Institutio, II, 15, 6
... soll uns also der Hohepriester Gottes Wohlgefallen erwerben, seine Zorn stillen, so muß er versöhnend ins Mittel treten.
...
Denn wir oder auch unsere Gebete haben ja keinen Zugang zu Gott, wenn nicht Christus als Hoherpriester unsere Sünden abwäscht und uns heiligt, für uns die Gnade erwirkt, von der uns sonst die Unreinigkeit unserer Übeltaten und Laster fernhält! Bei dem Tode Christi müssen wir also anheben, wenn die Wirkung und der Segen seines priesterlichen Amtes zu uns kommen soll.
Institutio, II, 15, 6 endet mit folgendem Satz:
Um so entsetzlicher ist es aber, wenn sich Menschen in ihrem Dünkel mit Christi Priesteramt nicht zufrieden geben wollen und sich dann selbst in törichter Einbildung alle Tage vermessen, ihn neu zu opfern; dies versucht man heutzutage im Papsttum, wo die Messe als Opferung Christi gilt!
Es ist immer schwierig, Zitate aus dem Zusammenhang zu nehmen. Ich sehe mich keineswegs im Widerspruch zu diesem Kapitel aus Buch II.
Calvin beschreibt sehr eindringlich die Wirkung des Hohenpriesterlichen Amtes.
Wenn dann aber im Buch IV von den Ämtern die Rede ist, kann ich bei Calvin keine Aussage zum „allgemeinen Priesteramt“ finden.
Der Hohepriester opfert heute nicht mehr, um Sünden wegzunehmen.
Calvin sagt deutlich, daß Christus als Hoherpriester unsere Sünden abwäscht.
Der Hebräerbrief behauptet an keiner Stelle, daß Jesus Christus als Hoherpriester ständig mit Opfern beschäftigt ist oder opfert.
Im Alten Bund musste der Hohepriester zuerst für sich selber opfern und hat dann ein Schlachtopfer für die Sünden des Volkes dargebracht. Als er dieses Amt beendet hat, ist er wieder aus dem Heiligtum gegangen, um das ganze Prozedere im Folgejahr zu wiederholen.
2. Kor. 5,20 : So sind wir nun Gesandte für Christum, als ob Gott durch uns ermahnte; wir bitten an Christi Statt: Laßt euch versöhnen mit Gott!
Diese Aussage hätte keinen Wert, wenn es den Dienst der Versöhnung nicht gebe. Christus ist mit seinem Blut einmalig zu Amtsbeginn in das Heiligtum eingegangen und ist heute dort, um sein Hohepriesterliches Amt auszuführen. Das sieht Calvin nicht anders.
Jesus Christus hat sich selbst als Opfer dargebracht. Das ist der gravierende Unterschied zum Alten Bund. Dieses Schlachtopfer ist vollkommen, wozu sind dann weitere Schlachtopfer nötig? Ich kann mich in Röm. 12 nicht als Schlachtopfer ansehen. Der Ausdruck darstellen impliziert immer ein anderes Opfer, daß an unserer Statt geopfert wird und das ist das vollkommene Opfer Christi. Paulus argumentiert als Jude. Du kannst „darstellen“ nicht aus dem Schlachtopferkontext reißen. Es ist auch nicht schlüssig, warum das Opfer seine Wirkung nur während eines Opfervorgangs entfaltet, daß ist der Zirkelschluss zu Röm. 12,1, dieses Schlüsselverses, den Du zitierst, aber nicht auslegst.
Ich setze nur die 5 Punkte des Calvinismus konsequent um. Wenn wir schon unfähig sind, ohne die Gnade Gottes zum Glauben zu kommen, dann sind wir auch unfähig ohne die Hilfe des Hohenpriesterlichen Amtes im Glauben zu bestehen und zu bleiben. Raus mit allem Fleisch aus der Hütte (3. Mose 16, 17). Calvin legt dies eindrücklich aus. Das ist unser Trost, daß Christus dort ist und wir in ihm Teilhaber der Gnade sein dürfen.
Ich möchte mit versöhnlichen Worten abschließen. Ich denke, wir sind uns darin einig, daß wir ohne das Opfer Jesu Christi vom ewigen Leben ausgeschlossen sind. Wir nehmen beide unseren Glauben ernst, sonst würden wir unsere unterschiedlichen Standpunkte nicht verteidigen. Darin sehe ich auch nichts dramatisches. Wenn Dir Deine Sicht dazu verhilft, Deinen Glauben in Ernsthaftigkeit zu leben, dann ist mir das viel lieber, als die vielen indifferenten „Frömmigkeitsstile“. Ich bin durch eine mir unendlich wichtige Predigtreihe über das „Hohepriesterliche Amt Christi“ geprägt. Selbstverständlich nehme ich auch meine Pflichten als Christ wahr und auch im Sinne von Paulus (Röm. 15,16) wie einen priesterlichen Dienst, aber ich habe nichts ohne die Mittlerstellung Christi.
Wie schreibt Calvin:
... Nun trägt also Christus das Priesteramt, ... , um uns der gleichen Würde mit teilhaftig zu machen.
Ja, Er läßt uns daran teilhaben, aber überträgt seine Macht und Herrlichkeit und Würde nicht in dem Sinne auf uns, daß wir selber etwas in uns sind.
Ralf