Hallo Till,
du schriebst:
Hi Martin,
Tatsaechlich ist diese Sicht sehr, sehr weit verbreitet. Die wenigsten sind sich dabei bewusst, dass sie sich mit dieser Sicht aber nicht auf das Sola Scriptura der Reformatoren berufen koennen. Das delegimitiert die Sicht des solo Scriptura erst mal nicht, aber es ist einfach eine Tatsache, die man wissen sollte. Und dann sollte man sich bewusst machen, was das eigentlich bedeutet, solo scriptura. Welches Risiko das ist. Was es bedeutet wenn man wie du sagt: "Alles nach 150 nach Christus ist nicht verwertbar" Wer diese Sichtweise konsequent durchzieht, muss auch den Kanon der NT Schriften verwerfen. Womit Solo Scriptura sich dann ad absurdum fuehrt. Er muss die trinitarischen und christologischen Dogmenbestimmungen der oekumenischen Konzile verwerfen. Deine Sichtweise konsequent durchgefuehrt waere das Ende des Christentums.
Zu guter letzt sollte man das Prinzip von solo scriptura auf das Prinzip selber anwenden. Wo ist solo scriptura in der Schrift definiert und beschrieben?
Viele Gruesse,
Till
Ich sehe die Schaffung der Bibel als Wirken Gottes, des Hl. Geistes. Sie ist ein Kanon, den zwar Menschen schrieben und zusammenfassten, wohl aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern durch Führung Gottes. Daher sehe ich in diesem Kanon eine hervorgehobene Stellung gegenüber allen anderen Schriften und Äußerungen, die letztlich auch von allen Kirchenvätern, der frühen Kirche und auch späteren Zeiten anerkannt wurde. Man sieht diesen Kanon als "Wort Gottes". Entsprechend beziehen die frühen Schriften sich auf diesen Kanon und stellen diesen als Grundlage dar.
Nun finden wir aber beim Studium der frühen Schriften Veränderungen in der Ausübung des Glaubens. Wir finden die Bildung von Hierarchien, Gebräuchen, Riten, die die Bibel nicht kennt. Es bildet sich das Papsttum heraus, der Klerus, das Zölibat, die Marienverehrung, die Veränderung der Taufe von der Glaubenstaufe zur Sakramentstaufe ....
All diese Dinge stehen teils völlig konträr zu dem, was die Bibel lehrt und sagt. Die Begründung dieser Lehren finden wir zumeist eben nicht in de Bibel sondern in der Aufwertung von Tradition und apostolischer Sukzession. Allein diese 2 Dinge bilden die eigentliche Grundlage für diese sogenannten "Irrtümer der kath. Kirche".
Nun, heute, über 1900 Jahre danach stellt sich die Frage, wie man das einzuordnen hat. Entweder gehe ich auf Tradition und Sukzessionslehre, komme aber dann dahin, diese der Bibel widersprechenden Irrtümer als richtig zu bezeichnen. Das kann ich nicht und ist nicht haltbar. Die Abweichungen zur Bibel sind so krass, dass es da keine Diskussion gibt.
Oder ist gehe davon aus, dass die Bibel die wahre Lehre beinhaltet und in den frühchristlichen Schriften noch vieles davon als direktes apostolisches Erbe erhalten hat. Dann ist zu klären, wann denn diese Modifikation eintrat und die ist m.E. um 150n Chr., in Teilen auch schon früher zu finden.
Man könnte alternativ auch jegliche dieser frühen Schriften ablehnen und nur die Bibel nehmen. Das aber würde die Gefahr bedeuten, dass wir etwas hineininterpretieren, was damals schlicht nicht Lehre war. Daher nehme ich sehr gerne diese frühen Schriften zur Kontrolle, ob jene auch das damals schon so sahen.
Im Übrigen: Was Luther mit dem "Sola Scriptum" meinte, ist mir nicht verbindlich und relevant. Er hat vieles Gutes bewirkt, ging aber in vielen Punkten nicht weit genug in der Konsequenz (bzw. war es damals nicht möglich). Luther hinsichtlich der Bibel so absolut zu setzen wäre so, als die Demokratievorstellung früher Demokraten absolut zu setzen. Heute würden solche Leute wohl Erzkonservativ oder fast monarchistisch genannt werden.
Martin