 20,1 zu beachten). Dieser alleinige Heilsweg war zu jedem Zeitpunkt in der menschlichen Geschichte wirksam und wurde schrittweise in ihr offenbart (Röm 4,13-17; Gal 3,18-22). Alle vorangehenden Bünde waren ein vorbereitendes Abbild. Ihre Wirksamkeit zum Heil ergab sich nur aus dem im Voraus wirksamen Werk Christi (Hebr 9,15). Dieses Werk Christi (das zu allen Zeiten die einzige Quelle des Heils darstellt) ist selbst in einer Bundesbeziehung zwischen Christus und Gott dem Vater verwurzelt. Es besteht ein Bund zwischen Gott, dem Vater, und Christus, dem Erlöser. Wie oben gezeigt wurde, ist ein Bund eine durch einen Schwur bekräftigte Verheißung, eine eidlich versicherte Zusage (5Mose 4,31; 7,12; Hosea 10,4; Hes 16,8; 17,13-19). Die Heilige Schrift lehrt in Psalm 110,4, dass Gott, der Vater, Christus die eidesstattliche Zusage gibt, dass er der priesterliche König seines Volkes zu ihrem Heil sein soll. Es fällt auf, dass Zitate oder Anspielungen auf diesen Psalm sehr häufig im Hebräerbrief vorkommen, der auch mehr als die Hälfte der neutestamentlichen Belegstellen für einen Bund enthält. Auf Grund dieses Bundes werden alle, die jemals gerettet werden, errettet. Dieser Bund zwischen Gott, dem Vater, und Christus, dem Erlöser, ist im Neuen Bund vollkommen offenbart (Hebr 7,18-22; 10,12-18. Es ist beachtenswert, wie in Vers 12-13 auf Psalm 110 angespielt wird und wie dies mit Jeremia 31 in Zusammenhang gebracht wird.). Der Priester von Psalm 110 ist der Priester des Neuen Bundes.
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A. Die theologische Berechtigung des „Gnadenbundes“

Das Blut des Neuen Bundes ist das Blut, das in dem Bund von Psalm 110,4 dargebracht wird. Folglich besteht eine äußerst enge Beziehung zwischen dem Heilsweg, dem Bund des Vaters mit Christus und dem Neuen Bund. Aus solchen exegetischen Überlegungen wie diesen heraus ist es ein ganz natürlicher Schritt hin zu dem theologischen Konzept eines einzigen Gnadenbundes, der für alle Zeiten gültig ist. Es scheint also angemessen zu sein, von einem einzigen Gnadenbund zu sprechen. Wenn allerdings dieser theologische Begriff gebraucht wird, muss sie in zweierlei Hinsicht sorgsam gehandhabt werden. Erstens muss die Unterscheidung zwischen den Bünden Gottes und dem Gnadenbund strengstens beibehalten werden. Zweitens muss, wenn aus diesem Konzept theologische Schlüsse gezogen werden, der Neue Bund die normative Offenbarung für unser Verständnis vom Gnadenbund bleiben. Die Aussage des baptistischen Bekenntnisses in Abschnitt 3 ist somit durch die oben gemachten Beobachtungen vollkommen gerechtfertigt: „Die völlige Enthüllung“ über den Gnadenbund war „im Neuen Testament abgeschlossen“ (7,3). Nur weil die Vertreter der Säuglingstaufe darauf bestehen, den Gnadenbund von den vorbereitenden und schattenhaften Bünden der alttestamentlichen Zeit her zu bestimmen, halten sie diesen für hilfreich, um damit die Säuglingstaufe zu verteidigen. Wenn wir aber verstanden haben, dass der Gnadenbund nur im Neuen Testament voll und klar geoffenbart ist, dann ist die Vorstellung, dass Säuglinge darin eingeschlossen sind, nicht haltbar. Diese organische und thematische Einheit der Bünde steht im krassen Gegensatz zu der populären dispensationalistischen Einteilung der Heiligen Schrift. Statt dass es unterschiedliche Haushaltungen mit unterschiedlichen Menschen als Volk Gottes und verschiedenen Prüfungen gibt, handelt es sich um eine fortschreitend offenbarte Heilsabsicht und um ein fortschreitend offenbartes Heilsvolk.
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B. Die unterschiedlichen Darstellungen des „Gnadenbundes“´

Bevor wir nun unsere Aufmerksamkeit auf die Darstellung des „Gnadenbundes“ richten, sollte der Unterschied zwischen der baptistischen und presbyterianischen Version dieses Kapitels verstanden worden sein. Die Gegenüberstellung der Gliederung des Bekenntnisses von 1689 und der des Westminster Bekenntnisses dient dazu, diesen Unterschied zu veranschaulichen

I. Die grundsätzliche Notwendigkeit des Gnadenbundes

Sowohl das Westminster Bekenntnis als auch das baptistische Glaubensbekenntnis von 1689 beginnen mit derselben Bemerkung und stimmen in ihrer Wortwahl weitgehend überein. Vollkommene Übereinstimmung besteht hinsichtlich der grundsätzlichen Notwendigkeit des Bundes. Beide Bekenntnisse begründen die Notwendigkeit des Bundes mit der Unterscheidung von Schöpfer und Geschöpf. Aus diesem Grund reicht die Notwendigkeit für einen Bund über die Sünde und Erlösung hinaus. Lukas 17,5-10 lehrt, dass Gott uns niemals etwas schuldig ist. Jesus sagt nicht, dass wir unnütze Sklaven sind, weil wir so sehr versagt haben. Er sagt, dass wir selbst dann unnütze Sklaven sind, wenn wir getan haben, was Gott uns befohlen hat. Folglich sollte das Verhalten derer, die Gott gehorsam sind, niemals von Stolz geprägt sein oder von der Haltung, dass Gott ihnen etwas schulde. Wenn es überhaupt so etwas geben sollte wie einen Lohn für unseren Gehorsam, dann muss ein Bund vorhanden sein. Gott muss sich seinerseits herabgeneigt haben. Eben gerade diese großartige Tatsache macht also Gottes Bund notwendig. Gottes Bund ist seine freiwillige Herablassung, um einen gnädigen Lohn zu entrichten.

Über Gottes Bund
Das Westminster Bekenntnis von 1647
Das Baptistische Glaubensbekenntnis von1689

Abschnitt 1 — „Der Bund“: Seine grundsätzliche Notwendigkeit
Abschnitt 1— „Der Gnadenbund“: seine grundsätzliche Notwendigkeit (Die Formulierung stimmt nahezu wörtlich mit dem ersten Abschnitt des Westminster Bekenntnisses überein.)

Abschnitt 2 — Sein erster Ausdruck — der „Bund der Werke“: sein Wesen
(Dieser Abschnitt wurde im Bekenntnis von 1689 gestrichen. Hierzu sind die Anmerkungen über den „Bund der Werke“ in Kapitel 6 zu beachten.)

Abschnitt 3 — Sein zweiter Ausdruck — „der Gnadenbund“: sein grundlegendes Wesen
Abschnitt 2— „Der Gnadenbund“: sein grundlegendes Wesen (Die Formulierung stimmt nahezu wörtlich mit dem dritten Abschnitt des Westminster Bekenntnisses überein.)

Abschnitt 4 — Sein testamentarisches Wesen
(Die Abschnitte 4-6 des Westminster Bekenntnisses wurden im Bekenntnis von 1689 gestrichen.)

Abschnitt 5-6 — Seine zweifache Verordnung
Abschnitt 3 — „Der Gnadenbund“: seine entscheidenden Merkmale (Dieser Abschnitt verläuft als Beschreibung der historischen Entfaltung des Gnadenbundes parallel zu den Abschnitten 5-6 des Westminster Bekenntnisses.)
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II. Das grundlegende Wesen des Gnadenbundes

Der Inhalt von Abschnitt 2 ist der Kern dessen, was das baptistische Glaubensbekenntnis über den Gnadenbund zu sagen hat. Die Definition des Gnadenbundes ist genau dieselbe wie die im Westminster Bekenntnis. Diese Definition besteht aus zwei Teilen. Erstens gibt es eine allgemeingültige Dimension. Diese beschreibt das freie und unterschiedslose Gnadenangebot des Evangeliums. Zweitens gibt es eine begrenzte Dimension. Diese ist nur für die Erwählten von Bedeutung. Der Gnadenbund hat folglich zwei Seiten: das Gnadenangebot und die Verheißung der Erneuerung. Er ist sowohl allgemeingültig als auch begrenzt. Er hat eine unterschiedslose Seite in seinem Heilsangebot. Er hat eine begrenzte Seite in seiner Verheißung, einige zum Glauben zu erneuern. Es ergeben sich verschiedene Probleme, wenn wir diese Definition mit der Heiligen Schrift vergleichen. Erstens ist diese Definition nicht die Definition eines biblischen Bundes. Es handelt sich, genau genommen, nicht einmal um eine Definition des Gnadenbundes. Vielmehr beschreibt diese Definition die Art und Weise, wie sich dieses Bundesverhältnis im Neuen Bund gestaltet.

Das Bekenntnis bietet die Antwort auf die Frage: „Wie bringt Gott Menschen aus dem Stand des Zornes heraus in den Stand der Gnade?“ Zweitens hat diese Definition hinsichtlich der beteiligten Bundesparteien Verwirrung gestiftet. Das Bekenntnis scheint zu bekräftigen, dass im Blick auf die unterschiedslose Dimension des Gnadenbundes alle Menschen als Bundespartner betrachtet werden sollen. Das Problem ist nur, dass die Heilige Schrift niemals behaupten würde, Gott habe in irgendeiner Weise mit seinen Feinden einen Bund geschlossen. Drittens ist die Aussage ungenau, dass Gott „all denen, die zum ewigen Leben bestimmt sind, seinen Heiligen Geist“ verspricht, „um sie zum Glauben willig und fähig zu machen.“ (7,2). An keiner Stelle in der Heiligen Schrift hat Gott unbekehrten Menschen die Verheißung gegeben, dass er sie bekehren würde. Eine derartige Verheißung gibt es nicht. Dies ist mit Sicherheit nicht Kernbestandteil seines Bundes.
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II. Das grundlegende Wesen des Gnadenbundes

Alle Heilszusagen in der Heiligen Schrift sind von der Erfüllung der Forderungen des Evangeliums abhängig. Selbstverständlich hat Gott beschlossen, den Erwählten bei der Wiedergeburt den Heiligen Geist zu geben, aber dies ist Teil seines geheimen Ratschlusses, nicht seines im Evangelium geoffenbarten Willens. Die Ungenauigkeit, die durch die Behauptung entsteht, es gebe eine Verheißung des Heiligen Geistes zur Wiedergeburt, ist dafür verantwortlich, dass sie zu ernsthaften Missverständnissen führen kann. Es wäre daher angebracht, davon zu sprechen, dass Gott den Heiligen Geist „bestimmt hat“, und nicht, dass er ihn „verspricht“, wie es im Bekenntnistext heißt. Mit diesen Bedenken klar vor Augen kann dennoch gesagt werden, dass die Definition des Bekenntnisses bezüglich der Art und Weise, die Gott festgesetzt hat, um die Bundesbeziehung aufzurichten, notwendig, ausgewogen und biblisch ist. Diese Art und Weise besitzt nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift in der Tat zwei Aspekte oder Dimensionen.

Die begrenzte Dimension, die Gottes souveräne Gnade bei der Erwählung und Berufung umschließt, wird in Kapitel 3 und 10 behandelt. In dem vorliegenden Kapitel wird die allgemeingültige Dimension besonders hervorgehoben. Während das Thema der allgemeinen Gnade bereits in Kapitel 3 angesprochen wurde, wird die Frage nach dem freien Heilsangebot durch das Evangelium am Ende dieses Kapitels thematisiert werden. Auch wenn man in manchen calvinistischen Kreisen Ausdrücke wie „freies Heilsangebot des Evangeliums“ oder „allgemeine Gnade“ für arminianisches Gedankengut hält, verwendet das Bekenntnis diese Bezeichnungen ohne Vorbehalte. Des Weiteren wird der Ausdruck „freies Angebot“ für nichts Geringeres als für die Definition des Gnadenbundes selbst gebraucht. Nichts könnte die Unausgewogenheit und den Radikalismus derer, welche die Leugnung des freien Heilsangebots zu einem Kennzeichen calvinistischer Rechtgläubigkeit erheben, deutlicher kennzeichnen. Sie sind von der historischen Hauptströmung reformierter Theologie abgewichen.
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III. Die entscheidenden Merkmale des Gnadenbundes

In Abschnitt 3 des baptistischen Bekenntnisses findet sich eine hervorragende Darstellung. Die Betonung des Westminster Bekenntnisses liegt auf der Einheit des Gnadenbundes. Nur seine äußerlichen Anordnungen oder Sakramente haben sich unter dem Evangelium geändert. Das baptistische Glaubensbekenntnis hingegen schränkt die Entwicklung des Gnadenbundes nicht künstlich auf die bloße Veränderung der äußerlichen Anordnungen oder Sakramente ein. Des Weiteren beschränkt sich die Darbietung der Offenbarung des Gnadenbundes nicht auf eine (etwas eng gefasste) zweifache Darstellung der Durchführung des Gnadenbundes im Alten und Neuen Bund. Vielmehr präsentiert es die Vorstellung einer fortschreitenden Offenbarung, die sich „zuerst an Adam“ wendet „und anschließend in weiteren Schritten“ voranschreitet, „bis die völlige Enthüllung“ des Gnadenbundes „im Neuen Testament abgeschlossen“ ist (7,3). Das Westminster Glaubensbekenntnis minimiert eher die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bünden Gottes und übergeht eher die Veränderungen der charakteristischen Merkmale in der Bundesgemeinde. Durch die Einbeziehung der Vorstellung einer fortschreitenden Offenbarung präsentiert die Darbietung des baptistischen Glaubensbekenntnisses eine ausgewogene Darstellung zwischen Einheit und Verschiedenheit und ein umfassenderes Verständnis von Gottes Bundesschlüssen.
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Zwei abschließende Studien

A. Die biblische Bedeutung von „Bund“

Das Wort „Bund“ ist eines der wichtigsten Wörter in der Bibel. Schon allein die Häufigkeit seines Vorkommens belegt dies. Das hebräische berith wird 287mal gebraucht. Diatheke, das griechische Wort dafür, wird 33mal verwendet. Die Bünde Gottes geben ferner einen Rahmen für die Heilsgeschichte vor und stellen selbst die grundlegende Struktur der Bibel dar. (Das Wort „Testament“ in den Bezeichnungen Altes und Neues Testament ist einfach eine andere Übersetzung für das Wort „Bund“ der biblischen Ursprachen.) Des Weiteren kommt das Heil im Rahmen eines Bundes zu uns (Lk 1,72; Jer 31,33-34). Schlussendlich ist auch die grundlegendste Institution des menschlichen Lebens, die Ehe, ein Bund (Spr 2,17; Mal 2,14). Folglich ist eine der grundlegendsten Fragen, die wir an die Bibel richten können: „Was ist ein Bund?“ Das deutsche Wort „Bund“ wird gewöhnlich als Pakt, Vertrag oder rechtliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien definiert.

Außerdem betrachtet man einen solchen Vertrag gewöhnlich als das Ergebnis von Verhandlungen oder einer gemeinsamen Diskussion. Beispielsweise verhandelt eine Gewerkschaft mit einer Firma, um zu einem Tarifabschluss oder Bündnis zu kommen. Dieses populäre Verständnis des Wortes hat die theologischen Vorstellungen stark beeinflusst. Viele der frühen Bundestheologen bedienten sich dieser Vorstellung. Diese Bundeskonzeption beinhaltet jedoch Elemente, welche auf die Auseinandersetzung mit der biblischen Bedeutung von Bund leicht und häufig verzerrende Auswirkungen hatten. In der Bibel ist ein göttlicher Bund niemals ein Pakt, der aus Verhandlungen und gemeinsamen Diskussionen hervorging. Während das Verständnis davon, dass es sich bei einem Bund um einen Vertrag handelt, nicht völlig verkehrt ist, ist die Vorstellung, dass es sich um einen Pakt handelt, der aus einer gemeinsamen Diskussion heraus geschlossen wird, falsch. Ein göttlicher Bund ist immer eine unilaterale, einseitige Verpflichtung.

Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

Jörg
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Beitrag von Jörg »

Es folgen mehrere Hinweise für diese Bedeutung:

1. Der erste Bund Gottes, der in der Bibel erwähnt wird, der Bund mit Noah (1Mose 6,18; 9,8-17), ist hinsichtlich seiner Verpflichtungen eindeutig unilateral. Einige Dinge in diesen Versen, die darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Bund um eine unilaterale Vereinbarung handelt, sind: die wiederholte Erwähnung des „ich will aufrichten“; das Zeichen des Bundes, das Gott allmächtig und ungezwungen zusichert; die Tatsache, dass der Bund allen Lebewesen auf der Erde gilt, sowohl den Menschen als auch den Tieren; und schließlich die Tatsache, dass keine ausdrücklichen Bundesbedingungen genannt werden.

2. In Jeremia 33,20.25 benennt dieser Ausdruck die unveränderlichen Gesetze der Schöpfung.

3. Der Begriff „Bund“ wird auch synonym zu Anordnung, Gesetz oder Vorschrift gebraucht (3Mose 26,15; Jos 7,11; 24,25; Ri 2,20; 1Kön 11,11; 2Kön 17,15; 1Chr 16,15-17).

4. Im klassischen Griechischen gibt es ein Wort, das insbesondere einen Vertrag zwischen zwei Parteien bezeichnet (syntheke), aber das Wort diatheke (das auch oft für den letzten Willen, das Testament oder das Vermächtnis von Gütern gebraucht wird) wird durchweg im Neuen Testament verwendet, um das Bundesverhältnis zu beschreiben (Hebr 9,16-17).

5. Insbesondere der mosaische Bund gleicht seiner Form nach offensichtlich sehr stark den zu jener Zeit (1200-1400 v. Chr.) im Nahen Osten üblichen Verträgen, die siegreiche Könige den eroberten Völkern aufoktroyierten. Die sogenannten Vasallenverträge oder Lehenverhältnisse besitzen eindeutig den Charakter einer unilateralen Verpflichtung und nicht die eines ausgehandelten Vertrags.

6. Selbst von Menschen geschlossene Bünde sind in der Bibel keine Übereinkünfte oder Verträge, sondern besitzen einen stark einseitigen Charakter (1Sam 18,3; 20,8). Es handelt sich also eher um Verpflichtungen als um Verträge.
Wer sich nur nach dem, was er fühlt, richtet, der verliert Christus. (Martin Luther)

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